Orientierungssatz
Zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Berechnung der Renten iS des AnVNG Art 2 § 41 (= ArVNG Art 2 § 42) gehören nicht die Vorschriften über das Ruhen der Renten (Anschluß an BSG 1964-09-29 4 RJ 561/62 = SozR Nr 27 zu Art 2 § 42 ArVNG).
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 41 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. November 1961 wird aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 19. November 1959 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Höhe der Witwenrente geführt, die der Klägerin aus der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) neben einer Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) zusteht.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) setzte die Beklagte - nachdem die Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft der Klägerin eine Witwenrente aus der gesetzlichen UV in Höhe von 174,80 DM monatlich zugesprochen hatte - den Betrag der an die Klägerin bis dahin in Höhe von 169,- DM monatlich gezahlten Witwenrente aus der AnV nach §§ 55, 56 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) vom 1. Dezember 1958 an auf 69,30 DM und vom 1. Januar 1959 an auf 73,60 DM monatlich fest; den darüber hinausgehenden Teil der Witwenrente aus der AnV erklärte sie als ruhend (Bescheid vom 21. Mai 1959). Die Klägerin beanstandete die Rentenberechnung u. a. deshalb, weil nach ihrer Meinung die Beklagte bei der Feststellung des ruhenden Rentenbetrags nicht von § 55 AVG, sondern allein von § 56 AVG hätte ausgehen müssen. Das Sozialgericht (SG) Frankfurt wies die Klage ab; aus § 56 AVG ergebe sich, daß bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente aus der AnV zunächst die fiktive Rente des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes nach § 55 AVG ermittelt werden müsse (Urteil vom 19. November 1959). Das Hessische LSG bestätigte insoweit die Rechtsauffassung des SG; es war aber der Meinung, die nach neuem Recht berechnete Witwenrente müsse noch mit einer nach dem früheren Recht unter Berücksichtigung der damaligen Ruhensvorschriften berechneten Witwenrente verglichen werden. Es verurteilte die Beklagte - unter Abweisung der Klage im übrigen und unter Zulassung der Revision -, noch diese Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 41 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vorzunehmen und der Klägerin die günstigere Witwenrente zu gewähren (Urteil vom 21. November 1961).
Die Beklagte legte Revision ein mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie sieht sich zu Unrecht verurteilt, die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 41 AnVNG unter Beachtung der vor dem 1. Januar 1957 geltenden Ruhensvorschriften durchzuführen.
Die Klägerin beantragte
die Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet; die Voraussetzungen für die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 41 AnVNG, zu deren Vornahme das LSG die Beklagte verurteilt hat, liegen nicht vor.
Es kann zwar - trotz der insoweit nicht ganz eindeutigen Wortfassung im Tenor und in den Gründen des angefochtenen Urteils - davon ausgegangen werden, daß das LSG die Feststellung der Rente "nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften über die Zusammensetzung und Berechnung der Rente", wozu es auch die Ruhensvorschriften zählte, als die für die Klägerin günstigere Rentenberechnung angesehen und die Beklagte zur Gewährung dieser in Art. 2 § 41 AnVNG bestimmten Leistung verurteilt hat. Zu Unrecht hat jedoch das LSG angenommen, zu den genannten Vorschriften über die Zusammensetzung und die Berechnung der Renten gehörten auch die Vorschriften über das Ruhen der Renten (§ 40 Abs. 1 AVG aF in Verbindung mit §§ 1274, 1275 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF und §§ 55, 56 AVG nF). Dieser - auch im Kommentar von Jantz/Zweng zu Art. 2 § 41 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vertretenen, aber nicht näher begründeten - Auffassung ist bereits der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem zu Art. 2 § 41 ArVNG ergangenen Urteil vom 29. September 1964 (4 RJ 561/62 - SozR ArVNG Art. 2 § 42 Bl. Aa 36 Nr. 27 -) entgegengetreten; nach seiner Meinung verbietet schon der Wortsinn des Gesetzes, die Vorschriften über das Ruhen der Rente den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Berechnung der Renten zuzuordnen; diese Vorschriften beträfen die betragsmäßige Ermittlung der einzelnen Rentenbestandteile und deren Zusammenfassung, wogegen sich die Frage, ob eine Rente ruht, auf einen Denkvorgang beziehe, der sich außerhalb der rechnerischen Ermittlung der Rente und erst zeitlich nachfolgend abspiele. Auch finde sich der in Art. 2 § 42 ArVNG verwendete Begriff "Zusammensetzung und Berechnung der Rente" als Überschrift vor zwei Unterabschnitten des Gesetzes, ohne daß hierin auch die Vorschriften über das Ruhen der Rente enthalten seien; diese seien vielmehr - wie auch schon im früheren Recht - an anderer Stelle des Gesetzes und deutlich von jenen getrennt aufgeführt. Schließlich ergebe sich die Richtigkeit der Auffassung, daß die Vorschriften über das Ruhen der Rente nicht zu den bei der Durchführung der Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 41 AnVNG zu berücksichtigenden Vorschriften über die Zusammensetzung und die Berechnung der Renten gehörten, auch aus dem Sinn und Zweck der Neuregelung der Ruhensvorschriften einschließlich der für sie gültigen Übergangsvorschrift (Art. 2 § 23 ArVNG = Art. 2 § 22 AnVNG). Da die Ruhensvorschriften für Rentenbezugszeiten nach dem Inkrafttreten der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze auch auf vorher eingetretene Versicherungsfälle anzuwenden seien, würden auch die Bezieher von umgestellten Altrenten von der Neuregelung der Ruhensvorschriften betroffen. Für Versicherte, die in der Übergangszeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1961 Rentner geworden seien, könne deshalb auch nichts anderes gelten. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des 4. Senats nach eigener Prüfung der Rechtslage auch für Art. 2 § 41 AnVNG an. Danach gehören also zu den Vorschriften über die Zusammensetzung und die Berechnung der Renten im Sinne von Art. 2 § 41 AnVNG nicht die Vorschriften über das Ruhen der Rente. Das LSG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine Vergleichsberechnung unter Beachtung der vor dem 1. Januar 1957 geltenden Ruhensvorschriften durchzuführen. Auf die Revision der Beklagten muß sein Urteil aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückgewiesen werden.
Ob und in welchem Ausmaß sich die Rente der Klägerin nach den §§ 55 und 56 AVG in der Fassung des Art. 1 § 2 Nr. 29 des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) in ihrer Höhe ändert, kann der Senat im vorliegenden Revisionsverfahren nicht entscheiden. Hierüber wird zunächst ein neuer Bescheid der Beklagten ergehen müssen (Art. 5 § 6 des Gesetzes).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen