Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingter Rückflug von Afrika nach Deutschland
Orientierungssatz
Die Kosten des Rücktransportes einer während des Urlaubes im Ausland Erkrankten (hier: Niger-Nordafrika) sind primär durch die Urlaubsreise entstanden und deshalb nicht von der KK zu tragen. Es ist den Versicherten, die solche Reisen machen können, zumutbar, sich gegen das mit einer unterwegs auftretenden Erkrankung verbundene Transportrisiko durch Abschluß einer Privatversicherung zu schützen.
Normenkette
RVO § 184 Abs. 2 Fassung: 1973-12-19, § 194 Fassung: 1974-08-07, § 219 Fassung: 1972-08-10, § 220 Fassung: 1924-12-15, § 371 Fassung: 1933-08-14
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung der Kosten eines mit einer Sondermaschine durchgeführten Fluges von D (Niger-Nordafrika) nach S.
Der Kläger war bei der Beklagten als Student pflichtversichert. Im Rahmen der Planung einer privaten Afrikareise erhielt er von einem ihrer Angestellten die mündliche Auskunft, sie übernehme auch in Afrika Krankheitskosten in der Höhe, wie sie in der Bundesrepublik für dieselbe Behandlung anfielen. Während der dann durchgeführten Reise erkrankte der Kläger an akuter Hepatitis. Auf Veranlassung eines mitreisenden Arztes flog ihn die D R am 10. März 1976 von D nach S. Anschließend wurde er im Krankenwagen nach T gebracht und hier bis zum 6. April 1976 stationär behandelt. Die Beklagte übernahm sämtliche Behandlungskosten. Die Erstattung der 29.450,- DM betragenden Rückflugkosten lehnte sie ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat ausgeführt: Nach dem Territorialitätsprinzip bestehe Anspruch auf Kassenleistungen nur im Bundesgebiet. Die Beklagte habe die Rückflugkosten auch nicht deshalb zu tragen, weil der Rückflug eine unselbständige Nebenleistung gewesen sei, ohne die die Hauptleistung nicht hätte erbracht werden können. Auch bestehe mit dem Staat Niger kein Sozialversicherungsabkommen. Aus der Satzung der Beklagten lasse sich der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht herleiten. Das Gespräch des Klägers mit einem Angestellten der Beklagten begründe diesen Anspruch ebensowenig; der Kläger behaupte selbst nicht, daß ihm dabei Krankentransportkosten nach Deutschland zugesagt worden seien.
Mit der - zugelassenen - Sprungrevision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er beruft sich auf die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 1971 (BSGE 32, 225) und meint, nach § 194 Abs 1, § 184, § 182 iVm § 507 der Reichsversicherungsordnung (RVO) müsse die Beklagte die Rückflugkosten übernehmen. Auch ergebe sich sein grundsätzlicher Leistungsanspruch auf Krankenhilfe hier schon aus der Zusage der Beklagten iVm § 46 Abs 2 ihrer Satzung.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil sowie die ihm zugrundeliegenden Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten seines Rücktransports von D nach S zu tragen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die streitigen Flugtransportkosten zu erstatten.
Die Übernahme von Reisekosten regelt § 194 RVO. Der erste Absatz dieser Vorschrift ist durch § 21 Nr 14 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (RehaAnglG, BGBl I 1881) neu gefaßt worden. Damit ist die Übernahme von Reisekosten, die bis dahin mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmungen als unselbständige Nebenleistungen der jeweiligen Hauptleistung behandelt wurden (vgl BSGE 28, 253, 254; 32, 225, 226 sowie BSG in SozR Nr 15 zu § 184 RVO und Nr 8 zu § 19 BVG), erstmals gesetzlich geregelt worden. Nach dieser Regelung, mit der § 40 Abs 1 der Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten wörtlich übereinstimmt, ist die Kasse verpflichtet, für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson die im Zusammenhang mit der Gewährung einer ihrer Leistungen erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten sowie die Kosten des erforderlichen Gepäcktransports als "Reisekosten" zu übernehmen. Die vom Kläger geltend gemachten Transportkosten sind jedoch keine derartigen Reisekosten; denn der Kläger hat sich mit seiner privaten Afrikareise freiwillig aus dem räumlich auf das Bundesgebiet begrenzten Bereich der Beklagten entfernt. Nicht seine Erkrankung an einem Ort in Afrika, sondern diese freiwillige Entfernung aus dem räumlichen Bereich seiner Krankenkasse bildete die wesentliche Ursache seines den streitigen Transportkosten zugrundeliegenden, mittels eines Sonderflugzeugs durchgeführten Rücktransports. Die Kosten dieses Rücktransports sind mithin primär durch die Afrikareise des Klägers entstanden und deshalb von ihm selbst zu tragen, von der Beklagten also nicht zu erstatten.
Dies hat der Senat bereits wiederholt entschieden (vgl Urt vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 75/77 -, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urt vom 28. März 1979 - 3 RK 92/77 -; vgl ferner aus BSG Urt vom 8. Juli 1969 - 9 RV 412/76 - in USK 6958). Das entspricht auch dem Charakter der Reisekosten als akzessorischer Nebenleistungen der von der Krankenkasse jeweils zu gewährenden Hauptleistung. Insoweit kann nicht übersehen werden, daß die Entwicklung insbesondere der Einkommensverhältnisse einerseits und des Tourismus andererseits dazu geführt hat, daß ein nicht geringer Teil der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten seinen Urlaub alljährlich in von seinem Wohnort weit entfernten Urlaubsorten verlebt. Erkrankt ein Versicherter gleich dem Kläger aber im Urlaub, so können - wie am Fall des Klägers deutlich wird - auch die mit der Krankheit zusammenhängenden Rücktransportkosten unverhältnismäßig hoch sein und die eigentlichen Behandlungs- bzw Krankenhauspflegekosten weit überschreiten (s. dazu Wortmann DOK 1975, 364 unter 5 S. 370). Wären auch diese Transportkosten von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen, dann ließe sich in ihrem Verhältnis zu den als Hauptleistung der Krankenkasse in Betracht kommenden Behandlungs- bzw Krankenhauspflegekosten nicht mehr von einer Nebenleistung sprechen; denn die Transportkosten wären dann diesen Kosten gegenüber nicht mehr von untergeordneter Bedeutung. Das entspräche nicht der gesetzlichen Regelung, nach der sich - wie schon der Wortlaut des § 194 RVO zeigt (Abs 1 Satz 1: "... im Zusammenhang mit ...") - der Charakter der Reisekosten als einer Nebenleistung der von der Krankenkasse zu gewährenden Hauptleistungen durch die Neufassung dieser Vorschrift nicht verändert hat.
Schließlich fielen derartige Transportkosten, wenn sie von der Krankenkasse zu tragen wären, der Solidargemeinschaft aller Versicherten zur Last. Sie müßten im Wege der Beitragsentrichtung auch von jenen Versicherten mit aufgebracht werden, die nicht in der Lage sind, derartige Reisen zu unternehmen. Das wäre für diese Versicherten eine unbillige, weil sachlich nicht zu rechtfertigende Mehrbelastung. Andererseits ist es den Versicherten, die solche Reisen machen können, zumutbar, sich gegen das mit einer unterwegs auftretenden Erkrankung verbundene Transportrisiko durch Abschluß einer Privatversicherung zu schützen.
Zwar hat der Senat in einem Fall, der die Rückreise eines an seinem in Österreich gelegenen Kurort erkrankten Versicherten nach seinem Wohnort Berlin betraf, mit Urteil vom 24. Februar 1971 (BSGE 32, 225 = SozR Nr 42 zu § 182 RVO), auf das sich der Kläger beruft, entschieden, die Krankenkasse habe die Kosten des mit einem Krankenwagen durchgeführten Rücktransportes insoweit zu tragen, als diese Kosten ausschließlich und unmittelbar mit der Krankheit selbst zusammenhängen, also die bei der Benutzung eines regulären Verkehrsmittels aufzuwendenden Kosten übersteigen. Zu Lasten der Krankenkasse gingen die Mehrkosten, die mit der Benutzung eines besonderen Beförderungsmittels anstelle des allgemein üblichen verbunden sind. Dabei sei kein Unterschied zu machen zwischen den Kosten, die auf den innerdeutschen und jenen, die auf den außerdeutschen Streckenabschnitt entfallen. Mit Rücksicht auf die heutigen, gegenüber früher wesentlich gewandelten Reise- und Urlaubsgewohnheiten breiter Bevölkerungskreise sei auch nicht entscheidend, daß der Ort der Erkrankung von der Wohnung des Versicherten unverhältnismäßig weit entfernt sei.
Diese Entscheidung hat der Senat jedoch mit dem bereits erwähnten Urteil vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 75/77 - zum Teil aufgegeben, da sie schon infolge der Weiterentwicklung der Reise- und Urlaubsgewohnheiten breiter Bevölkerungskreise inzwischen überholt sei und sich, nachdem durch die Neufassung des § 194 RVO die Übernahme von Reisekosten gesetzlich geregelt worden ist, auch deshalb nicht aufrecht erhalten lasse, weil der Senat damals keinen Unterschied zwischen den Kosten, die auf den inner-, und denen, die auf den außerdeutschen Streckenabschnitt entfallen, gemacht habe. Dies umso mehr, als in der Entscheidung vom 24. Februar 1971 auf die Problematik der Kostenerstattung hinsichtlich der für den außerdeutschen Streckenabschnitt in Betracht kommenden Kosten nicht eingegangen worden sei.
Nach alledem hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Revision des Klägers ist deshalb der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen