Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch eines Vertragsarztes gegen eine Ersatzkasse wegen unzulässiger Inanspruchnahme vertragsärztlicher Behandlung auf Krankenschein (ErstKVtr-Ärzte § 5 Nr 7) betrifft eine "Angelegenheit des Kassenarztrechts" iS des SGG § 12 Abs 3 S 1.
Für diesen Anspruch ist der Sozialrechtsweg gegeben (SGG § 51 Abs 2 S 1 iVm Abs 1).
2. Das für die Anspruchsberechtigung von Angestellten als Ersatzkassenmitgliedern maßgebende "Einkommen" (ErstKVter-Ärzte § 1 Nr 2 S 1) entspricht dem die Angestelltenversicherungspflicht bestimmenden "Entgelt".
Demnach sind Beiträge des Arbeitgebers zur Zukunftssicherung des Arbeitnehmers, die nicht zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, bei der Ermittlung des "Einkommens" iS des ErsKVtr-Ärzte §1 Nr 2 S 1 nicht zu berücksichtigen.
3. Der Anspruch des Vertragsarztes nach ErsKVtr-Ärzte § 5 Nr 7 verjährt in 30 Jahren.
4. Der Vertragsarzt hat bei Geltendmachung einer Forderung nach ErsKVtr-Ärzte § 5 Nr 7 keinen Anspruch auf Prozeßzinsen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Auf öffentlich-rechtliche Vermögensansprüche sind die zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften entsprechend anzuwenden, wenn es an einer speziellen öffentlich-rechtlichen Vorschrift fehlt; dabei gilt im allgemeinen die 30jährige Verjährungsfrist, es sei denn, der Anspruch rechtfertigt wegen seiner Gleichartigkeit mit kürzer verjährenden zivilrechtlichen Ansprüchen die Anwendung der hierfür geltenden besonderen Verjährungsvorschriften.
2. Bei Entscheidungen über Streitigkeiten aus dem Ersatzkassenrecht wirken je ein Sozialrichter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte mit, da es sich um Angelegenheiten des Kassenarztrechts iS des SGG § 12 Abs 3 S 1 handelt.
Normenkette
SGG § 12 Abs. 3 Fassung: 1953-09-03, § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 S. 1 Fassung: 1953-09-03; BGB § 195 Fassung: 1896-08-18, § 291 Fassung: 1896-08-18; EKV-Ä § 1 Nr. 2 S. 1 Fassung: 1950-05-12, § 5 Nr. 7 Fassung: 1950-05-12
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1966 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. April 1964 wird zurückgewiesen, soweit über die Prozeßzinsen entschieden worden ist.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der als niedergelassener Arzt an der Ersatzkassenpraxis beteiligt ist, von der beklagten Ersatzkasse (ErsK) die Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen den doppelten und den einfachen Vertragssätzen nach § 5 Nr. 7 des in der Zeit der ärztlichen Behandlung gültig gewesenen Arzt/Ersatzkassenvertrages (AEV) deswegen verlangen kann, weil das beigeladene Ersatzkassenmitglied G B (B.) nicht "anspruchsberechtigt" i. S. des AEV gewesen sei und vertragsärztliche Hilfe zu Unrecht unter Vorlage eines Krankenscheins in Anspruch genommen habe.
In der Zeit vom Januar 1960 bis zum Juni 1962 behandelte der Kläger den Beigeladenen B. und dessen Ehefrau gegen Vorlage von Krankenscheinen. Diese waren von der Beklagten, deren Mitglied der Beigeladene ist, für die Behandlungen ausgestellt worden. Die Abrechnung der Arztkosten erfolgte über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein, bei welcher der Kläger seine sämtlichen vertragsärztlichen Leistungen abrechnet.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen erführ der Kläger erstmals im September 1963, daß der Beigeladene schon im Jahre 1960 mehr als 1.250 DM im Monat verdient habe. Der Kläger schloß daraus, daß der Beigeladene nach § 1 Nr. 2 des AEV vom 12. Mai 1950 nicht zur Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung auf Grund eines Krankenscheines berechtigt gewesen sei. Noch in demselben Monat verlangte er deshalb vom Beigeladenen die Zahlung eines Honorars in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Sätzen der PREUGO (30 % der Höchstsätze) und dem, was die KV für die Behandlungen gewährt hatte. Der Beigeladene lehnte die Zahlung ab. In dem anschließenden Rechtsstreit vor den Zivilgerichten wurde der Anspruch des Klägers rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.
Im Oktober 1963 forderte der Kläger von der Beklagten 150,05 DM auf Grund des § 5 Nr. 7 AEV 1950 als Unterschiedsbetrag zwischen den doppelten Vertragssätzen der ErsKen-ADGO (286,10 DM) und dem, was er von der KV für die Behandlungen des Beigeladenen und seiner Ehefrau bereits erhalten hatte (136,05 DM).
Die zur Durchsetzung seines Begehrens erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) ab (Urteil vom 10. April 1964).
Die Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das LSG hat unter Mitwirkung eines ehrenamtlichen Beisitzers aus den Kreisen der Krankenkassen und aus denen der Kassenärzte die Beklagte durch Urteil vom 29. März 1966 zur Zahlung von 150,05 DM nebst 4 % Prozeßzinsen seit Klageerhebung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Klage betreffe einen Rechtsstreit aus dem Kassenarztrecht (§ 51 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), die als reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig sei. Der Klageanspruch sei aus § 5 Nr. 7 AEV 1950 begründet. Der Beigeladene sei nicht anspruchsberechtigt i. S. von § 1 Nr. 2 AEV 1950 gewesen, weil sein Bruttoarbeitsverdienst 15.000 DM im Jahr überstiegen habe. B. habe am Beginn der Behandlung durch den Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt von monatlich 1.260 DM erhalten.
Einkommen i. S. des AEV 1950 sei dasjenige, auf welches in dem jeweils zur Beurteilung anstehenden konkreten Fall die Mitgliedschaft bei der ErsK zurückzuführen sei. Das sei bei dem Beklagten Einkommen aus unselbständiger Beschäftigung gewesen. Hinsichtlich der Frage, ob dieses Entgelt eine bestimmte Grenze übersteige, müsse auf den Bruttoarbeitsverdienst abgestellt werden. Wegen der vertragswidrigen Aushändigung von Krankenscheinen an den Beigeladenen müsse die Beklagte dem Kläger Schadensersatz bis zur doppelten Höhe der Vertragssätze dafür leisten, daß der Kläger den Beigeladenen und seine Ehefrau als Kassenpatienten behandelt und den Abschluß privatrechtlicher Behandlungsverträge mit einem höheren Honoraranspruch unterlassen habe. Ein Verschulden auf Seiten der Beklagten setze dieser vertragliche Schadensersatzanspruch des Klägers nicht voraus. Zu Unrecht habe sich die Beklagte demgegenüber auf die Anspruchsverjährung berufen. Aus einer entsprechenden Anwendung von § 852 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei zu entnehmen, daß die danach maßgebende Verjährungsfrist von drei Jahren bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen sei. Schließlich sei auch das Zinsbegehren begründet. Der Anspruch auf Prozeßzinsen beruhe auf einem auch das öffentliche Recht beherrschenden allgemeinen Rechtsgedanken (BVerwG 7, 95). Die vom Bundessozialgericht (BSG) gegen seine Anerkennung in Streitverfahren aus dem Beitrags- und Leistungsrecht der Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung angestellten Erwägungen träfen auf den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit, eine Schadensersatzforderung, nicht zu.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29. März 1966 wegen Unzuständigkeit des Gerichts aufzuheben,
hilfsweise
festzustellen, daß die Revisionsklägerin keine Verpflichtung hat, der Forderung des Revisionsbeklagten zu entsprechen.
Sie ist der Ansicht, durch die Rechtswegentscheidung des Landgerichts in dem Zivilrechtsstreit des Klägers gegen den Beigeladenen, dem sie nach Streitverkündung durch den Kläger beigetreten sei, sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 52 Abs. 2 SGG ausgeschlossen worden. Wenn ihr aber darin nicht gefolgt werde, dann rüge sie die mangelhafte Aufklärung des Sachverhalts, soweit er die Höhe des Klageanspruchs betreffe. Das LSG habe versäumt, die Höhe des Anspruchs zu prüfen, obwohl sie, die Beklagte, u a in der Klageerwiderung vom 27. Januar 1964 vor dem SG dagegen Bedenken angemeldet habe. Darüber hinaus habe das LSG zu Unrecht angenommen, daß der Beigeladene nicht anspruchsberechtigt i. S. von § 1 Nr. 2 AEV 1950 gewesen sei. Das LSG habe den dort verwendeten Begriff Einkommen als Bruttoarbeitsverdienst ausgelegt, statt dessen bedeute er das um den Abzug der Verwaltungskosten verringerte steuerpflichtige Gesamteinkommen des Beigeladenen. Das steuerpflichtige Gesamteinkommen des Beigeladenen habe aber nach den Feststellungen des SG nicht den Betrag von 15.000 DM im Jahr erreicht. Schließlich habe das LSG dem Kläger zu Unrecht auch Prozeßzinsen zugesprochen.
Der Kläger beantragt,
Die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auf den zulässigen Rechtsweg zu verweisen.
Der Beigeladene ist in dem Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Der Senat hat vorab (vgl. dazu BSG 11, 1, 2 und 15, 161, 163) geprüft, ob er im vorliegenden Verfahren mit je einem Bundessozialrichter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte vorschriftsmäßig besetzt ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 iVm § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 SGG). Zu Unrecht ist die beklagte Ersatzkasse der Meinung, Streitigkeiten aus dem Ersatzkassenarztrecht beträfen eine Angelegenheit der Krankenversicherung, so daß sich die Besetzung der zur Entscheidung berufenen Spruchkörper der Sozialgerichtsbarkeit nach § 12 Abs. 2 SGG richte.
Als Legaldefinition für den Anwendungsbereich des SGG nennt § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG als zum "Kassenarztrecht" gehörig die "Angelegenheiten, die auf Grund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen ... im Rechtsweg zu entscheiden sind." Wie der Senat in BSG 11, 1, 12 f näher dargelegt hat, gehören auch die Ersatzkassen zu den von dieser Vorschrift erfaßten "Krankenkassen" und betreffen somit die auf Grund der Beziehungen zwischen Ärzten und Ersatzkassen im Rechtsweg zu entscheidenden Angelegenheiten das "Kassenarztrecht". Damit ist klargestellt, daß der zur Entscheidung berufene Spruchkörper nach § 12 Abs. 3 SGG zu besetzen ist, und zwar nach Satz 1 aaO, da der Rechtsstreit dem Bereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Ersatzkassen entspringt.
Der Beklagten ist einzuräumen, daß bei einer solchen Besetzung - so auch im vorliegenden Fall - in Kauf genommen werden muß, daß bei einem eine Ersatzkasse betreffenden Rechtsstreit als ehrenamtlicher Richter aus dem Kreise der Krankenkassen möglicherweise ein Vertreter der RVO-Krankenkassen (§ 225 Abs. 1 RVO) und nicht der Ersatzkassen mitwirkt. Insofern ist dem Gedanken nur beschränkt Rechnung getragen, daß mit der Beteiligung ehrenamtlicher Richter wertvolle Erfahrungen und Einsichten der mit den jeweiligen Sachgebieten vertrauten Personen der Rechtsprechung nutzbar gemacht und damit zugleich die Kreise an der Rechtsfindung beteiligt werden, die regelmäßig auch sonst eigenverantwortlich an der Gestaltung der rechtlichen Ordnung des betreffenden Sozialgebiets mitwirken (vgl. BSG 23, 105, 110).
Die hiernach sachgemäße Spezialisierung der Spruchkörper der Sozialgerichtsbarkeit muß jedoch in Einklang mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege gebracht werden, die mit einer zu weit getriebenen Aufgliederung der Spruchgremien in wachsende Schwierigkeiten geriete. So ist es verständlich und für die beteiligten Selbstverwaltungskreise zumutbar, daß die ohnehin schon weitgehende Differenzierung der Spruchkörper in Angelegenheiten des Kassenarztrechts nach § 12 Abs. 3 SGG nicht noch stärker im Sinne einer Unterscheidung zwischen RVO-Kassen und Ersatzkassen durchgeführt ist, zumal - wie zur Zeit beim erkennenden Senat- als ehrenamtliche Richter aus dem "Kreise der Krankenkassen" auch Vertreter der Ersatzkassen in angemessenem Verhältnis berufen werden können.
Mit Recht haben die Vorinstanzen entgegen der Meinung der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch den Sozialrechtsweg für gegeben erachtet. Daß dieser Anspruch eine Angelegenheit des Kassenarztrechts i. S. von § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG betrifft, ist bereits dargetan. Auch die weitere Voraussetzung, daß es sich um eine "öffentlich-rechtliche Streitigkeit" (§ 51 Abs. 1 SGG) handelt, ist erfüllt. Anspruchsgrundlage ist § 5 Nr. 7 des dem öffentlichen Recht zuzurechnenden AEV-1950, der die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen i. S. von § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG regelt.
Daraus folgt auch, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entgegen der Meinung der Beklagten nicht nach § 51 Abs. 2 SGG gehindert sind, über den Anspruch des Klägers zu entscheiden. Der Klageanspruch ist gegenüber dem ursprünglich vom Kläger gegen das beigeladene Ersatzkassenmitglied ("als Privatpatient" - vgl. § 5 Nr. 7 AEV-1950) in einem Zivilprozeß geltend gemachten Honoraranspruch aus dem Behandlungsvertrag eigenständig. Während es für die Honorarklage darauf ankam, ob zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen Rechtsbeziehungen entstanden sind, auf Grund deren dem Kläger ein Honoraranspruch gegen den Beigeladenen erwachsen ist, kommen im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten auf Grund des AEV-1950 in Betracht. In § 5 Nr. 7 AEV-1950, auf den sich der Klaganspruch stützt, ist im Rahmen dieses Vertrages, nämlich zur Sicherung der nach § 1 Nr. 2 AEV-1950 eingegrenzten ordnungsgemäßen Krankenscheinausstellung, mit Rücksicht auf die finanziellen Interessen der einzelnen Vertragsärzte ein Geldanspruch gegen die vertragsvollziehende ErsK geregelt, der eine begrenzte Haftung der Vertragskasse auf höchstens die doppelten Vertragssätze zur Abgeltung eines dem Arzt entstandenen Schadens zum Inhalt hat. Es handelt sich also um einen Sicherungsanspruch eigener Art.
Ein Vorverfahren brauchte entgegen der Auffassung der ErsK mit Rücksicht auf die Art der vorliegenden Klage nicht durchgeführt zu werden. Weder von Gesetzes wegen noch auf Grund des AEV-1950 steht der Beklagten das Recht zu, den auf § 5 Nr. 7 AEV-1950 beruhenden konkreten Sachverhalt durch einen Verwaltungsakt zu regeln. Soweit der AEV-1950 überhaupt unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen der einzelnen Vertragskasse und einem Vertragsarzt vorsieht, räumt er der Vertragskasse grundsätzlich keine hoheitliche Autorität gegenüber dem Vertragsarzt ein. Die Klage stellt sich mithin als eine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG dar.
Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers auf Abgeltung eines Schadens bis zur Höhe der doppelten Vertragssätze wegen der unrechtmäßigen Ausstellung eines Krankenscheins ist nach § 5 Nr. 7 des AEV-1950, daß einem Nichtanspruchsberechtigten ein Krankenschein ausgegeben wurde.
Nach § 1 Nr. 2 Satz 1, erste Alternative iVm § 5 Nr. 1 AEV-1950 hatten solche Ersatzkassenmitglieder einen Anspruch auf ambulante ärztliche Versorgung durch die freipraktizierenden Vertragsärzte (§ 1 Nr. 1 AEV-1950) und damit auf einen Krankenschein (§ 5 Nr. 1 AEV-1950), deren Einkommen die Angestelltenversicherungspflichtgrenze nicht überstieg. Aus der besonderen Regelung für den in Satz 2 aaO genannten Personenkreis geht hervor, daß es sich bei dem von Satz 1, erste Alternative aaO erfaßten Personenkreis, dessen Anspruchsberechtigung allein von der Höhe des Einkommens abhing, im wesentlichen um Angestellte handelt. Ging aber der Zweck der Regelung dahin, den rentenversicherungspflichtigen Ersatzkassenmitgliedern ärztliche Behandlung als Sachleistung zu sichern, so folgt daraus, daß das die Anspruchsberechtigung begrenzende "Einkommen" sich mit dem für die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Rentenversicherung der Angestellten maßgeblichen "Entgelt" deckte (vgl. Erlaß des RAM vom 24. Oktober 1944, AN 302 iVm dem Dem. Erlaß des RAM und des RFM vom 10. September 1944, AN 281, die beide noch geltendes Recht sind; vgl. ua BSG 24, 71, 72; BSG 18, 65, 67, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Gleichsetzung des für die Angestelltenversicherungspflicht maßgeblichen Einkommens (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 iVm § 4 Nr. 1 Abs. 1 AVG aF) mit dem die Anspruchsberechtigung von Angestellten bestimmenden Einkommen i. S. des § 1 Nr. 2 Satz 1 AEV-1950 wird durch die Regelung in Satz 3 aaO erhärtet, wonach Zuschläge zum Einkommen, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, nicht als Einkommen anzusehen sind. Diese Regelung entsprach der des § 5 Abs. 1 Satz 2 AVG aF. Demnach waren Bezüge, die nicht lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn darstellten, nicht bei dem für die Beurteilung der Angestelltenversicherungspflicht maßgebenden "Entgelt" und demzufolge auch nicht bei dem die Anspruchsberechtigung von Angestellten i. S. des AEV-1950 begrenzenden "Einkommen" zu berücksichtigen.
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 der hier anzuwendenden Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDVO) idF vom 22. Juli 1959 (BGBl I 477) gehörten Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes sicherzustellen, zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn nur insoweit, als sie im Kalenderjahr 312 DM überstiegen.
Das LSG hat unangefochten festgestellt, daß der Beigeladene aus unselbständiger Beschäftigung schon zu Beginn der Behandlung durch den Kläger 1.200 DM monatlich zuzüglich eines Zuschusses von 60 DM monatlich zu der Prämie für eine private Lebensversicherung erhalten hatte. Nach der vorgenannten LStDVO sind jedoch von diesem Betrag 26 DM je Monat abzuziehen. Danach hätte der Kläger also einen Anspruch auf einen Krankenschein gehabt. Das LSG ist aber nicht auf den Sachvortrag des Beigeladenen eingegangen, daß er im Jahre 1961 eine Gehaltserhöhung von 5 % erhalten habe. Diese hätte bewirkt, daß der Kläger auch ohne den Zuschuß seines Arbeitsgebers zur Zukunftssicherung nicht mehr unter die Angestelltenversicherungspflichtgrenze, die damals 1.250 DM monatlich betrug (§ 5 AVG idF des Artikels 1 AnVNG), gefallen wäre und von diesem Zeitpunkt an wegen der Gehaltserhöhung nach § 1 Nr. 2 Satz 1 AEV-1950 keinen Anspruch auf einen Krankenschein mehr gehabt hätte.
Die Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes erübrigt sich nicht etwa deshalb, weil der mit der Klage geltend gemachte Anspruch verjährt ist. Daß der Anspruch nicht verjährt ist, hat auch das LSG angenommen. Es meint allerdings, § 852 BGB sei entsprechend anzuwenden. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Die genannte Verjährungsregelung aus dem Recht der unerlaubten Handlungen gilt für deliktische Schadensersatzansprüche. Der vorliegende Anspruch unterscheidet sich aber von diesen. Wie oben bereits dargelegt wurde, stellt sich der Klaganspruch als ein öffentlich-rechtlicher vertraglicher Sicherungsanspruch eigener Art dar, bei dem es auf ein Verschulden nicht ankommt. Mit Rücksicht auf diesen Umstand ist offenbar auch die Höhe des Abgeltungsbetrages wegen der vertragswidrigen Ausstellung eines Krankenscheins in § 5 Abs. 7 AEV-1950 auf die Höhe der doppelten Vertragssätze beschränkt worden. Soweit § 29 Abs. 3, § 223 Abs. 1 RVO Verjährungsregelungen für Ansprüche auf "Leistungen der Versicherungsträger" bzw. "Kassenleistungen" enthalten, gilt dies nur für die den Versicherungsträgern kraft Gesetzes oder Satzung den Versicherten gegenüber obliegenden Leistungen. Da es bei öffentlich-rechtlichen Vermögensansprüchen im allgemeinen sachgerecht ist, mangels Spezialvorschriften die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechts analog anzuwenden (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Aufl. 1968 § 37 III e 2 a S. 230; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I 9. Aufl. 1966 § 9 S. 168), gilt für sie regelmäßig die 30jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) analog. Im bürgerlichen Recht findet sich nämlich keine Vorschrift über eine kürzere Verjährungsfrist, die eine entsprechende Anwendung auf den Klaganspruch rechtfertigte.
Da der Beigeladene bei richtiger Ermittlung des für die Jahresarbeitsverdienstgrenze maßgeblichen Entgelts zumindest zeitweise während des Behandlungszeitraums einen Anspruch auf einen Krankenschein hatte und der Anspruch des Klägers auf Ersatz des Schadens nach § 5 Nr. 7 AEV-1950 noch nicht verjährt war, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur Prüfung dieser Frage an das LSG zurückverwiesen werden.
Der Rechtsstreit war jedoch hinsichtlich des neben der Klage mit dem Hauptanspruch geltend gemachten Anspruchs auf Prozeßzinsen entscheidungsreif. Dieser mußte abgewiesen werden. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in seiner Entscheidung vom 7. Juni 1958 (BVerwG 795, 97) die Ansicht vertreten, es entspreche dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben, daß der Schuldner, der sich auf einen Prozeß einlasse, billigerweise dem Gläubiger für die Nutzungen Ersatz leisten müsse, die er ihm während der Dauer des Prozesses vorenthalten habe. Diese unbedingte generelle Zinsverpflichtung des Schuldners beruhe auf einer schon vor dem Inkrafttreten des BGB in Deutschland fast allgemein zur Anerkennung gelangten, im Verkehrsleben herrschenden Auffassung. Diese Gedanken, an denen das BVerwG in mehreren Entscheidungen festgehalten hat (vgl. BVerwG 14, 1, 3), können jedoch nicht auf das Gebiet des Sozialversicherungsrechts übernommen werden. Der 1. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 22. September 1965 (BSG 24, 16) zutreffend dargelegt, daß die Folgerungen, die das BVerwG für das öffentliche Recht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben in gewissen Grenzen ziehe, sich im Bereich der Sozialversicherung auf das Verhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Versicherungsträger nicht übertragen ließen. Der Senat hat darüber hinaus in seinem Urteil vom 20. Februar 1968 (SozR Nr. 3 zu § 288 BGB) im Anschluß an die Entscheidungen des BSG in BSG 22, 150, 153; 24, 16, 18 und in SozR Nr. 3 zu § 1424 RVO entschieden, daß auf dem Gebiet der Sozialversicherung bei verspäteter Erfüllung einer Leistungspflicht grundsätzlich keine Verzugszinsen zu zahlen seien. Dieselben Grundsätze gelten auch für die Frage der Prozeßzinsen in dem gesamten Bereich der zur Sozialversicherung zählenden Angelegenheiten, insbesondere auch auf dem Gebiet des Kassenarztrechts. Dem 2. Senat des BSG ist darin zu folgen, daß die engen Beziehungen zwischen dem auf dem Verzug des Schuldners beruhenden Verzinsungsanspruchs und dem durch die Rechtshängigkeit der Forderung begründeten Anspruch auf Prozeßzinsen es ausschließen, ohne eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage im Bereich der Sozialversicherungsleistungen einen durch Rechtshängigkeit begründeten Zinsanspruch anzuerkennen (vgl. BSG 22, 150 ff sowie Urteil des 2. Senats vom 27. Juni 1968 - 2 RU 73/65 -). Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im sozialgerichtlichen Verfahren für jede Instanz eine Gebühr entrichtet (§ 184 SGG) und der Arzt als im Prozeß Unterlegener diese nicht zu ersetzen braucht. Der vorgenannte Grundsatz kann mithin nicht nur für den Bereich der eigentlichen Sozialversicherungsleistungen gelten, sondern muß auch aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung auf dem gesamten Gebiet der Sozialversicherung für alle übrigen Leistungen Geltung beanspruchen. Daß auch der AEV-1950 von dem Grundsatz ausgeht, daß Verzugs- oder Prozeßzinsen nur bei ausdrücklicher Anspruchsverbürgung gefordert werden können, wird an § 11 Nr. 1 Abs. 3 aaO deutlich, wo punktuell bei Vorliegen genau umschriebener Voraussetzungen Verzugszinsen zugesprochen werden.
Über die Kosten des Verfahrens wird das LSG zu befinden haben.
Fundstellen