Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsschadensausgleich. Beruf iS des § 30 Abs 3 und 4 BVG
Leitsatz (amtlich)
Dafür, ob schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen eines Kandidaten die Niederlage bei der öffentlichen Wahl zum Kommunalbeamten (hier: Landrat in Bayern) wesentlich mit beeinflußt haben, sind sozialwissenschaftliche Aufklärungsmöglichkeiten nicht schlechthin auszuschließen.
Orientierungssatz
Was unter "Beruf" in der Rechtsordnung verstanden wird, ist jeweils aus dem Zusammenhang, in dem eine ihn behandelnde Vorschrift steht, zu schließen (vgl zB BSG 1965-08-11 4 RJ 29/62 = BSGE 23, 231, 232 = SozR Nr 20 zu § 1267 RVO). Ein Beruf, in dem der Beschädigte einen wirtschaftlichen Schaden gemäß § 30 Abs 3 BVG erlitten haben muß, ist auch der Wirkungsbereich eines bayerischen Landrats.
Normenkette
BVG § 30 Abs 3; BVG § 30 Abs 4; BVG§30Abs3u4u5DV § 4 Fassung: 1977-01-18
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.11.1980; Aktenzeichen L 15 V 410/79) |
SG Landshut (Entscheidung vom 08.11.1979; Aktenzeichen S 8 V 224/79) |
Tatbestand
Der Kläger - 1926 geboren war bis 1962 als gelernter Chemielaborant tätig und dann bis 1966 Landtagsabgeordneter. Er beantragte im Juli 1978 einen Berufsschadensausgleich entsprechend einem Vergleichseinkommen als höherer Beamter. Er begründet diesen Anspruch damit, daß er seine letzte Wahl zum Landrat deshalb verloren habe, weil seine Schädigungsfolgen ihn an dem erforderlichen persönlichen Einsatz in Wahlversammlungen gehindert hätten. Bei ihm ist als Schädigungsfolge vor allem ein Zustand nach operativ behandelter Lungentuberkulose mit Rechtsüberlastung des Herzens anerkannt; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde ab Oktober 1960 mit 80 vH und ab Oktober 1970 mit 70 vH bewertet. 1967 war der Kläger mit 54 vH und 1972 mit 58 vH der abgegebenen gültigen Stimmen zum Landrat des bayerischen Kreises K gewählt worden. Bei der Kommunalwahl 1978 unterlag er seinem Gegenkandidaten mit 49,8 vH gegen 50,2 vH bei einem Unterschied von 25.529 zu 25.733 Stimmen. Er bezieht Ruhegehalt nach der Besoldungsgruppe B 6 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG).
Sein Antrag ist ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 18. April 1979, Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 1979, Urteil des Sozialgerichts vom 8. November 1979 und des Landessozialgerichts - LSG - vom 28. November 1980). Das Berufungsgericht hat den nach § 30 Abs 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Schädigungsfolgen und einem Einkommensverlust, dh dem Unterschied zwischen Ruhegehalt und Vergleichseinkommen des höheren Dienstes, verneint. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Kläger wahrscheinlich wesentlich durch seine Schädigungsfolgen gehindert gewesen sei, erneut als Landrat auf sechs Jahre gewählt zu werden. Die Erwägungen und Motive der wahlberechtigten Kreisbürger, die den Landrat unmittelbar und geheim wählen, seien vielfältiger, unterschiedlicher und unwägbarer Art. Was die Wahlentscheidungen letztlich bewirke, lasse sich nicht sozialwissenschaftlich ermitteln. Eine objektive nachträgliche Wahlprognose sei nicht möglich. Die deutliche Leistungsminderung, die durch die Schädigungsfolgen beim Kläger bedingt werde, habe ihn im übrigen 1967 und 1972 nicht gehindert, den Wahlkampf erfolgreich durchzustehen.
Der Kläger rügt mit seiner - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision eine Verletzung des § 30 Abs 3 und 4 BVG sowie der §§ 103, 106, 128 Abs 1 und des § 136 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das LSG hätte durch Befragen eines Sachverständigen aufklären müssen, ob der Kläger infolge verringerter Wahlkampfanstrengungen seine letzte Wahl verloren habe. 1978 habe er wegen seines Gesundheitszustandes lediglich 27 Wahlveranstaltungen gegenüber ungefähr 60 im Jahre 1972 bestreiten können. Das habe auf die Wähler ungünstig gewirkt. Das Berufungsgericht habe das Beweisergebnis vorweggenommen, wenn es ohne Anhörung eines Sachverständigen annehme, daß es unmöglich sei, nachträglich zu ermitteln, welchen Einfluß die Wahlkampfbemühungen des Klägers auf das Wahlergebnis gehabt hätten. Für diese Beurteilung habe das Gericht keine eigene Sachkunde dargelegt. Nach dem derzeitigen Stand der Kommunikationswissenschaft lasse sich aber, wie Prof. Dr. Dr. Nölle-Neumann auf Anfrage des BSG im Beschwerdeverfahren bekundet habe, feststellen, ob die gesundheitliche Behinderung des Klägers die Wahl zu seinen Ungunsten beeinflußt habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide des Beklagten
zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Juni 1978 bis zum Ablauf der
Wahlperiode (1984) Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der
Besoldungsgruppe B 6 BBesG als Vergleichseinkommen zu leisten,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er tritt der Auffassung des LSG bei und verweist insbesondere darauf, daß Wahlversammlungen im allgemeinen nur von den Anhängern des Kandidaten und seiner Partei besucht werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsurteil ist aufzuheben, der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Für die Entscheidung darüber, ob der Kläger einen schädigungsbedingten Einkommensverlust in seinem zuletzt ausgeübten und angestrebten Beruf erlitten hat, nach dem sein Berufsschadensausgleich bemessen werden soll, fehlen ausreichende Tatsachenfeststellungen. Zu Unrecht hat das LSG diese tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen als nicht aufklärbar angesehen und damit Schwerbeschädigte in der Lage des Klägers schlechthin, dh ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles, von der begehrten Leistung ausgeschlossen.
Der Kläger strebt einen Berufsschadensausgleich entsprechend einer schädigungsbedingten Minderung seines Einkommens auf seinem früheren, 1978 vergeblich erneut angestrebten Beruf eines bayerischen Landrats an (§ 30 Abs 3 BVG idF des Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG - 9. AnpG-KOV - vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1037 aF -, ab 1979: idF des 10. AnpG-KOV vom 10. August 1978 - BGBl I 1217 -, ab 1982: idF des 11. AnpG-KOV vom 20. November 1981 - BGBl I 1199 -, vgl Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 - BGBl I 21 -). Dieser Berufsgruppe müßte er ohne die kriegsbedingte Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie nach dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehören (§ 30 Abs 4 Satz 1 BVG aF, § 30 Abs 4 Satz 1 und Abs 5 Satz 1 BVG nF). Als Vergleichseinkommen wäre dann das Durchschnittseinkommen der Beamten des höheren Dienstes heranzuziehen; das wäre, wie das LSG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, voraussichtlich höher als das gegenwärtige Ruhegehalt nach der Besoldungsgruppe B 6 BBesG (§ 30 Abs 4 Satz 3 und Abs 8 BVG aF, § 30 Abs 5 Satz 3 und Abs 9 BVG nF, §§ 1, 2 und 4 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs 3 bis 5 BVG idF vom 18. Januar 1977 - BGBl I 162 - ).
Entgegen der Ansicht des LSG ist es nicht völlig ausgeschlossen, diese Anspruchsvoraussetzung zugunsten des Klägers festzustellen.
Was unter "Beruf" in der Rechtsordnung verstanden wird, ist jeweils aus dem Zusammenhang, in dem eine ihn behandelnde Vorschrift steht, zu erschließen (vgl zB BSGE 23, 231, 232 = SozR Nr 20 zu § 1267 RVO). Ein Beruf, in dem der Beschädigte einen wirtschaftlichen Schaden gemäß § 30 Abs 3 BVG erlitten haben muß, ist auch der Wirkungsbereich eines bayerischen Landrats. Ob sie diese rechtliche Bedeutung hat und ob für Angehörige dieses Berufs ein schädigungsbedingter Einkommensverlust überhaupt vermittelt werden kann, hat das Revisionsgericht ungeachtet dessen zu prüfen, daß die Entscheidung darüber unter anderem vom bayerischen Landesrecht abhängt. In erster Linie ist das Berufungsurteil gemäß § 162 SGG auf eine Verletzung von Bundesrecht - hier des § 30 BVG - zu kontrollieren. Außerdem bedeutsames Landesrecht ist im gegenwärtigen Falle deshalb revisibel, weil es mindestens für einen anderen Bezirk als den des Bayerischen LSG gilt. Ebenso wie Landräte und Oberbürgermeister in Bayern werden die berufsmäßigen Bürgermeister in Baden-Württemberg unmittelbar von den Bürgern gewählt (§§ 42 ff, insbesondere § 45 der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung vom 22. Dezember 1975 - GVBl 1976, 1, 1977, 420 -/12. Februar 1980 - GVBl 119 - ).
Der Beruf in diesem Sinne muß auf eine gewisse Dauer ausgeübt werden, auf die Erzielung eines existenzsichernden Einkommens ausgerichtet und mit Leistungen für die Gesellschaft verbunden sein (BSGE 30, 48, 51 f = SozR Nr 40 zu § 30 BVG; SozR 3100 § 30 Nr 47; zu § 30 Abs 2, BSGE 33, 151, 152, 155f, 157 = SozR Nr 49 zu § 30 BVG). Das trifft für einen Landrat in Bayern zu. Er wird zwar wie jedes ehrenamtliche Kreisratsmitglied von den wahlberechtigten Bürgern des Kreises gewählt; aber er wird im Unterschied zu den Kreisräten Beamter und ist als solcher mit einem Anspruch auf Dienstbezüge "berufsmäßig" tätig (Art 31 Abs 1 Landkreisordnung - KLO - für den Freistaat Bayern vom 16. Februar 1952 - GVBl 39 -/14. Dezember 1970 - GVBl 1971, 29 -/31. Mai 1978 - GVBl 377-; Art 1, 2, 4, 56 Abs 1 des Bayerischen Gesetzes über Kommunalwahlbeamte vom 16. Juni 1964 - GVBl 113 -/19. November 1970 - GVBl 616 -). Seine begrenzte Amtszeit von sechs Jahren (Art 31 Abs 1 Satz 2 LKO) steht einer Berufsstellung iS des § 30 Abs 4 BVG nicht entgegen; ein "Lebensberuf" wird nicht vorausgesetzt (BSGE 30, 50, 53 f). Jedenfalls ist der Landrat nicht, wie zB ein Betriebsratsvorsitzender, ehrenamtlich tätig; dieser übt keinen "Beruf" als Voraussetzung für eine berufliche Entschädigung nach § 30 BVG aus (Zu Abs 2: BSG Soz R 3100 § 30 Nr 29). Ein unmittelbar vom Volk gewählter Landrat kann einen "Beruf" im bezeichneten Sinn auch dann haben, wenn dies für ebenfalls politisch gewählte Volksvertreter wie Bundestags- und Landtagsabgeordnete, die keine "Beamte" sind, nicht gelten sollte, obwohl ihre Entschädigung als Entgelt für ihre Tätigkeit und damit als Einkommen zu werten ist (BVerfGE 40, 296, 311 ff, insbesondere 314 f, 319 ff, 328).
Der Einkommensverlust, von dem ein Berufsschadensausgleich abhängt, muß durch die Schädigungsfolgen iS des § 1 BVG verursacht sein (§ 30 Abs 3 BVG). Dann muß die Leistungsminderung, die einen wirtschaftlichen Schaden im Beruf mit verursacht hat, im Verhältnis zu den anderen Umständen, von denen der Zugang zu einer rechtserheblichen Berufsstellung abhängt, mindestens eine gleichwertige Mitbedingung dafür sein, daß der Beschädigte die maßgebende Berufsgruppe nicht erreicht hat (BSGE 37, 80, 82 f = SozR 3100 § 30 Nr 1). Es ist nicht schlechterdings aussichtslos, diese Anspruchsvoraussetzung für bayerische Landräte zu ermitteln. Dazu sind die durch die Schädigungsfolgen bedingten Leistungsausfälle allen anderen Ursachen des Wahlausganges sowie den im Gesetz aufgeführten persönlichkeitsbezogenen Bedingungen, von denen erfahrungsgemäß der Zugang der maßgeblichen Berufsstellung abhängt, abwägend gegenüberzustellen. Mancher Beruf kann indes auch ungeachtet jener Umstände, die der Bewerberpersönlichkeit zuzurechnen sind (Kenntnisse, Fähigkeiten usw), und ungeachtet der kriegsbedingten Schädigung deshalb nicht ausgeübt werden, weil dies für einzelne Beschädigte durch die Arbeitsmarktlage ausgeschlossen wird. Dann kommen die Schädigungsfolgen als Mitursachen gar nicht zum Tragen. Insoweit bestehen zwar für den Kläger besonders ungünstige Verhältnisse. Aber diese sind nicht grundlegend anders als in vielen üblichen Fällen der Berufsprognosen, lassen jedenfalls die Erforschung eines Berufsschadensausgleichs nicht von vornherein als undenkbar erscheinen.
Bei der Bewerbung um das Amt eines bayerischen Landrats können allerdings berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die in einem geregelten Ausbildungsgang erworben werden, allgemein nicht wie sonst im Berufsleben vergleichsweise berücksichtigt werden. Denn Landrat kann in Bayern jeder Wahlberechtigte ohne bestimmte fachliche Voraussetzungen werden; das Gesetz schreibt keine spezifische Berufsausbildung oder -erfahrung für die Bewerber vor. Gleichwohl läßt sich im Fall des Klägers unter anderem nach den genannten gesetzlichen Merkmalen bestimmen, ob er ohne die Schädigung weiterhin überhaupt Landrat sein könnte. Er hat nämlich bereits in zwei Amtsperioden fachliche Kenntnisse für diesen Beruf erworben und eine genügende Befähigung sowie einen ausreichenden Arbeitswillen unter Beweis stellen können. Darüberhinaus haben ihm die Wähler in zwei Wahlen bestätigt, daß sie ihn als für diesen Beruf befähigt beurteilen.
Auch die Risiken und Unwägbarkeiten einer demokratischen Wahl stehen einer gesetzmäßigen Beurteilung nicht ganz generell entgegen. Praktisch ist die Ausübung keines Berufs allein vom Wunsch des Bewerbers und von den Fachvoraussetzungen abhängig, die bei der Berufsprognose für einen Berufsschadensausgleich zu berücksichtigen sind, sondern auch von anderen Umständen, die sich schwer aufhellen lassen. Bei Nichtselbständigen entscheidet stets mindestens eine andere Person nach Gesichtspunkten, die für Außenstehende regelmäßig nicht in vollem Umfang bekannt werden, darüber, ob die Kenntnisse, Fähigkeiten und sonstigen gesetzlichen Persönlichkeitsumstände für die angestrebte Berufsstellung als ausreichend anzusehen sind. Wenn eine Auswahl unter mehreren Bewerbern zu treffen ist, müssen nicht allein deren feststellbare Berufsqualifikationen dafür ausschlaggebend sein, wer bevorzugt wird. Das ist bei einer demokratischen Wahl nicht grundlegend, sonder bloß gradmäßig anders.
Schließlich kann eine kriegsbedingte Behinderung die Wahl zum Landrat mit beeinflussen. Dies läßt sich auch erkunden. Einerseits kann eine schwere Kriegsbeschädigung bei den Wählern einen Mitleidseffekt hervorrufen und einem derart betroffenen Kandidaten mehr Stimmen verschaffen, als sonst zu erwarten wäre, wie Prof. Dr. W, M, als Sachverständiger im Beschwerdeverfahren bekundet hat. Eine solche Wirkung kann auch ohne äußere Behinderungszeichen allein durch schriftliche und mündliche Wahlwerbung eintreten. Dies kommt der Rücksichtnahme auf eine Schwerbehinderteneigenschaft gleich, die für andere Auswahlverfahren als eine demokratische Wahl gesetzlich vorgeschrieben ist (§§ 4 ff, 11, 41, 47, 48 Schwerbehindertengesetz vom 29. April 1974 - BGBl I 1005 -/8. Oktober 1979 - BGBl I 1649 -).
Andererseits können Schädigungsfolgen einen Bewerber daran hindern, sich in ausreichendem und sonst möglichem Umfang den Wählern persönlich vorzustellen. Das kann sich ungünstig auf die Wahlentscheidung auswirken und im Verhältnis zu den anderen persönlichkeitsbedingten und zugleich berufsbezogenen Umständen sowie zu sonstigen Einflüssen mindestens gleichwertig bedeutsam werden. Grundsätzlich läßt sich eine solche Wirkung nach allgemeiner sozialwissenschaftlicher Erfahrung aufklären.
Das LSG hat diese allgemeine Tatsache verkannt. Für Bewerber zum Amt eines bayerischen Landrats hat es die schädigungsbedingte Behinderung, sich im Auswahlverfahren als geeignete Persönlichkeit darzustellen, als praktisch niemals wirksam behandelt. Damit hat das Gericht diese Auswirkung von Schädigungsfolgen nicht in die gesetzlich gebotene Abwägung verschiedener Bestimmungsfaktoren einbezogen. Es hat dem Kriegsleiden bei der vorgeschriebenen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung überhaupt kein Gewicht beigemessen. Das ist aber mit dem Gesetz nicht vereinbar. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis dem genannten Personenkreis einen Berufsschadensausgleich genau so schlechthin versagt, wie wenn die Schädigungsfolgen den Wahlausgang und damit den Zugang zur bezeichneten Berufsstellung überhaupt nicht beeinflussen könnten. Dieser Art der Unterordnung des Sachverhalts unter den gesetzlichen Tatbestand ist nicht beizupflichten (vgl zB BSG SozR Nr 114 zu § 1246 RVO; BSGE 30, 167, 181 ff = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO; BSGE 36, 35, 36 ff = SozR Nr 40 zu § 548 RVO; BSGE 37, 282, 283 ff = SozR 3200 § 81 Nr 1; BSGE 41, 65, 67 f = SozR 3100 § 30 Nr 10; BSGE 48, 228, 230 f = SozR 2200 § 548 Nr 46; BSG 30. März 1982 - 2 RU 90/80).
Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen auf eine Erfahrung gestützt, die nicht oder nicht so von der fachlich zuständigen Wissenschaft bestätigt wird. Die im Beschwerdeverfahren gehörte Meinungs- und Wahlforscherin Prof. Dr. Dr. N -N, A/M, hält die Frage, ob ein vermindertes Auftreten eines Wahlbewerbers das Wahlergebnis für ihn ungünstig beeinflußt hat, aufgrund einer empirischen Untersuchung für beantwortbar. Im einzelnen müßten die Wahlerfolge des Klägers an Orten, an denen er aufgetreten ist, mit denen in strukturähnlichen Orten, in denen er sich nicht persönlich vorstellen konnte, verglichen werden. Diese Ergebnisse müßten den bei früheren Wahlen jeweils für den Kläger abgegebenen Stimmen und den auf seine politische Partei im Verhältnis zum Abschneiden der anderen Parteien gegenübergestellt werden. Zwar verspräche nach Prof. Dr. W Stellungnahme eine solche nachträgliche Wahlkampfanalyse kaum einen zuverlässigen Aufschluß. Aber auch dieser Sachverständige hat aufgrund allgemeiner Erfahrung die wichtige Voraussetzung bestätigt, daß die Volkswahl zum Landrat "ein starkes Persönlichkeitselement" enthält und daß dabei "der Bekanntheitsgrad eine nicht unmaßgebliche Rolle" spielt. Demgegenüber durfte das LSG den beiden von ihm verwehrten Aufsätzen über die Soziologie der Wahl sowie die Wahlökologie (von Rokkan/ Svasand und von Heberle in: Rene König-Hg -, Handbuch der empirischen Sozialforschung, Band 12, 2. Aufl 1978, S 1 ff und 73 ff) nicht entnehmen, nach wissenschaftlicher Erfahrung könne der Einfluß einer beschränkten Kandidatendarstellung im Wahlkampf auf das Ergebnis nicht aufgeklärt werden. Diese Arbeiten behandeln gewisse Grundzüge von Wahlanalysen und -prognosen nur sehr allgemein. Sie befassen sich nicht mit den Besonderheiten der Wahl von leitenden Kommunalbeamten durch Bürger einer Gemeinde oder eines Kreises. Selbst nachträgliche Analysen von Bundestags-Wahlen, die wesentlich durch Bundesthemen und führende Bundespolitiker bestimmt werden, lassen deutlich erkennen, in welchem Ausmaß die Selbstdarstellung einzelner Kandidaten das Wahlergebnis beeinflußt. Dies ergibt sich aus dem Schrifttum (vgl zB Pulzer in: Erwin K. Scheuch/Rudolf Wildenmannn -Hg-, Zur Soziologie der Wahl, Sonderheft 9 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1965, 295 ff; Schoenbaum, aaO, 320 ff; Hans-Dieter Klingemann, Bestimmungsgründe der Wahlentscheidung. Eine regionale Wahlanalyse, für Heilbronn 1969, insbesondere S 171 ff, 204 f, 206 f, 212 ff, 225, 230 f, 250 f, 258 f).
Das LSG hat nun die erforderliche Beweiserhebung nachzuholen. In erster Linie müßte medizinisch aufgeklärt werden, ob der Kläger 1978 wesentlich durch den Zustand seiner Schädigungsfolgen gehindert war, ebenso viele Wahlveranstaltungen wie 1967 und 1972 wahrzunehmen. Das eingeschränkte Werben in der Öffentlichkeit dürfte keine anderen zB keine finanziellen Ursachen haben. Nur dann, wenn der Kläger schädigungsbedingt unzureichend aufgetreten sein sollte, wäre durch eine nachträgliche sozialwissenschaftliche Wahluntersuchung zu ermitteln, ob dies den ungünstigen Wahlausgang verursacht hat. Dafür wird ua bedeutsam sein, ob der Kläger 1978 in allen Gemeinden des Kreises K durch seine Amtsführung gleichermaßen gekannt geworden war. Das öffentliche Bild eines Landrats wird wohl nicht allein durch sein Auftreten im zeitlich begrenzten Wahlkampf, sondern auch durch die Kenntnisse über seine vorausgegangene Amtsausübung bestimmt. Wie sich die jahrelange Tätigkeit 1978 in der Öffentlichkeit dargestellt hat, wird in erster Linie der örtlichen Presse zu entnehmen sein. Möglicherweise war diese Bekanntheit, die vom letzten Wahlkampf unabhängig ist, in den einzelnen Gemeinden unterschiedlich. Der Großkreis, in dem der Kläger als Landrat tätig war und in dem er sich 1978 erneut bewarb, entstand erst 1972, also zeitlich im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Wahl, durch die Zusammenlegung mit anderen Kreisgebieten (§ 8 Nr 3 und § 37 Halbs 2 der Verordnung zur Neugliederung Bayerns in Landkreise und kreisfreie Städte vom 27. Dezember 1971 - GVBl 495). Im Altkreisgebiet hatte der der Kläger schon vorher fünf Jahre lang amtiert. In den hinzugekommenen Gemeinden dürfte er nicht so bekannt gewesen sein. Schließlich wird zu berücksichtigen sein, ob irgendwelche kommunalpolitischen Ereignisse in der letzten Amtsperiode vor 1978 die Aussichten des Klägers im Vergleich mit den früheren negativ oder positiv beeinflußt haben.
In einem Fall, wie dem des Klägers, sind an den Nachweis, daß die Schädigungsfolgen ausschlaggebend im versorgungsrechtlichen Sinn das Wahlergebnis zu Ungunsten des Beschädigten beeinflußt haben, nach der Natur der Sache aus mancherlei Gründen sehr strenge Anforderungen zu stellen. Auf diese Weise muß verhindert werden, daß die wirtschaftlichen Folgen einer politischen Wahlniederlage auf den Versorgungsträger und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Der Zweig der Sozialwissenschaft, der sich mit Wahlanalysen befaßt, ist noch jung. Die von ihm geschaffenen Beweismethoden sind neuartig. Das tatsächliche Geschehen, das nach verschiedenen Kausalabläufen zu untersuchen ist, liegt in der Vergangenheit und ist wenig durchsichtig. Es wird insbesondere durch Entscheidungsvorgänge geprägt, die durch Geheimhaltung geschützt sind. Die Richter werden ein etwa einzuholendes Gutachten sorgfältig auf die Erhebung der Tatsachen, die der Sachverständige verwertet, ebenso wie auf die angewandten Methoden der Auswahl und der Auswertung der verschiedenen Einflußfaktoren kontrollieren müssen.
Sollten die dargelegten Voraussetzungen für einen Berufsschadensausgleich nachgewiesen werden, dann dürfte dem Kläger diese Leistung lediglich bis zum Ende der 1978 begonnen Amtsperiode, also bis 1984, zugesprochen werden. Das ist bedingt durch die Besonderheit seines Berufes, in dem er wirtschaftlich geschädigt worden wäre. Die Stellung als Landrat kann durch eine Wahl bloß jeweils für sechs Jahre erworben werden. Falls der Kläger 1978 die Wahl gewonnen hätte, hätte er mit Ablauf dieser Amtszeit wiederum ausscheiden und sich mit dem Ruhegehalt begnügen müssen, das er jetzt auch als anrechenbares Bruttoeinkommen aus früherer Tätigkeit erhält. Danach könnte der Kläger sich erneut um das Amt bewerben. Nur wenn er dann wiederum wegen seiner Schädigungsfolgen unterliegen sollte, könnte er für die Folgezeit einen weiteren Berufsschadensausgleich erhalten. Der Wahlbeamte auf Zeit wird mit dem Verlust seines Amtes nach Ablauf der gesetzlichen Amtsperiode nicht arbeitslos iS des § 30 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 BVG aF (Abs 6 Satz 1 Halbs 2 nF) mit der Folge, daß ebenso wie bei altersbedingtem Ausscheiden aus dem Beruf kein Nachschaden gemäß Halbs 1 einträte.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen
BSGE, 79 |
Breith. 1983, 246 |