Leitsatz (amtlich)
1. Für die "Arbeitslosigkeit" im Sinne von AVG § 25 Abs 2 gilt die Auslegung, die dieser Begriff im Recht der Arbeitslosenversicherung jeweils findet, soweit nicht Besonderheiten des Rechts der Rentenversicherung entgegenstehen.
2. Bei der Prüfung, ob die Arbeitslosigkeit seit mindestens einem Jahr ununterbrochen bestanden hat, kann eine Beschäftigung nicht schon deshalb außer Betracht bleiben, weil es sich um eine aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung geförderte Notstandsarbeit (AVAVG § 140) gehandelt hat.
3. Eine Notstandsbeschäftigung, die länger als 4 Monate dauert und für die eine monatliche Vergütung von 350 DM gezahlt wird, kann weder als geringfügige Beschäftigung (AVAVG § 75 Abs 2) noch als gelegentliche Aushilfstätigkeit (AVG § 25 Abs 2 S 4) angesehen werden. Durch die Aufnahme einer solchen Beschäftigung wird die Arbeitslosigkeit unterbrochen.
Normenkette
AVG § 25 Abs. 2 S. 4 Fassung: 1957-02-23; AVAVG § 75 Abs. 2 Fassung: 1957-04-03, § 140 Fassung: 1957-04-03; RVO § 1248 Abs. 2 S. 4 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. September 1959 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für die Zeit vom 1. Dezember 1957 an zusteht, insbesondere ob bei ihm die Voraussetzungen einer einjährigen ununterbrochenen Arbeitslosigkeit nach dieser Vorschrift gegeben sind.
Der Kläger, geboren am 5. Dezember 1897, von Beruf technischer Kaufmann, war seit 1951 (mit Unterbrechungen) arbeitslos. Im Jahre 1956 fand er nur in den Monaten November und Dezember eine Aushilfsbeschäftigung in einem Kaufhaus. Auch im Jahre 1957 war er zunächst arbeitslos. Vom 10. August 1957 an erhielt er eine Anstellung im Bürodienst der Sozialbehörde H. und zwar als Notstandsarbeiter, gegen eine monatliche Vergütung von etwa 350,-- DM. Das zunächst auf 13 Wochen geplante Arbeitsverhältnis wurde später auf 20 Wochen verlängert und war am 27. Dezember 1957 beendet. Danach war der Kläger wieder arbeitslos, bis er im September 1958 eine Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter aufnahm und sich beim Arbeitsamt abmeldete.
Die Beklagte lehnte den bereits im September 1957 gestellten Rentenantrag des Klägers ab, weil er vor der Vollendung des 60. Lebensjahres (5.12.1957) nicht ein Jahr lang arbeitslos gewesen sei. Durch die Notstandsarbeit vom 10. August bis 27. Dezember 1957 sei die Arbeitslosigkeit unterbrochen worden (Bescheid vom 13.5.1958).
Das Sozialgericht Hamburg verurteilte die Beklagte, dem Kläger das Altersruhegeld für die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 30. September 1958 zu gewähren: Im Jahre 1956 sei der Kläger nur gelegentlich zur Aushilfe beschäftigt gewesen; auch seine Beschäftigung im Jahre 1957 müsse wegen ihres Charakters als Notstandsarbeit ohne Rücksicht auf ihre Dauer außer Betracht bleiben. Notstandsarbeit beende die Arbeitslosigkeit im eigentlichen Sinne nicht (Urteil vom 20.10.1958).
Das Landessozialgericht Hamburg hob auf die - zugelassene - Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts auf und wies die Klage ab: Die Notstandsarbeit habe die Arbeitslosigkeit des Klägers unterbrochen. Er habe in einem vollgültigen normalen Arbeitsverhältnis gestanden und sei tarifmäßig bezahlt worden. Diese Beschäftigung könne nicht als gelegentliche Aushilfe angesehen werden, weil sie länger als zwei Monate gedauert habe. Die Maßstäbe in § 4 Abs. 2 a AVG seien entsprechend anzuwenden. - Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 18.9.1959).
Am 21. Dezember 1959 beantragte der Kläger unter Vorlage des Vermögenszeugnisses, ihm zur Durchführung der Revision gegen das am 27. November 1959 zugestellte Urteil das Armenrecht zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Durch Beschluß vom 18. März 1960 - dem Kläger zugegangen am 22. März 1960 - hat der Senat diesem Antrag entsprochen. Am 19. April 1960 beantragte der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und legte zugleich Revision ein mit dem Antrag,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er begründete die Revision am 21. Mai 1960, nachdem er am 16. Mai 1960 gebeten hatte, die Begründungsfrist zu verlängern, weil sein Prozeßbevollmächtigter wegen eines Todesfalles für mehrere Tage verhindert sei. Er griff die Feststellung des Landessozialgerichts an, er sei während der Notstandsbeschäftigung tarifmäßig bezahlt worden. Das Gericht hätte durch Befragung des Arbeitgebers oder des Arbeitsamts feststellen müssen, daß er weit geringer entlohnt worden sei, als die TO A vorschreibe. Weiter rügte er die Verletzung des § 25 Abs. 2 AVG. Eine Notstandsbeschäftigung beende den Zustand der Arbeitslosigkeit nicht. Sie beruhe nicht auf einem normalen Arbeitsverhältnis, sondern auf einem Akt der Fürsorge. Durch eine solche Maßnahme des Arbeitsamts dürfe der Zweck des § 25 Abs. 2 nicht vereitelt werden. Im übrigen könne § 4 Abs. 2 a AVG nicht zur Auslegung des Begriffs der gelegentlichen Aushilfe in § 25 Abs. 2 Satz 4 herangezogen werden. Da § 4 Abs. 2 den Begriff der Nebenbeschäftigung näher erläutere, sei Voraussetzung, daß eine Hauptbeschäftigung ausgeübt werde. Selbst wenn grundsätzlich von der Dreimonatsfrist des § 168 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgegangen werden könne, müsse berücksichtigt werden, daß diese Frist nur ein Anhalt sei; entscheidend sei immer die Zweckbestimmung der Arbeit. Die Frist dürfe überschritten werden, weil eine Notstandsbeschäftigung nach der Natur der Sache vorübergehend sei.
Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Revision.
Die Revision ist zulässig.
Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil er vor der Bewilligung des Armenrechts und der Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten nicht in der Lage war, sich in der erforderlichen Weise (§ 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) vertreten zu lassen. Nach Bekanntgabe des Beiordnungsbeschlusses hat er binnen der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 SGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Revision in der gesetzlichen Form eingelegt. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat aber versäumt, innerhalb der weiter nach § 164, 67 Abs. 2 SGG zu gewährenden Nachholfrist von einem Monat, die von der Einlegung der Revision ab lief (BSG 8 S. 207) und am 19. Mai 1960 endete, die Revision zu begründen. Entgegen dem Antrag des Klägers konnte die Frist auch nicht nach § 164 SGG durch Entscheidung des Vorsitzenden verlängert werden, weil diese Frist ihrem Wesen nach nicht unmittelbar auf § 164 SGG beruht, sondern eine Nachholfrist im Sinne des § 67 Abs. 2 SGG darstellt (BSG in SozR § 67 SGG Da 13 Nr. 20). Die verspätete Begründung kann nur wiederum nach § 67 SGG als rechtzeitig erklärt werden. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat glaubhaft vorgetragen, daß er in den Tagen vor Ablauf der Frist durch einen Todesfall von anwaltschaftlicher Tätigkeit abgehalten war. Der Senat ist der Auffassung, daß unter diesen Umständen ein Verschulden nicht anzunehmen ist. Sofort nach Wegfall des Hindernisses hat der Klägervertreter die Revisionsbegründung eingereicht. Auch ohne ausdrücklichen Antrag wird deshalb gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 SGG dem Kläger gegen die Versäumung der Nachholfrist die Wiedereinsetzung gewährt.
Die danach zulässige Revision ist aber unbegründet.
Der Kläger wendet sich mit der Revision zunächst gegen die Ausführungen des Landessozialgerichts, er habe auf Grund seiner Beschäftigung als Notstandsarbeiter das tarifmäßige Arbeitsentgelt eines Büroangestellten erhalten; diese Annahme beruht nach seiner Meinung auf einer unzulänglichen Aufklärung des Sachverhalts. Der Kläger bestreitet indessen nicht - was das Landessozialgericht weiter festgestellt hat -, daß er während der mehr als vier Monate dauernden Beschäftigung eine monatliche Vergütung von rund 350,-- DM erhalten hat. Von dieser Feststellung kann auch der Senat ausgehen. Ob das Arbeitsentgelt tariflichen Bestimmungen entsprochen hat oder - wie der Kläger geltend macht - in geringerer Höhe gewährt worden ist, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung; auf der vom Kläger angegriffenen Feststellung beruht das angefochtene Urteil nicht. Die Revision kann daher nicht auf die Rüge der mangelnden Sachaufklärung (Verstoß gegen § 103 SGG) gestützt werden.
Wie das Landessozialgericht mit Recht angenommen hat, sind die Voraussetzungen für das vorgezogene Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG nicht erfüllt, weil der Kläger nicht seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos war. Die 20 Wochen dauernde Notstandsbeschäftigung hat seine Arbeitslosigkeit unterbrochen.
Das AVG verwendet den Begriff der Arbeitslosigkeit an mehreren Stellen (§§ 25 Abs. 2, 28 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 bis 6, 36 Abs. 1 Nr. 3), ohne ihn selbst zu erläutern. Schon für das früher geltende Recht der Angestelltenversicherung (AnV), das ebenfalls keine eigene Begriffsbestimmung enthielt, wurde angenommen, daß hier die Grundsätze zu übernehmen sind, die zum Begriff der Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aufgestellt worden sind, soweit nicht aus dem AVG oder aus der Eigenart beider Versicherungen, sich Besonderheiten ergeben (vgl. RAM in An 1934 S. IV 363; Entscheidungen des RVA Nr. 4905, AN 1935 S. IV 311 und Nr. 5160, AN 1938 S. IV 17). Auch bei der Auslegung des § 397 AVG aF, dem § 25 Abs. 2 AVG nF nachgebildet ist, wurde der Begriff arbeitslos stets in rechtlichem Sinne verstanden (Entscheidung Nr. 3807, AN 1930 S. IV 341 und Nr. 5107, AN 1937 S. IV 242). Ebenso hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, daß bei der Auslegung des Begriffs "Arbeitsloser" in § 1267 Abs. 1 Nr. 5 a RVO aF - mangels einer eigenen Definition in der RVO - die jeweils geltenden Vorschriften des AVAVG heranzuziehen seien (BSG 7 S. 138 u. 9 S. 74). Der Senat trägt keine Bedenken, auch zur Erläuterung der "Arbeitslosigkeit" im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG die Auslegung dieses Begriffs in der Arbeitslosenversicherung zu übernehmen, zumal hierdurch die Möglichkeit geschaffen wird, die Vorschrift entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen des Arbeitsmarktes elastisch zu handhaben und sie an das jeweils geltende Recht der Arbeitslosenversicherung anzupassen. Jedoch müssen etwaige Besonderheiten, die sich aus dem AVG ergeben (zB die Ausnahme nach § 25 Abs. 2 Satz 4 AVG) oder aus dem Wesen der Rentenversicherung hervorgehen, berücksichtigt werden.
Maßgebend für die Auslegung des Begriffs der Arbeitslosigkeit ist das AVAVG in der am 1. April 1957 in Kraft getretenen Fassung (BGBl 1957 S. I 321), weil der Versicherungsfall nach § 25 Abs. 2 AVG beim Kläger frühestens im Dezember 1957 (Vollendung des 60. Lebensjahres) eingetreten sein kann. § 75 Abs. 1 AVAVG gibt eine allgemeine Definition der Arbeitslosigkeit (Krebs, AVAVG § 75 Anm. A). Wesentliches Merkmal ist hiernach, daß der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Der Kläger stand aber auch als Notstandsarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis. Unter den Notstandsarbeiten der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge versteht das Gesetz Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung, die aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gefördert werden (§ 140 Abs. 1 AVAVG); unter anderem dürfen auch zusätzliche gemeinnützige Maßnahmen gefördert werden, die Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose ältere Angestellte schaffen und im öffentlichen Interesse liegen (§ 140 Abs. 3 AVAVG). Das Arbeitsverhältnis des Notstandsarbeiters unterliegt, wie in der Rechtsprechung und in der Literatur einhellig angenommen wird, den Regeln des privaten Arbeitsvertrages, es gelten also die tariflichen oder einzelvertraglichen Abreden (BSG 10 S. 7; LAG Kiel in AP zu § 139 AVAVG aF mit Anm. von Dersch; RAG Bd. 1 S. 91; EuM Bd. 31 S. 525; Schroers, Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge, S. 58 ff; Krebs AVAVG § 140 Anm. D). Der Arbeitslose verliert mit der Aufnahme der Notstandsarbeiten seinen Anspruch auf das Arbeitslosengeld gegenüber dem Arbeitsamt. Er ist damit nicht mehr Arbeitsloser im Sinne von § 75 AVAVG, sondern befindet sich in der gleichen Rechtsstellung wie ein sonstiger, auf Grund eines Arbeitsvertrages beschäftigter Arbeitnehmer. Zwischen ihm und dem die Notstandsarbeit ausführenden Arbeitgeber bestehen rein arbeitsrechtliche Beziehungen. Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis gehören als bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Auch hinsichtlich der Sozialversicherung werden die Notstandsarbeiter wie sonstige Arbeitnehmer behandelt, sie unterliegen regelmäßig der Versicherungspflicht in der Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Durch Notstandsarbeiten kann eine neue Anwartschaft für die Gewährung von Arbeitslosengeld (§ 85 AVAVG) erfüllt werden (BSG 10 S. 7). Dies ist nach den Feststellungen des Landessozialgerichts auch dem Kläger zugute gekommen, der nach Beendigung der Notstandsarbeiten die Leistungen der Arbeitslosenhilfe bezogen hat. In der Rentenversicherung sind die Zeiten einer Notstandsarbeit als Beitragszeiten im Sinne von § 27 Abs. 1 a AVG und nicht als Ersatzzeiten nach §§ 27 Abs. 1 b und 28 Abs. 1 AVG oder als Ausfallszeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG zu bewerten. Die während der Notstandsarbeit geleisteten Beiträge dienen der Verbesserung der späteren Rentenleistung. Nach Ziff. 9 Abs. 1 der Richtlinien für die Grundförderung von Maßnahmen der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge vom 11. November 1954 (ANBA 54 S. 325) muß allerdings der Beschäftigungsvertrag Vorsorge dafür treffen, daß der Notstandsarbeiter jederzeit zwecks Vermittlung in eine angemessene Stelle abberufen werden kann. Der Notstandserbeiter unterliegt als Arbeitsuchender weiter der Betreuung des Arbeitsamts. Diese Umstände sind aber kein Kennzeichen speziell der Notstandsarbeit: Auch nicht öffentlich geförderte Arbeiten werden häufig von Arbeitsuchenden durchgeführt, für die das Arbeitsamt weiterhin tätig ist und die eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit vereinbart haben.
Der fürsorgerische Charakter des vorgezogenen Altersruhegeldes und der Notstandsarbeit rechtfertigen es nicht, eine derartige Beschäftigung anders zu behandeln als sonstige zeitlich beschränkte Arbeiten. Es unterliegt dem Zufall, ob ein arbeitsloser Rentenbewerber in eine mit öffentlichen Mitteln geförderte oder in eine auf dem freien Arbeitsmarkt zu vergebende Arbeitsstelle vermittelt wird: in beiden Fällen sind die Maßnahmen des Arbeitsamts darauf gerichtet, die Arbeitslosigkeit und ihre Folgen zu beseitigen. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum bei den Notstandsarbeitern diese Folgen, soweit es sich um die Voraussetzungen für die Erlangung des vorgezogenen Altersruhegeldes handelt, bestehen bleiben sollten, anders als bei den Arbeitnehmern, die in ein sonstiges befristetes Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Bei dieser Betrachtung entfällt auch das Argument, die fördernden Maßnahmen des Arbeitsamts könnten ihren Sinn verlieren und von den Arbeitslosen als Belastung oder als Strafe empfunden werden, wenn sie einen vielleicht bereits in greifbare Nähe gerückten Anspruch auf das Altersruhegeld vereiteln. Wollte man solchen Erwägungen Raum geben, so dürften Arbeitslose, die mehr als 58 Jahre alt sind, trotz ihrer Arbeitslosmeldung nicht mehr in Arbeit vermittelt werden, um sie nicht dem Verlust der Versicherungsleistung nach § 25 Abs. 2 AVG auszusetzen. Mit der Meldung beim Arbeitsamt hat aber der Arbeitslose gerade seinen Willen bekundet, wieder in Arbeit zu treten und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen (§ 76 AVAVG). Auch wird das Altersruhegeld, um das es sich hier handelt, regelmäßig erst nach der Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt (§ 25 Abs. 1 AVG); die Möglichkeit, es schon nach der Vollendung des 60. Lebensjahres unter den in § 25 Abs. 2 AVG genannten Voraussetzungen zu beziehen, bildet eine Ausnahme, die auf Fälle beschränkt bleiben muß, in denen die Arbeitslosigkeit deshalb mindestens ein Jahr bestanden hat, weil sie durch keine Maßnahmen der Arbeitsvermittlung behoben werden konnte.
Die Notstandsarbeit, die der Kläger von August bis Dezember 1957 geleistet hat, kann nicht als so geringfügig angesehen werden, daß die Fiktion der Arbeitslosigkeit aufrechterhalten werden könnte (§ 75 Abs. 2 AVAVG). Als geringfügig gilt eine Beschäftigung, wenn sie auf nicht mehr als wöchentlich vierundzwanzig Stunden nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist oder wenn für sie kein höheres Entgelt als 65,-- DM monatlich oder 15,-- DM wöchentlich vereinbart oder ortsüblich ist (66 AVAVG i.V.m. § 3 der Ersten DurchfVO vom 5.4.1957 [BGBl I S. 365]). Diese Voraussetzungen waren bei der Notstandsarbeit des Klägers nicht gegeben, auch wenn man berücksichtigt, daß sie ursprünglich nur für 13 Wochen Dauer beabsichtigt war und damit die voraussichtliche Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses in Betracht zieht, wie sie sich zu Beginn desselben zeigte (vgl. SozR Ba 1 Nr. 1 zu § 75 a AVAVG aF).
Die Notstandsarbeit des Klägers kann auch nicht im Hinblick auf § 25 Abs. 2 Satz 4 AVG außer Betracht gelassen werden. Dies ist nur möglich bei einer Beschäftigung, die über eine gelegentliche Aushilfe nicht hinausgeht; dabei findet diese Regelung nicht nur bei der Frage der Weitergewährung des Ruhegeldes (Satz 2 und 3 des § 25 Abs. 2) Anwendung; sie ist auch bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der erstmaligen Gewährung vorliegen (Satz 1 des § 25 Abs. 2), von Bedeutung. Zwar enthält § 25 Abs. 2 AVG nF (anders als § 397 AVG aF) keinen ausdrücklichen Hinweis dieses Inhalts, doch ergibt sich dies aus dem Sinnzusammenhang (Verbandskommentar § 1248 Anm. 11; Jantz/Zweng, S. 87; Brackmann, S, 684c).
Die Beschäftigung des Klägers als Notstandsarbeiter ging über eine gelegentliche Beschäftigung hinaus. Zu erwägen ist schon, ob Notstandsarbeiten überhaupt als Aushilfsbeschäftigung angesehen werden können. Von einer Aushilfe im wörtlichen Sinne kann nur gesprochen werden, wenn ein vorübergehender Bedarf an Arbeitskräften vorliegt, dem abgeholfen wird. Das ist typischerweise der Fall, wenn in einem Betrieb Arbeitskräfte zeitweise ausfallen und Ersatz geschaffen werden muß oder wenn wegen der besonderen - zum Beispiel saisonbedingten - wirtschaftlichen Lage eines Betriebes vorübergehend mehr Arbeitskräfte erforderlich werden (vgl. Entscheidung des RVA Nr. 5279, AN 1939 S. IV 172). Diese Voraussetzungen lagen, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, bei der Beschäftigung des Klägers in einem Kaufhaus in den Monaten November und Dezember 1956 vor. Dabei hat es sich um eine nur saisonbedingte Aushilfsbeschäftigung gehandelt. Durch die Schaffung von Notstandsarbeiten wird jedoch nicht einem Arbeitermangel abgeholfen, sondern es werden im Gegenteil wegen eines Überangebots an Arbeitskräften neue Arbeitsstellen erst geschaffen.
Es kann auch dahinstehen, ob eine Notstandsarbeit von geringer Dauer innerhalb des Rahmens des § 25 Abs. 2 Satz 4 liegen kann, denn die über vier Monate dauernde Notstandsarbeit des Klägers überschreitet jedenfalls als Maß der gelegentlichen Aushilfe. Der unbestimmte Begriff "gelegentliche Aushilfe" erfährt eine gewisse zeitliche Abgrenzung schon durch den Zusammenhang, in dem er gebraucht wird. Er ist zu sehen in Verbindung mit der einjährigen ununterbrochenen Arbeitslosigkeit, die grundsätzlich verlangt wird. Satz 4 des § 25 Abs. 2 ist dazu bestimmt, die Grundsatzregelung des Satzes 1 zu mildern und erklärt vergleichsweise geringfügige Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit für unbeachtlich. Nur eine im Vergleich mit einjähriger Arbeitslosigkeit unbedeutende Beschäftigung darf unberücksichtigt bleiben. Da der Kläger über ein Drittel des in Frage kommenden Jahres als Notstandsarbeiter beschäftigt war, wäre es eine zu weitgehende und nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang nicht gerechtfertigte Durchbrechung des Grundsatzes der ununterbrochenen Arbeitslosigkeit, wollte man diese Beschäftigung außer Betracht lassen. Berücksichtigt man, daß der Kläger überdies zu Beginn des betreffenden Jahres (Dezember 1956) gearbeitet hat - wenn auch damals nur gelegentlich -, so käme man zu dem Ergebnis, daß der Kläger als ununterbrochen arbeitslos gelte, obwohl er fast die Hälfte dieses Jahres in Arbeit stand. Wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, daß derart lange Zeiträume innerhalb eines Jahres außer Betracht bleiben, dann hätte er die Anspruchsvoraussetzung (Satz 1) anders formuliert. Mit dem Wort "überwiegend" (statt "ununterbrochen"), wie es im § 25 Abs. 3 heißt, hätte eindeutig klargestellt werden können, daß auch längere Arbeitsdauer unschädlich ist.
Eine genauere zeitliche Abgrenzung der gelegentlichen Aushilfe ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Es kann dahinstehen, ob - wie nach früherem Recht (vgl. Urteil des erkennenden Senats in SozR § 397 Aa 1 Nr. 1) - § 166 RVO zur Auslegung herangezogen werden kann oder ob nach der Neuregelung der Rentenversicherung der Angestellten nur § 4 Abs. 2 a AVG nF in Frage kommt. Selbst wenn die Dreimonatsfrist des § 168 RVO maßgebend sein sollte, kann der Kläger wegen der über vier Monate dauernden Arbeit nicht als arbeitslos behandelt werden. Der Fall mag anders zu beurteilen sein, wenn die regelmäßig (vgl. Nr. 9 Abs. 2 der Richtlinien mit Ergänzung in ANBA 55 S. 188) auf 13 Wochen berechnete Notstandsarbeit unerwartet um wenige Tage verlängern wird. Eine über einen Monat hinausgehende Verlängerung übersteigt aber erheblich das Maß, das Satz 4 des § 25 Abs. 2 AVG dem Rentenbewerber zubilligt.
Die Revision ist deshalb nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen