Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verwirkung eines Rechtsanspruches wird als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung aus dem von Treu und Glauben bestimmten Rechtsgrundsatz hergeleitet, daß man ein Recht nicht im Widerspruch zum eigenen Verhalten geltend machen darf. Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht die ganze Rechtsordnung und daher ua im Recht der Kriegsopferversorgung das Verhältnis zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Empfänger von Versorgungsleistungen. Ein Abwägen der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben liegt insbesondere den in KOV-VfG § 47 enthaltenen Regelungen zugrunde. Diese Vorschrift schließt allerdings nicht aus, daß in besonderen Ausnahmefällen ein nach ihr entstandener Rückerstattungsanspruch - wie zB hier nach KOV-VfG § 47 Abs 3 S 2 Buchst a - wegen Verwirkung nicht geltend gemacht werden darf. Dieses Verhältnis von Regel und Ausnahme gebietet zusätzlich, eine Verwirkung nur in besonderen Fällen als außerordentlichen Rechtsbehelf anzunehmen, der er auch sonst schon ist.
Die Verwirkung setzt im einzelnen voraus: Ein längerer Zeitablauf und weitere Umstände, die nach den jeweiligen Besonderheiten des einzelnen Falles und des zuständigen Rechtsgebietes zu beurteilen sind, müssen das (verspätete) Geltendmachen des Rechtes nach Treu und Glauben gegenüber dem Verpflichteten als illoyal, dh als pflicht- und gesetzeswidrig, erscheinen lassen; außerdem muß der Schuldner auf ein gleichbleibendes Verhalten des Gläubigers vertraut und daraus geschlossen haben dürfen sowie auch tatsächlich vertraut und angenommen haben, der andere werde sein Recht nicht mehr gegen ihn ausüben, und er muß sich darauf eingerichtet und entsprechende Maßnahmen getroffen haben; schließlich muß er durch das Geltendmachen des Rechtes einen zusätzlichen Nachteil erleiden.
2. Ein auf wissentlich falsche Angaben gemäß KOV-VfG § 47 Abs 3 beruhender Rückerstattungsanspruch verjährt in 30 Jahren.
3. Hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die Klage gegen den Berichtigungsbescheid (KOV-VfG § 41), in dem auch die Unrechtmäßigkeit der Leistungen festgestellt worden ist zurückgenommen, dann konnte er bis zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht darauf vertrauen, daß der Anspruch nicht mehr gegen ihn geltend gemacht wird.
Das bloße Schweigen der Versorgungsverwaltung während der 2 Jahre nach der Klagerücknahme stellt keinen besonderen Umstand dar, aufgrund dessen der Kläger damit rechnen konnte, er brauche die empfangenen Leistungen nicht zurückzuerstatten.
Normenkette
BGB § 242 Fassung: 1896-08-18; KOVVfG § 47 Abs. 3 S. 2 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, § 41 Fassung: 1960-06-27; SGG § 102 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Januar 1971 und des Sozialgerichts Münster vom 20. Mai 1969 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Versorgungsleistungen.
Auf Grund seiner Angabe, sein Ohrenleiden sei infolge von Flakabschüssen entstanden, wurden durch verschiedene Versorgungsbescheide u. a. Schädigungsfolgen im Ohrenbereich nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt; dementsprechend bezog der Kläger Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v. H. und ab 1. August 1951 um 60 v. H. Nachdem das Versorgungsamt im April 1961 militärärztliche Unterlagen über den Kläger erhalten hatte, hob es durch Bescheid vom 17. November 1961 aufgrund des § 42 Abs. 1 Nr. 9 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) die 1949 bis 1960 erlassenen Leistungsbescheide auf, anerkannte weiterhin als Schädigungsfolgen verschiedene Narben und außerdem nur im Sinne der einmaligen Verschlimmerung eine "kombinierte Schwerhörigkeit beiderseits", stellte fest, die nach einer MdE von 40 v. H. und später von 60 v. H. gewährten Versorgungsleistungen habe der Kläger zu Unrecht empfangen, und stellte einen besonderen Bescheid über die Rückforderung der Versorgungsleistungen "zu gegebener Zeit" in Aussicht. Diese Entscheidung begründete das Versorgungsamt damit, daß die behauptete Detonationsschädigung das chronische Ohrenleiden, das schon vor dem Kriegsdienst bestanden habe, nur gering einmalig verschlimmert und daß die schädigungsbedingte MdE immer unter 25 v. H. gelegen habe. Der Widerspruch des Klägers wurde mit der weiteren Begründung gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG zurückgewiesen, der Kläger habe die vordienstliche Ohrenerkrankung als Tatsache, die für die früheren Entscheidungen von wesentlicher Bedeutung gewesen sei, wissentlich verschwiegen (Bescheid vom 15. Juni 1962). Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht (SG) Münster (Az.: S 12 (4) V 209/62) verzichtete der Kläger nach einer Beweisaufnahme auf die Anhörung weiterer Zeugen, die er benannt hatte, und nahm in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 1966 die Klage zurück. Zuvor erklärte er nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage: "Ich habe im Jahre 1949 im guten Glauben den Antrag auf Versorgung gestellt und in der Folgezeit die mir daraufhin gewährte Rente weiterhin im guten Glauben in Empfang genommen und verbraucht. Ich will hiermit nochmals zum Ausdruck bringen, daß ich keineswegs vorgehabt habe, wissentlich etwas zu verschweigen. Nach meiner Auffassung waren die Voraussetzungen, wie sie im Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1962 niedergelegt sind, gemäß § 42 Abs. 1 Ziffer 3 VerwVG aus diesen Gründen nicht gegeben. Ich bitte daher, dieses bei der Entscheidung über die Rückforderung zu berücksichtigen".
Mit einem Hinweis des Landesversorgungsamtes auf diese Erklärung des Klägers und mit der Weisung, hinsichtlich der Rückforderung das Weitere zu veranlassen, gingen die Versorgungsakten am 3. Februar 1966 beim Versorgungsamt ein. Nachdem das Versorgungsamt ab 2. August 1967 Näheres über die gewährten Leistungen ermittelt hatte, stellte es durch Bescheid vom 25. Januar 1968 die gewährten Versorgungsbezüge und die Leistungen der orthopädischen Versorgung in Höhe von 8.278,85 DM als überzahlt fest und forderte sie gemäß § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG vom Kläger zurück, weil nach den Feststellungen in den Bescheiden vom 17. November 1961 und 15. Juni 1962 die Schädigungsfolgen infolge Verschweigens der Vordiensterkrankungen zu Unrecht anerkannt worden seien; das Versorgungsamt behielt sich eine Entscheidung darüber vor, ob wegen besonderer Härte auf die Rückforderung verzichtet werden könne. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 31. Mai 1968).
Zur Begründung der Klage trug der Kläger vor: In der Verhandlung vom 24. Januar 1966 sei ein Vergleich ins Auge gefaßt worden, in dem er wegen der Beweissituation, die wegen seines Verzichts auf die Vernehmung bereits geladener Zeugen noch ungeklärt gewesen sei, auf seine Rentenansprüche und der Beklagte auf die Rückforderung der Rentenbeträge verzichten sollte; der Vertreter des Beklagten habe sich für außerstande erklärt, sich zu einem solchen Verzicht zu verpflichten, habe jedoch in Aussicht gestellt, sich dafür nach einer Klagerücknahme einzusetzen. Als Material für diesen Zweck sei die Erklärung des Klägers in das Protokoll aufgenommen worden. Ihm, dem Kläger, sei ziemlich deutlich erklärt worden, daß er mit einem Rückforderungsbescheid nicht zu rechnen brauche. Er habe davon ausgehen können, daß entsprechend diesen Absprachen verblieben werden solle. Der Kläger machte eine Verwirkung und Verjährung geltend. Der Vertreter des Beklagten hob in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 20. Mai 1969 den Bescheid vom 10. Juli 1968 auf, in dem das Versorgungsamt festgestellt hatte, der überzahlte Betrag sei einziehbar und die Rückforderung bedeute keine besondere Härte, und behielt sich vor, über den Verzicht gemäß § 47 Abs. 4 VerwVG nach rechtskräftiger Entscheidung über den Rückforderungsanspruch zu befinden.
Durch Urteil vom 20. Mai 1969 hob das SG die Bescheide vom 25. Januar 1968 und 31. Mai 1968 auf und stellte fest, daß ein Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht bestehe. Diesen an sich begründeten Anspruch beurteilte es als verjährt und als verwirkt. Auf die Berufung des Beklagten hörte das Landessozialgericht (LSG) über die Erörterungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 1966 als Zeugen den Sozialgerichtsrat Josef W als damaligen Kammervorsitzenden, den Regierungsrat Heinz L als damaligen Terminvertreter des Beklagten und die Ehefrau des Klägers. Durch Urteil vom 27. Januar 1971 wies das LSG die Berufung des Beklagten zurück. Das LSG beurteilte die Rückforderung der überzahlten Versorgungsleistung als grundsätzlich nicht rechtswidrig, weil die Unrichtigkeit der sie bewilligenden Bescheide darauf beruht habe, daß der Kläger seine Ohrenerkrankungen aus der Zeit vor dem Kriegsdienst wissentlich verschwiegen habe. Der Erstattungsanspruch sei nicht verjährt. Der Beklagte habe ihn aber am 25. Januar 1968 nicht mehr geltend machen können, weil dem der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitete Einwand der Verwirkung entgegenstehe. Der Beklagte sei während einer längeren Zeitspanne untätig gewesen, und weitere Umstände ließen das späte Erstattungsbegehren als Verstoß gegen Treu und Glauben und wegen der darin liegenden Illoyalität als nicht mehr zumutbar für den Rechtspartner erscheinen, weil dieser aus einem besonderen Verhalten des Beklagten geschlossen habe, er werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen. Dazu führte das LSG im einzelnen aus: Der Zeuge L habe zwar in der Verhandlung vom 24. Januar 1966 dem Kläger nicht zugesagt oder auch nur in Aussicht gestellt, der Erstattungsanspruch werde im Fall der Klagerücknahme nicht erhoben, und habe keine besonderen Maßnahmen zugesichert, die es für den Kläger als nicht wahrscheinlich erschienen ließen, der Beklagte werde den Anspruch nicht mehr geltend machen. Aber in der Verhandlung sei die Frage, ob nach der Klagerücknahme die Erstattung verlangt werde, besprochen worden. Außerdem sei die Protokollerklärung des Klägers eindeutig und erkennbar einzig und allein für den Beklagten bestimmt und mit der Hoffnung verknüpft gewesen, einer Erstattung zu entgehen. Diese Erklärung sei demgemäß dem Beklagten zugeleitet und dem Versorgungsamt mit einem ausdrücklichen Hinweis im Februar 1966 weitergereicht worden. Der erkennbare Zweck dieser Maßnahme, der dem zuständigen Versorgungsamt nicht habe verborgen bleiben können, habe es nach Treu und Glauben zu einer unverzüglichen Entscheidung verpflichtet, insbesondere, wenn dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden sollte. Der Kläger habe zwar wegen des Vorbehalts im Bescheid vom 17. November 1961 nicht schon während des Verfahrens S 12 (4) V 209/62, wohl aber vor Ablauf von zwei Jahren seit Abgabe der Protokollerklärung vom 24. Januar 1966 darauf vertrauen können und vertraut, ein Erstattungsanspruch werde nicht geltend gemacht, und sich auch darauf einrichten dürfen, als der Beklagte jahrelang nach Zugang der Protokollerklärung ohne erkennbaren Hinderungsgrund nichts unternommen habe. Die belastende Maßnahme hätte zur Beseitigung der Unsicherheit des Klägers alsbald nach Abschluß des Streitverfahrens ergehen können und müssen. Wenn der Beklagte über sechs Jahre nach der Feststellung des unrechtmäßigen Bezuges von Versorgungsleistungen und erst zwei Jahre nach dem Begehren des Klägers sein Recht ausgeübt habe, werde dem Kläger hier durch neben der Einstellung der Rentenzahlungen ein unbilliger zusätzlicher Nachteil zugefügt, so daß ihm nach Treu und Glauben die Erstattung nicht mehr zuzumuten sei. Das dolose Verhalten des Klägers, das zur Gewährung der Versorgung geführt habe, habe den Beklagten nicht von der Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben befreit. Hingegen dürfte der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung der Rückforderung nicht entgegenstehen. Das LSG habe Bedenken, der dazu vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Rechtsprechung zu folgen. Ungeachtet dessen sei das allgemein für die unzulässige Rechtsausübung geforderte Vertrauen, ein Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht, bis zur Klagerücknahme nicht gerechtfertigt gewesen, weil der Beklagte die Entscheidung darüber offensichtlich bis zum Ausgang des Rechtsstreits zurückgestellt habe. Der Kläger habe auch gar nicht vor der Klagerücknahme angenommen, der Beklagte werde eine Rückforderung nicht mehr geltend machen. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision rügt der Beklagte Verletzungen des § 47 Abs. 3 Buchst. a VerwVG und des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das LSG. Nach seiner Ansicht ist eine Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung nicht gegeben; sie setze zusätzlich zum Zeitablauf eine illoyale Verspätung des Geltendmachens voraus. Ein Vertrauen des Klägers in die Beständigkeit des bestehenden Zustandes überwiege nicht eindeutig gegenüber dem Interesse des Beklagten an der Durchsetzung seines begründeten Anspruchs. Die Versorgungsverwaltung habe die zu Unrecht gezahlten Beträge nicht verspätet zurückgefordert, weil der Kläger die Überzahlung durch schuldhaftes Verhalten verursacht habe, weil es - für ihn erkennbar - während des ersten Streitverfahrens nicht sinnvoll gewesen sei, den Anspruch geltend zu machen, und weil die weitere Zeit nicht so lang gewesen sei, daß er mit einer Rückforderung nicht mehr hätte zu rechnen brauchen, zumal sie vorbehalten gewesen und in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 1966 ausdrücklich erörtert worden sei. Der Kläger habe keinen Verzicht angenommen und allenfalls gehofft, die Rückforderung werde vergessen; er hätte sich bei einem Zweifel nach dem Stand der Sache erkundigen können. Außerdem sei nicht ersichtlich, wodurch er sich darauf eingerichtet habe, daß der Beklagte sein Recht nicht mehr ausüben werde. Schließlich sei dem Kläger durch das verspätete Geltendmachen kein zusätzlicher Nachteil, sondern ein Vorteil entstanden. Für den Fall, daß der Senat die Ausführungen des LSG auch als Feststellung der Tatsache wertet, der Kläger habe nach zwei Jahren darauf vertraut, daß der Beklagte die Erstattung nicht mehr verlangen werde, rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe dem Kläger, ohne daß er Entsprechendes behauptet habe, unterstellt, er habe angenommen, die Versorgungsbezüge nicht mehr zurückzahlen zu müssen. Er habe auch nichts dazu vorgetragen, durch welche Maßnahmen er sich darauf eingerichtet habe. Den Vorprozeß habe er nach seinem Vorbringen nur deshalb nicht fortgesetzt, weil er wegen der angeblichen Zusicherung des Zeugen L eine Rückforderung nicht erwartet habe. Dies hätte sich bei einer Anhörung des Klägers durch das LSG ergeben. Auf solche Weise hätte das LSG auch Beweis darüber erheben müssen, wodurch er sich darauf eingerichtet habe, daß der Beklagte die Versorgungsbezüge nicht mehr zurückfordern werde, und worin ein zusätzlicher Nachteil entstanden sein solle. Das LSG habe auch nicht begründet, daß der Kläger weitere Nachteile erlitten habe, und damit § 128 SGG verletzt.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LSG vom 27. Januar 1971 und des Urteils des SG vom 20. Mai 1969 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten beantragen übereinstimmend hilfsweise,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen.
Der Kläger vertritt die Ansicht, nach seiner Erklärung vom 24. Januar 1966 hätte er binnen eines halben Jahres, allenfalls nach dreiviertel Jahren mit einer Entscheidung rechnen können. Er hätte sich später nicht nach dem Stand der Sache erkundigen müssen. Durch das verspätete Geltendmachen der Rückforderung habe er einen Nachteil erlitten, weil er eine Zeitlang nicht frei über seine Geldmittel habe verfügen können. Falls nicht schon aus den Feststellungen des LSG zu schließen sei, daß auf Grund der Erklärung des Zeugen L eine Erhebung des Erstattungsanspruches als nicht mehr wahrscheinlich erscheinen mußte, müßte noch Rechtsanwalt K an Hand seines Aktenvermerks als Zeuge über die Zusicherungen des Regierungsrats L vernommen werden.
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch sachlich begründet.
Der Kläger hat nach dem Bescheid vom 17. November 1961, den er durch Zurücknahme der Klage am 24. Januar 1966 hat rechtsverbindlich werden lassen (§§ 77, 102 SGG), seit 1949 die Versorgungsleistungen nach dem BVG zu Unrecht erhalten. Hiervon ist in dem Streit über die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids auszugehen (vgl. SozR Nr. 17 zu § 47 VerwVG). Das LSG hat zutreffend entschieden, der Kläger müsse diese Leistungen grundsätzlich nach § 47 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a VerwVG zurückerstatten.
Der Anspruch des Beklagten auf die der Höhe nach nicht umstrittene Rückerstattung der vor dem 1. April 1955 erbrachten Leistungen beruht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf einem Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts (BSG, Bundesversorgungsblatt - BVBl 1966, 65). Die rechtliche Würdigung, der Kläger habe deshalb grundsätzlich die unrechtmäßig empfangenen Leistungen zurückzuerstatten, ist nicht zu beanstanden. Das LSG hat auch mit Recht angenommen, der Rückforderungsanspruch des Beklagten sei nicht teilweise verjährt und das Geltendmachen desselben sei nicht für eine bestimmte Zeit als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Jedoch kann die vom Beklagten mit der Revision allein angegriffene Entscheidung, sein Anspruch gegen den Kläger sei insgesamt verwirkt und könne daher nicht mehr durchgesetzt werden, nicht aufrechterhalten bleiben.
Die Verwirkung eines Rechtsanspruches wird in Rechtslehre und Rechtsprechung als ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung aus dem von Treu und Glauben bestimmten Rechtsgrundsatz hergeleitet, daß man ein Recht nicht im Widerspruch zum eigenen früheren Verhalten geltend machen darf (vgl. z. B. Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Halbband, 15. Aufl. 1960, § 228 IV 2, S. 1393 f; § 239 IV 1 c, S. 1444 f; Staudinger/Weber, Komm. zu § 242 BGB, 11. Aufl. 1961, Anm. D 561, 598, 601, 602; zur unzulässigen Rechtsausübung: D 49, 323 ff, 335). Der Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 BGB als Maßstab für bürgerlich-rechtliche Leistungen ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, beherrscht die ganze Rechtsordnung, auch allgemein die Rechtsbeziehungen zwischen Über- und Untergeordneten im öffentlichen Recht (BSG 28, 258, 260) und daher unter anderem im Recht der Kriegsopferversorgung das Verhältnis zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Empfänger von Versorgungsleistungen. Auch die Verwirkung als besondere Ausprägung jenes Grundsatzes gilt im öffentlichen Recht (Enneccerus/Nipperdey, aaO, § 228 IV 3; Staudinger/Weber, aaO, Anm. D 741 f; Bundesverwaltungsgericht, Die öffentliche Verwaltung 1970, 498; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Verwaltungsrechtsprechung Bd. 19, 923, 927; BSG, BVBl 1963, 90). Ein Abwägen der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben liegt insbesondere den in § 47 VerwVG enthaltenen Regelungen zugrunde (BSG 3, 234, 237; vgl. auch zum älteren Recht: BSG 9, 199, 205). Diese Vorschrift schließt allerdings nicht aus, daß in besonderen Ausnahmefällen ein nach ihr entstandener Rückerstattungsanspruch - wie z. B. hier nach § 47 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a VerwVG - wegen Verwirkung nicht geltend gemacht werden darf (BSG, BVBl 1965, 145, 147; BVBl 1966, 100, 101 und 121). Dieses Verhältnis von Regel und Ausnahme gebietet zusätzlich, eine Verwirkung nur in besonderen Fällen als außerordentlichen Rechtsbehelf anzunehmen, der er auch sonst schon ist (Enneccerus/Nipperdey, aaO, § 228 IV 2, Seite 1395 f; Staudinger/Weber, aaO, Anm. D 621; BSG 2, 284, 288; BSG 23, 62, 65; BSG 3 RK 8/70 vom 23. November 1971). Die Verwirkung setzt im einzelnen nach herrschender und zutreffender Auffassung voraus (Enneccerus/Nipperdey, aaO, § 228 IV 2, S. 1394 f; Rauch, Zentralblatt für Sozialversicherung ... 1969, 97; Staudinger/Weber, aaO, Anm. D 608 bis 610, 613 f, 619, 621, 743; Bundesverwaltungsgericht und Hamburgisches OVG aaO; BMA, Rdschr. vom 2. Juni 1969, BVBl 1969, 71; BSG 2, 284, 288; BSG 7, 199, 200 f; BSG 23, 62, 65 f; BSG, BVBl 1963, 90; BSG, BVBl 1967, 116; BSG, BVBl 1970, 16; BSG, 3 RK 8/70 vom 23. November 1970): Ein längerer Zeitablauf und weitere Umstände, die nach den jeweiligen Besonderheiten des einzelnen Falles und des zuständigen Rechtsgebietes zu beurteilen sind, müssen das (verspätete) Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben gegenüber dem Verpflichteten als illoyal, d. h. als pflicht- und gesetzeswidrig, erscheinen lassen; außerdem muß der Schuldner auf ein gleichbleibendes Verhalten des Gläubigers vertraut und daraus geschlossen haben dürfen sowie auch tatsächlich vertraut und angenommen haben, der andere werde sein Recht nicht mehr gegen ihn ausüben, und er muß sich darauf eingerichtet und entsprechende Maßnahmen getroffen haben; schließlich muß er durch das Geltendmachen des Rechtes einen zusätzlichen Nachteil erleiden.
Diese Voraussetzungen der Verwirkung waren im vorliegenden Fall nicht sämtlich gegeben.
An die tatsächlichen Feststellungen des LSG, der Kläger habe im Laufe von zwei Jahren nach der Klagerücknahme darauf vertraut, daß er die erhaltenen Versorgungsleistungen nicht mehr zurückzuerstatten brauche, und er habe durch das verspätete Geltendmachen des Rückforderungsanspruchs einen zusätzlichen Nachteil erlitten, ist das Revisionsgericht nicht gebunden; denn der Beklagte hat sie formgerecht und begründet mit der Revision angegriffen (§ 163 SGG). Das LSG hat keine Einzeltatsachen festgestellt, auf die es, für das Revisionsgericht überprüfbar, die insgesamt angegriffenen tatsächlichen Schlußfolgerungen hätte stützen können. Schließlich hat das LSG, wie die Revision zutreffend rügt, überhaupt nichts tatsächlich dazu festgestellt, daß und wie der Kläger sich darauf eingerichtet habe, der Beklagte werde die zu Unrecht erbrachten Versorgungsleistungen nicht mehr zurückfordern. Der Senat konnte trotzdem in der Sache selbst entscheiden und brauchte sie nicht zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG). Denn jedenfalls konnte und durfte der Kläger aus Rechtsgründen nicht darauf vertrauen, er brauche die Versorgungsleistungen nicht zurückzuzahlen. Damit ist in jedem Fall eine Verwirkung ausgeschlossen.
Vor dem Ende des ersten Gerichtsverfahrens (S 12 (4) V 209/62), in dem der Bescheid vom 17. November 1961 angefochten war, konnte nicht irgendein Verhalten des Beklagten ein Vertrauen des Klägers, das von der Verwirkung vorausgesetzt wird, begründen und die Ausübung des Rückforderungsanspruches ausschließen. Das hat auch das LSG zutreffend angenommen. Bis der Kläger am 24. Januar 1966 durch die Klagerücknahme die Verwaltungsentscheidung, daß er die Versorgungsleistungen zu Unrecht empfangen hat, rechtsverbindlich werden ließ, war auch der außerdem im Bescheid vom 17. November 1961 enthaltene Vorbehalt, über die Rückforderung noch gesondert zu befinden, angefochten. Durch die Beendigung dieses Rechtsstreits wurde dieser Vorbehalt ebenfalls endgültig rechtsverbindlich. Dadurch, daß am 24. Januar 1966 die Beteiligten unter anderem über diese ausstehende Entscheidung verhandelten, wurde der Vorbehalt bekräftigt.
Nachdem mit dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1962 die Entscheidung über den Berichtigungstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG, der sich mit dem Rückforderungstatbestand des § 47 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a VerwVG deckt, rechtsverbindlich geworden war (§§ 95, 77, 102 SGG; BSG SozR Nr. 17 und 26 zu § 47 VerwVG), außerdem auch die Feststellung nach § 47 Abs. 1 VerwVG, der Kläger habe die Versorgungsleistungen zu Unrecht empfangen, mußte er damit rechnen, daß er sie grundsätzlich zurückzuerstatten habe. Angesichts der Höhe der Forderung, die allein noch festzustellen war, um den Anspruch geltend machen zu können, die sich aber vorher schon auf mehrere tausend Deutsche Mark schätzen ließ, konnte der Kläger im Regelfall keinen Verzicht auf den Anspruch erwarten, jedenfalls so lange nicht, wie das Versorgungsamt ihn nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zur Prüfung einer besonderen Härte im Sinn des § 47 Abs. 4 VerwVG befragte. Eine Entscheidung darüber steht immer noch aus.
Da der Sitzungsvertreter des Beklagten, der Zeugen L, nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG dem Kläger nicht zusicherte oder auch nur in Aussicht stellte, von der Rückforderung werde abgesehen, konnte der Kläger für die Zukunft nicht etwa auf dessen Äußerungen, die dem Beklagten zuzurechnen wären (BSG 10 RV 504/68 vom 17. April 1970), ein Vertrauen stützen, er brauche nicht mit der Rückforderung zu rechnen. Wenn er aber auf Grund dieser Erörterung erwartete oder nur erhoffte, der Beklagte werde von der Rückforderung absehen, genügte das nicht für die Verwirkung.
Die gegen diese Feststellungen des LSG vom Kläger erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch (§ 163 SGG). Zwar durfte er sie als Revisionsbeklagter bis zum Schluß des Revisionsverfahrens vorbringen (BSG in AP Nr. 12 zu § 554 Zivilprozeßordnung; BGH, LM Nr. 2 zu § 1750 BGB; BAG 17, 236, 238). Aber die Rüge ist nicht erfolgreich. Der Kläger hat insoweit nicht formgerecht und schlüssig (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG) dargelegt, daß das LSG seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt hätte; ohne Rücksicht darauf war es an den in der Verhandlung vom 27. Januar 1971 gestellten Hilfsantrag nicht gebunden (§ 123 SGG). Es ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände sich das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, von Amts wegen den Prozeßbevollmächtigten des Klägers als Zeugen zu hören. Als dieser sich in der Verhandlung als Zeuge benannte, gab er nicht an, er besitze noch eine Terminnotiz vom 24. Januar 1966, in der im Gegensatz zum Aktenvermerk des Zeugen L vom Verzicht der Versorgungsbehörde auf die Rückforderung die Rede sei.
Auch das Schweigen des Versorgungsamtes gegenüber dem Kläger während der beiden folgenden Jahre - bis zum Empfang des Bescheides vom 25. Januar 1968 - konnte ein die Verwirkung begründendes Vertrauen nicht rechtfertigen. Welche Zeit mindestens abgelaufen sein muß, um in Verbindung mit besonderen Umständen die schwerwiegende Rechtsfolge der Verwirkung auszulösen, ist weder aus gesetzlichen Vorschriften noch aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG eindeutig zu folgern. Die Frist von sechs Monaten, die für eine Klage auf Vornahme eines ohne ausreichenden Grund nicht erteilten Verwaltungsaktes (§ 88 SGG) und für die Rückwirkung eines Antrages auf eine durch Einkommensminderung bedingte höhere Versorgungsleistung vorgeschrieben ist (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BVG idF vor dem 1. NOG, § 60 a Abs. 3 und 8, § 61 Abs. 6 BVG idF des 1. NOG, § 60 Abs. 2 Satz 2 BVG idF seit dem 2. NOG), mag wohl ein Wissenmüssen bestimmter Umstände als Voraussetzung einer Rückerstattungspflicht (§ 47 Abs. 2 Buchstabe a VerwVG) unwirksam werden lassen, wenn die Versorgungsverwaltung nicht binnen dieser Frist über den Anspruch neu entscheidet, nachdem sie die dafür maßgebenden Tatsachen erfahren hat (BSG 9, 47, 53 f). Im vorliegenden Fall hat aber das Versorgungsamt, abgesehen von dem andersartigen Rückforderungstatbestand (§ 47 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe a VerwVG), nicht einmal sechs Monate lang mit dem Erlaß des Bescheides vom 25. Januar 1968 gewartet, nachdem es durch die Aufnahme seiner Ermittlungen ab August 1967, wie das LSG festgestellt hat, in Wirklichkeit durch deren Fortsetzung Genaues über die Höhe der dem Kläger gewährten Leistungen erfahren hatte. Ob das Versorgungsamt schon vor August 1967 diese Tatsachen hätte erfahren können , ist für die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2 VerwVG und daher auch für eine Verwirkung, die nach gleichem zeitlichen Maßstab zu beurteilen wäre, unerheblich. Die vierjährige Frist, in der der Anspruch auf Versorgungsleistungen verjährt (BSG 19, 88), kann im vorliegenden Fall für eine Verwirkung allein deshalb nicht bedeutsam sein, weil der Rückforderungsbescheid bereits zwei Jahre nach der Klagerücknahme (24. Januar 1966), bis zu der die schwebende Unwirksamkeit des Berichtigungsbescheides vom 17. November 1961 einer Verwirkung ohnedies entgegenstand, erlassen wurde. Aus diesem Grund kann die Verwirkung auch nicht zeitlich an der Frist von vier Jahren vor dem Jahr der Entscheidung über diesen Anspruch ausgerichtet werden, die eine Rückforderung der davor erbrachten Leistungen wegen unzulässiger Rechtsausübung nach ständiger Rechtsprechung des BSG (BSG 21, 27, 33 f; BSG KOV 1967, 123; BSG, KOV 1968, 93; BSG SozR Nr. 22 zu § 47 VerwVG, S. C a 27 R; BSG, KOV 1969, 60, 62) ausschließt. Nach Ablauf der Hälfte dieser Zeit (24. Januar 1966 bis 25. Januar 1968) könnte das Recht auf Rückerstattung nicht ohne weitere schwerwiegende Umstände als verwirkt angesehen werden. Solche Umstände als zusätzliche Voraussetzung einer Verwirkung waren hier nicht gegeben. Die entgegenstehende Entscheidung des LSG läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß allein ein verhältnismäßig nicht langes Schweigen des Versorgungsamtes gegenüber dem Rückerstattungspflichtigen eine Verwirkung herbeiführen soll. Eine solche Ansicht hat allerdings das LSG selbst nicht ausdrücklich vertreten, sondern weitere Umstände verwertet; diese vermögen aber eine Verwirkung nicht zu rechtfertigen.
Da der Kläger am 24. Januar 1966 endgültig auf die Vernehmung weiterer von ihm benannter Zeugen verzichtete und ausdrücklich erklärte, er habe wesentliche Tatsachen vor der Gewährung der Versorgungsleistungen nicht verschwiegen, könnte er die Klage in der Erwartung zurückgenommen haben, diese Beendigung des Rechtsstreits werde sich auf die noch ausstehende Entscheidung über die Rückforderung günstig auswirken. Die Vorgänge in der Verhandlung vom 24. Januar 1966, wie sie das LSG festgestellt hat, verpflichteten jedoch den Beklagten nicht zu mehr, als - in Ausübung des nun rechtsverbindlichen Vorbehalts - in angemessener Zeit über die Rückforderung zu befinden. Sie legten seine Entschließung nicht inhaltlich fest und rechtfertigten andererseits nicht die beim Kläger möglicherweise einseitig entstandene Erwartung, der Beklagte werde zu seinen Gunsten entscheiden. Wohl ist allgemein die Versorgungsverwaltung kraft ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem Versorgungsberechtigten und anderen Antragstellern gehalten, von Amts wegen, besonders auch auf einen Antrag - wie hier - tunlichst in absehbarer Zeit über die Rechtslage zu entscheiden; sie darf ihre Entschließung nicht lange über einen Zeitraum hinaus, in dem sie bei ordnungsmäßiger Arbeitsweise zu erwarten ist, verzögern (ähnlich BSG 8 RV 53/68 vom 30. August 1969, teilweise abgedruckt in BVBl 1970, 16). Doch ließ sich weder daraus noch aus der Erörterung vom 24. Januar 1966 eine Rechtspflicht zur verbindlichen Entscheidung vor Ablauf von zwei Jahren mit der Rechtsfolge ableiten, daß nach dieser Zeit der Rückforderungsanspruch des Beklagten als verwirkt zu werten wäre. Abgesehen davon, daß für die Bemessung einer solchen Zeit feste Maßstäbe fehlen, konnte das bloße zweijährige Schweigen angesichts des früheren Verhaltens des Klägers, das bei der nach Treu und Glauben gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, kein schutzbedürftiges und -würdiges Vertrauen auf seiner Seite begründen und nicht als Grund für die Vernichtung eines bestehenden Rechts gewichtiger sein. Immerhin hatte der Kläger durch unredliches Verschweigen von Vorkriegserkrankungen die Gewährung der Versorgungsleistungen veranlaßt und damit den Rückerstattungsanspruch des Beklagten ausgelöst, was zu seinen Lasten ins Gewicht fällt (BSG, BVBl 1965, 145, 147). Darüber hinaus hatte er über fünf Jahre lang die Berichtigung im Bescheid vom 17. November 1961 als Voraussetzung für eine Rückforderung hartnäckig angefochten. Seine Ungewißheit über seine Rückerstattungspflicht konnte dann nicht allein infolge zweijährigen Schweigens des Versorgungsamtes in ein Vertrauen auf eine Schuldbefreiung, das in erster Linie von einem widersprüchlichen Verhalten des Gläubigers abhängt, umschlagen. Die Rechtslage könnte anders zu beurteilen sein, falls der Kläger während dieser zwei Jahre die Sache beim Versorgungsamt in Erinnerung gebracht hätte und dann eine Entscheidung weiterhin ausgeblieben wäre. Obgleich er zu einer weitergehenden Mitwirkung nicht verpflichtet war, nachdem er am 24. Januar 1966 um eine Verschonung gebeten hatte, hätte er sich doch vor Ablauf von zwei Jahren beim Versorgungsamt erkundigen können, falls er früher Klarheit über die Rechtslage hätte gewinnen wollen.
Das Versorgungsamt mußte schließlich die Rückforderung nicht schon so weit vorbereiten, daß es alsbald nach der Klagerücknahme hätte entscheiden können; denn der Kläger hatte bis zum 24. Januar 1966 nachdrücklich geltend gemacht, er brauche überhaupt nichts zurückzuerstatten.
Der Anspruch des Beklagten ist - wie das LSG zutreffend entschieden hat - auch nicht teilweise verjährt; denn er betrifft die Rückerstattung zu Unrecht empfangener öffentlich-rechtlicher Leistungen und nicht einen Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (BSG 28, 258, 261) und verjährt daher entsprechend § 195 BGB in 30 Jahren (BSG, KOV 1969, 60; BSG 8 RV 71/68 vom 7. August 1969). Mit dieser Rechtsprechung, die auch der erkennende Senat für zutreffend hält, hat der 8. Senat des BSG die seiner Entscheidung vom 18. August 1966 - 8 RV 917/64 - (KOV 1967, 46 und BVBl 1967, 104) zugrunde liegende Auffassung aufgegeben, ein auf wissentlich falschen Angaben gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG beruhender Rückerstattungsanspruch verjähre wie ein solcher, der auf eine unerlaubte Handlung gestützt wird, entsprechend § 852 BGB in drei Jahren.
Der Beklagte hat 1968 den umstrittenen Anspruch wegen der besonderen Umstände dieses Falles auch nicht aus einem anderen Grund für die Zeit für vier und mehr Jahre davor in unzulässiger Rechtsausübung geltend gemacht und dadurch verloren. Die dazu bisher vom BSG entwickelte, oben zitierte Rechtsprechung hat andersartige Fälle als den vorliegenden betroffen: Entweder handelte es sich um Rückforderungen nach Neufeststellungen (§§ 60 a, 62 BVG) oder um solche nach einer Berichtigung wegen arglistigen Verhaltens des Leistungsempfängers (§ 47 Abs. 3 VerwVG), wenn dieser außerdem wegen des Verhaltens der Versorgungsverwaltung darauf vertrauen konnte, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht, und wenn die Entscheidung nach unangemessen langer Zeit erging. Hier rechtfertigte aber bis zur Klagerücknahme am 24. Januar 1966 eine völlig andere Sachlage keineswegs, für die davorliegende Zeit jenen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz anzuwenden. Danach ließ der Beklagte nur zwei Jahre bis zur Ausübung seines Rechts verstreichen. Diese kürzere Zeit genügte nicht der von der Rechtsprechung aufgestellten zeitlichen Anforderung (vgl. auch BSG 9 RV 106/70 vom 18. November 1971 zu einem Fall der vorläufigen Feststellung von Versorgungsbezügen).
Nach alledem mußte der Revision des Beklagten stattgegeben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen