Leitsatz (amtlich)
Eine Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des BVG § 1 ist nicht auf Grund des BVG § 85 S 1 rechtsverbindlich, wenn die Gesundheitsstörung beim Erlaß des Umanerkennungsbescheides beseitigt ist. (Anschluß BSG 1955-12 09- 8 RV 251//55-BSGE 2, 113).
Normenkette
BVG § 85 S. 1 Fassung: 1950-02-20, § 1 Fassung: 1950-02-20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. September 1954 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Württemberg erkannte auf Grund des Körperbeschädigten-Leistungsgesetzes mit Bescheid vom 10. August 1949 für den Kläger Blasenschleimhautentzündung als Leistungsgrund an und bewilligte ihm vom 1. Februar 1947 an Rente für eine teilweise Erwerbsunfähigkeit von 30 v.H. Sie lehnte es zugleich ab, das chronische Blasenleiden des Klägers als Leistungsgrund anzuerkennen.
Auf die Berufung des Klägers erkannte das Württembergische Oberversicherungsamt (OVA.) in der Entscheidung vom 7. November 1951 als weiteren Leistungsgrund "Stecksplitter in der Rückenmuskulatur" an und wies den Kläger mit seinen weitergehenden Ansprüchen ab. Es stellte fest, dass das chronische Blasenleiden anlagebedingt und die früher als Leistungsgrund anerkannte Blasenschleimhautentzündung abgeheilt war. Diese Vorentscheidung wurde rechtskräftig.
In dem Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 3. Juni 1952 erkannte das Versicherungsamt Stuttgart "Stecksplitter in der Rückenmuskulatur" als Schädigungsfolge an, nahm aber die Blasenschleimhautentzündung nicht als Schädigungsfolge in den Umanerkennungsbescheid auf. Durch diesen Bescheid stellte es mit Ende des Monats Juli 1952 die dem Kläger bisher gezahlte Rente ein, da die MdE. infolge "Stecksplitters in der Rückenmuskulatur" ab 1. Oktober 1950 weniger als 25 v.H. betrage.
Die Berufung des Klägers gegen den Umanerkennungsbescheid, mit der er die Anerkennung der Blasenschleimhautentzündung als Schädigungsfolge und die Gewährung einer Rente nach einer MdE. um 25 v.H. erstrebte, wurde vom Württembergischen OVA. mit Urteil vom 8. April 1953 zurückgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg, auf das der Rekurs des Klägers gegen das Urteil des OVA. als Berufung neuen Rechts gemäß § 215 Abs. 3 SGG überging, wies die Berufung durch Urteil vom 17. September 1954 zurück. Es hat dazu ausgeführt, die begehrte Anerkennung der Blasen-Schleimhautentzündung als Schädigungsfolge und der Anspruch auf Rentengewährung nach einer MdE. um 30 v.H. seien unbegründet. Das Blasenleiden sei im Zeitpunkt der Erteilung des angefochtenen Bescheides abgeheilt und der Beklagte daher berechtigt gewesen, dieses Leiden, obwohl es früher rechtskräftig anerkannt war, nicht in den Umanerkennungsbescheid zu übernehmen. Die Vorschrift in § 85 Satz 1 BVG über die Bindung an eine Entscheidung über den ursächlichen Zusammenhang sei nur anwendbar, wenn die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung im Zeitpunkt der Umanerkennung noch bestehe. Durch die noch vorhandenen Verwundungsfolgen werde die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht gemindert. Das LSG. hat in seinem Urteil die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23. Oktober 1954 zugestellte Urteil des LSG. Baden-Württemberg am 22. November 1954 Revision eingelegt. Er beantragt:
1. das angefochtene Urteil und das Urteil des Württembergischen Oberversicherungsamts Stuttgart vom 8.April 1953 aufzuheben, den Bescheid des Versorgungsamts I Stuttgart vom 3. Juni 1952 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, "Blasenschleimhautentzündung" weiterhin als zusätzliche Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und dem Kläger vom 1. Oktober 1950 ab Rente nach einer Minderung seiner Erwerbsfähigkeit um 30 % zu gewähren;
2. hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen;
3. die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Beklagten aufzuerlegen.
In der am 29. November 1954 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Kläger eine Verletzung des § 85 BVG. Er ist der Ansicht, die frühere Anerkennung der nunmehr abgeklungenen Blasenschleimhautentzündung sei für den Geltungsbereich des BVG bindend. Im übrigen wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 26.November 1954 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist statthaft, da sie vom LSG. nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen wurde. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist hiernach zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.
Das LSG. hat mit Recht die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Umanerkennungsbescheides vom 3. Juni 1952 war nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG., die der Kläger mit der Revision nicht angegriffen hat, die Blasenschleimhautentzündung abgeklungen. Deshalb ist, auch wenn nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften der ursächliche Zusammenhang dieses Leidens mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG anerkannt war, diese Entscheidung für die Feststellung der nach dem BVG zu gewährenden Leistungen nicht bindend. Der Kläger irrt, wenn er meint, dass auf Grund des § 85 Satz 1 BVG auch solche Gesundheitsstörungen, die nicht mehr vorhanden sind, als anerkannte Schädigungsfolgen in den neuen Bescheid zu übernehmen seien. Sinn und Zweck des § 85 Satz 1 BVG ist es, zu verhüten, dass ein Versorgungsberechtigter lediglich wegen Änderung der Versorgungsgesetzgebung bei der medizinischen Beurteilung der Zusammenhangsfrage schlechter gestellt wird als bisher. Diese Vorschrift verpflichtet die Verwaltungsbehörde nicht, eine nach früherem Recht als Leistungsgrund anerkannte Gesundheitsstörung, wenn sie beseitigt ist, auch in dem nach dem BVG erteilten Bescheid als Schädigungsfolge anzuerkennen. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 8. Senats an (vgl. Urteil vom 8.12.1955 - 8 RV 251/55 -), der mit eingehender Begründung die Rechtsfrage im gleichen Sinn entschieden hat. Für die erste Feststellung der Versorgungsbezüge nach dem BVG sind die tatsächlichen Verhältnisse, die bei dieser Feststellung vorgelegen haben, maßgebend, auch wenn sie sich im Vergleich mit der früheren Feststellung geändert haben. Die Verwaltungsbehörde handelt daher nicht rechtswidrig, wenn sie eine nach altem Recht als Dienstbeschädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung, die vor der Bescheiderteilung nach dem BVG beseitigt war, nicht mehr berücksichtigt.
Die Auffassung des Klägers, daß er die Aufnahme des nach früherem Versorgungsrecht anerkannten Leidens in den Umanerkennungsbescheid verlangen kann, weil er sonst bei einem Rückfall seines Leidens benachteiligt werde, geht fehl.
Nach dem Wegfall einer Schädigungsfolge muß bei erneuter Geltendmachung einer Gesundheitsstörung mit gleichen Symptomen die Frage des ursächlichen Zusammenhangs ohnedies neu geprüft werden.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen