Leitsatz (amtlich)
Bei der Anpassung der Sonderzuschuß-Rente (AnVNG Art 2 § 35 = ArVNG Art 2 § 36) nach den Vorschriften des 3. RAG muß dem mit dem Anpassungsfaktor vervielfältigten Anpassungsbetrag der Sonderzuschuß ohne Rücksicht auf die Höchstbegrenzung (AnVNG Art 2 § 33 = ArVNG Art 2 § 34) wieder hinzugefügt werden.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 33 Fassung: 1957-02-23, § 35 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 34 Fassung: 1957-02-23, § 36 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RAG 3 §§ 1, 3
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Mai 1963 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Rente des Klägers für Bezugszeiten vom 1. Januar 1961 an nach den Vorschriften des Dritten Gesetzes über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1960 (Drittes Rentenanpassungsgesetz - 3. RAG -) vom 19. Dezember 1960 - BGBl I 1013 - zu zahlen ist.
Der Kläger erhielt im Jahre 1956 aus der Rentenversicherung der Angestellten Rente wegen Berufsunfähigkeit in Höhe von 538,90 DM monatlich. Für Bezugszeiten vom 1. Januar 1957 an wäre die Rente nach Art. 2 § 31 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) umzustellen und nach Art. 2 § 33 AnVNG bei einer Versicherungsdauer von 44 Jahren auf den Höchstbetrag von 495,- DM zu begrenzen gewesen. Da dieser Betrag geringer war als der bisherige - um 21,- DM erhöhte - monatliche Rentenzahlbetrag (Art. 2 § 35 Abs. 1 Satz 1 AnVNG), wurde dem Kläger vom 1. Januar 1957 an die Rente in Höhe von (538,90 + 21,- DM =) 559,90 DM monatlich gezahlt. Auf Grund des 3. RAG erhöhte die Beklagte vom 1. Januar 1961 an die Rente auf 561,- DM monatlich; dieser Betrag entsprach der in § 3 Abs. 1 Satz 3 des 3. RAG festgesetzten Höchstbegrenzung für 44 Versicherungsjahre (Bescheid vom 22. März 1961 - SG Bl 16 -). Der Kläger meint, ihm stehe nach den Vorschriften des 3. RAG die Rente in Höhe von 582,- DM monatlich zu, weil zu dem Höchstbetrag von 561,- DM wiederum 21,- DM hinzugeschlagen werden müßten.
Das Sozialgericht (SG) Nürnberg wies die Klage ab (Urteil vom 21. Juni 1961). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) verurteilte die Beklagte, "vom 1. Januar 1961 an die monatliche Rente des Klägers um den Sonderzuschuß von monatlich 21,- DM ohne Rücksicht auf die Höchstbegrenzung zu erhöhen"; die Revision wurde zugelassen: Bei der Anpassung der Rente nach dem 3. RAG sei der Sonderzuschuß nicht anders zu behandeln als bei der Rentenumstellung 1957; damals sei dessen Gewährung nicht an die Höchstbegrenzung gebunden gewesen. Die neue Festlegung der Höchstgrenze im 3. RAG rechtfertige keine andere Auslegung; dies hätte sonst im Gesetz ausdrücklich gesagt werden müssen. Bei der von der Beklagten vorgenommenen Anpassung würde dem Kläger der mit der Rentenumstellung gewährte Sonderbetrag wieder genommen und der Kläger nicht in den Genuß der vollen Rentenanpassung kommen (Urteil vom 29. Mai 1963).
Die Beklagte legte Revision ein mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie rügte, das LSG habe Art. 2 § 33 AnVNG in der Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 des 3. RAG unrichtig angewandt. Das Gesetz sehe in § 3 Abs. 1 Satz 1 für Renten aus Versicherungsfällen der Jahre 1957 bis 1959 eine Begrenzung vor, weil Anpassungsrentner nicht besser stehen sollten als Rentner mit einem Versicherungsfall des Jahres 1960. Dies gelte auch für die Renten aus alten Versicherungsfällen (Umstellungsrenten). Demgemäß bestimme § 3 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, daß "auf die übrigen Renten" Art. 2 § 33 AnVNG mit den neuen Höchstbeträgen Anwendung finde. Im Ergebnis behandele demnach § 3 Abs. 1 sowohl die Renten neuen Rechts als auch die Renten alten Rechts gleich. Bei dieser Rechtslage müßte die Rente des Klägers bei 44 Versicherungsjahren auf monatlich 561,- DM begrenzt werden. Der Sonderzuschuß sei nicht wieder hinzuzuschlagen, dies hätte im Gesetz ausdrücklich gesagt werden müssen. Insoweit fehle aber eine dem Art. 2 § 35 AnVNG entsprechende Bestimmung.
Der Kläger beantragte,
die Zurückweisung der Revision.
Mit der von der Beklagten vorgenommenen Rentenanpassung komme er auf einen Anpassungsbetrag von nur 0,2 % anstatt der im 3. RAG festgesetzten 5,4 %.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet. Die Auffassung des LSG, bei der Rentenanpassung nach den Vorschriften des 3. RAG müsse dem mit dem Anpassungsfaktor vervielfältigten Anpassungsbetrag der Sonderzuschuß ohne Rücksicht auf die Höchstbegrenzung wieder hinzugefügt werden, trifft zu.
Im 3. RAG ist - ebenso wie im 1. und 2. RAG, jedoch anders als zum Teil im 4. und in den späteren Rentenanpassungsgesetzen - im einzelnen vorgeschrieben, in welcher Weise bei der Anpassung der Rente vorzugehen ist (vgl. hierzu Urteil vom 15. Februar 1966 - 11 RA 289/65 - abgedr. im SozR Nr. 1 zu Art. I § 2 des 6. RAG vom 21. Dezember 1963). Danach muß zunächst der Anpassungsbetrag ermittelt werden (§ 1 Abs. 1); er wird als der Rentenzahlbetrag für Januar 1961 einschließlich des Kinderzuschusses für jedes Kind, vermindert um den Sonderzuschuß und die Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung bezeichnet (§ 2 Abs. 1). Dieser Anpassungsbetrag ist mit dem Anpassungsfaktor (1,054) zu vervielfältigen (§ 1 Abs. 1 Halbs. 1); dem sich dadurch ergebenden Betrag sind die der Anpassung nicht unterliegenden Rententeile wieder hinzuzufügen (§ 1 Abs. 1 letzter Halbsatz). Der Rentenanpassung unterliegt im Falle des Klägers nicht der Sonderzuschuß; er ist, wie sich schon aus Art. 2 § 35 Abs. 2 AnVNG ergibt, von der Anpassung ausgeschlossen. Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung (vgl. § 72 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) und ein Kinderzuschuß sind in der Rente des Klägers nicht enthalten.
Die Beteiligten und das LSG sehen übereinstimmend als Sonderzuschuß, nach dessen Abzug von dem Rentenzahlbetrag für Januar 1961 sich der Anpassungsbetrag ergibt, den Betrag von 21,- DM an. Um diesen Betrag ist bei der Rentenumstellung im Jahre 1957 der Rentenzahlbetrag 1956 für Bezugszeiten vom 1. Januar 1957 an erhöht worden, weil die Rentenumstellung nach Art. 2 §§ 31 ff AnVNG keine Erhöhung des bisherigen Rentenzahlbetrags gebracht hätte (Art. 2 § 35 Abs. 1 AnVNG). Dieser Erhöhungsbetrag kann zwar im Sonderzuschuß enthalten sein, er deckt sich mit ihm jedoch nur in seltenen Fällen und gerade nicht im vorliegenden Fall. Wie der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 4. September 1958 - 4 RJ 89/58 - (BSG 8, 118) entschieden hat, ist als Sonderzuschuß im Sinne von Art. 2 § 36 Abs. 1 und 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) = Art. 2 § 35 Abs. 1 und 2 AnVNG nicht ein fester Betrag, sondern jeweils der Betrag zu verstehen, um den eine nach den Vorschriften der Art. 2 §§ 32 bis 35 ArVNG = Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG umgestellte Rente zur Wahrung des Besitzstandes, d. h. zur Erreichung des bisherigen Rentenzahlbetrags (ohne Kinderzuschuß) zuzüglich eines "Rechenbetrags" von 21,- DM bei Versichertenrente bzw. 14,- DM bei Hinterbliebenenrente zu erhöhen ist. Beim Kläger würde die Differenz zwischen dem monatlichen Rentenzahlbetrag der bisherigen Rente zuzüglich 21,- DM einerseits (559,90 DM) und der nach Art. 2 §§ 31 und 33 AnVNG umgestellten Rente andererseits (495,- DM) - also der Sonderzuschuß im eigentlichen Sinne - einen Betrag von rund 65,- DM monatlich ausmachen. Wenn demgegenüber die Beteiligten und das LSG bei der Rentenanpassung von einem Sonderzuschuß von 21,- DM ausgehen, so ergeben sich danach Unterschiede im Rentenanpassungsbetrag und damit auch unterschiedliche Ergebnisse bei der Vervielfältigung mit dem Anpassungsfaktor. Indessen kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob als Sonderzuschuß im Sinne des § 1 Abs. 1 des 3. RAG jener individuelle Unterschiedsbetrag oder der feste Erhöhungsbetrag von 21,- DM anzusehen ist, weil die Revision allein von der Beklagten eingelegt ist, ein unter 21,- DM liegender geringerer Betrag als Sonderschuß jedenfalls nicht in Betracht kommt und der zur Ermittlung des Anpassungsbetrags zunächst abgezogene Sonderzuschußbetrag nach der Vervielfältigung dem Produkt wieder hinzuzurechnen ist.
Die Vorschrift in § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz des 3. RAG, wonach die der Anpassung nicht unterliegenden Rententeile - hier der Sonderzuschuß - dem sich aus der Multiplikation von Anpassungsbetrag und Anpassungsfaktor ergebenden Produkt wieder hinzuzufügen ist, bedeutet einen wesentlichen Bestandteil des Anpassungsvorgangs. Er wird entgegen der Meinung der Beklagten durch die Höchstbegrenzung der Rente nicht berührt. Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Regelung in § 3 Abs. 1 des 3. RAG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf u. a. bei Renten, die auf Versicherungsfällen der Jahre 1957 bis 1959 beruhen und die nach §§ 30 ff AVG berechnet worden sind, der nach § 1 Abs. 1 Halbs. 1 errechnete Betrag den Betrag nicht überschreiten, der sich ergeben würde, wenn die Rente ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren unter Zugrundelegung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1960 und der Beitragsbemessungsgrenze für dieses Jahr berechnet würde. Diese Vorschrift dient zwar wie der Beklagten zuzugeben ist, der Gleichstellung der davon betroffenen Rentner (Versicherungsfälle 1957 bis 1959) mit solchen Rentnern, bei denen der Versicherungsfall im Jahre 1960 eingetreten ist. Die Vorschrift hat aber, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf den 1. Halbs. in § 1 Abs. 1 ergibt, auch bei den von ihr erfaßten Renten, die keinen Sonderzuschuß enthalten, Bedeutung nur für das aus Halbsatz 1 gewonnene Teilergebnis, nämlich das Produkt aus Anpassungsbetrag und Anpassungsfaktor; die Vorschrift enthält keine Aussage über das endgültige Ergebnis der Rentenanpassung. Dies ist allein aus der vollen Abwicklung nach § 1 Abs. 1 des 3. RAG zu entnehmen. Das gleiche muß für die Vorschrift in § 3 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 des 3. RAG gelten, wonach auf "die übrigen Renten" hier auf die Rente des Klägers - Art. 2 § 33 AnVNG mit den erhöhten Höchstbeträgen Anwendung findet. Auch diese Vorschrift bezieht sich nur auf den nach dem 1. Halbs. des § 1 Abs. 1 errechneten Betrag der die in § 3 Abs. 1 Satz 3 angegebenen Werte nicht überschreiten darf. Der Senat ist daher der Auffassung, daß aus der Regelung in § 3 des 3. RAG keine Schlüsse auf den Wegfall des bei der Rentenumstellung 1957 gewährten Sonderzuschusses gezogen werden können.
Entgegen der Meinung der Beklagten kommt es nicht darauf an, daß im 3. RAG keine dem Art. 2 § 35 AnVNG gleichlautende oder ähnliche Bestimmung enthalten ist, wonach der Sonderzuschuß auch dann wieder hinzuzuschlagen ist, wenn der mit dem Anpassungsfaktor vervielfältigte Anpassungsbetrag durch die Werte nach § 3 Abs. 1 Satz 3 begrenzt wird. Einer solchen ausdrücklichen Bestimmung bedurfte es im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Halbs. 2 nicht mehr. Wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, ist auch kein vernünftiger Grund dafür zu erblicken, daß der Kläger nach der Anpassung seiner Rente nach dem 3. RAG im Hinblick auf den ihm mit der Rentenumstellung 1957 gewährten Sonderzuschuß anders als bisher behandelt werden müßte. Die späteren Rentenanpassungsgesetze erwähnen durchweg im Zusammenhang mit der Anpassung der Altrenten (Umstellungsrenten) den Sonderzuschuß (zuletzt § 5 Abs. 1 des 8. RAG vom 22. Dezember 1965 - BGBl I 2114 -); sie gehen also davon aus, daß dieser Rentenbestandteil von der jeweils vorhergehenden Rentenanpassung nicht berührt und weiterhin als solcher gewährt worden ist. Es kann aber nach der Auffassung des Senats keinen Unterschied in der Behandlung des Sonderzuschusses ausmachen, ob er im Hinblick auf die Höchstbegrenzung der Rente nach Art. 2 § 33 AnVNG oder deshalb gewährt wurde, weil die umgestellte Rente aus anderen Gründen nicht die in § 35 Abs. 1 genannte Mindesthöhe erreicht hat. Der Senat sieht die Richtigkeit seiner Auffassung auch bestätigt durch die Regelung in Art. 2 § 33 a AnVNG (eingefügt durch das Rentenversicherungsänderungsgesetz - RVÄndG - vom 9. Juni 1965). Nach Satz 1 Halbsatz 2 dieser Vorschrift ist die hier genannte zusätzliche Leistung dem Bezieher einer Rente nach Art. 2 § 35 AnVNG nicht zu gewähren, wenn - berechnet zum 1. Januar 1957 - die Sonderzuschußrente höher ist, als die um jene zusätzliche Leistung erhöhte Rente. Daraus folgt, daß der Höchstbetrag nach Art. 2 § 33 AnVNG entweder um die eine oder die andere der zusätzlichen Leistungen überschritten wird. Schließlich zeigt auch der Vergleich mit dem zur Ermittlung des Anpassungsbetrags ebenfalls abzuziehenden Steigerungsbetrag aus Beiträgen der Höherversicherung, daß die Auffassung der Beklagten nicht richtig sein kann. Dieser nach § 1 Abs. 1 Halbs. 2 wieder hinzuzufügende Rententeil wird durch die Höchstgrenzen in Art. 2 § 33 AnVNG ebenfalls nicht berührt.
Der Senat tritt deshalb im Ergebnis der Auffassung des LSG bei, daß der nach den Vorschriften des 3. RAG angepaßten Rente des Klägers der Sonderzuschuß jedenfalls in Höhe von 21,- DM ohne Rücksicht auf die Höchstbegrenzung wieder hinzuzufügen ist. Die Revision der Beklagten muß aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen