Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG).
Die Klägerin, eine polnische Staatsangehörige, reiste im Oktober 1981 mit einem Touristenvisum in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Dieser Antrag wurde im Oktober 1982 abgelehnt. Der Klägerin wurde eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung erteilt. Im Mai 1986 erhielt sie erstmals eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit mehrfach verlängert wurde. Vor der Geburt ihrer Tochter Denise-Nicole am 2. August 1989 war die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zuletzt bis zum 28. April 1989 verlängert worden. Einem vor Ablauf der Geltungsdauer gestellten Verlängerungsantrag wurde nicht stattgegeben; der Klägerin wurde stattdessen bescheinigt, daß sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragt habe und ihr Aufenthalt gemäß § 21 Abs 3 Ausländergesetz (AuslG) vorläufig befristet als erlaubt gelte. Die Befristung wurde anschließend mehrfach verlängert. Nachdem die Klägerin seit Mai 1990 keine Sozialhilfeleistungen mehr in Anspruch genommen hatte, erhielt sie am 18. Juli 1990 eine bis zum 18. Januar 1991 befristete Aufenthaltserlaubnis.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von ErzG für ihre Tochter Denise-Nicole lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach verübergehenden Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis (§ 1 Abs 1 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz ≪BErzGG≫) sei (Bescheid vom 9. November 1989, Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 1990). Nach der am 18. Juli 1990 erfolgten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 20. September 1990 ErzG für die Zeit vom 18. Juli 1990 bis zum Ablauf des 15. Lebensmonats des Kindes.
Klage und – vom Sozialgericht (SG) Reutlingen zugelassene – Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Reutlingen vom 28. Juni 1990; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Baden-Württemberg vom 19. März 1991). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei während des Zeitraums, für den sie ErzG begehre, entgegen § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer nicht nur zweckgebundenen Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die nach § 21 Abs 3 AuslG aF fingierte Aufenthaltserlaubnis genüge diesem Erfordernis nicht. Zwar könne die Entscheidungspraxis der Ausländerbehörde im Ergebnis den Zielen des BErzGG zuwiderlaufen, weil die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätte, wenn sie oder ihr Ehemann erwerbstätig gewesen wären; doch sei dies die Folge einer notwendigen typisierenden Regelung im BErzGG, die von Verfassungs wegen hingenommen werden müsse.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die fiktive Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs 3 AuslG aF den Anforderungen des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG nicht genüge.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. März 1991 und des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 1990 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. November 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 1990 zu verurteilen, ihr auch für die Zeit vom 2. August 1989 bis 17. Juni 1990 Erziehungsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat während des hier streitigen Zeitraums (2. August 1989 bis 17. Juni 1990) keinen Anspruch auf ErzG für ihre Tochter Denise-Nicole.
Gemäß § 1 Abs 1 BErzGG idF vom 6. Dezember 1985 (BGBl I S 2154) hat Anspruch auf ErzG, wer ua einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (Nr 1 aaO). Durch das Gesetz zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1297) ist an § 1 Abs 1 BErzGG mit Wirkung vom 1. Juli 1989 (Art 8 Abs 1 BErzGGÄndG) folgender Satz 2 angefügt worden: „Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist”. Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354) hat Satz 2 an die Neuregelung des Aufenthaltsrechts (§ 5 AuslG nF) angepaßt und für die Zeit ab 1. Januar 1991 (Art 15 Abs 2 AuslRNG) wie folgt geändert: „Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist”. Aufgrund des hier streitigen Anspruchszeitraumes ist das BErzGG idF des BErzGGÄndG anzuwenden.
Die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG sind nicht erfüllt, weil die Klägerin während der streitigen Zeit nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis war, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist (zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis).
Mit Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG nF sollte nach der amtlichen Begründung die Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft ausdrücklich als Voraussetzung für den Anspruch eines Ausländers auf ErzG im Gesetz verankert werden (BT-Drucks 11/4776 S 2 zu Art 1 Nr 1).
Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG an die Neuordnung des Aufenthaltsstatus im AuslG angepaßt. Damit wurde deutlich, daß die ausländerbehördliche Entscheidung schon nach Abs 1 Satz 2 idF des BErzGGÄndG als eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung anzusehen war.
Zwar stellen auch die Gesetzesmaterialien (aaO) nicht klar, was unter „Besitz” einer Aufenthaltserlaubnis zu verstehen ist, doch macht die vergleichbare Regelung in § 5 der Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV) deutlich, daß hiermit die ausdrückliche Zubilligung des Aufenthaltsrechts durch Verwaltungsakt mit Wirkung für die Bezugszeit gemeint ist. Der Gesetzgeber hat durch Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG nF, wie das LSG zutreffend erkannt hat, klargestellt, daß den erziehungsgeldgewährenden Leistungsträgern nicht das Recht zusteht, selbst über die materielle Berechtigung des Ausländers zum Aufenthalt zu befinden. Sie sind vielmehr ebenso wie die Bundesanstalt für Arbeit im Arbeitserlaubnisverfahren, an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebunden, die insoweit Tatbestandswirkung entfaltet (vgl BSG SozR 4100 § 103 Nr 44 und BSGE 67, 176, 179 = SozR 3-4100 § 103 Nr 1). Hieraus folgt, daß auch im Verfahren über die Gewährung von ErzG nicht zu überprüfen ist, ob die Entscheidung der Ausländerbehörde auf einer zutreffenden Anwendung ausländerrechtlicher Vorschriften beruht. Sofern der Betroffene die für die Erziehungsgeldbehörde maßgebende Entscheidung der Ausländerbehörde für rechtswidrig hält, steht ihm die Möglichkeit offen, deren Überprüfung in dem dafür zuständigen Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫) zu veranlassen (BSG SozR 4100 § 103 Nr 44 und BSGE 67, 176, 179) und dort ggf auch einstweiligen Rechtsschutz (§§ 80, 123 VwGO) zu suchen.
Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG nF erfaßt, auch wenn dies aus seinem Wortlaut selbst nicht deutlich wird, nur diejenigen Ausländer nicht, auf die das AuslG nach dessen §§ 1 und 2 Abs 1 (AuslG aF) nicht anwendbar ist oder die kraft Gesetzes dem Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung nicht unterliegen (§ 2 Abs 2 AuslG aF iVm § 1 der Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz
≪DVAuslG≫). Dies ist auch im Gesetzgebungsverfahren bereits erkannt worden (BT-Drucks 11/4776, aaO) und folgt schon aus der Tatsache, daß das Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung in den Fällen als Anknüpfungspunkt ausscheidet, in denen der Ausländer auch für einen dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet keiner Aufenthaltsgenehmigung bedarf (vgl hierzu Urteil des Senats vom 24. März 1992 – 14b/4 REg 23/91 – zur Veröffentlichung bestimmt). Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin jedoch nicht. Bei allen anderen Ausländern kann ein Erziehungsgeldanspruch erst entstehen, wenn ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung der in § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG nF genannten Art erteilt worden ist. Hierzu gehört die Bescheinigung über die vorläufige Erlaubnis des Aufenthalts nach § 21 Abs 3 AuslG aF (§ 69 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AuslG nF) nicht. Denn sie dokumentiert nur, daß der Aufenthalt bis zum Abschluß der Prüfung der Voraussetzungen der Erteilung oder Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis zeitlich befristet zugelassen ist. Die nach § 21 Abs 3 AuslG erteilte vorläufige Aufenthaltserlaubnis war von daher nur „zu einem bestimmten, ihrer Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt” (so auch bereits: BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 3). Die Regelung in Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG nF läßt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht erkennen, daß von einer derart zweckgebundenen Aufenthaltserlaubnis nur dann auszugehen ist, wenn der Zweck des Aufenthaltes vorübergehender Natur ist und der Ausländer nicht beabsichtigt, dauerhaft im Bundesgebiet zu bleiben. Zum einen hängt das Aufenthaltsrecht nicht maßgebend davon ab, ob der Ausländer einen dauerhaften Aufenthalt plant; zum anderen dient auch das Aufenthaltsrecht während der Überprüfung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde nur einem vorübergehenden Zweck. Diese Auslegung verstößt auch nicht, wie die Klägerin meint, gegen Art 3 Abs 1 GG. Denn die Differenzierung knüpft an die Systematik des Aufenthaltsrechts und den hierdurch begründeten ausländerrechtlichen Status an.
Da die Klägerin somit in der Zeit, für die sie noch Erziehungsgeld begehrt, nicht im Besitz eines der nach § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG in Betracht kommenden Aufenthaltstitel war, hat sie die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von ErzG nicht erfüllt. Ihre Revision war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen