Leitsatz (amtlich)
Die Berufung ist wegen eines Streits über den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung iS des BVG nur zulässig (SGG § 150 Nr 3), wenn der Rechtsmittelkläger durch die Entscheidung zur Kausalitätsfrage beschwert ist.
Normenkette
SGG § 150 Nr. 3 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. Oktober 1975 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Versorgungsverwaltung hatte dem Kläger - zuletzt durch Bescheid vom 3. Dezember 1971 - Versorgung wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v.H. zuerkannt. Als Schädigungsfolgen hatte sie den Verlust des rechten Unterschenkels im oberen Drittel, ein Krampfaderleiden im Sinne einer einmaligen nicht richtunggebenden Verschlimmerung sowie belanglose Narben an der rechten Ellenbeuge bezeichnet. Die Bewertung der MdE ging auf einen Vergleich zurück, den die Beteiligten während eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht (SG) Köln, Zweigstelle Aachen, im Jahre 1958 geschlossen hatten. Damals war die MdE von 50 auf 60 v.H. heraufgesetzt worden, und zwar "unter Berücksichtigung von § 30 Abs. 1 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes" (BVG) - in der damals geltenden Fassung -, also wegen besonderen beruflichen Betroffenseins. Zugleich war das Krampfaderleiden in der oben angegebenen Weise als Schädigungsfolge anerkannt worden (Ausführungsbescheid vom 2. Mai 1958). In der Folgezeit lehnte die Versorgungsverwaltung eine Erhöhung der Versorgungsbezüge ab (Bescheid vom 6. und 7. Dezember 1971 sowie Widerspruchsbescheide vom 25., 28. und 30. Januar 1974). Sie konnte sich nicht davon überzeugen, daß auf die Kriegsverletzung des Klägers neue Gesundheitsstörungen, im besonderen - wie der Kläger behauptet hatte - ein Leber- und ein Wirbelsäulenleiden zurückzuführen seien. Die berufliche Betroffenheit hielt sie durch die Einschätzung der MdE mit 60 v.H. für angemessen beachtet. Für einen Berufsschadensausgleich fehlte es ihres Erachtens an der erforderlichen Einkommensminderung.
Auf die Klage verurteilte das SG den Beklagten, dem Kläger vom 1. September 1969 an Beschädigtenrente nach einer MdE von 70 v.H. zu gewähren (Urteil des SG Itzehoe vom 19. September 1974). - Den Anspruch auf Berufsschadensausgleich hatte der Kläger nicht mehr weiterverfolgt. - Das SG teilte zwar die Ansicht der Versorgungsverwaltung, daß die anerkannten Schädigungsfolgen sich nicht verschlechtert hätten und neue kriegsbedingte Gesundheitsstörungen nicht hinzugekommen seien. Deshalb wurde die Klage auch abgewiesen, soweit der Kläger die Anerkennung zusätzlicher Schädigungsfolgen verlangt hatte. Die Anhebung der MdE-Bewertung begründete das SG aber mit der besonderen beruflichen Belastung des Klägers. Dem Vergleich, durch den 1958 der Prozeß vor dem SG Köln beendet wurde, entnahm das erstinstanzliche Gericht, daß die MdE damals aus einer doppelten Erwägung heraus auf 60 % bestimmt worden sei. Hierfür sei einmal das Krampfaderleiden mit einer zusätzlichen Erwerbsbehinderung von 10 v.H. in Betracht gekommen. Daß diese Krankheit sich gebessert habe und sich auf das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr nachteilig auswirke, sei nicht festgestellt worden. Das Gegenteil sei vielmehr aus einer Stellungnahme des Chirurgen Dr. H. zu entnehmen. Zum anderen habe in der Bewertung der MdE die berufliche Betroffenheit des Klägers sich zusätzlich auswirken müssen. Infolgedessen sei mit einer Festsetzung der MdE auf 60 v.H. nicht auszukommen, sondern eine solche von 70 v.H. angezeigt gewesen.
Die von dem Beklagten in erster Linie auf die Beanstandung wesentlicher Verfahrensmängel gestützte Berufung hat das Landes Sozialgericht (LSG) als unzulässig verworfen (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30. Oktober 1975). Den Ausschluß des Rechtsmittels hat es aus § 148 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hergeleitet, also daraus, daß Berufungsgegenstand lediglich die Quote der MdE war. Damit sei - so das LSG - die erforderliche Rechtsmittelbeschwer nicht gegeben. Diese folge auch nicht daraus, daß die Klage sich ursprünglich außerdem auf den ursächlichen Zusammenhang von Gesundheitsstörungen des Klägers mit einer Schädigung i.S. des BVG bezogen habe. Für einen solchen Kausalitätsstreit wäre die Berufung zwar statthaft (§ 150 Nr. 3 SGG). Darum gehe es aber im gegenwärtigen Rechtsmittelverfahren nicht. Ferner sei dem Beklagten die Berufung auch nicht wegen verfahrensrechtlicher Verstöße eröffnet. Entgegen der Meinung des Beklagten enthalte das erstinstanzliche Urteil eine ausreichende Begründung (§ 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG). Es habe dargelegt, weshalb die Versorgungsverwaltung zu einer anderen Berechnung der MdE anzuhalten sei (§40 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -VerwVG-). Des weiteren habe das SG die Überlegungen, die für seine Beweiswürdigung leitend gewesen seien, mitgeteilt (§ 128 Abs. 1 Satz 2 SGG), indem es sich auf die Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. B... und Dr. H. bezogen habe. Allerdings habe sich Dr. H. erkennbar geirrt, als er angenommen habe, für den Krampfaderbefund sei eine MdE von 10 v.H. bereits früher "versorgungsärztlich" anerkannt worden. Dies sei nicht der Fall gewesen. Der Irrtum sei aber für das Gutachten als solches unbeachtlich, da die Beurteilung das Ergebnis eigener Untersuchungen gewesen sei.
Der Beklagte hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Er meint, das LSG hätte die Berufung nicht verwerfen dürfen, sondern hätte ein Sachurteil fällen müssen. Zu Unrecht, führt er aus, habe das LSG den einheitlichen Streitgegenstand aufgespalten. Im Rechtsstreit sei es schlechthin um die Aufstockung des Grades der MdE gegangen. Darauf sei abzuheben. Für dieses Klageziel sei u.a. wichtig gewesen, ob die Gesundheitsstörungen, die bislang als Schädigungsfolgen nicht angesehen worden seien, diese Qualifizierung gleichwohl verdienten. Darin sei eine Kausalitätsfrage i.S. des § 150 Nr. 3 SGG und somit ein berufungsfähiger Gegenstand zu erblicken gewesen. Daß wegen dieses Punktes die Klage abgewiesen worden sei und der Kläger insoweit kein Rechtsmittel eingelegt habe, ändere nichts am Umfang des Streitobjekts. Dieser müsse für den Beklagten wie für den Kläger gleich sein. Anderenfalls wäre dem Kläger das Rechtsmittel, wenn er es verfolgt hätte, eröffnet gewesen, während es dem Beklagten verschlossen sei. Eine solche Ungleichheit prozessualer Chancen könne nicht Rechtens sein. - Im übrigen, führt die Revision aus, beruhe das erstinstanzliche Urteil auf Verfahrensrechtsverletzungen, auf welche der Beklagte bereits in seiner Berufungsbegründung hingewiesen habe und die das LSG nicht habe übergehen dürfen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sei die Stellungnahme des Dr. H. zur Erwerbseinschränkung durch das Krampfaderleiden um 10 v.H. ausschließlich durch den bezeichneten Irrtum bestimmt gewesen. Dies habe der Arzt auf Befragen der Versorgungsbehörde in einer schriftlichen Äußerung vom 23. Juli 1974 bestätigt. Andererseits hätten die von diesem Irrtum unbeeinflußten ärztlichen Einschätzungen dieses und anderer Ärzte (Prof. Dr. K. und Dr. F., Lhospital, Aachen, 13. Dezember 1957; Dr. J...,18. Januar 1958, Dr. ..., 19. September 1974) deutlich erkennen lassen, daß die körperlichen Schädigungsfolgen nicht höher als mit einer Einbuße von 50 % zu veranschlagen gewesen seien. Wegen des Krampfaderleidens habe nur vorübergehend eine überhaupt meßbare MdE bestanden. Wenn das LSG von der Tatsache des Irrtums nicht überzeugt gewesen sei, so hätte es Dr. H. hierüber befragen müssen. - Einen Verstoß gegen die Denkgesetze leitet die Revision aus der Bedeutung her, welche das SG dem Vergleich von 1958 beigemessen habe. Das SG habe den Vergleich nicht so, wie er sich selbst darstelle, als gegeben behandelt, sondern auf seine Richtigkeit hin geprüft, indem es ausgeführt habe, der Vergleich "hätte gar nicht abgeschlossen werden dürfen, weil das Ergebnis der gebräuchlichen Berechnungsweise eindeutig widerspreche". Daraus habe das SG geschlossen, bei Anwendung der "gebräuchlichen Berechnungsweise" hätte sich eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Beschädigtenrente nach einer MdE von 70 v.H. schon von 1958 an herausgestellt. Mit dieser Schlußfolgerung habe sich das SG, meint die Revision, über den wirklichen Vergleichsinhalt hinweggesetzt.
Der Beklagte beantragt,
das Berufungsurteil aufzuheben, sowie das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als er (der Beklagte) verurteilt worden sei, dem Kläger ab 1. September 1969 eine Rente nach einer MdE von 70 v.H. zu gewähren.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Das LSG hat zu Recht - gestützt auf § 148 Nr. 3 SGG - die Berufung als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Beklagten war nicht bereits deshalb statthaft, weil das erstinstanzliche Urteil über den Grad der Erwerbsbehinderung aus doppelter Veranlassung entschieden hat: einmal, weil die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers zu berücksichtigten, und zum anderen, weil der Einfluß der Kriegsdienstschädigung auf den Wirbelsäulen- und Leberbefund zu prüfen war. Wegen des letzteren wäre die Berufungsmöglichkeit freilich gegeben gewesen (§ 150 Nr. 3 SGG; BSG SozR Nr. 26 zu § 148 SGG; Nrn. 30 und 47 zu § 150 SGG). Dies nützte aber der Berufung des Beklagten nichts. Denn in dem Teil des sozialgerichtlichen Urteils, der die Frage des Ursachenzusammenhangs von Gesundheitsstörungen und Schädigung i.S. des BVG behandelte, ist die Klage abgewiesen worden. Insoweit fehlte es also dem Beklagten an der Beschwer, deren Beseitigung er mit dem Rechtsmittel hätte anstreben können. Er war lediglich darin beschwert, daß die Erwerbseinschränkung des Klägers wegen beruflicher Betroffenheit um 10 v.H. höher, als vorher anerkannt, bemessen worden war. Die Auseinandersetzung hierüber ist ein sogenannter Gradstreit, für den die Berufung ausgeschlossen ist (BSGE 12, 134, 136).
Anders wäre es nur, wenn es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht auf die Beschwer des Rechtsmittelklägers und auf denjenigen Streitstoff ankäme, mit dem das Berufungsgericht befaßt werden soll, sondern wenn hierfür schlechthin auf den Inhalt des angefochtenen Urteils abzuheben wäre. Diese bei älterer Gesetzesfassung von dem Bundessozialgericht (BSG) vertretene Auslegung ist nicht mehr Rechtens (zur Gegenüberstellung der früheren und der geltenden Gesetzesfassung des § 148 SGG: BSG SozR Nr. 3 zu § 143 SGG). Vielmehr richtet sich nunmehr der Ausschluß der Berufung nach dem Beschwerdegegenstand im Berufungsverfahren (BSG SozR Nr. 26 zu § 148 SGG, Nr. 47 zu § 150 SGG). Dagegen ist die Tatsache unerheblich, daß das angefochtene Urteil auch andere - rechtsmittelfähige - Ansprüche und Streitobjekte erfaßte, die den Rechtsmittelkläger aber nicht belasten und über die er verständigerweise eine abweichende Entscheidung auch nicht herbeiführen will (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, III/10 Anmerkung 4 zu § 143 SGG). Die Themenstellung des sozialgerichtlichen Urteils ist nur noch insofern bedeutsam, als dadurch die Grenzen gesetzt sind, innerhalb deren das Berufungsbegehren in Betracht zu ziehen ist (BSG SozR Nr. 26 zu § 148 SGG). Hingegen kommt die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Beschwerdegegenstand darin deutlich zum Ausdruck, daß es in § 148 SGG heißt, die Berufung sei nicht zulässig, "soweit sie betrifft ... den Grad der MdE". Durch diese Formulierung, die dem Gesetz mit der Neuregelung durch das Zweite Änderungsgesetz zum SGG vom 25. Juni 1958 (BGBl I, 409) gegeben worden ist, sollte erreicht werden, daß die Rechtsmittelschranke nicht durch "den Streitgegenstand des ersten Rechtszuges", sondern durch die "Beschwer nach Abschluß des Verfahrens im ersten Rechtszuge" festgelegt werde (Begründung zum Regierungsentwurf, Bundestagsdrucksache III/36 S. 5 zu Nr. 4; Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, Bundestagsdrucksache III/338). Da sonach die Öffnung des zweitinstanzlichen Rechtszuges von der Beschwer des einzelnen Rechtsmittelklägers abhängt, kann die Berufung auch nicht wie die Revision meint, für alle Prozeßbeteiligten stets gleicherweise gestattet sein (abweichend von der Rechtslage, wie sie bis zur Neuregelung durch das 2. Änderungsgesetz galt: BSG SozR Nr. 18 zu § 148 SGG). Maßgebend ist vielmehr das Interesse, das gerade dieser Rechtsmittelkläger am Erfolg seines Rechtsmittels hat; und dafür ist nicht der Zeitpunkt des Urteilserlasses, sondern der der Rechtsmitteleinlegung bestimmend (BSGE 11, 26; SozR Nr. 20 zu § 144 SGG).
Die hier vertretene Auffassung widerstreitet nicht der Rechtsprechung, daß bei einem einheitlichen prozessualen Anspruch, z.B. dem auf Erhöhung der Versorgungsleistungen, die Berufung nicht nach § 148 Nr. 3 SGG ausgeschaltet ist, wenn von mehreren durch das Berufungsgericht zu erörternden Streitteilen wenigstens einer rechtsmitteltauglich ist (BSGE 8, 228, 230; zu § 145 SGG: BSGE 5, 222, 225; ferner m.N.: BSG, Urteile vom 16. März 1972 - 10 RV 255/71 -; 12. Oktober 1972 - 10 RV 699/71 -; 27. September 1973 - 10/8 RV 653/72). Voraussetzung ist dann aber, damit das Berufungsgericht über den Anspruch als ganzen, einschließlich eines an sich nicht berufungswürdigen Streitpunktes entscheiden kann, daß der Rechtsmittelkläger überhaupt in einer gesetzlich näher bestimmten Weise beschwert ist. Von dieser Auffassung geht auch die oben erwähnte Rechtsprechung aus. Das dem Berufungskläger nachteilige Erkenntnis muß eben auch wegen des vom Gesetz anerkannten Grundes Gegenstand des Berufungsverfahrens sein (so ausdrücklich BSGE 5, 222, 225). Daran fehlte es hier. Hieraus folgt, daß dem Beklagten die Berufung aufgrund des § 148 Nr. 3 SGG verschlossen war.
Den Weg zur Sachentscheidung durch das Berufungsgericht hat sich der Beklagte auch nicht durch die Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels verschafft (§ 150 Nr. 2 SGG). Der Revisionsangriff, das SG habe sein Urteil nicht auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. ... stützen dürfen, weil dieses Gutachten nachweisbar auf einer falschen Vorstellung beruhe, greift nicht durch. Gegenüber diesem Vorbringen hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß die Information, die der Erstrichter dem Gutachten entnommen habe, darin einwandfrei und unbeeinflußt durch den behaupteten Irrtum enthalten sei. Dem SG war der Inhalt dieses Gutachtens wichtig zur Beantwortung der Frage, ob im Krampfaderleiden des Klägers seit dem Jahre 1958 (Vergleichsabschluß und Ausführungsbescheid vom 2. Mai 1958) eine Besserung eingetreten sei. In der Antwort und Befundbeschreibung, die der Sachverständige zu dieser Frage gab, stützte er sich auf ältere ärztliche Darstellungen und vor allem auf die von ihm selbst durchgeführte Untersuchung. Dafür war eine - von dem Sachverständigen falsch verstandene - Verwaltungsentscheidung nicht von Belang. Im übrigen hatte weder die Berufung noch hat die Revision dargetan, daß das Gutachten des Dr. H. insoweit Anhaltspunkte für eine Zustandsänderung ergeben hätte. Mithin muß die Beweiswürdigung, die auf diesem Sachverständigenbeweis aufbaut, Bestand haben. Hinzu kommt, daß die Äußerung des Dr. H. vom 23. Juli 1974 über seinen - für die tatrichterliche Beweiswürdigung nicht relevanten - Irrtum sich nicht in den Verwaltungsakten befindet und von dem Beklagten auch nicht im erst- oder zweitinstanzlichen Verfahren vorgelegt worden ist.
Die Tatsache, über welche sich nach Ansicht der Revision Dr. H. getäuscht haben soll, nämlich die verbindliche Bewertung des Krampfaderleidens mit einer MdE von 10 v.H., hat das SG nicht aus dessen Gutachten erfahren. Vielmehr hat es seine Erkenntnis durch Interpretation der Verhandlungen, die zu dem Vergleich von 1958 führten, gewonnen. Daß es hierbei u.a. auf einen Bericht des Versorgungsamtes Aachen vom 1. Juli 1958 an das Landesversorgungsamt zurückgriff, ist nicht zu beanstanden. Von diesem Bericht ging zwar keine Rechtswirkung aus; er hatte unmittelbar nur innerdienstliche Bedeutung. Er war aber ein Anzeichen dafür, welcher objektive Erklärungswert dem Vergleichsangebot des Landesversorgungsamts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 1958 beigemessen wurde. Daraus wurde herausgelesen, daß das Krampfaderleiden des Klägers nicht nur als Schädigungsfolge "gemäß § 1 BVG", sondern auch als ein Faktor für die Einschätzung der MdE angesehen worden war. Im gleichen Sinne haben dann neben Dr. H. auch Regierungsmedizinaldirektor Dr. G. (7. September 1970) und Prof. Dr. B. (16. Mai 1973) den Vergleichsvorschlag der Versorgungsverwaltung verstanden. Die beiden letztgenannten haben sogar eine Behinderung des Klägers in seinem Beruf verneint, aber allein für seine körperliche Versehrtheit einschließlich des Krampfaderleidens eine MdE von 60 v.H. angenommen. Von diesen ärztlichen Stellungnahmen beeindruckt, mag das SG zu der Folgerung gelangt sein, die Berufsbetroffenheit des Klägers sei zwar unanfechtbar anerkannt, aber nicht bei Bewertung des angenommenen Maßes der MdE gebührend berücksichtigt. Daß und aus welchen Gründen das SG den erwähnten ärztlichen Äußerungen nicht hätte folgen dürfen, sondern entgegenstehenden Beurteilungen hätte mehr Gewicht beimessen müssen, hat der Beklagte nicht, wie es eine substantiierte Verfahrensrechtsrüge erfordert, näher erläutert.
Der Revision kann schließlich nicht darin beigetreten werden, daß dem SG bei Würdigung des Vergleichs aus dem Jahre 1958 ein Verstoß gegen die Gesetze der Logik unterlaufen sei. In der Deutung, daß mit diesem Vergleich sowohl das Krampfaderleiden in seiner Kriegsbedingtheit als auch die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers anerkannt worden seien, ist ein Denkfehler nicht zu erblicken. Diese Deutung ist richtig. Was der Beklagte beanstandet, ist nicht die Interpretation des Vergleichsinhalts. Er wendet sich dagegen, daß das SG für beide Schädigungsfolgen die Bestätigung einer Erwerbseinschränkung von je 10 v.H. für zwingend gehalten hat. Daß der Vergleich und der sich ihm anschließende Ausführungsbescheid dieser Folgerung nicht entsprechen, hat das SG nicht verkannt. Der Erstrichter hat nur gemeint, diese Folge nunmehr, nachdem der Kläger die Neuprüfung der früheren Verwaltungsentscheidungen verlangt hatte, verwirklichen zu müssen. Hierbei hat sich der Erstrichter von der Entscheidung des BSG vom 22. März 1963 (SozR Nr. 21 zu § 62 BVG) leiten lassen, die nicht in Verbindung mit der Berichtigung von Bescheiden, im besonderen nicht in Bezug auf die sogenannte Zugunstenbescheidung nach § 40 Abs. 1 VerwVG ergangen ist, sondern die Anwendung der Vorschrift über den Abänderungsbescheid nach § 62 BVG betraf. Dort ist ausgesprochen worden, daß die Versorgungsverwaltung bei einer Neufeststellung der Rente aus dem Grunde, daß sich die Verhältnisse eines von mehreren Kriegsleiden nachträglich wesentlich geändert hätten, an die frühere Bewertung der MdE für die unverändert gebliebenen Leiden gebunden ist. Die Verwaltung darf die "Teil-MdE" für die unverändert fortbestehenden Gesundheitsstörungen nicht gelegentlich eines Abänderungsbescheides niedriger veranschlagen, es sei denn, der frühere Bescheid war im Zeitpunkt seines Erlasses tatsächlich und rechtlich zweifelsfrei unrichtig (§ 41 Abs. 1 Satz 1 VerwVG). Ob dieser Rechtsgedanke auf den Überprüfungsbescheid gemäß § 40 Abs. 1 VerwVG zu übernehmen ist (dazu BSGE 40, 120, 124 = SozR 3100 § 30 BVG Nr. 8 S. 41; BSG in BVBl 1966, 6, 7), muß hier dahingestellt bleiben. Auf diese Frage ist im gegenwärtigen Rechtszuge ebensowenig einzugehen, wie dies in der Berufungsinstanz erlaubt war. Denn die Antwort auf diese Frage betrifft nicht den Weg zur Urteilsfindung, um die es allein bei der Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels gehen kann. Von der Antwort ist vielmehr die Entscheidung in der Sache selbst abhängig. Damit sind die Rechtsmittelgerichte jedoch nicht befaßt, weil die Berufung nicht zugelassen ist.
Hiernach sind die angefochtenen Urteile aufrechtzuerhalten; die Revision ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen