Entscheidungsstichwort (Thema)

Besetzung der Sozialgerichte in Streitigkeiten aus dem Kassenarztrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Ob das LSG mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Beisitzern oder mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreise der KK und der Kassenärzte richtig besetzt war, hängt davon ab, ob es sich um eine Angelegenheit allein der Kassenärzte (SGG § 12 Abs 3 S 2) oder um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts, dh um eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der KK fällt, handelt (SGG § 12 Abs 3 S 1). Für die Zuordnung einer Streitsache zu der einen oder anderen Gruppe hat der Senat in ständiger Rechtsprechung als entscheidend angesehen, wie die im Verwaltungsverfahren zuständigen Instanzen, insbesondere die Beschwerdeinstanz besetzt gewesen sind; ob ausschließlich mit Kassenärzten oder auch mit stimmberechtigten Vertretern der KK. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Besetzung die Verwaltungsstellen tatsächlich entschieden haben. Maßgebend ist vielmehr, wie sie von Rechts wegen zu besetzen gewesen wären.

 

Normenkette

SGG § 12 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1953-09-03, S. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Mai 1967 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beauftragung des Klägers mit kassenärztlicher, ambulanter und stationärer Tätigkeit ab 1. Oktober 1955 nach Einführung des in der übrigen Bundesrepublik geltenden Kassenarztrechts im Saarland durch den Zulassungsausschuß in eine Beteiligung nach § 368 a Abs. 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO) umzuwandeln war.

Der Kläger ist Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des St. A-Krankenhauses in W. Mit Beschluß vom 10. Februar 1961 wandelte der Zulassungsausschuß für Ärzte für den Zulassungsbezirk Saarland die ab 1. Oktober 1955 erteilte Beauftragung mit kassenärztlicher Tätigkeit gemäß § 51 Abs. 2 der Zulassungsordnung für Ärzte (ZO) i. V. m. Art. 2 § 2 Abs. 4 des saarländischen Gesetzes Nr. 633 über die Angleichung des Kassenarztrechts im Saarland in das im übrigen Bundesgebiet geltende Recht mit Wirkung vom 1. April 1961 in eine Beteiligung nach § 368 a Abs. 8 RVO um, beschränkte jedoch die Beteiligung auf ambulante Überweisungsfälle chirurgischer Art und erklärte die Beteiligung bezüglich der stationären Behandlungsfälle mit Wirkung vom 31. März 1961 für beendet.

Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos, ebenso seine Klage.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) hat das Landessozialgericht (LSG) in der Besetzung u. a. mit zwei Landessozialrichtern aus dem Kreise der Kassenärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) zurückgewiesen. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen. Der Kläger hat dennoch dieses Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung gerügt, der 3. Senat des LSG sei unrichtig besetzt gewesen. Es handle sich um eine Streitsache, die "Angelegenheiten des Kassenarztrechts" betreffe; demgemäß hätten die Landessozialrichter dem Kreis der Kassenärzte und der Krankenkassen angehören müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 1961 aufzuheben,

hilfsweise,

die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen.

Er hält die Verfahrensrüge des Klägers nicht für durchgreifend.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), hängt die Statthaftigkeit des Rechtsmittels davon ab, ob ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG gerügt worden ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 2, § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) und auch vorliegt (BSG 1, 150). Das ist zu bejahen.

Ob das LSG mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Beisitzern oder mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreise der Krankenkassen und der Kassenärzte richtig besetzt war, hängt davon ab, ob es sich um eine Angelegenheit allein der Kassenärzte (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) oder um eine Angelegenheit des Kassenarztrechts, d. h. um eine Angelegenheit, die in die Zuständigkeit der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und der Krankenkassen fällt, handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Für die Zuordnung einer Streitsache zu der einen oder anderen Gruppe hat der Senat in ständiger Rechtsprechung als entscheidend angesehen, wie die im Verwaltungsverfahren zuständigen Instanzen, insbesondere die Beschwerdeinstanz, besetzt gewesen sind; ob ausschließlich mit Kassenärzten oder auch mit stimmberechtigten Vertretern der Krankenkassen. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Besetzung die Verwaltungsstellen tatsächlich entschieden haben. Maßgebend ist vielmehr, wie sie von Rechts wegen zu besetzen gewesen wären (vgl. zuletzt BSG vom 18. Februar 1970 in SozR Nr. 1 zu EKV-Zahnärzte Allg. v. 1. Oktober 1968 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Umwandlung seiner bisherigen Beauftragung mit kassenärztlicher und stationärer Tätigkeit ab 1. Oktober 1955 nach Einführung des in der übrigen Bundesrepublik geltenden Kassenarztrechts im Saarland in eine Beteiligung nach § 368 a Abs. 8 RVO. Der Berufungsausschuß für Ärzte, der den angefochtenen Beschluß gefaßt hat, war paritätisch mit Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen besetzt und mußte auch so besetzt sein (vgl. § 368 b Abs. 6 RVO). Zum Kassenarztrecht gehören alle Angelegenheiten, die die Eingliederung von Ärzten in das jeweilige System ärztlicher Versorgung von Versicherten zum Gegenstand haben, soweit diese den Krankenkassen als Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung kraft Gesetzes auferlegt ist (BSG 21, 104, 106). Das trifft auch für § 368 a Abs. 8 RVO zu; denn im Falle ihrer Beteiligung nehmen die Krankenhausärzte an der kassenärztlichen Versorgung auf Überweisung durch Kassenärzte teil. Da es sich mithin um eine Angelegenheit handelt, die in die Zuständigkeit der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und Krankenkassen fällt, liegt eine Angelegenheit des Kassenarztrechts vor (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGG). Das LSG hätte daher wie bereits das SG in der Besetzung mit je einem Landessozialrichter aus dem Kreise der Krankenkassen und der Kassenärzte entscheiden müssen. Da es aber nur mit Landessozialrichtern aus dem Kreise der Kassenärzte entschieden hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen. Es wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670419

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