Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlung von Übergangsgeld und Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers. Verjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

Beginn der Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers zur gesetzlichen Krankenversicherung, wenn Rehabilitationsmaßnahmen verschiedener Rehabilitationsträger wegen verschiedener Krankheiten unmittelbar aneinander anschließen (Weiterentwicklung von BSG 1978-02-02 12 RK 29/77 = BSGE 45, 296 = SozR 2200 § 381 Nr 26).

 

Orientierungssatz

1. Die Beitragspflicht der Berufsgenossenschaft zur Krankenversicherung als Rehabilitationsträger setzt erst mit Beginn der 7. Woche nach tatsächlicher Zahlung des Übergangsgeldes durch die Berufsgenossenschaft ein. Die vorhergehende Zahlung des Übergangsgeldes durch die Landesversicherungsanstalt mußte ohne Rücksicht darauf unberücksichtigt bleiben, wann der Anspruch auf Übergangsgeld gegen die Berufsgenossenschaft entstand. Für die Beitragspflicht zur Krankenversicherung kommt es nur auf die Zahlung des Übergangsgeldes an, weil das Gesetz für eine Zusammenrechnung mehrerer Bezugszeiten von Übergangsgeld keinen Anhalt bietet.

2. § 26 SGB 4 regelt allgemein die Erstattungspflicht zu Unrecht entrichteter Beiträge für alle Zweige der Sozialversicherung. Er ist nicht auf bestimmte Beiträge beschränkt. Er gibt jedem, der Beiträge zu einem Zweig der Sozialversicherung ohne Rechtsgrund geleistet hat, einen Erstattungsanspruch gegen den Träger, der die Beiträge rechtsgrundlos erhalten hat.

 

Normenkette

SGB IV § 26; RVO § 381 Abs. 3a Nr. 2 Fassung 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 27.10.1981; Aktenzeichen I KRBf 9/81)

SG Hamburg (Entscheidung vom 23.06.1981; Aktenzeichen 22 KR 179/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin unter Vorbehalt gezahlte Beiträge zu erstatten hat, insbesondere von welchem Zeitpunkt an die klagende Berufsgenossenschaft (BG) als Rehabilitationsträger (RehaTr) Beiträge an die beklagte Krankenkasse (KK) zur gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten hat.

Der bei der beklagten AOK gegen Krankheit versicherte Manfred (M) befand sich vom 18. Juli bis 5. September 1979 auf Kosten der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin zur stationären Heilbehandlung in einer psychiatrischen Klinik. Nach dem Ende der Lohnfortzahlung bezog M vom 29. August 1979 bis 9. September 1979 von der LVA Berlin Übergangsgeld. Am 6. August 1979 zog M sich bei einer angeordneten Sporttherapie eine Verletzung zu. Er war deswegen bis zum 25. November 1979 arbeitsunfähig krank. Vom 7. August 1979 an befand er sich in berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung. Vom 10. September bis 25. November 1979 gewährte ihm die Klägerin Übergangsgeld.

Die Beklagte forderte mit einem Beitragsbescheid vom 19. Dezember 1979 von der Klägerin für die Zeit vom 10. Oktober bis 25. November 1979 Krankenversicherungsbeiträge für M. Die Klägerin verneinte ihre Beitragspflicht für die Zeit vom 10. bis 21. Oktober 1979 und zahlte den hierauf entfallenden Betrag in Höhe von 136,80 DM unter Vorbehalt.

Der auf die Rückzahlung dieses Betrages gerichteten Klage hat das Sozialgericht Hamburg (SG) stattgegeben (Urteil vom 23. Juni 1981). Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 27. Oktober 1981).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 381 Abs 3a Nr 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Bei aufeinanderfolgenden Bezugszeiten von Übergangsgeld bestehe Beitragsfreiheit nur einmal für die ersten sechs Wochen des Bezuges.

Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. Oktober 1981 und des Sozialgerichts Hamburg vom 23. Juni 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Hamburg zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Zutreffend

hat das SG die Beitragsanforderung der beklagten AOK für die streitige

Zeit aufgehoben und sie verurteilt, die insoweit unter Vorbehalt

gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die

klagende BG zurückzuzahlen. Das LSG hat die hiergegen gerichtete

Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin war

als zuständiger RehaTr nicht verpflichtet, für den Rehabilitanden M in

der Zeit vom 10. bis 21. Oktober 1979 Krankenversicherungsbeiträge

zu leisten. Die Beitragsanforderung der Beklagten

war insoweit rechtswidrig. Sie hat die gezahlten Beiträge

zu erstatten.

§ 26 SGB IV regelt allgemein die Erstattungspflicht zu

Unrecht entrichteter Beiträge für alle Zweige der

Sozialversicherung. Er ist nicht auf bestimmte Beiträge

beschränkt. Er gibt jedem, der Beiträge zu einem Zweig der

Sozialversicherung ohne Rechtsgrund geleistet hat, einen

Erstattungsanspruch gegen den Träger, der die Beiträge

rechtsgrundlos erhalten hat. Diese Regelung ist an die

Stelle früherer Einzelbestimmungen und, soweit solche nicht

bestanden, des allgemeinen öffentlich-rechtlichen

Erstattungs(Rückzahlungs-)anspruchs getreten (vgl von

Maydell in Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch -

Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - von

Krause, von Maydell, Merten, Meydam 1978 § 26 Anm I).

Die Beitragspflicht der RehaTr folgt, wenn - wie hier dem

Medizinischen Reha-Maßnahmen gewährt werden, aus § 381 Abs 3a

Nr 2 RVO. Danach hat der das Übergangsgeld gewährende RehaTr

die Beiträge für die übrigen Versicherten, die Übergangsgeld

beziehen, das nicht nach den Vorschriften des

Bundesversorgungsgesetzes berechnet ist, vom Beginn der

7. Woche des Bezuges von Übergangsgeld an zu zahlen. Die

Beitragspflicht trifft also den RehaTr, der dem

Rehabilitanden Übergangsgeld gewährt; sie beginnt mit der

7. Woche des tatsächlichen Bezuges von Übergangsgeld.

Maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung für die Beitragspflicht

des RehaTrs ist die tatsächliche Zahlung des Übergangsgeldes

(BSG in SozR 2200 § 381 Nr 24). Sie entfällt auch nicht

rückwirkend etwa dann, wenn dem Rehabilitanden rückwirkend

anstelle des Übergangsgeldes Vollrente aus der Unfall- und

der Rentenversicherung gewährt wird (SozR 2200 § 381 Nr 35),

oder wenn sich nachträglich herausstellt, daß die

Arbeitsunfähigkeit nicht die Folge eines Arbeitsunfalles

war, so daß kein Anspruch auf Übergangsgeld bestand

(SozR 2200 § 381 Nr 43).

Die klagende BG hat dem M tatsächlich während der

medizinischen Rehabilitation infolge des Sportunfalles vom

10. September bis 25. November 1979 Übergangsgeld gewährt.

Die 7. Woche dieses Übergangsgeldbezuges begann am

22. Oktober 1979; ihre Beitragspflicht begann daher an

diesem Tag.

Dem steht nicht entgegen, daß dem M schon seit dem

29. August 1979 von einem anderen RehaTr, nämlich der LVA

Berlin, wegen der stationären Behandlung Übergangsgeld

gezahlt worden war. Diese Zahlung war am 9. September 1979

beendet. M hat jedoch ohne Unterbrechung weiterhin

Übergangsgeld bezogen. Obwohl der Unfall von der Klägerin zu

entschädigen (§ 539 Abs 1 Nr 17a RVO) war und einen Anspruch

auf Übergangsgeld seit dem Wegfall der Lohnfortzahlung

(29. August 1979) nach § 560 Abs 1 in der vom 1. Oktober

1974 bis 31. Dezember 1980 geltenden - hier anzuwendenden Fassung

(vgl § 21 Nr 44, § 45 des Rehabilitationsangleichungsgesetzes

vom 7. August 1974 -BGBl I 1881-; Art II § 4 Nr 13, § 40

Abs 3 SGB X -BGBl I 1980 S 1469 - berichtigt S 2218)

bedingte, begann die tatsächliche Zahlung seitens der

Klägerin, an die § 381 Abs 3a Nr 2 RVO die Beitragspflicht

des RehaTrs unabhängig von dem Bestehen des Anspruchs des

Versicherten knüpft, aber erst am 10. September 1979.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 2. Februar 1978 (BSGE 45,

296, 299, 300) entschieden, es sei unerheblich, ob es sich

um Übergangsgeldzahlungen wegen einer Ersterkrankung, einer

Wiedererkrankung oder einer wiederholten Wiedererkrankung

handelt. Für eine Zusammenrechnung mehrerer Bezugszeiten von

Übergangsgeld aufgrund mehrerer Wiedererkrankungen biete das

Gesetz keinen Anhalt. Jeder Erkrankungsfall, für den der

Versicherte Übergangsgeld beziehe, sei getrennt bei der

Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge zu behandeln.

Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung. Die von der

Beklagten dagegen vorgebrachten Bedenken greifen nicht

durch. Wenn der Gesetzgeber sich von dem Gedanken hätte

leiten lassen, daß ein Versicherter in der Regel wegen einer

mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit für sechs

Wochen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, der KK deshalb in

dieser Zeit Krankenversicherungsbeiträge zufließen und sie

im Anschluß daran vom RehaTr Beiträge erhalten sollte, wäre

die Regelung des § 381 Abs 3a Nr 2 RVO nicht verständlich.

Der Anspruch auf Übergangsgeld nämlich setzt erst ein, wenn

kein Anspruch auf Arbeitsentgelt mehr besteht (§ 560 Abs 1

Satz 1 RVO aF; § 1240 Abs 1 Satz 3 RVO). Im Regelfall erhält

also die KK nach Wegfall der Lohnfortzahlung und andauernder

Rehabilitationsmaßnahmen für sechs Wochen keine Beiträge von

dem RehaTr. Dafür, daß der Anspruch auf Übergangsgeld

während der Lohnfortzahlung lediglich ruht und deshalb der

Beitragsanspruch sechs Wochen nach Beginn der

Rehabilitationsmaßnahmen beginnt, gibt das Gesetz, wie der

12. Senat des BSG in seinen zitierten Entscheidungen vom

2. Februar 1978 ausgeführt hat, keinen Anhalt. Im

Gegenteil: Die Neufassung des § 560 Abs 1 RVO durch Art II

§ 4 Nr 13 SGB X, mit dem der Satz 2 eingefügt wurde, zeigt,

daß unter bestimmten Voraussetzungen der Anspruch auf

Übergangsgeld ruht (Bezug von Arbeitslosengeld,

Arbeitslosenhilfe, Unterhalts-, Kurzarbeiter- oder

Schlechtwettergeld), bei Weiterzahlung des Arbeitsentgelts

dagegen nicht entsteht.

Ist somit allein die tatsächliche Zahlung von Übergangsgeld

für die Berechnung des Beginnes der Beitragspflicht der

RehaTr maßgebend, so daß wiederholte Arbeitsunfähigkeiten,

die mit der Zahlung von Übergangsgeld verbunden sind,

jeweils erneut eine sechswöchige beitragsfreie Zeit auch

dann bedingen, wenn es sich um die Wiedererkrankung oder

wiederholte Wiedererkrankung an ein und derselben Krankheit

handelt, muß das um so mehr gelten, wenn es sich um

Erkrankungen aus verschiedenen Ursachen handelt und

verschiedene RehaTr Übergangsgeld zahlen. Werden jedoch die

Zeiten des Bezuges von Übergangsgeld bei der Berechnung des

Beginnes der Beitragspflicht nicht zusammengerechnet, wenn

dazwischen Zeiten liegen, in denen kein Übergangsgeld

gezahlt wird, so besteht jedenfalls auch dann kein Grund zu

einer solchen Zusammenrechnung, wenn zwei verschiedene

RehaTr im unmittelbaren zeitlichen Anschluß nacheinander

während unterschiedlicher Rehabilitationsmaßnahmen, die

durch verschiedene Erkrankungen bedingt sind, Übergangsgeld

zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

RegNr, 11792

Das Beitragsrecht Meuer, 497 E 50a 1 (ST1-2)

HVGBG, RdSchr 71/83 (T)

KVRS, A-1520/2 (LT1)

USK, 8325 (LT1)

BAGUV, RdSchr 31/83 (T)

Die Beiträge 1985, 318-320 (ST1-2, LT1)

SozR 2200 § 381, Nr 49 (LT1)

ZfSH/SGB 1983, 447-448 (LT1)

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