Leitsatz (amtlich)
Auch nach dem Inkrafttreten des ÄndG ArbKrankhG und der dadurch verlängerten Bezugsdauer des Krankengeldes (RVO § 183 Abs 2) endet in den Fällen des RVO § 214 Abs 1 der Anspruch auf Krankengeld gemäß RAM-Erl 1943-11-02 Abschn 1 Nr 5 (AN 1943, 485) spätestens 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist des RVO § 214 Abs 1.
Normenkette
RVO § 214 Abs. 1 Fassung: 1943-11-02, § 183 Abs. 2 Fassung: 1961-07-12; RAMErl 1943-11-02 Abschn. 1 Nr. 5
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, wie lange dem Kläger nach § 213 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) Krankengeld zusteht.
Der Kläger, der am 8. Juli 1961 wegen Erwerbslosigkeit aus der Pflichtversicherung bei der Beklagten ausgeschieden und am 17. Juli 1961 arbeitsunfähig erkrankt war, beansprucht Krankengeld für insgesamt 78 Wochen. Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) nahm jedoch an, dem Kläger stehe nur ein Anspruch auf längstens 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 214 Abs. 1 RVO zu und lehnte demzufolge durch Bescheid vom 29. Mai 1962 und Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1962 den Antrag des Klägers auf Weiterzahlung von Krankengeld über den 3. Mai 1962 hinaus ab, nachdem er bereits bis zu diesem Zeitpunkt Krankengeld bezogen hatte. Die Beklagte berief sich hierbei auf Abschn. I Nr. 5 des Erlasses des Reichsarbeitsministers (RAM) über Verbesserungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 2. November 1943 (AN 1943 S. 485), wonach die Krankenhilfe in den Fällen des § 214 RVO spätestens 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist endet.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 214 Abs. 1 RVO verbleibe den wegen Erwerbslosigkeit ausgeschiedenen Versicherten der Anspruch auf die Regelleistungen der Kasse, wenn der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden eintrete. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien erfüllt. Zu den Regelleistungen gehöre nach § 179 RVO die Krankenhilfe, die nach § 182 Abs. 1 RVO auch das Krankengeld umfasse. Dieses ende daher nach dem genannten Erlaß spätestens 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist des § 214 Abs. 1 RVO. Die Beschränkung der Krankenhilfe durch diesen Erlaß sei auch nicht durch die Verlängerung des Anspruchs auf Krankengeld durch das Leistungsverbesserungsgesetz vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) aufgehoben oder gegenstandslos geworden. Der Krankengeldanspruch könne nicht unabhängig von dem Anspruch auf Krankenpflege beurteilt werden. Dieser ende in den Fällen des Eintritts des Versicherungsfalles während der Mitgliedschaft nach der aus dem Erlaß vom 2. November 1943 übernommenen Regelung des § 183 Abs. 1 RVO spätestens 26 Wochen nach dem Ausscheiden aus der Versicherung. In den Fällen des § 214 RVO trete die Beendigung des Anspruchs auf Krankenpflege weiterhin spätestens 26 Wochen nach Ablauf der genannten Dreiwochenfrist ein. Es wäre aber nicht sinnvoll, einem nach § 214 RVO Anspruchsberechtigten allein das Krankengeld darüber hinaus bis zu 78 Wochen zuzubilligen. Der Krankengeldanspruch müsse sich vielmehr mit dem Anspruch auf Krankenpflege decken und demgemäß, entsprechend dem Erlaß vom 2. November 1943, mit Ablauf von 26 Wochen enden. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er trägt vor, der Erlaß des RAM vom 2. November 1943 habe zwar noch Gültigkeit, jedoch sei die Vorschrift, daß in den Fällen des § 214 Abs. 1 RVO die Krankenhilfe spätestens 26 Wochen nach dem Ablauf der Dreiwochenfrist ende, nicht mehr anwendbar. Das Leistungsverbesserungsgesetz von 1961 habe beim Krankengeld den Regelanspruch auf 78 Wochen erhöht. In der entsprechenden Vorschrift des § 183 Abs. 2 RVO sei die Krankengeldzahlung für alle Fälle einheitlich geregelt, so daß § 183 RVO insoweit die Nr. 5 des Erlasses von 1943 außer Kraft setze.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1965 und des SG Köln vom 18. Dezember 1962 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Mai 1962 und 20. Juni 1962 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 3. Mai 1962 hinaus für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 214 Abs. 1 RVO verbleibt Versicherten, die wegen Erwerbslosigkeit ausscheiden ..., der Anspruch auf die Regelleistungen der Kasse, wenn der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden eintritt. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger erfüllt, da er am 8. Juli 1961 wegen Erwerbslosigkeit ausgeschieden und am 17. Juli 1961 arbeitsunfähig erkrankt ist. Über die Dauer des Krankengeldes sagt § 214 RVO nichts. Hierzu ist Abschn. I Nr. 5 des Erlasses des RAM vom 2. November 1943 (AN 1943 S. 485) ergangen, wonach in den Fällen des § 214 Abs. 1 RVO die Krankenhilfe spätestens 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist endet. Zur Krankenhilfe gehört nach § 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO auch das Krankengeld. Dieser Erlaß ist gültig zustandegekommen, wie in Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend angenommen wird. Desgleichen wird auch seine Weitergeltung nicht bezweifelt (vgl. BSG 9, 112, insbesondere 122 ff; BSG 18, 241, SozR SGG § 160 Nr. 4 und SozR Erlaß vom 2. November 1943 Nr. 4 und 5).
An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 183 RVO über die Dauer des Krankengeldes durch das genannte Leistungsverbesserungsgesetz nichts geändert. § 183 Abs. 2 RVO nF regelt die Bezugsdauer nur des Krankengeldes, Abschn. I Nr. 5 des Erlasses von 1943 hingegen für die Fälle des § 214 Abs. 1 RVO die Dauer der Krankenhilfe, die neben dem Krankengeld auch die Krankenpflege umfaßt (vgl. § 182 Abs. 1 RVO). Die allgemeine Regelung der Dauer der Krankenpflege findet sich aber in § 183 Abs. 1 RVO; hiernach endet die Krankenpflege spätestens 26 Wochen nach dem Ausscheiden aus der Versicherung. Wäre man der Auffassung, der neugefaßte § 183 RVO hätte Abschn. I Nr. 5 des Erlasses von 1943 inhaltlich umgestaltet, so müßte die bisher in den Fällen des § 214 Abs. 1 RVO einheitliche Regelung der Dauer der Krankenhilfe nunmehr aufgespalten in Krankenpflege - mit einer Bezugsdauer von 26 Wochen nach dem Ausscheiden - und Krankengeld - nach § 183 Abs. 2 RVO grundsätzlich zeitlich unbegrenzt - verstanden werden.
Eine solche Aufgliederung der Krankenhilfe in den Fällen des § 214 Abs. 1 RVO mit unterschiedlicher Bezugsdauer der darunter fallenden Leistungen wäre aber mit Sinn und Zweck des Abschn. I Nr. 5 des Erlasses von 1943 unvereinbar. Wie der Zusammenhang zeigt, ist diese Bestimmung eine Spezialregelung für den von § 214 Abs. 1 RVO erfaßten Personenkreis, die losgelöst von den allgemeinen Regelungen für die Bezugsdauer von Krankenpflege und Krankengeld die Dauer der Krankenhilfe für diese Versichertengruppe einheitlich begrenzt. Für die Fälle des § 214 Abs. 1 RVO wird nämlich weder die allgemeine Regelung der Krankenpflege (vgl. Abschn. I Nr. 1 Satz 2 des Erlasses) noch des Krankengelds (vgl. Abschn. I Nr. 2 Buchst. a und c des Erlasses) unverändert übernommen, sondern eine eigenständige Sonderregelung getroffen. Offenbar liegt dem die Erwägung zugrunde, daß in diesen - im Grunde "versicherungsfremden" - Fällen eine strengere Regelung der Bezugsdauer insbesondere der die Krankenkassen besonders belastenden Leistungsverpflichtungen wie Krankengeld und Krankenpflege geboten ist. Demnach ist Abschn. I Nr. 5 des Erlasses von 1943 durch die Neufassung des § 183 RVO nicht berührt.
Da der Kläger schon für eine längere Zeit Krankengeld erhalten hat als bis zum Ablauf von 26 Wochen nach Ablauf der Dreiwochenfrist, muß seine Revision zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen