Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.06.1976) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Juni 1976 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch im Revisionsverfahren einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beklagte stellte im Jahre 1971 gelegentlich von Betriebsprüfungen fest, daß die Klägerin von dritten Firmen geliehene oder selbst angeworbene ausländische Arbeitskräfte – vorwiegend in Deutschland polizeilich nicht gemeldete Türken ohne behördliche Arbeitserlaubnis – in Berlin an andere Unternehmen ausgeliehen oder weiterverliehen hatte. Die Klägerin hatte Aufzeichnungen über diese Leiharbeitsverhältnisse nicht geführt, sie hatte auch der Beklagten die von dieser wiederholt geforderten Auskünfte über die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse nicht erteilt.
Die Beklagte veranlaßte daraufhin Ermittlungen des gewerbepolizeilichen Außendienstes der Stadt Berlin und errechnete ihrerseits aus den Rechnungen, die ihr von den von der Klägerin benannten Bauunternehmen zur Verfügung gestellt worden waren, die Zahl der Arbeitsstunden und die Lohnsummen, die der Klägerin von diesen Betrieben bezüglich der verliehenen Arbeitnehmer gezahlt worden sind. Die Personalien und die Beschäftigungszeiten der einzelnen Arbeiter konnte die Beklagte weder aus Aufzeichnungen oder sonstigen Unterlagen der Klägerin noch mit Hilfe der drittbeteiligten Betriebe feststellen. Die Beklagte ging ferner davon aus, daß die Klägerin den ausländischen Arbeitnehmern einen Netto-Stundenlohn von 3,50 DM ausgezahlt hatte. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 4. September 1972 für den Zeitraum von Mai 1971 bis August 1972 fest, daß die Klägerin verpflichtet sei, Beiträge zur Krankenversicherung, Arbeiterrentenversicherung und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 117.174,44 DM zu leisten. Während des Widerspruchsverfahrens erteilte die Beklagte der Klägerin den weiteren Bescheid vom 9. Oktober 1972, mit dem sie nach der gleichen Methode für die Zeit von Juli bis Dezember 1971 und von Januar bis August 1972 weitere Beiträge in Höhe von 90.843,60 DM festsetzte. Schließlich stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 1973 für die Zeit von April bis Juni 1971, September bis November 1971, 28. Februar bis 3. März 1972 und Juni 1972 weitere Beiträge im Gesamtbetrage von 5.451,13 DM fest.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens fand am 26. Oktober 1972 eine Erörterung statt, an der für die Klägerin ihre jetzige Prozeßbevollmächtigte und für die Beklagte deren Bedienstete W. und M. beteiligt waren; letztere hatten über den Inhalt der Besprechung zu den Akten der Beklagten die Vermerke vom 26. Oktober 1972 (W.) und 27. Oktober 1972 (M.) gefertigt.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1973). Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 4. September 1975 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Hiergegen haben die Beklagte und die Beigeladene zu 1) Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat in der Terminsmitteilung vom 1. Juni 1976 darauf hingewiesen, daß die Akten der Beklagten vorlägen. In der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 1976 ist nicht vermerkt, daß diese Akten Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die angefochtenen Bescheide mit der Einschränkung bestätigt, die von der Beklagten festgestellten Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien nur von den festgestellten Entgelten zu berechnen gewesen; die Pauschal Steuer sei dem Entgelt nicht hinzuzurechnen (Urteil des LSG vom 16. Juni 1976). In den Entscheidungsgründen hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Klägerin habe sogenannte „Leiharbeiter” nicht nur vermittelt, sondern selbst beschäftigt und ihnen einen Stundenlohn von 3,50 DM bzw 4,50 DM gezahlt. Sie sei damit Arbeitgeber dieser Leiharbeiter und infolgedessen auch verpflichtet gewesen, für diese die Beiträge zur Krankenversicherung, Arbeiterrentenversicherung und Arbeitslosenversicherung abzuführen. Unerheblich sei, daß die Beklagte weder die Namen der Beschäftigten noch den Umfang ihrer Arbeitsleistungen im einzelnen festgestellt habe und dies mangels weiterer erreichbarer Beweismittel auch vom Gericht nicht mehr habe festgestellt werden können. Dafür treffe zwar grundsätzlich die Beklagte die Beweislast. Die Beweislast kehre sich aber um, wenn – wie hier – die Arbeitgeber die Aufklärung durch ihre Geschäftspraktiken verhindere, um sich ua der Beitragsleistung zu entziehen. Das LSG hat jedoch unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats die Bruttolohnberechnung insoweit für fehlerhaft erachtet, wie die Beklagte eine Pauschsteuer hinzugerechnet und als Teil des Entgelts der einzelnen Beschäftigten behandelt hat.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin, die vom LSG getroffene Feststellung, die Klägerin habe ihre die Versicherungsverhältnisse der einzelnen Beschäftigten betreffenden Arbeitgeberpflichten, insbesondere die Aufzeichnungspflicht, absichtlich nicht erfüllt, beruhe auf einem wesentlichen Mangel des Verfahrens. Das LSG habe diese Feststellung auf die Akten der Beklagten gestützt, ohne daß diese Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sei der Inhalt dieser Akten bis zur Zustellung des angefochtenen Urteils unbekannt gewesen. Das LSG habe sich insbesondere mit Rücksicht darauf, daß der Termin zur mündlichen Verhandlung nur von dem amtlich bestellten Vertreter der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wahrgenommen worden sei, durch entsprechende Fragestellung in der mündlichen Verhandlung Klarheit verschaffen müssen, inwieweit diesem der Inhalt dieser Akten bekannt war. Darin liege eine Verletzung der Aufklärungspflicht; zugleich stelle die Verwertung der Akten „quasi” die Verweigerung des rechtlichen Gehörs dar. Das Urteil leide zudem an einem Verstoß gegen die „objektiven Beweisregeln”. Das LSG habe in seinem Urteil festgestellt, die Klägerin habe nicht in Abrede gestellt, an die vermittelten Beschäftigten Nettostundenlöhne von 3,50 DM bzw 4,50 DM gezahlt zu haben; diese Feststellung treffe nicht zu, die Klägerin habe eine derartige Geschäftspraxis stets bestritten. Die Ermittlungen der Beklagten seien für diese Feststellung nicht ausreichend gewesen. Unzutreffend sei ferner die Ansicht des LSG, die Klägerin sei Arbeitgeberin der Beschäftigten gewesen. Diese Feststellung habe das LSG allein aufgrund der Behauptungen der Beklagten getroffen, ohne, wie es erforderlich gewesen sei, aufzuklären, inwieweit das Weisungsrecht und das Direktionsrecht bei der Firma B. gelegen habe, die einen Teil der Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt habe. Fehlerhaft sei weiter die Feststellung des LSG, die Klägerin habe ihre, das Versicherungsverhältnis betreffenden Arbeitgeberpflichten schuldhaft verletzt. Der Beklagten sei nämlich bekannt gewesen, daß die Klägerin die Rechtslage anders beurteilt habe; eine schuldhafte Verletzung ihrer Aufzeichnungspflicht könne der Klägerin daher frühestens vom Zeitpunkt der Betriebsprüfung am 2. Dezember 1971 an zur Last gelegt werden. Aber selbst wenn die Klägerin ihre Aufzeichnungspflicht schuldhaft verletzt hätte, könnte die Beklagte jedenfalls die Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung und Arbeitslosenversicherung nicht beanspruchen, weil die einzelnen Versicherten unbekannt geblieben seien und die beteiligten Versicherungsträger infolgedessen entsprechende Leistungspflichten nicht zu erfüllen hätten.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin ist verpflichtet, in dem vom LSG festgestellten Umfang Beiträge zur Krankenversicherung, Arbeiterrentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gemäß den §§ 165 Abs. 1 Nr. 1, 1227 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), § 168 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu leisten.
Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, daß der Arbeitgeber gesetzlich „in Dienst genommen” wird, die Beiträge zu errechnen, den Beitragsteil der abhängig Beschäftigten einzubehalten und die vollen Beiträge an die Einzugsstelle abzuführen (Urteil vom 29. April 1976 – 12/3 RK 66/75 –, BSGE 41, 297). Ferner hat der Senat (aaO) festgestellt, daß den Arbeitgeber die Pflicht zur Aufzeichnung, Auskunft, Meldung, Vorlage und Beitragsabführung für jedes einzelne Beschäftigungsverhältnis trifft und daß die gesamte Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers auch besteht, soweit er Personen lediglich unständig beschäftigt. Diese Dienstleistung des Arbeitgebers hat nicht den Charakter einer Verwaltungsentscheidung, sie ist daher für die Einzugsstelle nicht bindend. Entspricht sie nach der Auffassung der Einzugsstelle nicht der Sach- und Rechtslage, entscheidet diese durch Verwaltungsakt über Versicherungspflicht, Beitragspflicht und Beitragshöhe, und zwar wegen der Abhängigkeit der folgenden Feststellung von der vorhergehenden in dieser Reihenfolge (erkennender Senat (aaO).
Die Beklagte hat über diese drei Merkmale nur global und nicht für jedes einzelne Beschäftigungsverhältnis entschieden; dabei hat sie auch nur aus den bei den Betriebsprüfungen und aus den zur Verfügung stehenden Rechnungen allein festgestellten Lohnsummen, die der Klägerin von den verschiedenen Bauunternehmen gezahlt worden sind, und schließlich aus Auskünften einzelner Poliere über die Höhe der Nettolöhne, die den betroffenen Beschäftigten in einer unbestimmten Zahl von Fällen auf den Baustellen gezahlt worden sind, für eine unbekannte Zahl von Beschäftigten und für unbestimmt gebliebene Einzelbeschäftigungszeiten die Versicherungspflicht der tätig gewordenen Beschäftigten bejaht und Rückschlüsse auf deren Bruttoeinkommen gezogen. Nach den unangefochtenen und daher für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) sind weitere Ermittlungen insoweit nicht möglich gewesen.
Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, daß diese Feststellungen zur Annahme der Versicherungspflicht der von der Klägerin verliehenen Arbeitnehmer ausreichen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (BSGE 37, 114, 117; 41, 297, 300; Urteile vom 28. April 1977 – 12 RK 25/76 –, USK Nr. 7738, und 12/3 RK 48/75 = SozR 2200 § 317 Nr. 2) entschieden, daß einerseits zwar die Unmöglichkeit, die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe festzustellen, grundsätzlich zu Lasten der Einzugsstelle geht, daß andererseits aber ausnahmsweise der Beweis des Bestehens eines versicherungspflichtigen und damit grundsätzlich auch beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses als von der Einzugsstelle geführt anzusehen ist, wenn der Arbeitgeber seine zuvor im einzelnen genannten, das Versicherungsverhältnis betreffenden Arbeitgeberpflichten, insbesondere die Aufzeichnungspflicht, absichtlich oder schuldhaft verletzt (BSGE 41, 297, 301). Das LSG ist – enger als der Senat (aaO) – davon ausgegangen, daß nur die absichtliche Verletzung der Aufzeichnungs- und Meldepflicht die Beweislast berührt. Diesen Rechtsstandpunkt hat auch der Senat im Rahmen der Verfahrensrevision zugrunde zu legen.
Das LSG hat die absichtliche Verletzung der vorgenannten Arbeitgeberpflichten in verfahrensrechtlich zutreffender Weise festgestellt. Es hat zunächst fehlerfrei festgestellt, daß die Klägerin ihre Pflichten gekannt hat, weil sie von der Einzugsstelle generell darüber hinreichend aufgeklärt worden sei. Diese Feststellung bindet den erkennenden Senat, weil die Verfahrensmängelrügen der Klägerin insoweit nicht durchgreifen. Das LSG hat diese Feststellung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 9. Juni 1976 gestützt, in dem die Beklagte ausgeführt hat, daß „im Forderungszeitraum” von der Beklagten alle Arbeitgeber über die Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung von Lohnunterlagen unterrichtet worden seien. Das LSG hat somit seine Feststellung nicht auf die zugleich mit diesem Schriftsatz übersandte AOK-Mitteilung Nr. 22 vom Monat August 1971 gestützt, die von der Beklagten nur zur allgemeinen Information des Gerichts beigefügt worden ist; nur diesen Schluß läßt die Formulierung „… zu Ihrer Information …” zu. Deshalb rügt die Revision insbesondere zu Unrecht, das LSG habe auf die Kenntnis der Klägerin im Hinblick auf die Mitteilung Nr. 22 der Beklagten vom August 1971 frühestens ab Ende August 1971 schließen dürfen.
Das LSG hat weiter festgestellt, daß die Klägerin diese Pflicht nicht aus Unkenntnis, sondern absichtlich nicht erfüllt hat, „um sich ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber … den Versicherungsträgern zu entziehen”. Damit ist nicht nur die absichtliche Verletzung der Pflicht zur Abführung der Versicherungsbeiträge, sondern auch und in erster Linie die Verletzung der vorbereitenden Nebenpflichten des Arbeitgebers, insbesondere die Aufzeichnungspflicht, gemeint. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang dieses Teiles der Begründung mit den im Urteil angeführten Erwägungen, in denen nicht nur von der Beitragspflicht, sondern auch von der Meldepflicht und der Pflicht zur Auskunftserteilung die Rede ist (S. 17 Mitte des Urteils des LSG).
Die Rügen der Revision gegen diese Feststellung greifen ebenfalls nicht durch. Die Revision meint, das LSG habe zu Unrecht nicht beachtet, daß die Klägerin durch ihre Geschäftsführerin die Beklagte bei deren verschiedenen Betriebsprüfungen auf die ihrer Rechtsauffassung nach nicht bestehende Versicherungspflicht im Rahmen ihres eigenen Unternehmens hingewiesen habe; erst wenn der Klägerin die Versicherungs- und Beitragspflicht der Beschäftigten mit absoluter Sicherheit klar gewesen sei, könne von einer absichtlichen Pflichtverletzung gesprochen werden. Mit dieser Rüge greift die Klägerin nur die Richtigkeit einer tatsächlichen Feststellung des LSG an, ohne jedoch darzulegen, welche Beweismittel das LSG nicht ausgeschöpft hat, die der Feststellung der absichtlichen Aufzeichnungs- und Meldepflichtverletzung entgegengestanden hätten. Die bloße Behauptung der Klägerin, ihrer Geschäftsführerin sei die Versicherungs- und Meldepflicht nicht mit absoluter Sicherheit klar gewesen, reicht dafür nicht aus (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch die übrigen Angriffe der Revision, die vom LSG getroffene Feststellung, die Beklagte habe absichtlich die Aufzeichnungspflicht verletzt, sei nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden, gehen fehl.
Zunächst greift die Rüge nicht durch, das LSG habe gegen die §§ 62, 128 Abs. 2 SGG verstoßen, weil es sein Urteil auch auf Tatsachen gestützt habe, die es den Akten der Beklagten entnommen habe, ohne daß der Klägerin Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu diesen Tatsachen zu erklären. Zwar ist in der Sitzungsniederschrift des LSG nicht festgehalten worden, daß die Akten der Beklagten Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Dieser Umstand allein rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß das LSG die Akten nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht und dadurch gegen die §§ 62, 128 Abs. 2 SGG verstoßen hat. Zwar empfiehlt es sich schon zur Vermeidung von Zweifeln, die Verwertung von Akten in der mündlichen Verhandlung zu Beweiszwecken in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Dieser Vorgang gehört aber nicht zu dem gemäß § 122 SGG iVm § 160 der Zivilprozeßordnung (ZPO) notwendigen Inhalt der Sitzungsniederschrift und insbesondere nicht zu den für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, deren Beachtung nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (§ 122 SGG iVm § 165 ZPO). Nach der dienstlichen Äußerung der Berufsrichter des entscheidenden Senats des LSG steht fest, daß der Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, daß die Akten der Beklagten Gegenstand der mündlichen Verhandlung seien. Der Klägerin war auch bereits seit der Übersendung der Berufungserwiderungsschrift der Beklagten vom 24. Oktober 1975 mit der Verfügung des Senatsvorsitzenden des LSG vom 18. November 1975 bekannt, daß sie verwertet werden könnten. Schließlich ist der Klägerin auch in der am 2. Juni 1976 zugestellten Terminsmitteilung bekanntgegeben worden, daß sie verwendet werden würden. Das LSG hat damit das Erforderliche getan, um dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, sich über den Inhalt der Akten der Beklagten zu unterrichten. Rechtliches Gehör zum Inhalt beigezogener Akten zu gewähren heißt nicht, den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Inhalt solcher Akten „ungefiltert” (Meyer-Ladewig, SGG, § 128 Rz 18) vorzutragen, sondern nur, sie mit den diesen Akten zu entnehmenden entscheidungserheblichen Tatsachen bekanntzumachen. Das ist hier geschehen. Das LSG hat, wie die mitwirkenden Berufsrichter des entscheidenden Senats weiter dienstlich erklärt haben, die den Akten der Beklagten entnommenen Tatsachen, insbesondere den Inhalt der Vermerke der beiden Angestellten der Beklagten, durch den Sachvortrag des Berichterstatters in sachgerechter Weise in die mündliche Verhandlung eingeführt. Dem steht nicht entgegen, daß der Terminsbevollmächtigte der Klägerin die gefilterte Einarbeitung der den Akten der Beklagten entnommenen Tatsachen in den Sachvortrag des Berichterstatters nicht bemerkt hat, weil jeder Anhalt dafür fehlt, daß er bei seiner Vorbildung außerstande war, dem Sachvortrag zu folgen; das wird insbesondere auch von der Revision nicht vorgetragen. Das LSG hat damit der Klägerin hinreichend Gelegenheit geboten, sich zu diesen Tatsachen zu erklären. Ein Verstoß gegen die §§ 62, 128 Abs. 2 SGG liegt mithin nicht vor.
Fehl geht auch der Angriff der Revision, das LSG habe es im vorbereitenden Verfahren (§ 106 Abs. 1 SGG) und in der mündlichen Verhandlung (§ 112 SGG) verabsäumt, den in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG für die Klägerin auf getretenen amtlich bestellten Vertreter der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durch eine entsprechende Fragestellung zu der Erklärung zu veranlassen, daß er nicht wisse, welches Ergebnis die Verhandlungen am 26. Oktober 1972 hatten und deshalb Vertagung zu beantragen. Ein solcher Hinweis drängte sich dem LSG schon deshalb nicht auf, weil bereits das SG in seinem Urteil auf den Inhalt der Aktenvermerke der Bediensteten der Beklagten über die Verhandlung am 26. Oktober 1972 Bezug genommen hatte und der Klägerin die beabsichtigte Verwertung der Aktenvermerke im zweiten Rechtszug in der zuvor dargelegten Weise rechtzeitig bekannt geworden ist. Das LSG verletzte daher weder im vorbereitenden Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung seine richterliche Frage- und Hinwirkungspflicht zur Herbeiführung einer vollständigen Erklärung der Klägerin über die entscheidungserheblichen Tatsachen, wenn es die von der Klägerin für geboten gehaltene Fragestellung unterließ. Nicht ersichtlich ist, inwiefern in dieser unterlassenen Fragestellung ein Aufklärungsmangel (§ 103 SGG) liegen soll.
Schließlich ist die Rüge des Verstoßes gegen die „objektiven Beweisregeln” nicht gerechtfertigt. Mit der Begründung, das LSG habe die von der Beklagten hinsichtlich der von der Klägerin gezahlten Nettolöhne festgestellten Tatsachen „durch Beweisanordnungen überprüfen” müssen, zielt auch diese Rüge – noch hinreichend erkennbar – auf die Geltendmachung eines Aufklärungsmangels iS des § 103 SGG. Damit ist jedoch eine Verletzung der dem LSG obliegenden Aufklärungspflicht noch nicht dargetan. Die Klägerin hätte vielmehr insoweit ausführen müssen, welche Beweismittel dem LSG zur Verfügung standen und welche anderweitige Tatsachenfeststellung die Erhebung dieser Beweise dem LSG ermöglicht hätte. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen. Ebensowenig hat die Klägerin für die weitere Rüge, das LSG habe nicht ermittelt, inwieweit und für welche Zeiträume die Klägerin Aufzeichnungspflichten für die einzelnen Beschäftigten hatte, dargelegt, welche Beweismittel dem LSG für die Feststellung dieser Tatsachen noch zur Verfügung gestanden hätten und zu welchen abweichenden Feststellungen das LSG – ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt – bei Berücksichtigung dieser Beweismittel hätte gelangen müssen.
Nach allem hat das LSG somit zutreffend festgestellt, daß die Klägerin die sie hinsichtlich aller Beschäftigten ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Versicherungspflicht treffende umfassende Aufzeichnungspflicht absichtlich verletzt und dadurch die der Einzugsstelle obliegende Beweisführung zur Versicherungspflicht aller Beschäftigten vereitelt hat. Die Klägerin hat daher die Beiträge nach Maßgabe der Lohnsumme zu zahlen, ohne daß es auf den tatsächlichen Nachweis der Versicherungspflicht der einzelnen Versicherten ankommt (Urteil des erkennenden Senats vom 28. April 1977 – 12 RK 25/76 –, USK 7738). Allein schon deshalb geht auch der Einwand der Revision fehl, daß sich zumindest die Träger der Arbeiterrentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung an den für diese Versicherungszweige von der Beklagten festgestellten Beitragsteile bereicherten, weil sie für die unbekannt gebliebenen einzelnen Versicherten keine entsprechenden Leistungen zu erbringen hätten. Insoweit verkennt die Klägerin darüber hinaus aber auch, daß das gesamte Sozialversicherungsrecht vom Solidaritätsprinzip beherrscht wird … (BVerfGE 11, 105, 117; 14, 312, 318) und deshalb die Einziehung der Beiträge vom Arbeitgeber auch dann erforderlich ist, wenn der Arbeitgeber durch sein schuldhaftes Verhalten die Verwirklichung des Versicherungschutzes für den einzelnen Versicherten verhindert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen