Leitsatz (redaktionell)
1. Kehrt ein auswärts verunglückter Versicherter nach der Entlassung aus einem Krankenhaus mit der Eisenbahn an seinen Wohnort zur ambulanten Weiterbehandlung zurück, ist die KK nicht zur Erstattung der Reisekosten verpflichtet, da diese Kosten auf alle Fälle entstanden wären.
2. Ein Versicherter, der außerhalb des Kassenbezirks erkrankt, aber zur Rückkehr imstande ist, kann die Gewährung der Krankenhilfe von seiner eigenen KK verlangen und deshalb grundsätzlich auch die Erstattung der zur Rückbeförderung an seinen Wohnort erforderlichen Transportkosten beanspruchen.
Die KK hat jedoch nur die Kosten zu tragen, die ausschließlich und unmittelbar mit der Krankheit selbst zusammenhängen. Die Kosten, die durch die Rückreise zum Wohnort mit einem regulären Verkehrsmittel entstehen oder entstanden wären, hat der Versicherte selbst zu tragen.
3. Voraussetzungen und Umfang der Erstattung von Rückbeförderungskosten bei Erkrankung eines Versicherten außerhalb des Kassenbezirks.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 2 Fassung: 1930-07-26, § 184 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15, § 368d Abs. 2 Fassung: 1955-08-17
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. November 1967 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger beansprucht von der beklagten Krankenkasse, deren Mitglied er ist, die Erstattung von Beförderungskosten. Er erlitt am 23. August 1966 als Beifahrer eines Lastkraftwagens bei einem Unfall in der Nähe von M mehrere Prellungen, deretwegen er bis zum 5. September 1966 in einem M Krankenhaus zu Lasten der Beklagten behandelt wurde. Nachdem er in beschwerdefreiem Zustand entlassen worden war, kehrte er mit der Eisenbahn an seinen fast 400 km entfernten Wohnort (M bei A) zurück und wurde dort während der anschließenden, bis zum 18. September 1966 dauernden Arbeitsunfähigkeit ambulant weiterbehandelt.
Die Beklagte lehnte eine Erstattung der Eisenbahnfahrtkosten von 35,60 DM ab; sie berief sich dabei auf die bisherige Rechtsprechung, nach der die Kosten der Rückbeförderung eines auswärts erkrankten Versicherten an seinen Wohnort nur dann von der Krankenkasse zu erstatten seien, wenn, was hier nicht zutreffe, die Wohnung des Versicherten von dem Ort der Erkrankung "nicht unverhältnismäßig weit entfernt" sei.
Das Sozialgericht (SG) hat den Arbeitgeber des Klägers und die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) zum Verfahren beigeladen und die Klage - unter Zulassung der Berufung - als unbegründet abgewiesen: Die BG sei hier schon deswegen nicht erstattungspflichtig, weil sie dem Kläger keine Heilbehandlung gewährt habe und dazu trotz des Arbeitsunfalls auch nicht verpflichtet gewesen sei. Die beklagte Krankenkasse hätte die streitigen Beförderungskosten nur dann zu erstatten brauchen, wenn der Kläger nach der Entlassung aus dem Krankenhaus allein an seinem Wohnort hätte weiterbehandelt werden können oder dieser vom Unfallort nicht unverhältnismäßig weit entfernt gewesen wäre; keine der beiden Voraussetzungen habe hier vorgelegen (Urteil vom 23. November 1967).
Der Kläger hat mit Einwilligung der übrigen Beteiligten Sprungrevision eingelegt und sie damit begründet, daß die Reise von München nach seinem Wohnort zum Zwecke der weiteren ärztlichen Behandlung erfolgt sei und deshalb als deren "Annex" von der Beklagten entschädigt werden müsse; die frühere Auffassung, nach der eine Erstattungspflicht nur bei einer nicht unverhältnismäßig weiten Entfernung zwischen Erkrankungs- und Wohnort bestanden habe, sei nicht mehr zeitgemäß. Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Bescheide und des Urteils des SG zu verurteilen, ihm Fahrtkosten in Höhe von 35,60 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils,
die Sprungrevision zurückzuweisen.
Die beigeladene BG, die sich aus dem vom SG genannten Grund nicht für leistungspflichtig hält, hat erklärt, keinen Antrag zur Sache stellen zu wollen.
Der Arbeitgeber des Klägers hat sich nicht geäußert.
Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig (§ 161 in Verbindung mit § 150 Nr. 1 SGG), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat den Erstattungsanspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend für unbegründet gehalten.
Wie der Senat in einem Urteil vom selben Tage (3 RK 82/70 entschieden hat, kann ein Versicherter, der außerhalb des Bezirks seiner Krankenkasse erkrankt, aber zur Rückkehr imstande ist, die Gewährung der Krankenhilfe von seiner eigenen Krankenkasse verlangen und deshalb grundsätzlich auch die Erstattung der zur Rückbeförderung an seinen Wohnort erforderlichen Reisekosten beanspruchen. Dieser Anspruch ist entgegen der Rechtsprechung des ehemaligen Reichsversicherungsamts (GE 4579, AN 1933 S. IV 179) nicht davon abhängig, daß die Wohnung des Versicherten vom Ort der Erkrankung "nicht unverhältnismäßig weit entfernt liegt". Eine solche, dem Gesetz nicht zu entnehmende Einschränkung entspricht, wie der Senat in dem genannten Urteil näher ausgeführt hat, nicht mehr den heutigen Verhältnissen und würde die Versicherten, je nach der - zufälligen - Entfernung des Erkrankungsorts vom Kassenbezirk, ungleich treffen.
Die Erstattungspflicht der Krankenkassen beschränkt sich jedoch, um die Versichertengemeinschaft nicht unbillig zu belasten, auf den Teil der Beförderungskosten, der ausschließlich und unmittelbar durch die Krankheit selbst bedingt ist; sie umfaßt mithin nicht die Kosten, die sehen durch die Reise veranlaßt und daher dieser zuzurechnen sind. Nicht zu erstatten braucht die Krankenkasse deshalb im allgemeinen Kosten, die durch die Rückreise an den Wohnort mit einem regulären Verkehrsmittel entstehen. Ob eine Ausnahme dann gilt, wenn der Versicherte die Krankenhilfe aus medizinischen Gründen nur an seinem Wohnort in ausreichender Weise erhalten kann, braucht nicht entschieden zu werden, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Der Kläger hat sich vielmehr nach der Entlassung aus dem Krankenhaus offenbar aus persönlichen Gründen wieder an seinen Wohnort begeben, um sich dort, in der Nähe seiner Familie, ambulant weiterbehandeln zu lassen.
Wäre für die Reise dorthin infolge der Erkrankung ein besonderes Beförderungsmittel, etwa ein Krankenwagen, notwendig gewesen, hätten dessen Mehrkosten u. U. von der Beklagten erstattet werden müssen. Die Kosten des vom Kläger benutzten regulären Verkehrsmittels (Bundesbahn) fallen ihr jedenfalls nicht zur Last (ähnlich auch ein Urteil des BSG vom 8. Juli 1969, 9 RV 412/66, für einen vergleichbaren Sachverhalt).
Daß auch die beigeladene BG die streitigen Beförderungskosten nicht zu übernehmen braucht, hat das SG zutreffend ausgeführt. Ob sie vom Arbeitgeber des Klägers zu erstatten sind, hat der Senat nicht zu entscheiden.
Die Sprungrevision des Klägers ist hiernach als unbegründet zurückgewiesen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen