Leitsatz (amtlich)
1. Zu dem Rechtsstreit einer bundesunmittelbaren Krankenkasse gegen den Bund, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, wegen einer Aufsichtsanordnung ist der Bund, vertreten durch den Bundesrechnungshof, beizuladen, wenn durch die angefochtene Aufsichtsanordnung eine Verpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Bundesrechnungshof geregelt ist.
2. Der Bund gibt Zuschüsse iS des § 112 Abs 1 S 1 BHO, indem er nach § 362 Abs 1 RVO bei seinen Betriebskrankenkassen auf seine Kosten die erforderlichen Personen bestellt. Das gilt auch für die Betriebskrankenkasse der Deutschen Bundespost.
3. Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof nach dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit erstreckt sich auch bei einem nur der Rechtsaufsicht unterliegenden Rechtsträger auf den Ermessensbereich.
4. Die Krankenkasse kann von der Rechtsaufsichtsbehörde (Bundesversicherungsamt) auf Ersuchen der Prüfungsbehörde (Bundesrechnungshof) gezwungen werden, letzterer auch in Ermessensangelegenheiten Auskunft zu erteilen und sich zu den Prüfungsmitteilungen zu äußern. Sie kann jedoch nicht gezwungen werden, sich dafür zu rechtfertigen, daß sie bestimmten Beanstandungen im Ermessensbereich nicht gefolgt ist.
Normenkette
RVO § 362 Abs 1 Fassung: 1930-07-26, § 342 Abs 2 Fassung: 1930-07-26; SGB 4 § 89 Abs 1 S 2 Fassung: 1976-12-23; SGB 4 § 29 Fassung: 1976-12-23; SGB 4 § 87 Fassung: 1976-12-23; BHO § 91 Abs 2, § 111 Abs 1 S 1, § 112 Abs 1 S 1, § 113; GG Art 114 Fassung: 1949-05-23; SGG § 75 Abs 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 24.06.1980; Aktenzeichen S 15 A 1137/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die klagende Bundespostbetriebskrankenkasse durch das Bundesaufsichtsamt verpflichtet werden kann, sich gegenüber dem Bundesrechnungshof zu dessen Prüfmitteilungen zu äußern.
Der Bundesrechnungshof überprüfte im Jahre 1976 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin, einer bundesunmittelbaren Krankenkasse. Seine Prüfungsmitteilungen übersandte er der Klägerin mit der Bitte um Äußerung nach § 96 Abs 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO). Die Klägerin erklärte durch Übersendung der Niederschrift über eine Vorstandssitzung, sie sehe von einer Äußerung ab, weil der Bundesrechnungshof nicht befugt sei, sie zu überprüfen. Die Voraussetzungen des § 112 Abs 1 Satz 1 BHO, der die Prüfung bundesunmittelbarer Träger der gesetzlichen Krankenkassen nur zulasse, wenn sie vom Bund Zuschüsse erhalten oder wenn eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist, seien nicht erfüllt.
Hierauf verpflichtete das Bundesversicherungsamt die Klägerin mit der hier streitigen Aufsichtsanordnung vom 27. März 1979 nach § 89 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4), zu den Prüfbemerkungen des Bundesrechnungshofs schriftlich umfassend und substantiiert Stellung zu nehmen.
Dem ist die Klägerin mit der Klage entgegengetreten. Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Der beigeladene Bundesrechnungshof sei nach beiden Alternativen des § 112 Abs 1 Satz 1 BHO prüfungsbefugt. Nach § 362 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei der Arbeitgeber - hier der Bund - verpflichtet, der Betriebskrankenkasse (BKK) auf seine Kosten das für die Geschäftsführung notwendige Personal unentgeltlich zu stellen. Das seien Zuschüsse des Bundes aufgrund eines Bundesgesetzes iS des § 112 Abs 1 1. Alternative BHO. Die nach § 390 RVO bestehende Verpflichtung des Arbeitgebers, im Notfall Beihilfen zu zahlen, sei eine Gewährleistungspflicht iS des § 112 Abs 1 Satz 1 2. Alternative BHO. Zur Äußerung nach § 96 Abs 1 Satz 1 BHO sei die Klägerin nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Da der Bundesrechnungshof über keine Zwangsmittel verfüge, müsse die Beklagte mit ihrem Aufsichtsrecht eintreten (Urteil vom 24. Juni 1980).
Die Klägerin hat mit Zustimmung der Beklagten die vom SG nachträglich zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 87 Abs 1, 89 Abs 1 Satz 2 SGB 4 und der §§ 96 Abs 1 Satz 1, 111, 112 Abs 1 Satz 1 BHO.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom
24. Juni 1980 und den Bescheid der Beklagten vom
27. März 1979 aufzuheben.
Die Bundesrepublik Deutschland beantragt sowohl als Beklagte (Bundesversicherungsamt) als auch als Beigeladene (Bundesrechnungshof),
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland, gesetzlich vertreten durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs, ist rechtmäßig. Dem steht nicht entgegen, daß die Bundesrepublik schon als Beklagte, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, am Verfahren beteiligt ist. Zwar ist es im allgemeinen nicht zulässig, daß ein und derselbe Rechtsträger - hier die Bundesrepublik - in einem gerichtlichen Verfahren in zwei prozessualen Rollen auftritt (vgl Kisker, Juristische Schulung, 1975, 704). Insbesondere ist es grundsätzlich nicht zulässig, daß Streitigkeiten innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers durch Insichprozeß ausgetragen werden. Völlig ausgeschlossen ist dies aber nicht. Es ist dann nicht ausgeschlossen, wenn der öffentlich-rechtliche Rechtsträger durch zwei Behörden zwei Funktionen auszuüben hat, die nicht durch eine gemeinsame vorgesetzte Behörde verbindlich koordiniert werden können. Wo ein übergeordneter Wille fehlt, ist ein Insichprozeß möglich (vgl Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl § 77 II h 2).
So liegt der Fall hier: Die Bundesregierung, die beiden die Bundesrepublik vertretenden Behörden - Bundesrechnungshof und Bundesversicherungsamt - vorgesetzt ist, darf dem Bundesrechnungshof auf dem hier maßgeblichen Rechtsgebiet keine Weisungen erteilen. Das folgt schon aus dem Grundgesetz (GG). Nach Art 114 Abs 2 Satz 1 GG haben die Mitglieder des Bundesrechnungshofs richterliche Unabhängigkeit, soweit sie die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung prüfen. Nach Art 114 Abs 2 Satz 2 GG hat der Bundesrechnungshof nicht nur der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag und dem Bundesrat jährlich zu berichten, und zwar unmittelbar. Dementsprechend sagt § 1 Abs 2 des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofs vom 27. November 1950 (BGBl I 765), daß der Bundesrechnungshof eine der Bundesregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene Oberste Bundesbehörde ist.
Da der Bundesrechnungshof bei der Durchführung seiner Prüfungsaufgaben über keine Zwangsmittel verfügt und er deshalb auf die Hilfe der Aufsichtsbehörden angewiesen ist, hat er ein Interesse daran, diese Hilfe zu erstreiten (zum Erstreiten der Amtshilfe: vgl Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl 1980, Art 35 Anm 8). Im Falle eines Streits zwischen dem Bundesrechnungshof einerseits und der zu prüfenden Behörde und der dieser vorgesetzten Behörde andererseits wäre ein Insichprozeß des Bundes, vertreten durch den Bundesrechnungshof und vertreten durch die die Amtshilfe versagende vorgesetzte Behörde, zulässig. Nicht anders ist es im vorliegenden Fall, wenn auch kein Streit zwischen dem Bundesrechnungshof und dem um Hilfe angegangenen Bundesversicherungsamt besteht. Das schließt nicht das Interesse des Bundesrechnungshofs aus, selbständig Anträge stellen zu können. Da nach § 70 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bundesbehörden nicht fähig sind, am Verfahren beteiligt zu sein, war die Bundesrepublik, vertreten durch den Bundesrechnungshof, beizuladen. Die Regelung, daß Bundesbehörden nicht am Verfahren beteiligt sein dürfen, ist im übrigen kein Grund, einen Insichprozeß des Bundes auszuschließen (vgl dazu Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, DÖV 1974, 817 mit Anmerkung von Naumann).
Die Beiladung war eine notwendige. Streitgegenstand ist nämlich das Rechtsverhältnis zwischen dem Bundesrechnungshof und der klagenden Kasse. Dieses Rechtsverhältnis hat das für die Beklagte auftretende Bundesversicherungsamt durch die angefochtene Aufsichtsanordnung geregelt. Wird im Verhältnis Kasse / Bundesversicherungsamt entschieden, so wirkt diese Entscheidung unmittelbar auf das Verhältnis Bundesrechnungshof / Kasse ein. Die Entscheidung kann in diesem Dreiecksverhältnis nur einheitlich ergehen (§ 75 Abs 2 Satz 1 SGG).
Die angefochtene Aufsichtsanordnung ist rechtmäßig. Die auf § 54 Abs 3 SGG gestützte Meinung der Klägerin (Kasse), die Anordnung überschreite das Aufsichtsrecht der Beklagten (Bundesversicherungsamt), trifft nicht zu. Zu Recht hat das Bundesversicherungsamt den Bescheid gegenüber der Kasse auf § 89 Abs 1 Satz 2 SGB 4 gestützt. Nach dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde den Versicherungsträger - hier die Kasse - verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben, wenn der Versicherungsträger innerhalb angemessener Frist nach Beratung durch die Aufsichtsbehörde die Rechtsverletzung nicht behoben hat. Zutreffend sieht das Bundesversicherungsamt die Rechtsverletzung darin, daß die Kasse sich gegenüber der Beigeladenen (Bundesrechnungshof) trotz voraufgegangener mehrmaliger Aufforderung durch den Bundesrechnungshof und das Bundesversicherungsamt nicht zu dem Prüfergebnis geäußert hat. Die Kasse ist jedoch verpflichtet, diesem Äußerungsverlangen des Bundesrechnungshofs zu folgen. Der Bundesrechnungshof hat gegenüber der Kasse ein Prüfungsrecht (§§ 111, 112 BHO); die Kasse hat gegenüber dem Bundesrechnungshof entsprechende Mitwirkungspflichten (§§ 95, 96 BHO).
Nach § 111 Abs 1 Satz 1 BHO prüft der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung auch der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Diese Vorschrift ist auf die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte anzuwenden, aber nur dann, wenn sie aufgrund eines Bundesgesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist (§ 112 Abs 1 Satz 1 BHO).
Die Klägerin erhält vom Bund Zuschüsse iS von § 112 Abs 1 Satz 1 BHO: Nach § 362 Abs 1 RVO bestellt bei BKKen der Arbeitgeber auf seine Kosten und Verantwortung die für die Geschäfte der Kasse erforderlichen Personen. Arbeitgeber ist der Dienstherr der versicherten Personen. Das ist der Bund, nicht das Sondervermögen der Bundespost. Denn die bei der Bundespost beschäftigten Arbeiter und Angestellten sind Arbeitnehmer des Bundes. Das ist in § 23 Abs 1 Satz 2 des Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost - Postverwaltungsgesetz - vom 24. Juli 1953 (BGBl I 676) ausdrücklich hervorgehoben ("Die Angestellten und Arbeiter der Deutschen Bundespost stehen im Dienst des Bundes").
Indem der Bund der klagenden Kasse Personal aufgrund des § 362 Abs 2 RVO zur Verfügung stellt, gewährt er Zuschüsse iS des § 112 Abs 1 Satz 1 BHO. Zwar gebraucht man das Wort "Zuschuß" im allgemeinen im Sinne einer unmittelbaren Geldleistung. In diesem eingeschränkten Sinne ist dieses Wort in § 112 Abs 1 Satz 1 BHO aber nicht zu verstehen. Zuschüsse im Sinne dieser Vorschrift sind auch die bundesgesetzlich festgelegten Kosten für Personal. Das folgt aus dem Sinn der Haushalts- und Wirtschaftsprüfung durch den Bundesrechnungshof. Diese besteht nach Art 114 Abs 1 GG vor allem darin, Bundestag und Bundesrat die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung zu bieten. Bei der Entlastung ist zu prüfen, ob die Bundesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln wirtschaftlich und ordnungsgemäß umgegangen ist. Dazu gehören nicht nur die Haushaltsmittel für Geldleistungen an Behörden oder öffentlich-rechtliche Rechtsträger, sondern auch die Mittel für die Bezahlung des Personals. Die Prüfung des Bundesrechnungshofs wird sich dabei in erster Reihe darauf zu erstrecken haben, ob dieses Personal richtig eingesetzt ist und ob Personal gespart werden kann.
Diese Prüfung ist dem Bundesrechnungshof nicht deshalb entzogen, weil die Bundespost ein Sondervermögen mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung darstellt (§ 3 Abs 1 Postverwaltungsgesetz). Denn für die Prüfung der Sondervermögen des Bundes gelten nach § 113 BHO die Prüfungsvorschriften der BHO entsprechend. Für die Bundespost ist die Anwendung des bundesrechtlichen Prüfungsrechts überdies noch durch § 35 Postverwaltungsgesetz angeordnet.
Die entscheidenden Fragen des vorliegenden Rechtsstreits ergeben sich aus dem Konflikt von Prüfungsrecht und Selbstverwaltungsrecht: Es ist fraglich, ob sich die Prüfung auf den durch die Selbstverwaltung geschützten Verwaltungsbereich, also den Ermessensbereich, erstrecken darf. Es ist, wenn man dies bejaht, weiter Fraglich, ob die Selbstverwaltungsträger verpflichtet sind, sich in diesem Bereich der Prüfungsbehörde gegenüber zu äußern. Es ist schließlich, wenn man dies auch bejaht, fraglich, ob die Rechtsaufsichtsbehörde berechtigt ist, die Sozialversicherungsträger zu zwingen, sich in diesem Bereich zu äußern.
Gegen die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin durch den Bundesrechnungshof kann nicht mit Erfolg das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin (§§ 27, 89 SGB 4) geltend gemacht werden. Zwar ist einzuräumen, daß die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung auch in den Bereich eingreift, der gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde geschützt ist, eben in den Ermessensbereich. Denn Maßstab der Prüfung ist nicht nur die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit. Die Zweckmäßigkeit der Wirtschaftsführung dürfte sogar im Vordergrund stehen (vgl Piduch, Haushaltsrecht, Stand Januar 1981, Art 114 GG Anm 25).
Es ist zwar zweifelhaft, ob die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung im Selbstverwaltungsbereich der Gemeinden stattfinden darf (vgl Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl, 1978 § 164 RdNr 37, S 454; zur Prüfung der Länderverwaltungen durch den Bundesrechnungshof: vgl Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl 1980, Art 114 Anm 12). Diese Zweifel haben aber darin ihren Grund, daß das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden durch das GG (Art 28 Abs 2 GG) geschützt ist. Der durch einfaches Gesetz geregelte Prüfungsumfang (§ 91 Abs 2 BHO) mag daher dort eingeschränkt sein. Das Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherungsträger ist aber nur durch einfaches Gesetz geregelt (vgl BVerfGE 39, 302, 314, 316; BSGE 48, 42, 46); es geht dem Prüfungsrecht nicht vor.
Gegen die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofs spricht auch nicht, daß die nicht öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht befugt sind, ihre BKKen entsprechend zu prüfen (vgl BSGE 35, 121, 125). Die Prüfung aufgrund der BHO geschieht nicht zu dem Zweck, dem Bund als Arbeitgeber einen Einfluß auf die BKK einzuräumen. Diese Prüfung geschieht vielmehr deshalb, weil die Allgemeinheit ein Interesse daran hat, zu erfahren, wie mit Mitteln der Allgemeinheit umgegangen wird. Diesem Interesse kann wirksam nur dadurch Rechnung getragen werden, daß auch der Ermessensbereich der Selbstverwaltungsträger überprüft wird, wenn diesem Selbstverwaltungsträger Mittel der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Diese Prüfung erstreckt sich grundsätzlich nur auf die bestimmungsmäßige und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung dieser Mittel (§ 91 Abs 2 Satz 1 BHO). Bei Zuwendungen kann sie sich auch auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Empfängers erstrecken, soweit es der Bundesrechnungshof für seine Prüfung für notwendig hält (§ 91 Abs 2 Satz 2 BHO).
Zusammenfassend ist zu der ersten oben erwähnten Frage als Antwort festzuhalten: Die Prüfung des Bundesrechnungshofs darf sich auch auf den Ermessensbereich der Kasse erstrecken.
Das Bundesversicherungsamt durfte auch die klagende Kasse verpflichten, sich zu den Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofs zu äußern. Nach § 96 Abs 1 Satz 1 BHO teilt der Bundesrechnungshof das Prüfungsergebnis den zuständigen Dienststellen "zur Äußerung innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist mit". Hier ist zwar die Äußerungspflicht nicht ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift ist aber im Zusammenhang mit § 95 Abs 2 BHO zu sehen, wonach dem Bundesrechnungshof und seinen Beauftragten die erbetenen Auskünfte zu erteilen sind. § 95 Abs 2 BHO regelt die Auskunftspflicht im Rahmen der Prüfung, § 96 Abs 1 Satz 1 BHO spricht von der Äußerung zum "Prüfungsergebnis". Es ist möglich, daß eine Äußerung zum endgültigen Prüfungsergebnis nicht geboten ist. Wenn aber, wie hier, der Bundesrechnungshof eine Äußerung zu den "Prüfungsmitteilungen" erbittet, bringt er damit zum Ausdruck, daß es möglich ist, daß er diese Äußerung noch bei der Formulierung der endgültigen "Prüfungsergebnisse" berücksichtigen werde. Im übrigen ist eine sachgerechte Entlastung der Bundesregierung nur möglich, wenn der Meinung des nicht auf ein bestimmtes Verwaltungsgebiet spezialisierten Bundesrechnungshofs die Meinungsäußerung der Fachbehörde gegenübergestellt wird.
Ist die Klägerin verpflichtet, sich nach § 96 Abs 1 Satz 1 BHO gegenüber dem Bundesrechnungshof zu äußern, so ist das Bundesversicherungsamt berechtigt, im Aufsichtsweg auf die Erfüllung dieser Verpflichtung hinzuwirken. Insoweit besteht kein Streit. Streit herrscht aber darüber, ob die Klägerin verpflichtet werden kann, sich zu den einzelnen Prüfbemerkungen "umfassend und substantiiert" zu äußern, wie dies in dem angefochtenen Bescheid verlangt wird.
Der Klägerin kann insoweit nicht zugestimmt werden, als sie meint, der Bescheid sei nicht bestimmt genug und das Bundesversicherungsamt müsse im einzelnen aufführen, worin es eine Rechtsverletzung sehe oder vermute. Die Klägerin verkennt, daß das Bundesversicherungsamt keine sachlich-rechtliche Rechtsverletzung rügen will, sondern nur beanstandet, daß die Klägerin eine Äußerungspflicht nach § 96 Abs 1 Satz 1 BHO grundsätzlich verneint. Die Klägerin kann auch keinen Erfolg mit dem Hinweis darauf haben, daß die Rechtsaufsichtsbehörde ihr im Ergebnis aufgebe, sich im Ermessensbereich zu äußern und daß sie damit in dem von dem Selbstverwaltungsrecht geschützten Bereich Aufsichtsmaßnahmen ergreife. Wenn man, wie dies der erkennende Senat begründet hat, die Sozialversicherungsträger nach § 112 Abs 1 Satz 1 BHO für verpflichtet hält, den Ermessensbereich prüfen zu lassen, ist auch die Äußerung in diesem Bereich eine Rechtspflicht. Auf die Erfüllung dieser Rechtspflicht hat die Rechtsaufsichtsbehörde hinzuwirken. - Es handelt sich dabei nicht um eine Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechts. Zwar wirkt die Rechtsaufsichtsbehörde in Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof in den Ermessensbereich hinein. Sie regiert aber nicht hinein. Sie verlangt nämlich nicht, daß die Beanstandungen des Bundesrechnungshofs von der Kasse abgestellt werden. Sie verlangt auch nicht, daß sich die Kasse etwa dafür "rechtfertigt", daß sie bestimmten Beanstandungen des Bundesrechnungshofs nicht gefolgt ist. Es liegt im Ermessen der Kasse, wie weit sie die Beanstandungen im Ermessensbereich erörtert. Es liegt aber nicht in ihrem Ermessen, ob sie zu diesen Beanstandungen Stellung nimmt. Die Anordnung in dem angefochtenen Bescheid, "umfassend und substantiiert" Stellung zu nehmen, gibt keine inhaltlichen Anweisungen, sondern wendet sich nur gegen die Auffassung der Kasse, die Äußerung pauschal in der Weise abgeben zu dürfen, daß die Äußerung im einzelnen abgelehnt wird.
Ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin liegt schließlich auch nicht darin, daß die Beigeladene zu gegebener Zeit der Beklagten die Prüfungsmitteilungen zusammen mit den Äußerungen der Klägerin übermitteln wird. Denn nach Übermittlung dieser Vorgänge hat die Beklagte aufgrund ihres eigenen Aufsichtsrechts nur die Befugnis, gegenüber der Klägerin im Rahmen der Rechtsaufsicht tätig zu werden, wenn sich aus diesen Vorgängen ein selbständiger Verstoß gegen das Recht ergeben sollte. Darum handelt es sich indes hier nicht. Vielmehr geht es allenfalls um die Vorstufe gegenüber einem solchen selbständigen Aufsichtsrecht der Beklagten. Das Zusammenwirken des Bundesrechnungshofs und der Rechtsaufsichtsbehörde führt zu keinem die Selbstverwaltung mehr als nach bisheriger Rechtspraxis belastenden Ergebnis. Denn auch der Prüfbericht der Eigenprüfung der Kassen ist nach § 342 Abs 2 Satz 2 RVO der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1656556 |
BSGE, 294 |