Leitsatz (redaktionell)

Zeiten des Aufenthalts in Dänemark - Einführung des AVG § 45 Abs 2 S 2 mit Wirkung vom 1965-07-01:

Auf Grund der Einfügung des für alle seit dem 1956-12-31 eingetretenen Versicherungsfälle geltenden AVG § 45 Abs 2 S 2 mit Wirkung vom 1965-07-01 an gilt auf Grund der Besonderheiten des SVAbk DNK als auch nach dem Sinn und Zweck der innerdeutschen Neuregelung nichts anderes als bisher. SVAbk DNK Art 26 und 27 sind als Spezialvorschrift weiterhin anzuwenden.

 

Normenkette

AVG § 45 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1268 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1965-06-09; SVAbk DNK Art. 26-27

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. Februar 1967 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. Juli 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Witwenrente der Klägerin.

Der Ehemann der 1885 geborenen Klägerin hielt sich nach dem Ersten Weltkrieg zunächst in Nordschleswig (H) auf, das bis zum 15. Juni 1920 zum deutschen Reichsgebiet gehört hatte und dann an das Königreich Dänemark abgetreten wurde. Er war dort als Maurergeselle beschäftigt. Später war er bis zum September 1927 dort als selbständiger Maurer tätig. Danach kehrte er in das deutsche Reichsgebiet zurück, verzog aber am 7. April 1933 erneut nach Dänemark, wo er weiterhin bis zum 30. Mai 1938 selbständig tätig war. Anschließend entrichtete er als selbständiger Bauunternehmer in Schleswig-Holstein Beiträge zur Deutschen Handwerkerversicherung.

Seit dem 1. Oktober 1952 bezog er Ruhegeld aus der Angestelltenversicherung (AnV). Diese Rente wurde nach dem Inkrafttreten des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 umgestellt und betrug unter Berücksichtigung der später ergangenen Rentenversicherungsanpassungsgesetze (RAGe) zur Zeit seines Todes am 1. Juni 1960 318,70 DM, wobei aber seine Aufenthaltszeit in Dänemark unberücksichtigt geblieben war. Auf Grund einer Neufeststellung seines Ruhegeldes unter Berücksichtigung von insgesamt 15 Jahren Aufenthaltszeiten in Dänemark nach Art. 16 und 17 des deutschdänischen Sozialversicherungsabkommens ( DDSVA ) vom 14. August 1953 (BGBl 1954 II 753, BABl 1954, 529), nämlich für die Zeiten vom 1. Oktober 1917 bis 30. September 1927 und vom 7. April 1933 bis 31. März 1938, ergab sich eine Rente von monatlich 391,20 DM für Mai 1960.

Die nach neuem Recht berechnete Witwenrente der Klägerin aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes betrug anfänglich 118,60 DM monatlich, wobei die dänischen Aufenthaltszeiten nach Art. 25 und 26 DDSVA nicht rentensteigernd berücksichtigt worden waren.

Im Verlaufe des von der Klägerin wegen der Höhe ihrer Witwenrente angestellten Streitverfahrens berechnete die Beklagte schließlich in ihrem Bescheid vom 14. April 1966 auf Grund der Einfügung des Satzes 2 in § 45 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476) mit Wirkung vom 1. Juli 1965 die Rente der Klägerin auf sechs Zehntel der letzten Versichertenrente ohne dänische Aufenthaltszeiten in Höhe von 318, 70 DM zuzüglich der jeweiligen Rentenanpassungen, wobei sich nunmehr eine Rente von monatlich 244,30 DM für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1965 und von monatlich 264,30 DM für 1966 auf Grund des 8. RAG ergab.

Auf die Berufung der Klägerin - das Sozialgericht (SG) Schleswig hatte ihre Klage auf Zahlung einer höheren Rente sowohl für die Zeit bis zum 30. Juni 1965 als auch vom 1. Juli 1965 an in vollem Umfang abgewiesen- verurteilte das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die Beklagte,

in Abänderung ihres Bescheides vom 14. April 1966 einen neuen Bescheid zu erteilen, durch den der Klägerin mit Wirkung vom 1. Juli 1965 an Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann in Höhe von 234,80 DM monatlich (das sind 6/10 von 391,20 DM) unter zusätzlicher Berücksichtigung zwischenzeitlicher Rentenanpassung zu gewähren ist,

was für 1966 unter Berücksichtigung des 8. RAG eine Rente von monatlich 311,90 DM ergibt. Zur Begründung führte das LSG aus, der neue § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG sei eingefügt worden, um aus sozialen Erwägungen den Bezieherinnen der großen Witwenrente (§ 45 Abs. 2 Satz 1 AVG) eine Erhöhung auf 60 % des Zahlbetrages der vom Versicherten bezogenen Versichertenrente ohne Kinderzuschuß zu gewähren. Dieser Erhöhungsbetrag sei eine von der zurückgelegten Versicherungszeit unabhängige Leistung, die nach innerdeutschem Recht zu berechnen und ohne Kürzung zu gewähren sei. Der Mindestbetrag des § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG sei damit eine Leistung, die nicht auf dem DDSVA beruhe und nicht mit einer inner- oder außerdeutschen Versicherungszeit des Versicherten in Zusammenhang stehe. Es sei deshalb nicht zulässig, ihn mit der Begründung zu verweigern, daß damit dänische Aufenthaltszeiten zu Gunsten einer Witwe entgegen der Regelung in Art. 25 und 26 doch angerechnet würden. Der Erhöhungsbetrag sei vielmehr seiner Rechtsnatur nach eine von der Versicherungszeit unabhängige Leistung innerdeutschen Rechts, ohne daß es dabei auf die Ursache der Differenz zwischen der Witwenrente und der Versichertenrente ankomme. Art. 26 DDSVA berühre nicht das Recht der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Witwen von Bundesbürgern auf Gewährung aller nach deutschem innerstaatlichen Recht aus der AnV gebührenden Leistungen, zu denen auch der Erhöhungsbetrag nach § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG gehöre.

Hiergegen hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrage,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 14. Juli 1966 zurückzuweisen.

Gerügt wird unrichtige Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG. Dieser wirke sich in Fällen der vorliegenden Art dahin aus, daß sechs Zehntel des Betrages nicht unterschritten werden dürfe, der sich ergebe, wenn bei der Berechnung der Versichertenrente die dänischen Aufenthaltszeiten unberücksichtigt bleiben, wie der Senat auch in seinem Urteil 1 RA 75/67 vom 14. Februar 1968 bereits anerkannt habe (SozR § 1268 der Reichsversicherungsordnung - RVO - Nr. 10).

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Unter Berufung auf das von ihr dem LSG überreichte Rechtsgutachten des Instituts für internationales Recht an der Universität Kiel vom 10. Februar 1967 tritt sie der vom Senat im vorgenannten Urteil vertretenen Auffassung entgegen; sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Senat hat keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.

Zur Entscheidung der anstehenden Rechtsfrage bedarf es im Hinblick auf die Ausführungen im überreichten Rechtsgutachten eines näheren Eingehens auf die Besonderheiten des DDSVA . Nach Art. 16 des genannten Abkommens werden unter bestimmten Voraussetzungen bei der Feststellung der nach deutschen Vorschriften für den Fall des Alters an deutsche oder dänische Staatsangehörige in der Bundesrepublik zu gewährenden Renten die nach der Vollendung des 21. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten des Aufenthaltes im Königreich Dänemark berücksichtigt.

a) für die Erfüllung der Wartezeit,

b) für die Erhaltung der Anwartschaft,

sofern sich diese Zeiten nicht mit Versicherungszeiten in den deutschen Rentenversicherungen überschneiden. Dazu bestimmt Art. 17, daß für diese Aufenthaltszeiten bis zur Höchstdauer von 15 Jahren Steigerungsbeträge gewährt werden "auf Grund von Durchschnittsentgelten, die der Versicherte bei einer gleichartigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland bezogen haben würde, oder, wenn der Versicherte im Königreich Dänemark nicht eine nach deutschem Recht versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat, nach einem durchschnittlichen Jahreseinkommen, dessen Höhe zwischen den Vertragsstaaten vereinbart wird".

Diese noch auf das alte Recht abgestellte Formulierung ist, um dem Sinn und Zweck des DDSVA gerecht zu werden, seit dem Inkrafttreten der Rentenreformgesetze dahin zu verstehen, daß die Zeiten des Aufenthalts in Dänemark für die Rentenberechnung grundsätzlich deutschen Beitragszeiten gleichstehen und sich demzufolge sowohl auf die anrechnungsfähige Versicherungszeit als auch auf die Rentenbemessungsgrundlage auswirken.

Diese in den Art. 16 und 17 des Abkommens getroffene Regelung berücksichtigt die Besonderheiten der dänischen Sozialversicherung. Ein System der sozialen Sicherheit wurde in Dänemark wegen der dortigen überwiegenden Agrarstruktur erst verhältnismäßig spät entwickelt. Obwohl es "Volksversicherung" genannt wurde, beruhte es in Wahrheit auf dem Prinzip der Versorgung aus öffentlichen Mitteln. Es ist damit vom deutschen System grundverschieden. Die Invaliditätsversicherung wurde 1922 eingerichtet. Sie erfaßte kraft Gesetzes alle Personen im Alter von 21 bis 60 Jahren, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie Arbeitnehmer oder selbständig sind oder überhaupt keinem Beruf nachgehen, insbesondere also sogar die nichtberufstätigen Hausfrauen. Die Mittel wurden durch sehr geringe Beiträge der Versicherten und zum überwiegenden Teil durch Staatszuschüsse aufgebracht. Rente wurde bei Invalidität gezahlt, außerdem wurden Heilbehandlungen, vorbeugende Gesundheitsfürsorge und Umschulungsmaßnahmen gewährt. Die Rente war vom Arbeitsentgelt während des Arbeitslebens und von der Dauer der Beitragszahlung unabhängig. Sie wurde vielmehr nach festen Sätzen gezahlt, eigenes Einkommen wurde in gewissem Umfang angerechnet. Schließlich wurde bei Erreichung der Altersgrenze anstelle der Invaliditätsrente die Altersrente gewährt (jetzt auf Grund des Volkspensionsgesetzes vom 2. Oktober 1956), vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung S. 298 s sowie Strebel, Die dänische Sozialversicherung, OKK 1951, 329, 332; ferner SozVers 1958, 246 und Juhl-Christensen in Zeitschrift für Sozialreform 1958, 46 sowie schließlich Mitt. d. LVA Rheinprovinz 1966, 408.

Hieraus erklärt sich zunächst, warum nach den Art. 20, 16 und 17 des Abkommens bei den Renten für den Fall der Invalidität oder der Berufsunfähigkeit sowie für den Fall des Alters einerseits nur die nach Vollendung des 21. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten eines Aufenthalts in Dänemark berücksichtigt werden, andererseits aber auch alle Aufenthaltszeiten ohne Rücksicht darauf, ob der Berechtigte als Arbeitnehmer beschäftigt war oder nicht und ob er nach deutschem Recht versicherungspflichtig gewesen wäre. Bei der damit verbundenen pauschalen Betrachtungs- und Berechnungsweise kann es dann jedoch nicht ausbleiben, daß es zweifellos Berechtigte gibt, die sich infolge der Anwendbarkeit des deutsch-dänischen Sozialversicherungsabkommens besser stehen, während sicherlich viele andere benachteiligt werden. Das wird insbesondere dann gelten, wenn der Versicherte mehr als 15 Jahre Beschäftigungszeiten in Dänemark nachweisen kann und die §§ 15, 17 des Fremdrentengesetzes (FRG) anzuwenden wären (vgl. hierzu 1 RA 297/61 vom 12. Januar 1966, SozR, Abk. mit Dänemark über SozVers. Allg. Nr. 3). Außerdem werden die dänischen Aufenthaltszeiten nur solange rentensteigernd berücksichtigt, als der Berechtigte seinen Wohnsitz innerhalb der Bundesrepublik oder des Landes Berlin (West-Berlin) hat und die deutsche oder dänische Staatsangehörigkeit besitzt.

Dazu bestimmen die Art. 25 und 26 des Abkommens weiter, daß diese dänischen Aufenthaltszeiten (also nicht nur die Beschäftigungszeiten, wie das Universitätsgutachten meint) bei der Feststellung der nach deutschen Vorschriften aus den deutschen Rentenversicherungen zu gewährenden Witwenrenten an die Witwen deutscher oder dänischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik Deutschland nur für die Prüfung der Frage der Erfüllung der Wartezeit und der Erhaltung der Anwartschaft berücksichtigt werden, daß aber für sie keine Steigerungsbeträge gewährt werden. Hierzu hat der Senat in seinem soeben erwähnten Urteil (SozR aaO) bereits entschieden, daß diese Artikel auch nach der Einführung der Rentenreform grundsätzlich weitergelten. Demzufolge können diese Aufenthaltszeiten bei der Witwenrente nicht als Versicherungszeiten angerechnet werden.

Diese in den Art. 26 und 27 getroffene Sonderregelung erklärt sich wiederum aus den Besonderheiten der dänischen Sozialversicherung, nämlich daraus, daß die dänische Volksversicherung zur Zeit des Vertragsabschlusses keine Witwenrente kannte. Der fragliche Personenkreis sollte deshalb gegenüber den deutschen Rentenversicherungsträgern keine Ansprüche aus Zeiten herleiten können, für die von vornherein keine Versicherungsleistungen zu erwarten waren (BSG aaO). Bei der Berechnung der Witwenrente nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen vom 23. Februar 1957 konnten deshalb die Zeiten des Aufenthalts des Versicherten in Dänemark, auch soweit sie Beschäftigungszeiten waren, weiterhin weder als Beitragszeiten noch als Ersatzzeiten, noch als Ausfallzeiten berücksichtigt werden. Jede andere Auslegung hätte gegen Art. 26 DDSVA verstoßen, und dieser ist daher weiter anzuwenden, obwohl auch das dänische Recht inzwischen eine Witwenpension kennt (BSG aaO). Denn hierdurch wird nichts daran geändert, daß zu der Zeit, als der frühere Ehemann der Klägerin sich in Dänemark aufhielt, dort eine Witwenrente noch unbekannt war und dies berücksichtigt werden sollte.

Offengelassen hat der Senat indes in seinem genannten Urteil vom 12. Januar 1966, ob etwa auf Grund der Einfügung des für alle seit dem 31. Dezember 1956 eingetretenen Versicherungsfälle geltenden § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG mit Wirkung vom 1. Juli 1965 an im Ergebnis etwas anderes gilt, weil nach der genannten Vorschrift u. a. über 45 Jahre alte Witwen wie die Klägerin grundsätzlich 6/10 der vom Versicherten bis zu seinem Tode bezogenen Rente bekommen sollen (vgl. Art. 5 §§ 6 und 10 RVÄndG). Diese Frage ist indes sowohl auf Grund der mitgeteilten Besonderheiten des DDSVA als auch nach dem Sinn und Zweck der erwähnten innerdeutschen Neuregelung im Einklang mit dem früheren Urteil des Senats vom 14. Februar 1968 zu verneinen.

In der amtlichen Begründung zur Einfügung des § 1268 Abs. 2 Satz 2 RVO (= § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG) - BR-Drucks. 319/64 S. 27 - heißt es hierzu, habe der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes eine Besitzstands- oder Umstellungsrente bezogen, so könne nach der derzeitigen Regelung der Zahlbetrag der Witwenrente oder der anderen in § 1268 Abs. 1 genannten Renten u. U. niedriger als 6/10 der Rente des Versicherten ohne Kinderzuschuß im Zeitpunkt seines Todes sein. Für Berechtigte nach § 1268 Abs. 2 solle aus sozial-politischen Gründen dieses Ergebnis vermieden werden. § 45 Abs. 2 Satz 2 AVG will damit die Härte ausgleichen, die darin gesehen wurde, daß die Witwenrente nach Abs. 2 Satz 1 (d. h. 6/10 der nach § 30 Abs. 2 AVG auf den Todeszeitpunkt berechneten Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit - ohne Kinderzuschuß -) in einer Anzahl von Fällen nicht 6/10 der Rente - ohne Kinderzuschuß - erreicht, die der Versicherte bis zu seinem Tode bezogen hat. Das kann vor allem dann eintreten, wenn dieser wie z. B. der Ehemann der Klägerin zuletzt eine sogenannte Umstellungsrente (Art. 2 §§ 30 ff AnVNG) oder eine sogenannte Vergleichsrente (Art. 2 § 41 AnVNG) - also eine nach altem Recht berechnete und um den Sonderzuschuß erhöhte Rente - bezogen hatte. Hier soll die Witwe, die die persönlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 AVG erfüllt, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht unter einer - für sie unerwarteten - Mißhelligkeit leiden, die sich daraus ergibt, daß Versichertenrente und Witwenrente nach unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen (einmal altem Recht und sodann neuem Recht) festgesetzt werden, was zur Folge haben kann, daß die Witwenrente, wie gerade auch bei der Klägerin, deren nach neuem Recht berechnete Witwenrente lediglich 118,60 DM monatlich betrug - anders als in den Fällen, in denen schon die Versichertenrente nach neuem Recht festgesetzt worden war - weit hinter dem Betrag von 6/10 der vom Versicherten zuletzt bezogenen Rente zurückbleibt (vgl. BSG 13, 251). Das Vertrauen der Witwe, nach dem Tode des Versicherten eine Rente in dieser Höhe zu erhalten, soll somit dadurch geschützt werden, daß ihre Witwenrente auf den in Abs. 2 Satz 2 genannten Mindestbetrag angehoben wird. Zur Erreichung dieses Zieles genügt es aber, wie die Beklagte mit Recht vorträgt, wenn bei der Berechnung der Witwenrente nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AVG für die Zeit vom 1. Juli 1965 an von der Versichertenrente ausgegangen wird, die sich zur Zeit des Todes des Versicherten ergibt, wenn seine dänischen Aufenthaltszeiten unberücksichtigt bleiben, was im übrigen auch für die Klägerin eine gewisse Erhöhung der Witwenrente ergibt. Denn jede andere Auslegung würde der in Art. 25 und 26 DDSVA enthaltenen Sonderregelung widersprechen. Wie der Senat in seinem schon mehrfach genannten Urteil vom 12. Januar 1966 bereits ausgeführt hat, bezieht sich das Abkommen nicht nur auf die Gesetzgebung zur Rentenversicherung, die zur Zeit des Vertragsabschlusses in Kraft war, sondern auch auf alle Gesetze und sonstigen Vorschriften, die diese Gesetzgebung später ändern oder ergänzen. Hiermit ist nur einem allgemein gültigen Rechtsgedanken Ausdruck verliehen worden. Das von der Bundesrepublik erlassene Zustimmungsgesetz zum DDSVA vom 21. August 1954 (BGBl II 753) ändert daran nichts. Zustimmungsgesetze, durch die der Inhalt völkerrechtlicher Verträge zu innerstaatlichem Recht transformiert wird, hängen in ihrer Geltungsdauer von der des Vertrages ab. Dieser aber kann während seiner völkerrechtlichen Wirksamkeit durch innerstaatliche Gesetze weder geändert noch aufgehoben werden. Vielmehr gilt er für die von ihm geregelten Sachverhalte auch gegenüber abweichendem späterem Recht weiter. Anderenfalls würden die selbstverständlichen Ausgangspunkte jeder zwischenstaatlichen Regelung, die Grundsätze der Gegenseitigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung in Frage gestellt werden, die Ausgangsposition für Gegenseitigkeitsabkommen verändert und der Abschluß vom Sozialversicherungsabkommen erschwert, weil das Interesse des anderen Staates an einer zusätzlichen vertraglichen Regelung erlahmen könnte. Dementsprechend heißt es auch in Nr. 12 des Schlußprotokolls zum DDSVA , die Regierungen der beiden Vertragsstaaten behielten sich eine Anpassung oder Änderung des Abkommens vor, "wenn sich aus seiner Durchführung einseitige Belastungen eines der Vertragsstaaten oder unerwünschte Härten für die Berechtigten des einen oder anderen Vertragsstaates ergeben".

Das alles bedeutet, daß die in Art. 26 und 27 DDSVA getroffene grundsätzliche Regelung weder durch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze noch durch das Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93), noch durch das RVÄndG außer Kraft getreten ist, sondern als Spezialvorschrift weiterhin anzuwenden, wie der Senat in seinem Urteil 1 RA 75/67 vom 14. Februar 1968 ausgesprochen hat.

Die gegenteilige Auffassung der Klägerin und des Instituts für internationales Recht an der Universität Kiel in dem Rechtsgutachten vom 10. Februar 1967 berücksichtigten nicht genügend die geschilderten Besonderheiten des DDSVA . Wie der Verfasser jenes Gutachtens zum Schluß selbst ausführt, bezweckte das DDSVA die soziale Sicherstellung der Staatsangehörigen beider Vertragsstaaten unter Wahrung des Gegenseitigkeitsprinzips. Gerade um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Anrechnung dänischer Aufenthaltszeiten für deutsche Hinterbliebenenrenten ausgeschlossen. Die Klägerin konnte daher - unabhängig von den innerdeutschen Vorschriften - niemals erwarten, daß solche Zeiten ihrer Witwenrente zugrunde gelegt würden, und deshalb vermag ihr auch die Ergänzung des § 45 Abs. 2 AVG durch Art. 1 § 2 Nr. 26 Buchst. b RVÄndG nicht zu helfen. Sie und der Verfasser jenes Gutachtens verkennen Anlaß und Ziel der Ergänzung des § 45 Abs. 2 AVG durch das RVÄndG. Daß durch zwischenstaatliche Vereinbarungen die Anrechnung bestimmter Zeiten zwar für den Versicherten vorgesehen, für seine Hinterbliebenen aber ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, hat die Ergänzung des § 45 Abs. 2 AVG weder mit veranlaßt noch sollte dadurch die zwischenstaatliche Vereinbarung außer Kraft gesetzt werden (vgl. Pappai in BABl 1965, 602). Die Beklagte hat daher mit Recht in ihrem Bescheid vom 14. April 1966 der Neuberechnung der Witwenrente der Klägerin nur den Betrag zugrunde gelegt, der dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes ohne Anrechnung der Zeiten seines Aufenthalts in Dänemark zustand.

Somit muß die Revision den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324245

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