Entscheidungsstichwort (Thema)

Kriegsopferversorgung. Ausschluss der Berufung. Rückforderung überzahlter Versorgungsleistungen. Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume. Einbehaltung von Rentenzahlung. Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

 

Orientierungssatz

Betrifft das erstinstanzliche Urteil nicht nur die Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume, sondern auch einen Rückforderungsanspruch (hier als Voraussetzung einer Einbehaltung des überzahlten Betrags von der laufenden Rente), so ist eine vor dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (juris: G580409) am 1.7.1958 eingelegte Berufung nicht nach § 148 Nr 2 SGG idF 3.9.1953 ausgeschlossen (vgl BSG vom 17.9.1959 - 9 RV 146/54 = BSGE 6, 11).

 

Normenkette

SGG § 148 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 149 Fassung: 1958-06-25, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; BVG § 64

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 21.09.1961)

SG Schleswig (Teilurteil vom 14.05.1957)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. September 1961 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

In der vorliegenden Streitsache sind die Versorgungsakten und die Akten des Sozialgerichts (SG) in Verlust geraten. Auf Grund der noch vorhandenen Bescheide der Versorgungsverwaltung und des Tatbestandes der Entscheidungen der Vorinstanzen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Dem am 23. März 1959 gestorbenen Ehemann der Klägerin, C B (B.), war nach dem Bescheid vom 21. Januar 1948 eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. gezahlt worden. Am 6. Juli 1950 teilte das Fürsorgeamt der Stadt E der Versorgungsbehörde mit, daß B. in Kürze zu seiner Schwester nach Afrika ausreisen werde. Im August 1950 begab sich B. nach Ägypten, um dort eine Direktorenstelle bei der I Companie of Egypt zu übernehmen. Er ließ seine Versorgungsbezüge an die Spar- und Leihkasse in E überweisen. Nachdem das Versorgungsamt (VersorgA) H von der Ausreise des B. nach Ägypten Kenntnis erhalten hatte, stellte es mit Ablauf des Februar 1951 die Rentenzahlung ein und teilte B. mit, daß seine Rente nach § 64 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) infolge seines nicht nur vorübergehenden Auslandsaufenthalts ruhe. Mit Schreiben vom 20. September 1951 wandte sich B. gegen diese Einstellung der Rentenzahlung.

Mit dem Umanerkennungsbescheid vom 15. Januar 1953 erkannte das VersorgA H weiterhin "Verlust des linken Unterschenkels bei genügender Stumpflänge und guter Beweglichkeit im Kniegelenk" als Schädigungsfolge mit einer MdE um 50 v.H. an. Es zahlte jedoch dem B. die Rente mit der Begründung nicht aus, daß die Versorgungsbezüge ruhten, weil er am 22. August 1950 seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt habe. Demnach sei ihm für die Zeit vom 1. September 1950 bis 28. Februar 1951 ein Betrag von 360 DM überzahlt worden.

Durch Bescheid des VersorgA H vom 26. Oktober 1954 wurde B. im Wege der Auslandsversorgung die Grundrente von monatlich 25 DM als Kannleistung gewährt; die Auszahlung der Rente erfolgte jedoch für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955 nicht, weil die in dem Umanerkennungsbescheid vom 15. Januar 1953 festgestellte Überzahlung in Höhe von 360 DM einbehalten wurde.

Der gegen den Bescheid des VersorgA H vom 15. Januar 1953 erhobene Widerspruch des B. wurde durch den Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts (LVersorgA) Schleswig-Holstein vom 28. Oktober 1955 zurückgewiesen. Auch der Widerspruch gegen den Bescheid des VersorgA H vom 26. Oktober 1954 hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des LVersorgA H vom 20. März 1956).

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat B. Klage erhoben. Das SG Schleswig hat wegen der Versäumung der Klagefrist gegen den Widerspruchsbescheid des LVersorgA Schleswig-Holstein vom 28. Oktober 1955 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, weil die Widerspruchsentscheidungen auf den Widerspruch des B. vom 7. April 1951 nicht Bezug genommen hätten und er unverschuldet habe annehmen können, daß über diesen Widerspruch noch entschieden werde. Soweit es sich um den Bescheid des VersorgA H vom 15. Januar 1953 und den Widerspruchsbescheid des LVersorgA Schleswig-Holstein vom 28. Oktober 1955 handelt, hat das SG Schleswig durch Beschluß vom 14. Mai 1957 das Verfahren ausgesetzt und den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt mit der Begründung, daß § 64 BVG, soweit er bei Auslandsaufenthalt der Gewährung der Grundrente entgegenstehe, verfassungswidrig sei. Zu einer Entscheidung des BVerfG ist es jedoch nicht gekommen, weil die Akten des VersorgA und die Akten des SG Schleswig mit dem Vorlagebeschluß nicht zum BVerfG gelangt, sondern in Verlust geraten sind. Nach Rekonstruktion der in Verlust geratenen Akten hat das SG, soweit der Rechtsstreit auf Grund des Vorlagebeschlusses vom 14. Mai 1957 bei ihm noch anhängig war, eine mündliche Verhandlung auf den 22. November 1962 festgesetzt, in der die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Durch Teilurteil vom 14. Mai 1957 hat das SG Schleswig den Bescheid des VersorgA H vom 26. Oktober 1954 abgeändert und die Entscheidung des LVersorgA H vom 20. März 1956 aufgehoben. Es hat "das beklagte Landesversorgungsamt H" verurteilt, dem B. 360 DM zu zahlen. In den Entscheidungsgründen des Teilurteils hat das SG Schleswig ausgeführt, das LVersorgA H habe zu Unrecht den Betrag von 360 DM von der im Wege der Kannleistung bewilligten Grundrente einbehalten. Zwar sei diese Einbehaltung auf Grund des Umanerkennungsbescheides des VersorgA H vom 15. Januar 1953 erfolgt, das VersorgA Heide habe aber dadurch gegen Treu und Glauben verstoßen, daß es den überzahlten Betrag von B. zurückgefordert habe; denn die Überzahlung beruhe im wesentlichen auf einem Verschulden der Versorgungsbehörden, denen bekannt war oder wenigstens hätte bekannt sein müssen, daß B. in das Ausland verziehen werde. Dies ergebe sich aus der Mitteilung des Fürsorgeamts der Stadt E vom 6. Juli 1950. Im übrigen habe B. der Meinung sein können, daß sich durch seinen Wohnungswechsel hinsichtlich der Zahlung seiner Grundrente keine Änderung ergeben würde, da § 64 BVG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoße. Die Grundrente nach dem BVG tendiere ihrem Wesen nach mehr in Richtung des Schadensersatzes, weil sie unabhängig von dem Einkommen gewährt werde und einen Ersatz für Körperschäden darstellen solle. Aus diesen Gründen könne der Wohnsitz für die Gewährung der Grundrente nach dem BVG keine Bedeutung haben.

Gegen das Teilurteil vom 14. Mai 1957 hat die Freie und Hansestadt H, vertreten durch das LVersorgA H, Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 21. September 1961 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des SG Schleswig vom 14. Mai 1957 als unzulässig verworfen; es hat die Revision nicht zugelassen. Das LSG hat im Rubrum seines Urteils die Freie und Hansestadt H und das Land Schleswig-Holstein als Beklagte und Berufungskläger aufgeführt. In den Entscheidungsgründen hat es die Verwerfung der Berufung als unzulässig damit begründet, daß diese im vorliegenden Falle nach § 148 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) deswegen nicht zulässig sei, weil Teilurteil und Berufung nur die Versorgung des B. für den zur Zeit der Entscheidung des SG abgelaufenen Zeitraum vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955 beträfen. Zwar handle es sich bei der Rückforderung von überzahlten Versorgungsbezügen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht um Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume; Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sei hier aber nicht ein Rückforderungsanspruch gewesen. Vielmehr sei Gegenstand des Klageanspruchs in dem vom SG im Teilurteil erfaßten Umfang allein die Nachzahlung der vom VersorgA H für Rechnung des VersorgA H einbehaltenen 360 DM gewesen. Ob ein Urteil nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume oder auch andere Ansprüche betreffe, beurteile sich allein nach dem Gegenstand des Urteilsspruches, nicht nach dem Inhalt der Urteilsgründe. Gegenstand des Urteilsspruches sei nur der Anspruch auf Nachzahlung der Versorgungsbezüge für den Zeitraum vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955 gewesen, während der zur Aufrechnung gestellte Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde nur Gegenstand einer Einwendung und damit der Urteilsgründe gewesen sei. Für den Gegenstand des Verfahrens komme es also nicht darauf an, aus welchem Grunde der Versorgungsträger den Rentenanspruch ganz oder teilweise abgelehnt habe. Bei dieser Rechtslage komme es für den Ausschluß der Berufung nicht mehr darauf an, daß die Versorgungsbehörde in dem Bescheid vom 15. Januar 1953 zwar die Überzahlung von 360 DM festgestellt, aber noch keinen Rückforderungsanspruch erhoben gehabt habe. Dieser Bescheid enthalte wohl unter den allgemeinen Hinweisen auch den Grundsatz der Pflicht zur Rückerstattung unrechtmäßig empfangener Versorgungsbezüge; dies sei aber nur eine schlichte Verwaltungsäußerung, jedoch nicht ein Verwaltungsakt, also eine der unmittelbaren rechtlichen Wirkung fähige Erklärung der Versorgungsbehörde über die im Einzelfall erfolgte Ausübung ihres Rückforderungsrechts.

Gegen dieses ihr am 20. November 1961 zugestellte Urteil des LSG hat die Beklagte (Freie und Hansestadt H) mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1961, beim BSG eingegangen am 13. Dezember 1961, Revision eingelegt und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage unter Aufhebung des Teilurteils des SG Schleswig vom 14. Mai 1957 abzuweisen.

Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20. Februar 1962 hat die Beklagte die Revision mit Schriftsatz vom 25. Januar 1962, eingegangen beim BSG am 2. Februar 1962, begründet. Sie rügt eine Verletzung der §§ 103, 128, 148 Nr. 2 und 149 SGG. Sie trägt hierzu in der Revisionsbegründung, auf die Bezug genommen wird, insbesondere vor, der Versorgungsanspruch des B. für die Zeit vom 1. Oktober 1954 an sei weder dem Grunde noch der Höhe nach streitig gewesen und habe somit nicht Gegenstand der Klage des B. oder des Urteils des SG Schleswig sein können. Allein streitig sei vielmehr, ob das VersorgA H die vom VersorgA H mit Bescheid vom 15. Januar 1953 festgestellte Überzahlung von 360 DM von B. zurückfordern durfte. Bei seinem Hinweis auf die Entscheidungen des BSG in 3, 279 und 5, 156 übersehe das LSG, daß dort lediglich darüber zu entscheiden war, ob an den Berechtigten erbrachte Leistungen als Rentenleistungen anzurechnen waren, was von Einfluß auf den Beginn der Rentenzahlung war. Durch die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Leistungen werde dagegen der Beginn der Versorgung überhaupt nicht berührt.

Die Berufung sei im vorliegenden Falle zulässig, weil weder die Klage noch das Urteil des SG Schleswig den Beginn oder das Ende der Versorgung oder nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume betreffen. In der Sache selbst vertritt die Beklagte die Auffassung, daß das VersorgA Hamburg berechtigt war, mit Bescheid vom 26. Oktober 1954 den überzahlten Betrag von 360 DM einzubehalten, da der Bescheid des VersorgA Heide vom 15. Januar 1953, in dem die Überzahlung dieses Betrages festgestellt wurde, bindend geworden sei. Gegen den Rückerstattungsanspruch des VersorgA H könne auch nicht eingewendet werden, das VersorgA H habe diesen Anspruch nicht erhoben. Da B. sich im Ausland aufgehalten und dort keine Versorgungsleistungen empfangen habe, sei es ausreichend gewesen, in dem Bescheid vom 15. Januar 1953 die Überzahlung festzustellen und B. auf seine Pflicht hinzuweisen, den überzahlten Betrag zurückzuerstatten. Endlich sei auch der Einwand, die Rückforderung des überzahlten Betrages verstoße gegen Treu und Glauben, unbegründet. B. habe selbst in seiner Klageschrift vom 30. März 1956 vorgetragen, daß von einer Auswanderung seinerseits nie die Rede gewesen sei, weil er nur einen Vertrag über 6 Monate abgeschlossen habe. Bei einem Aufenthalt im Ausland bis zu 6 Monaten werde aber die Rentenzahlung nicht eingestellt. Das VersorgA H habe somit auf Grund der Angaben des B. die Rente zunächst weitergewähren müssen und die Rentenzahlung erst mit dem 28. Februar 1951 einstellen dürfen, als B. nach Ablauf von 6 Monaten nicht zurückgekehrt war. Die Überzahlung beruhe daher nicht auf einem Verschulden der Versorgungsbehörde, sondern auf den Angaben des B.

Die Klägerin beantragt die Verwerfung der Revision als unzulässig; sie hält die von der Beklagten gerügten Verfahrensmängel nicht für gegeben und das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beklagte hat die Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 21. September 1961 form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Am Revisionsverfahren ist das Land Schleswig-Holstein nicht mehr beteiligt, da allein die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg Revision eingelegt hat, wobei dahingestellt bleiben kann, ob das Land Schleswig-Holstein, das im Rubrum des Berufungsurteils aufgeführt ist, überhaupt hätte Revision - etwa mangels Beschwer - einlegen können. Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat und eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs i.S. des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG im vorliegenden Falle ausscheidet, findet die Revision nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG gerügt wird und vorliegt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG 1, 150).

Die Beklagte rügt in erster Linie, das Berufungsgericht hätte statt einer Prozeßentscheidung eine Sachentscheidung treffen müssen. Sie ist der Meinung, daß das Teilurteil des SG Schleswig vom 14. Mai 1957 entgegen der Auffassung des LSG nicht nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume i.S. des § 148 Nr. 2 SGG, sondern die Rückforderung der vom VersorgA H mit Bescheid vom 15. Januar 1953 festgestellten Überzahlung von 360 DM betreffe. Diese Rüge einer Verletzung des § 148 Nr. 2 SGG greift durch.

Die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten ist nach den §§ 143 ff SGG i.d.F. vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung des SGG vom 25. Juni 1958 - 2. ÄndG - (BGBl I 409) zu beurteilen, da dieses Gesetz auf Prozeßhandlungen, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1958 abgeschlossen waren, nicht anwendbar ist (BSG 8, 135; SozR SGG § 143 Bl. Da 2 Nr. 2 und 3). Da die Beklagte die Berufung gegen das Urteil des SG Schleswig am 4. Juli 1957 eingelegt hat, findet § 148 Nr. 2 SGG aF Anwendung. Nach dieser Vorschrift konnten Urteile der Sozialgerichte mit der Berufung nicht angefochten werden, wenn sie Beginn oder Ende der Versorgung oder nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume "betreffen". Es kommt hiernach für die Entscheidung des vorliegenden Falles - wie das LSG an sich zutreffend erkannt hat - darauf an, ob das Teilurteil des SG Schleswig vom 14. Mai 1957 einen Streit über Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft oder einen Streit über einen Rückforderungsanspruch gegen B., dessen Ehefrau als Rechtsnachfolgerin das Verfahren fortgesetzt hat. Wie das BSG für die Zeit vor Inkrafttreten des 2. ÄndG zum SGG vom 25. Juni 1958 in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (BSG 3, 234; 6, 11), sind überzahlte Versorgungsbezüge, die von den Versorgungsbehörden zurückgefordert werden, keine einmaligen Leistungen i.S. des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG; es handelt sich bei ihnen auch nicht um Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume i.S. des § 148 Nr. 2 SGG. Diese Rechtslage hat sich erst seit Inkrafttreten des 2. ÄndG zum SGG am 1. Juli 1958 geändert. Durch dieses Gesetz ist § 149 SGG insoweit neu gefaßt worden, als die Berufung bei Streitigkeiten wegen Rückerstattung von Leistungen nicht zulässig ist, wenn der Beschwerdewert 500 DM nicht übersteigt. Da im vorliegenden Falle die Berufung der Beklagten vor Inkrafttreten des 2. ÄndG zum SGG eingelegt worden ist, kommt jedoch - wie bereits oben dargelegt - die Anwendung des § 149 SGG nF nicht in Betracht (vgl. BSG in SozR SGG § 149 Bl. Da 4 Nr. 9). Sollte es sich demnach im Verfahren vor dem SG um einen Streit über einen Rückforderungsanspruch gehandelt haben, so ist die zulässig vor Inkrafttreten des 2. ÄndG zum SGG eingelegte Berufung ungeachtet des § 149 SGG nF zulässig geblieben (vgl. auch Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur SGb, Anm. 3 zu § 149).

Das LSG hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen, weil nach seiner Auffassung Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens nicht ein Rückforderungsanspruch gewesen sei. Gegenstand des Klageanspruchs sei vielmehr in dem von dem Teilurteil des SG erfaßten Umfange allein die Nachzahlung der vom VersorgA H für Rechnung des VersorgA Heide einbehaltenen 360 DM gewesen. Die Versorgungsbehörde habe lediglich versucht, mit dem Rückforderungsanspruch gegen die Nachzahlungsforderung für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955 aufzurechnen. Dieser Auffassung des LSG kann jedoch nicht zugestimmt werden. Sie könnte vielleicht dann berechtigt sein, wenn der Rückforderungsanspruch bereits in einem anderen als dem im vorliegenden Falle allein noch angefochtenen Bescheid des VersorgA H vom 26. Oktober 1954 geltend gemacht worden wäre. Daß dies nicht der Fall ist, hat auch das LSG in dem angefochtenen Urteil zutreffend erkannt. Es führt hierzu in den Entscheidungsgründen aus, daß die Versorgungsbehörde in dem Bescheid vom 15. Januar 1953 die Überzahlung von 360 DM festgestellt, aber noch keinen Rückforderungsanspruch erhoben hat. Es ist somit davon ausgegangen, daß die Rückforderung von 360 DM erstmals von der Beklagten in ihrem Bescheid vom 26. Oktober 1954 in der Weise geltend gemacht worden ist, daß sie die dem B. vom 1. Oktober 1954 an als Kannleistung im Wege der Auslandsversorgung bewilligte Grundrente von monatlich 25 DM bis zum 30. November 1955 einbehalten hat. Hieran ändert nichts der Umstand, daß die Beklagte nicht einen besonderen "Rückforderungsbescheid" erlassen hat. Die Absicht der Rückforderung ergibt sich vielmehr schon eindeutig daraus, daß in dem Bescheid eine Überzahlung festgestellt und zugleich verfügt worden ist, der überzahlte Betrag sei von der laufenden Rente für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955 einzubehalten (ebenso BSG 7, 8, 15). Diese in dem angefochtenen Bescheid vom 26. Oktober 1954 enthaltene Rückforderung von 360 DM ist auch - entgegen der Auffassung des LSG - Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG Schleswig gewesen. Dies ergibt sich schon aus dem vom SG Schleswig im Tatbestand des Teilurteils vom 14. Mai 1957 wiedergegebenen Klagevortrag des B. Danach hat B. vor dem SG vorgebracht, die Überzahlung - wenn sie überhaupt vorliege - sei ohne sein Verschulden eingetreten. Er habe angenommen, er bekomme seine Rente zu Recht, und sei der Meinung, daß die Versorgungsbehörde gegen Treu und Glauben handle, wenn sie die überzahlte Versorgungsrente in Höhe von 360 DM zurückverlange und diese Überzahlung von der im Wege der Kannleistung gemäß § 64 BVG gewährten Grundrente einbehalte. Damit war auch B. während des Klageverfahrens davon ausgegangen, daß in erster Linie die "Rückforderung" der 360 DM streitig war. Das SG hat dann folgerichtig in den Entscheidungsgründen geprüft, ob das VersorgA den überzahlten Betrag von dem Kläger zurückfordern durfte. Es hat hierzu ausgeführt, daß die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstoße, weil die Überzahlung im wesentlichen auf dem Verschulden der Versorgungsbehörden beruhe. Der angefochtene Bescheid vom 26. Oktober 1954 und damit auch das Teilurteil des SG vom 14. Mai 1957 betreffen somit nicht nur den von B. geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung der ihm durch diesen Bescheid bewilligten Grundrente für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955, sondern in erster Linie als Voraussetzung für die Einbehaltung dieses Betrages durch das VersorgA H den Rückforderungsanspruch der Beklagten. In einem solchen Falle ist aber die Berufung nach § 148 Nr. 2 SGG aF nicht ausgeschlossen, weil das Urteil des SG einen Rückforderungsanspruch und damit nicht nur Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume "betrifft" (vgl. hierzu auch den insoweit rechtlich gleichliegenden Fall in BSG 6, 11, 13 bis 15).

Das LSG hat sich in dem angefochtenen Urteil auch auf die Entscheidungen in BSG 3, 279 und 5, 155 berufen. Die dort entschiedenen Fälle betreffen jedoch einen anderen Sachverhalt. In BSG 3, 279 ist entschieden worden, daß Urteile nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betreffen, wenn ein Träger der Rentenversicherung den Anspruch auf eine der Höhe nach unstreitige Rentennachzahlung ganz oder teilweise mit einer Gegenforderung der in § 1309 der Reichsversicherungsordnung genannten Art aufrechnet. Das BSG hat ferner entschieden, daß ein Urteil des SG nur Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft, wenn der Versicherungsträger eine Rentennachzahlung mit dem Sozialamt verrechnet hat, weil der Berechtigte Sozialunterstützung bezogen hat, und das SG die Klage auf Auszahlung der "verrechneten Rente" abgewiesen hat (BSG 5, 155). Diese beiden Fälle unterscheiden sich von dem vorliegenden Fall dadurch, daß es sich dort allein um die Auszahlung der dem Berechtigten an sich zustehenden Rente, dagegen nicht um einen besonderen, von dem Rentenanspruch verschiedenen "Rückforderungsanspruch" handelte. Wie bereits oben dargelegt, ging der Streit vor dem SG jedoch nicht allein um die Auszahlung der Rente für die Zeit vom 1. Oktober 1954 bis 30. November 1955, sondern in erster Linie um die Rückforderung des überzahlten Betrages überhaupt. Die Bezugnahme des LSG auf die angeführten beiden Entscheidungen des BSG geht somit fehl.

Da hiernach das LSG die Berufung zu Unrecht unter Verletzung des § 148 Nr. 2 SGG aF als unzulässig verworfen hat, ist die Revision der Beklagten nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft. Sie ist auch begründet, weil die Möglichkeit besteht, daß das LSG bei der gebotenen sachlichen Prüfung des Teilurteils des SG Schleswig vom 14. Mai 1957 zu einer Aufhebung dieses Teilurteils gekommen wäre. Der Senat konnte in der Sache selbst nicht entscheiden, da das LSG lediglich ein Prozeßurteil erlassen hat und somit die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu der Frage fehlen, ob das VersorgA Hamburg berechtigt war, in dem angefochtenen Bescheid vom 26. Oktober 1954 den überzahlten Betrag von 360 DM im Wege der Einbehaltung von der laufenden Rente zurückzufordern. Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an die Vorinstanz zurückverwiesen werden. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch die rechtliche Bedeutung der Rücknahme der Klage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Schleswig am 22. November 1962 für den vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigen haben. Vor dem SG Schleswig war infolge der Vorlage beim BVerfG durch Beschluß vom 14. Mai 1957 noch der Rechtsstreit insoweit anhängig, als es sich um die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 15. Januar 1953 und des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1955 handelte. Dieser Teil des gesamten Rechtsstreits hat sich durch die Rücknahme der Klage am 22. November 1962 erledigt, so daß nunmehr davon auszugehen ist, daß B. die ihm in der Zeit vom 1. September 1950 bis 28. Februar 1951 gezahlten Versorgungsbezüge in Höhe von 360 DM zu Unrecht erhalten hat. Das LSG wird daher noch darüber zu entscheiden haben, ob die Beklagte diesen Betrag nach § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes zurückfordern durfte.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2719984

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