Leitsatz (redaktionell)

Bindung an die Einstufung bei Wiedergewährung des Schadensausgleichs: 1. Der Senat hält an seiner Entscheidung vom 1976-10-07 9 RV 224/75 = SozR 3100 § 40a Nr 4 fest.

 

Normenkette

BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 S. 1 Fassung: 1971-12-16, § 40a Abs. 2 S. 2 Fassung: 1971-12-16, § 62 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28; KOVVfG § 24 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 27.05.1975; Aktenzeichen L 6 V 41/73)

SG Köln (Entscheidung vom 14.12.1972; Aktenzeichen S 15 V 58/72)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 1975 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Beschwerde- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin bezieht Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Für das Jahr 1964 erhielt sie den Schadensausgleich (Bescheid vom 3. November 1965). Dabei wurde als Einkommen, das der Ehemann der Klägerin ohne die Schädigung erzielt hätte, das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 16 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 und der Ortsklasse A angenommen (§ 40 a Abs. 2 BVG; § 6 der Verordnung -VO- zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG). Der Ehemann der Klägerin war 1941 gefallen; er hatte in Ostpreußen eine Praxis als Facharzt für Hals, Nase und Ohren unterhalten. Aus den angestellten Ermittlungen hatte das Versorgungsamt (VersorgA) gefolgert, daß das Einkommen höher als das Endgrundgehalt A 16 gewesen sei. Allerdings war der genaue Nachweis über die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin nicht geführt worden. Der Bezug des Schadensausgleichs wurde bis zum Ende des Jahres 1964 begrenzt, weil danach die Klägerin als medizinisch-technische Assistentin über ein eigenes, den Schadensausgleich ausschließendes Einkommen verfügte.

Nachdem die Klägerin, nach Erreichen der vorzeitigen Altersgrenze (§ 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-), ihr Beschäftigungsverhältnis aufgegeben hatte, gestand ihr die Versorgungsbehörde den Schadensausgleich, beginnend mit dem 1. Januar 1971 erneut zu. Nunmehr ging die Verwaltung aber von dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 14 als dem Vergleichseinkommen des Ehemanns der Klägerin aus. Dabei ließ sich die Verwaltung von der Überlegung leiten, daß der Kriegsbeschädigte nicht eine Stellung innegehabt habe, die über den Status seiner Kollegen hinausgeragt hätte (Bescheid vom 30. Juli 1971; Widerspruchsbescheid vom 6. April 1972).

Der Klage mit dem Ziel einer Erhöhung des Schadensausgleichs haben Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) stattgegeben (Urteil des SG Köln vom 14. Dezember 1972; Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 1975). Das Berufungsgericht hat sich zunächst mit der Statthaftigkeit der Berufung befaßt. Es hat diese bejaht, obgleich das SG das Rechtsmittel nicht zugelassen hatte und obgleich nach Ansicht des Berufungsgerichts ein Rechtsmittelausschlußgrund gegeben war. Diesen erblickte das LSG darin, daß es um die Neufeststellung des Schadensausgleichs wegen Änderung der Verhältnisse (§ 148 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), nämlich wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin gehe. Ungeachtet dessen sei die Berufung jedoch zulässig, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leide (§ 150 Nr. 2 SGG). Denn das SG habe für entscheidungserheblich gehalten, daß der Ehemann der Klägerin mehr verdient haben würde als ein Beamter der Besoldungsgruppe A 16. Dies habe das SG indessen ohne Nachweis - und damit gegen die Aufklärungspflicht verstoßend - festgestellt. Allerdings komme es - so das LSG - auf diese Sachermittlung nicht an. Vielmehr sei der Beklagte durch den Bescheid vom 3. November 1965 an den Ausspruch gebunden, daß der Schadensausgleich sich auf der Basis der Besoldungsgruppe A 16 errechne.

Der Beklagte hat die - von dem Bundessozialgericht (BSG) zugelassene (Beschluß vom 18. Mai 1976) - Revision eingelegt. Seines Erachtens verstößt die Entscheidung des Berufungsgerichts gegen die Regeln über die Bindungswirkung von Bescheiden (§§ 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -VerwVG-, 62 BVG, 77 SGG). Er verkennt nicht, daß die Einordnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit in eine bestimmte Besoldungsgruppe bei Bewilligung des Berufsschadensausgleichs oder Schadensausgleichs eine selbständige, bindungsfähige Reglung sein könne. Es unterliege aber im Einzelfall der Auslegung des betreffenden Verwaltungsakts, ob eine solche Regelung gewollt gewesen und getroffen worden sei. Davon könne hier nicht ausgegangen werden, weil der Schadensausgleich in dem Bescheid vom 3. November 1965 überhaupt nur für eine begrenzte und abgelaufene Zeit bewilligt worden sei. Für die Folgezeit habe der Verwaltungsakt die Feststellung der Leistung mitsamt ihren Nebenaussprüchen verneint und damit eine fortwirkende Entscheidung über die Einstufung in eine bestimmte Besoldungsgruppe nicht gewollt und nicht enthalten.

Der Beklagte beantragt,

die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision des Beklagten ist unbegründet.

Über die Rechtsfrage, von deren Beantwortung der Ausgang des Rechtsstreits ausschlaggebend abhängt, hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 7. Oktober 1976 - 9 RV 224/75 - entschieden. Auf die Gründe dieses Urteils, an dem festgehalten wird, kann verwiesen werden. Dort ist ausgesprochen und näher begründet worden, daß bei Wiedergewährung des Schadensausgleichs, der zwischenzeitlich wegen des Einkommens der Witwe weggefallen war, der Versorgungsträger an die Feststellung gebunden ist, die er zu den unverändert gebliebenen Berechnungsgrößen des sogenannten Einstufungsgerüstes vorgenommen hat (§ 24 VerwVG; § 77 SGG). Diese Bindung kann nur bei zweifelsfreier Unrichtigkeit im Wege der Berichtigung (§ 41 VerwVG) beseitigt werden. Zu den Voraussetzungen des Einstufungsgerüstes, die durch einen behördlichen Ausspruch in ihrem Bestand sicher festgelegt werden, gehört die Einstufung des Einkommens, das der Ehemann der Klägerin ohne die Schädigung erzielt hätte, nämlich die Einstufung in das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 16 BBesG. Für die Bewilligung des Schadensausgleichs in dem Bescheid vom 3. November 1965 war diese Eingruppierung zwar lediglich ein Teil der Begründung. Eine selbständige, rechtsfolgeauslösende Teilregelung war insoweit mit diesem Bescheid ausdrücklich nicht gewollt. Dies ist dem Beklagten einzuräumen. Darauf kommt es indessen nicht an. Die Verbindlichkeit der einmal vorgenommenen Eingruppierung ergibt sich vielmehr selbsttätig, ohne besondere Verwaltungserklärung von Rechts wegen, weil der Bescheid von 1965, mit dem der Schadensausgleich, wenn auch für eine abgeschlossene Zeitspanne, gewährt wurde, in dem hier interessierenden Gesichtspunkt als der Anfang einer Entscheidungskette im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses zu sehen ist. Dieser Bescheid verlor allerdings seine aktuelle Geltungskraft wegen gewandelter Einkommensverhältnisse. Er wirkte aber in bezug auf die tragenden Entscheidungselemente, deren tatsächliche Grundlagen unverändert blieben, weiter. Diese Bedeutung der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung zum Schadensausgleich folgt, wie der Senat in dem oben zitierten Urteil dargelegt hat, aus § 62 Abs. 1 BVG in Verbindung mit dem Gedanken definitiver Regelungen innerhalb eines Dauerrechtsverhältnisses. Soweit mit einer solchen Regelung eine für den Versorgungsanspruch maßgebende Feststellung getroffen worden ist und die diesbezüglichen Verhältnisse sich nicht ändern, hat es dabei - von Sonderfällen abgesehen (§§ 41, 42 VerwVG) - sein Bewenden.

Wegen der Rechtsverbindlichkeit der früheren Entscheidung kann die Revision des Beklagten keinen Erfolg haben. Die vorinstanzlichen Urteile sind zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653259

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