Entscheidungsstichwort (Thema)

Einteilung von Kassenärzten zum ärztlichen Notfalldienst

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung von Nichtkassenärzten als Vertreter notfalldienstpflichtiger Kassenärzte im kassenärztlichen Notfalldienst (Bereitschaftsdienst).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Heranziehung sämtlicher in Betracht kommender Kassenärzte des Notfalldienstbezirks zum Notfalldienst in alphabetischer Reihenfolge ist rechtmäßig.

2. Die Notfalldienstpläne sind auch dann rechtmäßig, wenn sie anstelle der Kassenärzte, die eigentlich den Notfalldienst hätten versehen müssen, sich aber auf ihre Kosten vertreten lassen, Nichtkassenärzte oder zum zusätzlichen Notfalldienst bereitete Kassenärzte ausweisen.

 

Normenkette

RVO § 368n Abs. 1 Fassung: 1955-08-17

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 1973 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Dezember 1970 wird in vollem Umfange zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der seit 1968 in Hamburg-Niendorf als Facharzt für innere Krankheiten zur Kassenpraxis zugelassene Kläger in den Monaten April und Juni 1969 sowie Februar, März und April 1970 häufiger als geschehen zu dem von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) organisierten ärztlichen Notfalldienst hätte eingeteilt werden müssen.

In den Notfalldienstplänen für die Monate April und Juni 1969 hat die Beklagte im Bezirke 3 des Klägers (N, L, S) auch Nichtkassenärzte berücksichtigt. Den Kläger hat sie im April 1969 zu vier und im Juni 1969 zu neun Notdiensten herangezogen, während er seinen fünfmaligen (April) bzw. dreizehnmaligen Einsatz (Juni) gefordert hatte. In den Monaten Februar, März und April 1970 bestimmte die Beklagte die Kassenärzte des Bezirkes 3 in alphabetischer Reihenfolge nacheinander zum Notfalldienst; danach entfielen auf den Kläger anstelle der von ihm beantragten acht, zehn bzw. elf Notfalldienste nur jeweils ein Dienst in den Monaten Februar und April und zwei im Monat März 1970.

Seine Einteilung zum Notfalldienst im April 1969 erfuhr der Kläger aus dem ihm zugesandten Notfalldienstplan, der die eingeteilten Ärzte und deren Dienstzeiten aufführt und eine Rechtsmittelbelehrung nicht enthält. Mit dem Plan für den Monat Juni 1969 ging dem Kläger ein Schreiben des 1. Vorsitzenden der Beklagten vom 12. Mai 1969 zu, in dem u. a. eine über den Plan hinausgehende Heranziehung des Klägers abgelehnt wurde mit dem Zusatz, hiergegen könne binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Entsprechende Mitteilungen erhielt der Kläger für die Pläne Februar, März und April 1970 mit Schreiben des 1. Vorsitzenden vom 21. Januar 1970, 11. Februar 1970 bzw. mit Schreiben des 2. Vorsitzenden der Beklagten vom 12. März 1970. Gegen die Notfalldiensteinteilung für April 1969 hat der Kläger am 21. April 1969 Widerspruch eingelegt, gegen die für Juni 1969 am 13. Mai 1969, für Februar und März 1970 am 23. Februar 1970 (einem Montag) und für April 1970 am 13. April 1970. Die Widersprüche vom 21. April und 12. Mai 1969 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1969 und die vom 23. Februar und 13. April 1970 mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1970 zurückgewiesen.

Wegen der Notfalldiensteinteilungen für April und Juni 1969 hatte der Kläger beim Sozialgericht Hamburg (SG) Klage erhoben, die er später auf die Notfalldiensteinteilungen für Februar, März und April 1970 erweiterte. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17. Dezember 1970, dem Kläger zugestellt am 8. Januar 1971).

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Hamburg (LSG) das SG-Urteil geändert und festgestellt, "daß die Notfalldienstpläne für April und Juni 1969 und der Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 1969 insoweit rechtswidrig sind, als der Kläger bei der Einteilung zum Notfalldienst in einem Falle im Monat April 1969 und in vier Fällen im Monat Juni 1969 nicht berücksichtigt worden ist"; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5. Februar 1973). Das LSG hat die Klage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als zulässig angesehen. Für das Feststellungsinteresse des Klägers reiche aus, daß er eine wunschgemäße Einteilung zum Notdienst "auch für jetzt und die Zukunft" erstrebe und behaupte, durch die Ablehnung seiner Einteilungsanträge monatlich 3.000,- bis 5.000,- DM Einnahmen verloren zu haben. In der Sache hat das LSG angenommen, die Regelung des Notdienstes obliege der Beklagten im Rahmen ihres Auftrages, die kassenärztliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die Heranziehung der Kassenärzte des Bezirkes 3 in alphabetischer Reihenfolge in den Monaten Februar, März und April 1970 halte sich im Rahmen des ihr dabei zustehenden Ermessens. Auch wenn der Notfalldienst überwiegend durch Nichtkassenärzte als Vertreter durchgeführt worden sei, handele es sich nicht um rechtswidrige Scheinpläne. Es liege nach Ziffer I Abs. 3 der Notfalldienstordnung der Beklagten (NdO) bei jedem Kassenarzt, ob er sich durch einen Nichtkassenarzt vertreten lassen wolle. In den Monaten April und Juni 1969 dagegen habe die Beklagte die Grenzen ihres Ermessen überschritten, weil sie Nichtkassenärzte berücksichtig habe, anstatt den dienstbereiten Kläger als ihr Mitglied zu bevorzugen. Für den Bereitschaftsdienst der Nichtkassenärzte sei die Ärztekammer nach ärztlichem Berufsrecht zuständig. Die Beklagte habe nur ihren Mitgliedern Pflichten auferlegen dürfen. Wegen der Heranziehung von Nichtkassenärzten sei die Rechtswidrigkeit der Notfalldienstpläne für April und Juni 1969 festzustellen, ohne daß zu prüfen sei, wie oft der Kläger bei richtiger Ermessensbestätigung berücksichtigt worden wäre.

Gegen das Urteil haben der Kläger und die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt.

Der Kläger verlangt mit der Revision zur Sicherung seiner künftig häufigeren, antragsgemäßen Einteilung zum Notfalldienst und zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage gegen die Beklagte in erster Linie über den in den Vorinstanzen gestellten Klageantrag hinausgehend die Feststellung der Nichtigkeit der Pläne und dazu ergangenen Widerspruchsbescheide, die seiner Ansicht nach aus schweren Formfehlern folgt: Die Notfalldienstpläne seien nicht gemäß § 35 Abs. 2 der Satzung der Beklagten von deren Vorstand, sondern von Schreibdamen aufgestellt worden; sie seien nicht unterschrieben und undatiert. Die Widerspruchsbescheide seien anstelle des zuständigen Vorstandes als Kollegialorgan vom 1. Vorsitzenden der Beklagten erlassen worden. Das LSG habe unter Verletzung der §§ 103, 106, SGG versäumt, dies aufzuklären. Es habe auch nicht berücksichtigt, daß ihm im Widerspruchsverfahren das rechtliche Gehör versagt worden sei. In der Sache habe das LSG verkannt, daß er in allen Monaten vor Nichtkassenärzten hätte berücksichtigt werden müssen, weil ihre Heranziehung nach §§ 368 Abs. 2 Satz 1, 368 a Abs. 4, 368 f Abs. 1, 368 n Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO); §§ 20, 30, 32 der Zulassungsordnung der Ärzte (ZOÄrzte) unzulässig sei und auch gegen die Satzung der Beklagten verstoße. Dies gelte auch für die Tätigkeit der Nichtkassenärzte seit Februar 1970. Die Beklagte habe sie als Vertreter selbst eingeplant und die Kassenärzte nur - sittenwidrig - zum Schein alphabetisch eingeteilt. Dem sei das LSG, trotz eines Beweisangebotes im Schriftsatz vom 10. Januar 1973 nicht nachgegangen. Schließlich macht der Kläger geltend, durch die Einteilungspraxis der Beklagten in seinen Rechten aus Art. 2, 3, 12 und 14 Grundgesetz (GG) verletzt zu sein.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, daß die Notfalldienstpläne für April und Juni 1969, Februar, März und April 1970 sowie die Widerspruchsbescheide vom 11. Juli 1969 und 6. Mai 1970 nichtig sind,

hilfsweise, daß auch die Notfalldienstpläne für Februar, März, April 1970 und der Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1970 rechtswidrig sind, soweit sie den Kläger betreffen und seine Einteilung zum Notdienst ablehnen,

sowie die dem entgegenstehenden Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Sie rügt, das LSG habe unter Verletzung des allgemeinen Verwaltungsrechts die in Hamburg gehandhabte Übung der Notfalldienstorganisation durch die Beklagte nicht als ausreichende - gewohnheitsrechtliche - Grundlage für die Heranziehung von Nichtkassenärzten in den Monaten April und Juni 1969 angesehen. In einer weiteren Streitsache der Beteiligten (im Revisionsverfahren zu - 6 RKa 18/73 - anhängig) habe sie diese Übung dagegen selbst als "gewohnheitsrechtlich gefestigt" bezeichnet. Zweifel an der formalen Rechtsgrundlage müßten außerdem angesichts der Lebenswichtigkeit eines funktionierenden Notfalldienstes in den Hintergrund treten. Schließlich habe das LSG übersehen, daß es für den Kläger an der nach § 54 SGG erforderlichen Beschwer fehle, weil er keinen Rechtsanspruch auf Beschäftigung im Notfalldienst habe und auch bei der vom LSG nicht beanstandeten alphabetischen Einteilung der Kassenärzte nicht öfter als geschehen berücksichtigt worden wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die umstrittenen Notfalldienstpläne der beklagten KÄV und die sie bestätigenden Widerspruchsbescheide sind rechtmäßig, soweit sie den Kläger betreffen und seine über das in den Notfalldienstplänen vorgesehene Maß hinausgehende Beteiligung am Notfalldienst ablehnen.

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Notfalldienstpläne, soweit sie jeweils den einzelnen eingeteilten Arzt zur Teilnahme am Notfalldienst (Bereitschaftsdienst) berechtigen und verpflichten, Verwaltungsakte darstellen. Der Kläger hat sich damit begnügt, die Feststellung der partiellen Rechtswidrigkeit der Notfalldienstpläne - nach Ablauf der Revisionsfrist auch der partiellen Nichtigkeit (vgl. zum Verhältnis von Nichtigkeit zur Anfechtbarkeit und zur Befugnis des Gerichts, das eine statt des anderen festzustellen, BSG 9, 171, 179) - zu beantragen. Von seiner Zielvorstellung her, daß er häufiger hätte eingesetzt werden müssen, hätte eine Verpflichtungsklage näher gelegen, die auch bei Erledigung des Verpflichtungsanspruchs infolge Veränderung der Ausgangssituation in entsprechender Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG zulässig ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. Sozialgerichtsbarkeit, 8. Nachtrag, § 131 Anm. 3; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 27. Nachtrag, S. 240 o II). Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes (i. S. des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) wird jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger gegen die beklagte Körperschaft auch eine Verpflichtung hätte geltend machen können (vgl. zur ähnlichen Fragestellung im Zusammenhang mit § 55 Abs. 1 SGG BSG 10, 21). Daß das Feststellungsinteresse gegeben ist, hat das LSG zutreffend dargelegt.

Das Feststellungsbegehren des Klägers ist jedoch unbegründet. Die Regelung des kassenärztlichen Notfall- oder Bereitschaftsdienstes gehört, wie der Senat bereits ausgesprochen hat (BSG SozR Nr. 28 zu § 12 SGG; BSG 33, 165, 166), in den Aufgabenbereich, der den KÄVen nach § 368 n Abs. 1 Satz 1 RVO zur Sicherstellung der nach § 182 RVO den Krankenkassen obliegenden ärztlichen Versorgung gesetzlich übertragen ist. Hiervon ausgehend hat das LSG zutreffend angenommen, daß der ärztliche Notfalldienst in erster Linie den Interessen der versicherten Bevölkerung dient und nicht den Interessen der Kassenärzteschaft oder eines einzelnen Kassenarztes, Patienten behandeln zu können und Einkünfte daraus zu erzielen. Demzufolge hat die KÄV die Regelung des Notfalldienstes nicht an diesen ärztlichen Interessen auszurichten, sondern ihre Entscheidungen sachgerecht so zu treffen, daß eine geeignete und zweckmäßige ärztliche Versorgung außerhalb der allgemeinen Sprechzeiten bereitsteht (vgl. BSG 33, 165, 166).

Allerdings werden dadurch die Interessen der zur Teilnahme am Notdienst grundsätzlich verpflichteten Kassenärzte berührt. Dies ist auch der Fall, wenn - wie hier - die Heranziehung zum Notfalldienst nicht in dem aus wirtschaftlichen Gründen beantragten Ausmaße erfolgt. Beschränkt ist die Regelungsbefugnis der KÄV gegenüber den ihr angehörenden Kassenärzten durch die Bindungen, die sie sich in Satzung und Notfalldienstordnung selbst auferlegt hat, sowie durch die sich aus der Verfassung ergebenden Rechte der Ärzte. Auch unter Berücksichtigung dieser Regelungsgrenzen hatte der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm verlangte Heranziehung zum Notfalldienst.

Zu Unrecht meint der Kläger, durch die Ablehnung seiner Einteilungswünsche sei sein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf freie Berufsausübung verletzt. Ein Anspruch, im Rahmen des Notfalldienstes tätig zu werden und Einkünfte zu erzielen, läßt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ableiten. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung umfaßt nicht die Zusicherung von bestimmten Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten (BVerwGE 8, 170, 172); garantiert wird grundsätzlich nur ein von staatlichen Eingriffen freier Raum für die berufliche Betätigung (Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Stand August 1971, Art. 12 GG Rdnr. 3; vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 12, Rdnr. 4). Demnach bestand eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Gelegenheit zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit zu verschaffen, für Zeiten des Notfalldienstes ebensowenig wie für die allgemeinen Sprechstundenzeiten. In die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen hat die Beklagte damit nicht: Der Kläger war nicht daran gehindert, in den streitigen Monaten seiner Tätigkeit als Kassenarzt nachzugehen; insbesondere stand ihm frei, unabhängig vom Notfalldienst Patienten auch außerhalb der üblichen Sprechstunden zu behandeln.

Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich die Berechtigung der Einteilungswünsche des Klägers schon deshalb nicht, weil die Heranziehung sämtlicher in Betracht kommender Kassenärzte des Notfalldienstbezirkes des Klägers zum Notfalldienst in alphabetischer Reihenfolge in den Monaten Februar bis März 1970 - wonach auf jeden Arzt ein bzw. zwei Notdienste entfielen - keine willkürliche Benachteiligung des Klägers unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bedeutet. In den Monaten April und Juni 1969 hat die Beklagte die Notdiensteinteilung zwar noch nicht in dieser Weise vorgenommen. Den Gleichheitsgrundsatz hat sie gegenüber dem Kläger damit aber nicht zu seinen Ungunsten verletzt, weil der Kläger in diesen Monaten - mit vier bzw. neun Einsätzen - öfter Notdienst verrichtet hat, als es bei einer gleichmäßigen Berücksichtigung aller Kassenärzte möglich gewesen wäre.

Ebensowenig läßt sich der Anspruch des Klägers auf die beantragten Notfalldiensteinsätze aus § 368 a Abs. 4 RVO iVm der Notfalldienstordnung und der Satzung der Beklagten herleiten. Zwar umfaßt die gemäß § 368 a Abs. 4 RVO mit der Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit erworbene Berechtigung und Verpflichtung, an der kassenärztlichen Versorgung teilzunehmen, das Recht und die Pflicht zur Mitwirkung am kassenärztlichen Notfalldienst, wie die Beklagte unter Hervorhebung der Verpflichtungsseite auf Grund dieser Vorschrift iVm § 368 n Abs. 1 Satz 1 RVO und §§ 4, 43 Abs. 3 der Satzung in Abschn. I Abs. 1 Satz 2 der Notfalldienstordnung zum Ausdruck gebracht hat. Das hieraus abgeleitete Recht zur Teilnahme am kassenärztlichen Notfalldienst, das im allgemeinen gegenüber der in ärztlicher Sicht weit stärker empfundenen Last der Teilnahmeverpflichtung wenig Beachtung findet, kann jedoch nur im Rahmen des weitgespannten Ermessens der Beklagten zum Zuge kommen. Wie das LSG zutreffend für die Notfalldienstpläne Februar, März und April 1970 dargelegt hat, sind diese Pläne, soweit sie den Kläger betreffen, ermessensfehlerfrei. Das hierbei von der Beklagten für die Einteilung verwandte Prinzip - alphabetische Reihenfolge der Kassenärzte, soweit sie nicht nach Abschn. V Abs. 3 ff der Notfalldienstordnung befreit sind - ist gerade in seinem strengen Schematismus dazu angetan, jedem Verdacht eines willkürlichen Ermessensgebrauchs zu wehren.

Dem LSG ist auch darin beizutreten, daß die genannten Notfalldienstpläne - bezogen auf den Kläger - in ihrer Rechtmäßigkeit nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß den eingeteilten Kassenärzten die Möglichkeit eingeräumt ist, Vertreter zu benennen (vgl. Abschn. I Abs. 2, Abschn. VI Abs. 1 der Notfalldienstordnung) und diese Vertreter auch Nichtkassenärzte sein können (Abschn. I Abs. 3 der Notfalldienstordnung). Wie es nach dem geltenden Kassenarztrecht zulässig ist, Nichtkassenärzte als Vertreter eines Kassenarztes auf seinem Hauptbetätigungsfeld der kassenärztlichen Versorgung einzusetzen, muß das gleiche für das Teilgebiet des Kassenärztlichen Notfalldienstes gelten, zumal unter den Vorsichtsmaßnahmen des Abschn. I Abs. 2, Sätze 2 bis 4 der Notfalldienstordnung (Haftung des Kassenarztes für die Erfüllung der kassenärztlichen Pflichten durch den Vertreter; Informationspflicht) und der unabhängig hiervon bestehenden Verpflichtung der KÄV, für einen voll den Bedürfnissen der Versicherten Rechnung tragenden Notfalldienst zu sorgen.

Entgegen der Meinung des LSG sind aber auch die Notfalldienstpläne für April und Juni 1969, soweit sie den Kläger betreffen, Rechtens. Die Notfalldienstpläne der Beklagten vor dem 1. Februar 1970 unterscheiden sich von den späteren dadurch, daß sie anstelle der Kassenärzte, die eigentlich den Notfalldienst hätten versehen müssen, sich aber auf ihre Kosten lieber vertreten lassen wollten, Nichtkassenärzte oder zum zusätzlichen Notfalldienst bereite Kassenärzte - wie den Kläger - auswiesen. Zu Unrecht hat das LSG angenommen, daß Nichtkassenärzte zum Notfalldienst nur dann hätten hinzugezogen werden dürfen, wenn die Beklagte ihren Sicherstellungsauftrag mit Kassenärzten nicht hätte erfüllen können. Wäre diese Auffassung richtig, daß zur Vertretung von notfalldienstpflichtigen Kassenärzten in erster Linie auf Kassenärzte zurückgegriffen werden müßte, so wäre auch die - vom LSG gebilligte - Praxis der Beklagten rechtlich nicht haltbar, Nichtkassenärzte ohne Rücksicht darauf, ob zur Vertretung bereite Kassenärzte vorhanden sind, als Vertreter notfalldienstpflichtiger Kassenärzte zuzulassen. Für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens kann es aber keinen Unterschied machen, ob der vertretende Nichtkassenarzt schon im Notfalldienstplan ausgewiesen oder erst nachträglich vom notfalldienstpflichtigen Kassenarzt bestellt wird. Demnach hat die Beklagte die Grenzen des für die Gestaltung der Notfalldienstpläne für April und Juni 1969 eingeräumten Ermessens insofern nicht überschritten, als sie es ablehnte, den Kläger über das ihm zuteil gewordene - ohnehin nicht unbedenkliche - Maß hinaus (viermal im April, neunmal im Juni) noch stärker für Vertretungen im Notfalldienst zu berücksichtigen.

Ob die umstrittenen Notfalldienstpläne in jeder Beziehung ordnungsgemäß erstellt sind, konnte der Senat dahinstehen lassen. Entscheidend ist, daß die den an den Kläger gerichteten Verwaltungsakt bestätigende Widerspruchsentscheidung verwaltungsverfahrensmäßig einwandfrei zustande gekommen ist. Nach Anhörung des Widerspruchsausschusses (§ 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 der Satzung der Beklagten) hat der Vorstand als Widerspruchsstelle (§ 48 Abs. 3 der Satzung) über den Widerspruch des Klägers entschieden und sein erster Vorsitzender, gestützt auf die Ermächtigung in § 35 Abs. 2 Satz 2 der Satzung, den Verwaltungsakt in Gestalt des von ihm gezeichneten Widerspruchsbescheides erlassen. Diese wesentlichen Erfordernisse des Widerspruchsverfahrens lassen die beiden hier in Rede stehenden Widerspruchsbescheide mit hinreichender Deutlichkeit erkennen.

Demnach erwies sich die Revision der Beklagten als begründet; das erstinstanzliche Urteil war in vollem Umfange wiederherzustellen. Die Revision des Klägers war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646545

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge