Leitsatz (amtlich)
Hebt ein SG einen Verwaltungsakt auf, mit dem die Erteilung eines Zugunstenbescheides nach KOV-VfG § 40 Abs 1 abgelehnt worden ist, weil die Versorgungsbehörde trotz konkreter Veranlassung die Unrichtigkeit der bindend gewordenen früheren Bescheide nicht geklärt habe, so verstößt das Gericht grundsätzlich gegen die eigene Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln.
Normenkette
KOVVfG § 40 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02; SGG § 103 S. 1 Fassung: 1974-07-30, § 131 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1976 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin hat im September 1974 die Erteilung eines neuen Bescheides beantragt, nachdem ihr 20 Jahre zuvor die Bewilligung einer Beschädigtenversorgung abgelehnt worden war (Bescheid vom 28. September 1954; Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 1954). Die Versorgungsverwaltung hatte sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß die beiderseitig hochgradige Schwerhörigkeit der Klägerin auf eine Gehörschädigung zurückgeführt werden müsse, welche bei einem Bombenangriff am 16. November 1944 verursacht worden sei. Die Versorgungsverwaltung hatte damals ihre Entscheidung auf ein Gutachten des Prof. Dr. G gestützt. Dieser Gutachter hatte erklärt, bei dem Leiden der Klägerin handele es sich um eine durch rasch fortschreitenden Verfall der Hörfähigkeit gekennzeichnete degenerative Innenohrschwerhörigkeit. Eine Erscheinung, die an Taubheit grenze, trete bei Detonationen, wie sie hier behauptet würden, im allgemeinen nur gleichzeitig mit schweren Trommelfellzerreißungen ein. Letzteres sei aber nicht nachzuweisen. Auch pflege eine Detonationsschädigung regelmäßig in der Folgezeit sich eher zu bessern, nicht aber sich zu verschlechtern. - Den neuen Antrag lehnte die Versorgungsbehörde unter Hinweis auf die Bindung ihrer Bescheide des Jahres 1954 ab (Bescheid vom 22. Oktober 1974; Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1975), weil die Klägerin neue Tatsachen nicht geltend gemacht habe.
Die Klage hat das Sozialgericht - SG - Aachen (Urteil vom 10. September 1975) abgewiesen. Das Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19. Februar 1976 = ZfS 1977, 255 m krit. Anm von Schäfer) hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen sowie die weitergehende Berufung und Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die angefochtenen Verwaltungsakte für ermessenswidrig gehalten, weil die Verwaltung ihre Entschließung ohne ausreichende sachliche Grundlagen getroffen habe. Es sei das Gutachten eines Hals-, Nasen- und Ohrenarztes nötig gewesen, damit neuere, in bezug auf eine Detonationsschwerhörigkeit gewonnene ärztliche Erkenntnisse hätten verwertet werden können. Dem Berufungsgericht sei bekannt, daß in der medizinischen Wissenschaft die Entwicklung eines durch Explosion hervorgerufenen Gehörschadens heute abweichend von früher beurteilt werde; je nach den Umständen werde nicht mehr ausgeschlossen, daß das Hörvermögen in der Folge zunehmend nachlassen könne. Andererseits sei es aber nicht Aufgabe des Gerichts, die unterbliebene Beweisaufnahme nachzuholen, wenn in dem Bereich des Verwaltungsermessens Zweifel zu beheben seien und wenn diese Zweifel sich der Verwaltung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit ihres ersten Bescheides hätten aufdrängen müssen. Der weitergehenden Ansicht des Bundessozialgerichts - BSG - (SozR Nr 119 zu § 54 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) vermöge das Berufungsgericht nicht zu folgen. Die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung werde zu sehr eingeengt, wenn das Gericht selbst eine umfassende Sachaufklärung betreibe, daraufhin die Ablehnung einer Zugunstenregelung beseitige und der Verwaltung aufgebe, nunmehr anhand der gerichtlichen Feststellungen ermessensfehlerfrei zu entscheiden. - Das LSG verstoße mit seinem Judikat nicht gegen das Verbot der Zurückverweisung einer Sache an die Verwaltung (so allerdings BSG SozR Nr 119 zu § 54). Die Zurückverweisung, wie sie das Berufungsgericht vornehme, sei nicht unzulässig, wenn das Verwaltungsermessen ohne die erforderlichen Sachermittlungen ausgeübt worden sei. Schließlich hat das LSG ausgeführt, sei gerade seine Auffassung geeignet einer mißbräuchlichen Wiederholung von Berichtigungsanträgen nach § 40 Abs 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOV-VfG) zu begegnen.
Der Beklagte hat die - von dem LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er hat an dem Berufungsurteil auszusetzen, daß die Bescheide, mit denen die Berichtigung bindender Verwaltungsakte abgelehnt worden waren, aufgehoben wurden. Die Bescheide seien nur zu beseitigen gewesen, meint er, wenn die Unrichtigkeit der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung festgestanden hätte. Denn nur dann habe der Verwaltung aufgegeben werden dürfen, von ihrem Ermessen Gebrauch zu machen. Andernfalls müsse die Bindung des Vorentschiedenen ohne weiteres respektiert werden. Die Richtigkeitsprüfung könne indes nur im einen oder anderen Sinne ausfallen. Sie lasse keine Wahlmöglichkeit offen und sei daher dem Handlungsermessen unzugänglich. Hier sei es anders als in dem von dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes am 19. Oktober 1971 entschiedenen Fall (BVerwGE 39, 355 = NJW 1972, 1411). Dort sei es um die Qualifizierung des Begriffs "unbillig" gegangen. Dieser Begriff rage seiner Natur nach in den Ermessensbereich hinein und bestimme damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung. In § 40 Abs 1 KOV-VfG sei hingegen eine vergleichbare enge Verknüpfung des Merkmals "Unrichtigkeit" mit dem Ermessensspielraum der Verwaltung nicht gegeben.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Berufungsurteils die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil in vollem Umfang zurückzuweisen und die Klage in eben diesem Umfange abzuweisen; hilfsweise: das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg.
Die angefochtenen Verwaltungsakte durften nicht - mit einer an die Verwaltung zurückverweisenden Wirkung - aufgehoben werden. Mit der Begründung, daß diese Verwaltungsakte - wie das LSG gemeint hat - auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen, war ihre Rechtswidrigkeit nicht dargetan. Sie waren erst zu beseitigen, wenn und soweit feststand, daß die in ihnen gezogene Folgerung nicht durch diejenigen Tatsachen gerechtfertigt war, die nach der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung entscheidungserheblich sind.
Für die Entscheidung darüber, ob der Klägerin ein ihr günstiger neuer Bescheid erteilt werden konnte, war nach § 40 Abs 1 KOV-VfG die Unrichtigkeit der früheren bindend gewordenen Bescheide erheblich. Davon war nur auszugehen, wenn 1954 die Beschädigtenversorgung zu Unrecht abgelehnt worden war. Die Unrichtigkeit der ursprünglichen Bescheide ist - ungeschriebene - zwingende Voraussetzung für die mit der Klage erstrebte "Berichtigung" (Abschnittsüberschrift vor §§ 40 ff KOV-VfG; BSGE 29, 278, 282 f; 26, 146, 149; SozR 1500 § 141 Nr 2; Urteil vom 22.9.1977 - 10 RV 15/77). Solange nicht die Tatsachen dargetan sind, welche den früheren Fehler ergeben, ist der Eingriff in den Bestand der mit Bindungs- oder Rechtskraftwirkung ausgestatteten älteren Entscheidungen durch § 40 Abs 1 KOV-VfG nicht eröffnet. Inwieweit und mit welcher rechtlichen Konsequenz die Behörde darüber hinaus befugt ist, nach einem Erstbescheid nochmals in derselben Sache zu befinden ("Zweitbescheid"), ist hier nicht zu erörtern (dazu BSGE 29, 279 f). Für den Erlaß eines "Zugunstenbescheides", um den es hier geht, ist jedenfalls Tatbestandserfordernis, daß vorher in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht falsch erkannt worden ist. Daß lediglich Zweifel oder Bedenken in dieser Richtung bestehen, reicht nicht aus, um die Ablehnung einer "Berichtigung" durch die Versorgungsbehörde zu beanstanden (BSGE 29, 283; Urteil vom 22.9.1977 - 10 RV 15/77). Vielmehr hat das Gericht uneingeschränkt zu erforschen, ob seinerzeit die Leistungspflicht des Versorgungsträgers nicht hätte verneint werden dürfen (BSGE 29, 282 f; Urteil vom 21. Mai 1974 - 10 RV 441/73; SozR 3100 § 30 Nr 8). Im Zusammenhang mit einem Berichtigungsantrag nach § 40 Abs 1 KOV-VfG unterscheidet sich die rechtliche Voraussetzung für das Handlungsermessen der Verwaltung nicht von den Tatbestandskriterien anderer Rechtsnormen. Die Voraussetzung der Unrichtigkeit früherer Entscheidungen ist, wenn die Sachlage dies ergibt, wie andere Tatbestandsmerkmale auch, durch das Gericht voll nachzuprüfen (BSG Urteil vom 21.5.1974 - 10 RV 441/73 mN).
Dazu waren hier die Berufungsrichter auch befugt, obgleich vor ihnen noch niemand konkrete Bedenken gegen die Richtigkeit der Erstentscheidungen geäußert hatte. Im besonderen hatte die Klägerin ihr Berichtigungsbegehren nicht substantiiert begründet, so daß die Versorgungsbehörden hatten glauben können, sie dürften sich mangels neuen Vorbringens mit dem Hinweis auf die Bindungswirkung des ursprünglichen Verwaltungsakts begnügen (vgl BSGE 29, 283; Urteil vom 22.6.1977 - 10 RV 67/76); im allgemeinen ist von den Darlegungen dessen auszugehen, der um eine Berichtigung nachsucht (vgl VV Nr 3 Satz 1 zu § 40 KOV-VfG). Gleichwohl waren die Berufungsrichter nicht gehindert, sich aus eigener Initiative mit Rücksicht auf ihre wirklich oder vermeintlich besseren medizinischen Kenntnisse und ihre Erfahrung auf die Sache selbst einzulassen. Der Klägerin allein oblag nämlich insoweit keine spezielle, den Prozeßstoff begrenzende Behauptungs- und Substantiierungslast (zu dieser Frage: Schäfer DVBl 1976, 14, 15 f), vielmehr können auch die Gerichte von sich aus das Vorliegen von Tatsachen berücksichtigen, welche die Erteilung eines neuen Bescheides zu rechtfertigen geeignet sind.
Dieser Auffassung ist nicht entgegenzuhalten, die Richtigkeitsprüfung durch das Gericht bedeute eine unerlaubte Einengung des Verwaltungsermessens. Freilich ist der Versorgungsbehörde mit § 40 Abs 1 KOV-VfG ein Rechtsfolge- und Handlungsermessen eingeräumt (BSGE 29, 281). Unter welchen Bedingungen und mit welcher Tragweite sie davon Gebrauch machen darf, ist jedoch durch Interpretation des Gesetzes zu erschließen. Dafür, daß die Deutung, die das BSG der in Rede stehenden Vorschrift gegeben hat, in Frage zu stellen sei, hat das Berufungsgericht keine Argumente geliefert. In Übereinstimmung mit der bisherigen Judikatur wird hier davon ausgegangen, daß die Versorgungsbehörde keine Entschließungsfreiheit hat, wenn die Unrichtigkeit des bislang Ausgesprochenen klar und eindeutig feststeht; sie hat dann der wahren Rechts- oder Sachlage Rechnung zu tragen; ihr Ermessen reduziert sich bloß noch auf die Anordnung, von welchem Zeitpunkt an die neue Regelung wirksam sein soll (BSGE 26, 146, 148; 29, 285; BVBl 69, 129; 70, 128; Urteil vom 22.9.1977 - 10 RV 85/76). Die Situation, daß sich das Behördenermessen allein auf die Bestimmung des "ab wann" verkürzt und daß hinsichtlich des "ob überhaupt" jede Wahlmöglichkeit entfällt, tritt indessen erst dann ein, wenn der anfangs von der Verwaltung eingenommene Standpunkt sich nachträglich als unhaltbar erweist. Das Verwaltungsermessen kommt somit in einem Verfahren nach § 40 Abs 1 KOV-VfG erst in einem zweiten Abschnitt der anzustellenden Untersuchung ins Spiel. Primär ist in einem ersten Abschnitt die Frage nach der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des bindenden Bescheides zu beantworten. Diese - sich vom Begriff der Berichtigung her - stellende Frage kann wohl zu Antworten führen, die mitunter mehrdeutig ausfallen mögen und die deshalb verschiedene Folgerungen erlauben. Dafür, daß die Beantwortung aber letztverbindlich dem administrativen Ermessen vorbehalten sei - es müßte ein Erkenntnisermessen zum Unterschied von einem Handlungsermessen sein - fehlt jeder Anhalt. Dem Wortgebrauch des Gesetzes ist kein entsprechender Hinweis zu entnehmen. Der Begriff "unrichtig" ist strikt definiert. Der Zweck des Gesetzes gibt nichts Gegenteiliges her (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, zu §§ 40 bis 44, BT-Drucks II/68). Näherliegend ist sogar, daß ein Einbruch in die Bindungs- oder Rechtskraftwirkung an ein strenges, der richterlichen Kontrolle voll unterworfenes Kriterium geknüpft sein sollte. Mißbräuchlicher Ausnutzung von Anträgen auf Neuprüfung, die das Berufungsgericht befürchtet, wird durch dieses Gesetzesverständnis nicht besonders Vorschub geleistet. Einem möglichst vollständigen und effektiven Rechtsschutz dient aber eine Gesetzesinterpretation, die sich an eine genaue und durchsichtige Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge wie an die herkömmliche Unterscheidung von Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung hält.
Mit dieser Auffassung gerät der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 zu § 131 Abs 1 Satz 1 AbgO (BVerwGE 39, 355 = NJW 72, 1411). Die hier auszulegende Rechtsnorm hebt sich in ihrem Inhalt und in ihrem Aufbau deutlich von jener Vorschrift ab. Mit Rücksicht auf die Besonderheit jener Gesetzesbestimmung hat der Gemeinsame Senat die behördliche Entscheidung darüber, ob die Einziehung einer Steuer unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles unbillig sei, als "einheitliche Ermessensentscheidung" qualifiziert. Damit ist aber keine allgemeingültige und ausschließliche Erläuterung der sogenannten Kopplungsvorschriften beabsichtigt gewesen (BSGE 36, 143, zum Unterschied von BSGE 34, 269, 270; BVerwGE 40, 353, 356; 45, 162, 164; Kellner DÖV 1972, 801, 805; Kloepfer NJW 1972, 1411; Bachof JZ 1972, 641; Müller-Helle NJW 1973, 1063; BSG Urteil vom 27.1.1977 - 12 RAr 83/76; 30.6.77 - 12 RK 20/76). Die gleiche Ansicht, wie sie der Gemeinsame Senat für § 131 AbgO gehabt hat, läßt sich für § 40 Abs 1 VerwVG nicht vertreten. Während hier das Verwaltungsermessen mit dem exakt begrenzten Merkmal "unrichtig" kombiniert ist, hatte der Gemeinsame Senat es mit einem "Können der Behörde" zu tun, das mit einem unbestimmten, einer unmittelbaren Subsumtion nicht zugänglichen Kennzeichen ("unbillig") verbunden ist. Der Gemeinsame Senat sprach sich gegen die Annahme eines "Mischtatbestandes" von richterlich voll prüfbarem, unbestimmten Rechtsbegriff und daran angeschlossener Ermessensbefugnis der Verwaltung aus; er deutete die ihm unterbreitete Gesetzesnorm iS einer "reinen" Ermessensvorschrift, in der das "unbillig" nur ein Orientierungsdatum für die Ermessensausübung sei. Dafür war nicht zuletzt wichtig, daß der Begriff der Billigkeit seinem Wesen nach in den Bereich des Ermessens hineinragt ("billiges Ermessen"). Demgegenüber sind in § 40 Abs 1 KOV-VfG die Tatbestandsseite und die Rechtsfolgeseite nicht in ähnlicher Weise miteinander verflochten. Die Unrichtigkeit des rechtsverbindlich Entschiedenen und die Überlegung, ob und wie diesem Ergebnis abzuhelfen sei, fallen inhaltlich nicht in eins zusammen. Die Aufspaltung der beiden Normbestandteile ist vorgegeben und sinnvoll. Die Unrichtigkeit der Ausgangsbescheide ist sonach gesetzlich festgelegtes Tatbestandselement.
Das Berufungsgericht hatte die Vorstellung, daß ein Knalloder Explosionstrauma als schädigendes Ereignis iS des § 1 Abs 1 BVG in Frage kommen könne und daß nach diesem Ereignis ein Fortschreiten der Schwerhörigkeit denkbar erscheine (hierüber: Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Ausgabe 1973, herausgegeben v. BMA, Nr 138; Schröer, Die Knall- und Explosionsschäden des Ohres und ihre Bedeutung in der Bundeswehr, Med. Sachverst. 1966, 286; Koch/Loebell, Das Gutachten des Hals-, Nasen-, Ohrenarztes, 3. Aufl, 1968, 87 ff; Partsch/Hülse, Wehrdienstbeschädigung - Schalltrauma, Deutsches Ärzteblatt, 1970, 755). Ob das LSG mit dieser Erwägung wirklich, wie es meint, eine erst in neuerer Zeit gewonnene Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft verwertet hat und ob seine Vorstellung tatsächlich von der Stellungnahme des Prof. G maßgeblich abwich, ist hier nicht zu untersuchen. Die auf tatsächlichem Gebiet liegende Annahme des Berufungsgerichts hat die Revision nicht angegriffen; sie ist daher für das BSG bindend (§ 163 SGG). Von seiner einmal gewonnenen Erkenntnis her war das LSG aber veranlaßt, genauer zu erforschen, ob die bindend gewordene Regelung unrichtig ist und ob ein Abrücken von ihr angezeigt oder gestattet ist (Verwaltungsvorschrift Nr 3 Satz 1 zu § 40 KOV-VfG; BSG Urteil vom 22.6.77 - 10 RV 67/76). Um den Weg für solche Überlegungen freizumachen, hätte sich das LSG über die Sachlage, die dem Merkmal der Unrichtigkeit unterzuordnen ist, Aufschluß verschaffen müssen. Indem das LSG dies unterließ, verstieß es gegen das Gebot der Herstellung der Spruchreife (§ 131 Abs 2 SGG). Ein Bescheidungsurteil, wie es das LSG ausgesprochen hat, war davon abhängig, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Verwaltungsermessens und den Erlaß des abgelehnten Verwaltungsakts erfüllt waren. Bevor dies feststand, war die Sache nicht spruchreif. Darin, daß das LSG gleichwohl die angefochtenen Bescheide vor Aufhellung der relevanten Fallumstände aufhob und der Verwaltung die für notwendig gehaltene Beweiserhebung zur Auflage machte, ist eine unzulässige Zurückverweisung der Sache an die Verwaltung zu erblicken (BSGE 2, 94, 96 f; 5, 116, 120; 9, 277, 279 f; 9, 285, 288; 19, 112, 113; 28, 179, 181; 184; 42, 268, 271; SozR Nr 9 zu § 123 SGG; SozR Nr 119 zu § 54 SGG; BVerwGE 2, 135; 10, 202, 204; 11, 95, 99; zur Durchbrechung der Regel in einem Extremfall: BSGE 37, 114, 116 f; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl, § 113 Rdnr 62a). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine solche Überantwortung der Sacherkundung an die Verwaltung sei nur ausgeschlossen, wenn ein Rechtsanspruch zu begründen, nicht aber, wenn das Ermessen der Verwaltung zu untermauern sei. Dieser Gedanke ist ungenau und irreführend; er ist so, wie er vom Berufungsgericht ausgedrückt worden ist, auch nicht in BSGE 3, 180, 191; 9, 277, 280; BVBl 65, 43/9; BVerwGE 10, 204, enthalten. Für die Ermittlungsaufgabe des Gerichts ist nicht die Art der Rechtsfolge wichtig, vielmehr reicht diese Pflicht so weit, wie es nötig ist, um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu erkennen (BSG SozR Nr 119 zu § 54 SGG; Bay VGH nF 19 (1966), 1,3). Insbesondere hat das Gericht der Tatfrage selbst nachzugehen, soweit es um die Unterordnung von Tatsachen unter den gesetzlichen Tatbestand geht, mag dieser auch letztlich das Fundament eines Verwaltungsermessens sein. Worauf das LSG hinaus will, ist etwas anderes; die richterliche Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf Gegebenheiten und Geschehnisse, welche allein für den Ermessensentschluß der Behörde bedeutsam sind. Wenn und nachdem die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts konstatiert ist, aber auch erst dann braucht das Gericht nicht auf alle denkbaren weiteren, bisher noch nicht behördlich erörterten Gesichtspunkte einzugehen (Bachof DVBl 1961, 125, 131 unter V 2).
Das Versäumnis der gebotenen Sachaufklärung ist ein Verfahrensmangel (§ 103 SGG), auf dem das Berufungsurteil beruhen kann; denn ohne Vorwegnahme des Ergebnisses der Beweisaufnahme läßt sich der Ausgang des Rechtsstreits nicht übersehen.
Damit der von dem Berufungsgericht für erforderlich gehaltene Sachverständigenbeweis erhoben werden kann - ggf ist auch einem Antrag nach § 109 SGG stattzugeben -, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen