Leitsatz (amtlich)
Wird dem Rentenempfänger gemäß ArVNG Art 2 § 38 Abs 3 S 2 aF, RVO § 1290 Abs 1 S 1, Abs 3 S 2 das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres rückwirkend vom 1. des Monats an bewilligt, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, so wird der für diesen Monat und für die Zeit vor der Vollendung des 65. Lebensjahres auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung wirksam entrichtete Pflichtbeitrag durch die rückwirkende Bewilligung des Altersruhegeldes vom 1. dieses Monats an nicht nachträglich unwirksam.
Normenkette
RVO § 1229 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1290 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 S. 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 38 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1957-02-23, S. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 28. Februar 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der auf Grund versicherungspflichtiger Beschäftigung für den Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtete Pflichtbeitrag durch die rückwirkende Bewilligung des Altersruhegeldes vom 1. dieses Monats an nachträglich unwirksam wird.
Der Kläger begehrt aus Anlaß der Vollendung seines 65. Lebensjahres die für ihn günstigere Neuberechnung seiner Rente gemäß Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) aF (idF des ArVNG bis zum Inkrafttreten des RVÄndG vom 9. Juni 1965 - BGBl I, 476 -). Er ist am 18. Januar 1893 geboren und bezog seit 1954 Invalidenrente. Seine Rente wurde gemäß Art. 2 § 32 ArVNG mit Wirkung vom 1. Januar 1957 an umgestellt. Für die Monate Januar und Februar 1957 entrichtete er freiwillige Beiträge; für die Zeit seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung von März 1957 bis zum 18. Januar 1958 wurden für ihn für 11 weitere Monate Pflichtbeiträge entrichtet. Im Januar 1958 beantragte er, seine Rente in eine Altersrente umzustellen und in Anwendung des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 der Reichsversicherungsordnung (RVO) neu zu berechnen. Die Beklagte erhöhte durch Bescheid vom 18. März 1958 nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG die umgestellte Rente vom 1. Januar 1958 an auf fünfzehn Dreizehntel des bisherigen monatlichen Zahlbetrages. Gegen den Bescheid hat der Kläger Klage erhoben und die Neuberechnung seiner Rente begehrt. Durch einen weiteren Bescheid vom 22. April 1960 hat die Beklagte die Neuberechnung der Rente nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, nach der Vorschrift des Art. 2 § 38 ArVNG sei bei Vollendung des 65. Lebensjahres die Rente auf fünfzehn Dreizehntel des bisherigen Zahlbetrages zu erhöhen und die erhöhte Rente gelte als Altersruhegeld; sie mache Rentner, die über das 65. Lebensjahr hinaus noch weiter als Arbeitnehmer tätig seien, vom 1. des Monats an, in dem das 65. Lebensjahr vollendet werde, versicherungsfrei. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers sei vom 1. Januar 1958 an gemäß Art. 2 § 38 ArVNG auf fünfzehn Dreizehntel erhöht und als Altersruhegeld umgestellt worden. Da der Kläger ab 1. Januar 1958 versicherungsfrei geworden sei, hätten rechtsgültige Beiträge für ihn nur in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1957 verwendet werden können. Mithin seien nur 12 rechtsgültig verwendete Monatsbeiträge vorhanden, so daß die Voraussetzung, daß für mehr als 12 Monate Beiträge geleistet sind, nicht erfüllt sei. - Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß durch den Bescheid vom 22. April 1960 lediglich die im Bescheid vom 18. März 1958 fehlende Begründung für die Nichtanwendung des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF nachgeholt worden ist.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid der Beklagten vom 18. März 1958 aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger unter zusätzlicher Anwendung des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF ab 1. Januar 1958 ein nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neu berechnetes Altersruhegeld zu zahlen (Urteil vom 18. Oktober 1960). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 28. Februar 1962); es hat den für Januar 1958 entrichteten Pflichtbeitrag für wirksam angesehen, weil er auf Grund der Versicherungspflicht und noch vor Vollendung des 65. Lebensjahres rechtmäßig geleistet sei; § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO hat es dahin ausgelegt, daß Versicherungsfreiheit erst eintrete, wenn für Zeiten nach Vollendung des 65. Lebensjahres Altersruhegeld bezogen werde.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt unrichtige Anwendung des § 1229 RVO und des Art. 2 § 28 Abs. 3 ArVNG. Sie meint, die Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO, nach der die Versicherungsfreiheit vom Beginn des Altersruhegeldes eintrete, mache die Anrechnung des im Geburtsmonat (Januar 1958) entrichteten Beitrags unmöglich. Dieser Beitrag sei durch die rückwirkende Gewährung des Altersruhegeldes vom 1. des Geburtsmonats an nachträglich unwirksam geworden. Er könne nicht anders behandelt werden wie die Beiträge, die in den folgenden Monaten entrichtet würden. Vor Bewilligung des Altersruhegeldes bestehe zwar trotz der Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn der Versicherte über diese Altersgrenze hinaus arbeite, Versicherungspflicht, so daß für ihn, auch wenn er das Altersruhegeld schon beantragt habe, Beiträge entrichtet werden müßten, die zunächst auch wirksame Pflichtbeiträge seien. Mit der Bewilligung des Altersruhegeldes würden jedoch alle Beiträge, die nach dem Beginn des Altersruhegeldes entrichtet worden seien, unwirksam und seien auf Antrag zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Entscheidung des LSG, daß die Rente des Klägers gemäß Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neu zu berechnen und daß ihm diese neu berechnete Rente vom 1. Januar 1958 an als Altersruhegeld zu gewähren ist, ist der Senat im Ergebnis beigetreten.
Nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF ist die Rente nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neu zu berechnen, wenn ein Rentenempfänger, der nach dem 31. Dezember 1891 geboren und dessen Rente nach § 32 dieses Artikels umgestellt ist, nach dem Inkrafttreten des ArVNG das 65. Lebensjahr vollendet und für ihn in der Zeit vom Inkrafttreten des ArVNG an Beiträge für mehr als 12 Monate geleistet sind. Streitig unter den Beteiligten ist nur, ob die Voraussetzungen für die Neuberechnung der Rente des Klägers auch insoweit erfüllt sind, als für ihn in der Zeit vom Inkrafttreten des ArVNG (1. Januar 1957) an Beiträge für mehr als 12 Monate geleistet sind. Mit Recht hat das LSG diese Voraussetzung als erfüllt angesehen.
Für den Kläger sind in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 18. Januar 1958, dem Tag der Vollendung seines 65. Lebensjahres, für die Monate Januar und Februar 1957 freiwillige Beiträge und für die Monate März 1957 bis Januar 1958 Pflichtbeiträge, also Beiträge für mehr als 12 Monate, nämlich insgesamt für 13 Monate entrichtet worden. Die Voraussetzungen für die Neuberechnung der Rente im Monat Januar 1958 sind also erfüllt, wenn auch der für den Monat Januar 1958 entrichtete Beitrag, der für den Kläger für die Zeit seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 1. bis 18. Januar 1958, also bevor er das 65. Lebensjahr vollendete, geleistet worden ist, wirksam ist. Das hat aber das LSG mit Recht bejaht. Der Auffassung der Beklagten, durch die rückwirkende Bewilligung des Altersruhegeldes vom 1. Januar 1958 an werde der für Januar 1958 zunächst wirksam entrichtete Pflichtbeitrag nachträglich unwirksam, weil der Kläger gemäß § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO vom Beginn des Altersruhegeldes an rückwirkend versicherungsfrei sei, ist der Senat - wie schon das LSG - nicht gefolgt.
§ 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO bestimmt, daß u. a. solche Personen versicherungsfrei sind, die ein Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter beziehen, und zwar vom Rentenbeginn an. Der Beklagten ist darin beizupflichten, daß in der Regel durch die rückwirkende Bewilligung des Altersruhegeldes rückwirkend vom Beginn dieser Rente an Versicherungsfreiheit eintritt und die für Zeiten nach dem Beginn des Altersruhegeldes an sich wirksam entrichteten Pflichtbeiträge nachträglich unwirksam werden. Dies hat das Reichsversicherungsamt (RVA) in seinem Urteil vom 23. Dezember 1924 (AN 25, 48) bereits zu dem früheren Recht entschieden, und es wird auch mit Recht für das geltende Recht angenommen (Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., § 1229 Anm. II, 1; Verbandskommentar, 6. Aufl. § 1229 Anm. 2; Koch/Hartmann AVG 2./3. Aufl. Bd. III § 6 Anm. A 2 u. a.). Hier ist indessen die besondere Frage zu entscheiden, ob durch die rückwirkende Bewilligung des Altersruhegeldes auch der Pflichtbeitrag nachträglich unwirksam wird, der für den Monat und für Zeiten vor der Vollendung des 65. Lebensjahres wirksam entrichtet ist, wenn mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 1290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVO das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres vom 1. dieses Monats an zu gewähren ist. Zu dieser Rechtsfrage hat das RVA in der vorerwähnten Entscheidung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Stellung genommen; denn ihr lag ein Fall zugrunde, in dem die Landesversicherungsanstalt durch bindenden (rechtskräftigen) Bescheid die Invalidenrente vom 1. Januar 1923 an bewilligt hatte; erst daraufhin hatte der Versicherte die Rückzahlung der für ihn für die Zeit vom 1. Januar 1923 an entrichteten 29 Pflichtbeiträge begehrt.
Die Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO setzt aber voraus, daß ein Altersruhegeld bezogen wird und ein Beginn des Bezuges dieses Altersruhegeldes festgestellt, also das Altersruhegeld bewilligt ist. Bezieher eines Altersruhegeldes im Sinne des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO ist nur derjenige, dem durch bindenden Bescheid des Versicherungsträgers oder durch rechtskräftiges Urteil das Altersruhegeld bewilligt ist (Jantz/Zweng aaO, 2. Aufl., § 1229 Anm. II, 1); d. h. es muß eine für die Beteiligten in der Sache bindende oder rechtskräftige Bewilligung des Altersruhegeldes von einem bestimmten Zeitpunkt an gegeben sein. Eine solche Entscheidung liegt hier bisher jedoch nicht vor. Vor allem ist der Bescheid vom 18. März 1958 keine solche die Beteiligten bindende Entscheidung, weil dieser Bescheid mit der gegenwärtigen Klage angefochten ist, so daß auch nicht gesagt werden kann, der Kläger sei vom 1. Januar 1958 an versicherungsfrei, weil ihm durch den angefochtenen Bescheid die auf fünfzehn Dreizehntel des bisherigen Zahlbetrages erhöhte Rente als Altersruhegeld gewährt wird, wovon die Beklagte offenbar in dem angefochtenen Bescheid ausgegangen ist. Wenn der Rentenempfänger in der Regel auch nur durch eine für die Beteiligten bindende oder rechtskräftige Bewilligung des Altersruhegeldes zum Bezieher von Altersruhegeld im Sinne von § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO und vom Beginn des bewilligten Altersruhegeldes an versicherungsfrei wird, so muß doch mit der Beklagten angenommen werden, daß schon bei der Bewilligung des Altersruhegeldes keine Beiträge als wirksam entrichtet angerechnet werden können, die durch die bindend oder rechtskräftig werdende Bewilligung des Altersruhegeldes ungültig werden; denn wenn mangels bindender oder rechtskräftiger Bewilligung des Altersruhegeldes auch noch nicht davon gesprochen werden kann, daß die für Zeiten nach Beginn des Altersruhegeldes entrichteten Pflichtbeiträge unwirksam sind, so müssen sie doch im Feststellungsverfahren als unwirksame Beiträge behandelt werden, weil ihre Anrechnung andernfalls eine nicht zu rechtfertigende und vom Gesetz auch nicht gewollte Begünstigung des Antragstellers bedeuten würde, für den die Entscheidung über den Beginn des Altersruhegeldes sich längere Zeit hinzieht. Dies ändert aber nichts daran, daß der Eintritt der Versicherungsfreiheit eine bindende oder rechtskräftige Entscheidung über die Bewilligung und den Beginn des Altersruhegeldes voraussetzt. Demnach kann mit dem Beginn des Altersruhegeldes nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO Versicherungsfreiheit nur eintreten, wenn der das Altersruhegeld vom 1. des Geburtsmonats an bewilligende Bescheid im Sinne des § 77 SGG bindend oder ein dahingehendes Urteil rechtskräftig ist. Das bedeutet: diese bindende oder rechtskräftige Bewilligung des Altersruhegeldes ist Voraussetzung und Ursache für die Rechtsfolge des Beginns des Altersruhegeldes und die an ihn geknüpfte Wirkung des Eintritts der Versicherungsfreiheit. Diese Ursache - die bindende oder rechtskräftige Bewilligung des Altersruhegeldes - kann aber nicht durch die Wirkungen, die sie erzeugt, wieder beseitigt werden, weil es andernfalls wieder an der Ursache für die rechtliche Wirkung fehlen würde. Ohne bindende Bewilligung des Altersruhegeldes tritt keine Versicherungsfreiheit ein. Diese setzt also voraus, daß es überhaupt zu einer Bewilligung des Altersruhegeldes kommt. Die Bewilligung der Rente durch bindenden Bescheid oder rechtskräftiges Urteil kann aber auch schon deshalb nicht wieder beseitigt werden, weil dies die Bindungs- oder Rechtskraftwirkung der getroffenen Feststellung verbietet. Hieraus folgt, daß in dem das Altersruhegeld feststellenden Verfahren nicht schon solche Beiträge als ungültig behandelt werden können, die wirksam entrichtet sind und deshalb, weil sie wirksam entrichtet sind, dazu führen, daß die Voraussetzungen der Rente in dem Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt sind, so daß gemäß § 1290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVO das Altersruhegeld vom Beginn dieses Monats an zu gewähren ist. Sind die nach dem gesetzlichen Tatbestand sowohl für die Gewährung der Rente als auch für ihren Beginn aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen einmal erfüllt, so können diese Rechtsgrundlagen für die Feststellung der Rente durch Bewilligung der Rente nicht wieder nachträglich beseitigt werden (vgl. Jantz/Zweng aaO § 1229, Anm. II 1 am Ende).
Zudem hat das Gesetz durch die Regelung des § 1290 RVO für die Rentenempfänger gegenüber dem früheren Recht des § 1286 RVO eine Verbesserung eingeführt, indem es den Rentenbeginn vom Ablauf auf den Beginn des Monats verlegt hat, in dem die Voraussetzungen der Rente erfüllt sind. Diese Vergünstigung gilt uneingeschränkt auch für das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, wie sich aus § 1290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 RVO ergibt. Demnach ist das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bereits vom 1. des Monats an zu gewähren, in dem das 65. Lebensjahr vollendet ist, falls auch seine sonstigen Voraussetzungen in diesem Monat erfüllt sind. Dem Willen des Gesetzgebers würde es nicht entsprechen, statt der für die Rentenempfänger durch die neue Regelung über den Beginn der Renten beabsichtigten Wohltat die Versicherten, die Anspruch auf Altersruhegeld haben, dadurch zu benachteiligen, daß durch die Bewilligung des Altersruhegeldes vom Beginn des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres der für diesen Monat wirksam entrichtete Beitrag nachträglich unwirksam wird und dadurch für sie die Gewährung des Altersruhegeldes vom Beginn des Monats an ausgeschlossen wird, in dem seine Voraussetzungen erfüllt sind.
Mit dem für Januar 1958 wirksam entrichteten Pflichtbeitrag hat der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt, daß für ihn in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres Beiträge für mehr als 12 Monate geleistet sind, und daß ihm gemäß § 1290 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVO die neu berechnete Rente vom 1. Januar 1958 an zu gewähren ist. Wird diese nach dem Gesetz allein zulässige Entscheidung gefällt, so tritt mit ihrer Rechtskraft die Rechtsfolge ein, daß der Kläger vom 1. Januar 1958 an ein Altersruhegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter im Sinne des § 1229 Abs. 1 Satz 1 RVO bezieht. Vom Beginn des Bezuges dieses Altersruhegeldes an wird er grundsätzlich rückwirkend versicherungsfrei. Von dieser rückwirkenden Versicherungsfreiheit wird aber weder das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis in der Zeit vom 1. Januar bis 18. Januar 1958 erfaßt noch die Wirksamkeit des für diese Zeit entrichteten Pflichtbeitrags betroffen, weil die auf der wirksamen Entrichtung dieses Pflichtbeitrags beruhende Bewilligung des Altersruhegeldes vom 1. Januar 1958 an rechtskräftig und damit nicht mehr abänderbar ist. Ein solcher für den Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres entrichteter Pflichtbeitrag ist und bleibt demnach wirksam und ist auf das Altersruhegeld anzurechnen (Jantz/Zweng aaO, 2. Aufl., § 1229 Anm. II 1; vgl. auch Hanow/Lehmann/Bogs aaO § 1233 Anm. 11, 2. Abs.).
Daß die Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO sich nicht auf die Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Tag der Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht, ergibt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Ursprünglich lautete sie in der Fassung des Regierungsentwurfs (BT-Dr. 2437, 2. Wahlp. S. 8): "Versicherungsfrei sind ... 2. Personen, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten oder der Knappschaftlichen Rentenversicherung beziehen, von der Vollendung des 65. Lebensjahres oder, sofern der Rentenbeginn später liegt, von diesem an, ...". In der 108. Sitzung des Ausschusses für Sozialpolitik (2. Wahlp., Kurzprotokoll, S. 11) legten die Regierungsparteien eine Neufassung der Vorschrift des Inhalts vor: "Versicherungsfrei sind ... 2. Personen, die eine Altersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten oder der knappschaftlichen Rentenversicherung beziehen, vom Rentenbeginn an , jedoch nur hinsichtlich des Beitragsanteils des Beschäftigten". Dieser Änderungsantrag wurde vom Ausschuß in seiner 109. Sitzung (2. Wahlp., Kurzprotokoll, S. 4) angenommen. Nur der Ausdruck "Altersrente" wurde durch "Altersruhegeld" ersetzt. In dieser Fassung ist die Vorschrift - bis auf den letzten Nebensatz - durch die Beschlußfassung des Bundestages geltendes Recht geworden.
Für die Änderung des Regierungsentwurfs und für die letzte Fassung des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind Begründungen nicht gegeben worden. Die Worte: "nach Vollendung des 65. Lebensjahres" im Regierungsentwurf sind aber auf Anregung des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger als überflüssig gestrichen worden (vgl. Jantz/Zweng aaO, 2. Aufl. § 1229 RVO Anm. II 1 S. 121). Wenn sich auch mit letzter Klarheit nicht feststellen läßt, ob die Gesetz gewordene Fassung mit Rücksicht auf die Fälle des § 1248 Abs. 2 und 3 RVO gewählt worden ist, wie die Beklagte meint, oder im Hinblick auf die Vorschrift des § 1290 Abs. 1 RVO (so Faller, Sozialversicherung 1959, 301, 302), so läßt doch die Entstehungsgeschichte erkennen, daß bei der Gesetzgebung davon ausgegangen ist, daß Versicherungsfreiheit erst nach Erreichen der Altersgrenze für die Gewährung des Altersruhegeldes eintreten kann. Wenn in Abs. 1 Nr. 1 die Worte "nach Vollendung des 65. Lebensjahres" als überflüssig weggelassen sind und an deren Stelle der Beginn der Rente gesetzt ist, so kommt damit zum Ausdruck, daß für den Eintritt der Versicherungsfreiheit die Vollendung des 65. Lebensjahres und selbst die Erfüllung aller Voraussetzungen für das Altersruhegeld nicht genügen soll, sondern daß vielmehr außer der Vollendung des 65. Lebensjahres der Bezug der Rente hinzutreten muß; nur wenn beides erfüllt ist, soll der Beginn der Rente für den Eintritt der Versicherungsfreiheit entscheidend sein (vgl. hierzu Hanow/Lehmann/Bogs, RVO 5. Aufl. § 1229 Anm. 5).
Das Urteil des 4. Senats vom 24. Januar 1963 in BSG 18, 212 ff steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, wie die Beklagte annimmt; denn es betrifft nur freiwillige Beiträge, die für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres und vor Beginn des Altersruhegeldes nachentrichtet worden sind. Auch das Urteil des erkennenden Senats vom 20. Dezember 1963 in SozR RVO § 1290 Nr. 7 steht nicht in Widerspruch zu der hier getroffenen Entscheidung. Dies hätte nur dann der Fall sein können, wenn in Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF die Neuberechnung der Rente davon abhängig gemacht worden wäre, daß der Rentenempfänger in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres eine Versicherungszeit von 13 Monaten zurückgelegt hätte; dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr stellt die Vorschrift darauf ab, daß für den Rentenempfänger in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Beiträge für mehr als 12 Monate entrichtet worden sind. Das Gesetz fordert also die tatsächliche Beitragsentrichtung in einem bestimmten Zeitraum, wie dies auch z. B. in § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes sowie in Art. 2 § 4 Abs. 1 und Art. 2 § 42 ArVNG vorgeschrieben ist. Es kommt demnach, wie sich aus dem Wort "geleistet" ergibt, auf die tatsächliche Zahlung der Beiträge an, und es ist nicht entscheidend, für welchen Zeitraum die Beiträge wirksam anzurechnen sind (BSG 10, 139, 146). Genügt demnach für das Recht der Neuberechnung der Rente die Entrichtung von Beiträgen für mehr als 12 Monate, so ist diese Voraussetzung hier erfüllt, weil der für Januar 1958 entrichtete Pflichtbeitrag gemäß § 1251 Abs. 3 RVO als Monatsbeitrag gilt. Es ist deshalb auch nicht entscheidend, ob durch den Beitrag der ganze Monat Januar 1958, also auch die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres, wirksam mit Beiträgen belegt ist. Daß der für Januar 1958 wirksam entrichtete Pflichtbeitrag auch für die Berechnung des Altersruhegeldes voll anzurechnen ist, schreibt § 1251 Abs. 3 RVO ebenfalls vor; denn es ist ausdrücklich gesagt, daß Kalendermonate, die nur teilweise als Versicherungszeit anrechnungsfähig wären, voll angerechnet werden, wenn Pflichtbeiträge durch Abführung an eine Einzugsstelle entrichtet sind. Letzteres trifft aber zu.
Die Beklagte beruft sich endlich auf den Bescheid des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger vom 3. Juni 1965 (vgl. Meuer, Beitragsrecht, B 4 A 5 a 1), in dem ausgeführt ist: "Wenn das Altersruhegeld nach § 1290 Abs. 1 RVO, § 67 Abs. 1 AVG mit dem ersten Tag des Monats beginnt, in dem der Rentenempfänger das 65. Lebensjahr vollendet, so ist es nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.12.1963 - 12/3 RJ 96/59 - nicht zulässig, den Beitrag für den Monat, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, auf das Altersruhegeld anzurechnen. Mit der Gewährung des Altersruhegeldes vom Beginn des Monats an, in dem der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet, steht fest, daß die über diesen Zeitpunkt hinaus entrichteten Pflichtbeiträge unwirksam sind, weil der Empfänger vom Beginn des Altersruhegeldes an nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO, § 6 Abs. 1 Nr. 1 AVG versicherungsfrei ist ...". Diese Auffassung beruht aber offenbar auf einem Mißverständnis; denn in seinem bereits oben erwähnten Urteil vom 20. Dezember 1963 hat der erkennende Senat nicht dazu Stellung genommen, wie der für den Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtete Pflichtbeitrag rechtlich zu behandeln ist; vielmehr hat er darüber entschieden, von welchem Zeitpunkt an das Altersruhegeld beginnt, wenn der Versicherte durch freiwillige Fortsetzung der Versicherung - also die Entrichtung freiwilliger Beiträge - die Wartezeit erst nach der Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt. In dem gegenwärtigen Fall hat der Kläger die Wartezeit für die Gewährung des Altersruhegeldes bereits ohne den für den Monat Januar 1958 entrichteten Pflichtbeitrag erfüllt. Außerdem kommt es nicht darauf an, daß der Monat Januar 1958 als Versicherungszeit zurückgelegt ist.
Die Revision der Beklagten muß aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen