Verfahrensgang
SG Hannover (Urteil vom 27.11.1989) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. November 1989 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Juni 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1988 verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 RVO aus Anlaß der Entbindung vom 4. März 1988 zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die am 4. März 1988 ein Kind geboren hat, begehrt von der beklagten Ersatzkasse sog laufendes Mutterschaftsgeld.
Die seit 1975 bei der Beklagten versicherte Klägerin war in der Zeit vom 28. April 1986 bis 30. September 1987 aufgrund eines Dienstvertrages mit der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe eV (AGEH) bei einem Entwicklungshilfe-Projekt in Ghana in ihrem Beruf als Krankenschwester tätig und über einen Gruppenversicherungsvertrag der AGEH privat krankenversichert. Ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten ruhte während dieser Zeit. Ab 1. Oktober 1987 nahm die Klägerin wieder eine Arbeit als Krankenschwester im Nordstadtkrankenhaus H. auf.
Da die Entbindung nach ärztlichem Zeugnis am 12. März 1988 erfolgen sollte, stellte die Klägerin am 29. Januar 1988 ihre Arbeit ein und beantragte Mutterschaftsgeld. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Gewährung von Mutterschaftsgeld voraussetze, daß in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat vor der Entbindung für mindestens 12 Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, und diese Voraussetzung nur im Inland erfüllt werden könne. Der Entwicklungsdienstvertrag nach § 4 des Entwicklungshelfergesetzes (EhfG) sei kein Arbeitsvertrag, sondern ein Dienstverhältnis besonderer Art (Bescheid vom 23. Juni 1988; Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1988).
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) ist der Auffassung der Beklagten beigetreten, daß die Voraussetzungen des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO für die Gewährung von Mutterschaftsgeld nicht erfüllt seien, weil die Tätigkeit in Ghana, auf die es dafür ankomme, nicht die Voraussetzung eines „Arbeitsverhältnisses” iS von § 200 Abs 1 RVO erfülle. Um einen Mutterschaftsgeldanspruch nach § 200 Abs 1 Satz 1 RVO auszulösen, müsse es sich um ein inländisches Arbeitsverhältnis handeln. Das gelte auch für § 200 Abs 1 Satz 2 RVO (Hinweis auf BSGE 34, 76), so daß die zeitlichen Voraussetzungen für das Mutterschaftsgeld nicht erfüllt seien. Dieses Ergebnis werde zudem durch die Regelungen des EhfG bestätigt, wonach die Tätigkeit als Entwicklungshelfer nicht auf einem Arbeitsverhältnis, sondern auf einem Entwicklungsdienstvertrag beruhe, der nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses erfülle. Außerdem sehe § 8 Abs 2 EhfG für den Fall der Schwangerschaft eigenständige Unterhaltsleistungen für die Dauer der Schutzfristen vor, woraus – auch im Hinblick auf § 4 Abs 1 Nr 4 und § 13 EhfG – ersichtlich sei, daß die Entwicklungshelferinnen – außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung – einen eigenen Status hätten, weil sie ihren Dienst nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses leisteten.
Mit der vom SG zugelassenen Revision, der die Beklagte zugestimmt hat, rügt die Klägerin eine Verletzung des § 200 Abs 1 RVO und meint, ihr Vertragsverhältnis mit der AGEH sei als Arbeitsverhältnis sowohl iS des § 200 Abs 1 RVO als auch des § 1 Nr 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) anzusehen. Dies folge letztlich auch aus § 4 Abs 1 Nr 4 des EhfG. Das Arbeitsverhältnis habe auch im Inland bestanden, denn der mit der AGEH abgeschlossene Entwicklungsdienstvertrag unterfalle deutschem Recht. Dem stehe nicht entgegen, daß sie einen Teil ihrer Tätigkeit im Ausland verrichtet habe. Dabei habe es sich um eine Entsendung iS von § 4 Abs 1 des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) gehandelt, die von vornherein vertraglich zeitlich begrenzt gewesen sei. Auch § 8 Abs 2 des EhfG stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Diese Vorschrift stelle keine abschließende Regelung dar, weil sie nur dann gelte, wenn der Entwicklungsdienstvertrag während der Schutzfristen noch bestehe oder aber während dieser ende. In ihrem Falle habe die Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG jedoch erst Mitte Januar 1988, also dreieinhalb Monate nach Beendigung ihres Vertrages mit der AGEH, begonnen. Derartige Fälle müßten nach dem Sinn und Zweck des EhfG nach § 200 Abs 1 RVO behandelt werden, weil anderenfalls der vorgesehene Mutterschutz der Entwicklungshelferinnen ins Leere laufe. Folge man dieser Auffassung nicht, liege eine ungewollte Gesetzeslücke vor, die im Wege ergänzender Rechtsfortbildung auszufüllen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. November 1989 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Juni 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1988 zu verurteilen, der Klägerin Mutterschaftsgeld aus Anlaß der Entbindung vom 4. März 1988 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist begründet. Ihr steht sog laufendes Mutterschaftsgeld, über das der Senat allein zu entscheiden hat, zu.
Rechtsgrundlage ist § 17 Abs 5 der Versicherungsbedingungen der Beklagten, dem § 200 Abs 1 RVO in der seinerzeit geltenden Fassung des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I, 1259) entspricht. Danach erhalten ua Versicherte, die bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen, Mutterschaftsgeld (Satz 1). Voraussetzung ist ferner, daß in der Zeit zwischen dem 10. und dem 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung für mindestens 12 Wochen Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Klägerin war bei Beginn der Schutzfrist, dh bei Eintritt des Versicherungsfalles für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld (vgl dazu BSGE 39, 162, 163 mN = SozR 2200 § 200a Nr 2; BSGE 40, 211, 212 = SozR 2200 § 200 Nr 2), krankenversichert und stand in einem Arbeitsverhältnis. Die Mutterschutzfrist begann unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Tages der Entbindung – dem 12. März 1988 – am 30. Januar 1988. Zu dieser Zeit war die Klägerin als Krankenschwester in einem Krankenhaus in Hannover tätig und aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Beklagten pflichtversichert.
Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten scheitert der geltend gemachte Anspruch auch nicht an § 200 Abs 1 Satz 2 RVO. Allerdings kann der Senat nicht davon ausgehen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit einem deutschen Krankenhausträger während ihres Auslandsaufenthaltes infolge Beurlaubung geruht hat. Das diesbezüglich nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nachgeschobene Vorbringen der Revision darf schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil das SG für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, ein Arbeitsverhältnis mit einem deutschen Arbeitgeber habe während des Einsatzes im Entwicklungsdienst nicht mehr bestanden. Dies bedeutet, daß in der nach dem mutmaßlichen Entbindungstermin maßgebenden Rahmenfrist vom 12. Mai bis 11. Dezember 1987 (gleiches gilt für die nach der tatsächlichen Entbindung am 4. März 1988 berechnete Rahmenfrist) nicht für mindestens 12 Wochen, sondern lediglich für die Zeit vom 1. Oktober bis 11. Dezember 1987 (= 72 Tage), in der die Klägerin wieder in H. versicherungspflichtig beschäftigt war, „Versicherungspflicht oder ein Arbeitsverhältnis” bestanden hat.
Daß die Tätigkeit im Entwicklungsdienst, die vom 12. Mai 1987 bis zu ihrer vorzeitigen Beendigung am 30. September 1987 in die Rahmenfrist fällt, nicht die Voraussetzungen eines „Arbeitsverhältnisses” iS des § 200 Abs 1 RVO erfüllt, hat das SG zutreffend angenommen. Nach den dazu getroffenen Feststellungen des SG, der die „Arbeitsbescheinigung” der AGEH vom 27. Oktober 1987 zugrunde liegt, war die Klägerin in dieser Zeit aufgrund eines Dienstvertrages mit der AGEH als Krankenschwester in einem Entwicklungshilfe-Projekt in Ghana eingesetzt und hatte den Status eines Entwicklungshelfers iS von § 1 EhfG. Dieses Gesetz erfaßt nur Dienstverträge mit anerkannten Trägern des Entwicklungsdienstes iS von § 2 dieses Gesetzes, die ua ausschließlich oder überwiegend Entwicklungshelfer vorbereiten, entsenden und betreuen und ihren Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) haben. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, daß die AGEH, ein Personal-Dienst deutscher Katholiken für Partner in der Dritten Welt, diese Voraussetzungen erfüllt, und daß der mit der Klägerin geschlossene Vertrag ein Entwicklungsdienstvertrag iS von § 4 EhfG ist. Durch diesen Dienstvertrag wird jedoch kein Arbeitsverhältnis begründet.
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Träger des Entwicklungsdienstes und dem Entwicklungshelfer ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts (BAG AP Nr 1 zu § 611 BGB – Entwicklungshelfer –) und damit auch kein solches iS von § 200 Abs 1 RVO. Das ergibt sich bereits aus den Motiven des Gesetzes (BT-Drucks V/2696 S 13 zu § 16; S 17 zu Nr 12; S 20 zu Nr 12; ferner BT-Drucks V/3783, Begründung zu § 16 S 5) und erklärt sich daraus, daß der Entwicklungshelfer nicht zugunsten des Trägers des Entwicklungsdienstes Dienste leistet; diese werden vielmehr „ohne Erwerbsabsicht” in Entwicklungsländern erbracht, um in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zum Fortschritt dieser Länder beizutragen (Entwicklungsdienst, vgl § 1 Abs 1 Nr 1 EhfG). Der Entwicklungsdienstvertrag iS des § 4 EhfG ist nicht iS eines Arbeitsvertrages auf den Austausch von Leistungen – Entgelt und Arbeitskraft – gerichtet (BSGE 40, 179, 184). Es handelt sich vielmehr um eine Art Garantievertrag, der im wesentlichen den Lebensbedarf des Entwicklungshelfers durch Unterhaltsleistungen des Trägers sichert (§ 4 Abs 1 Nr 1 EhfG). Insbesondere die Vorschriften über die soziale Sicherung des Entwicklungshelfers (§§ 7 bis 15 EhfG) machen deutlich, daß seine Tätigkeit nicht auf der Grundlage eines für Arbeitnehmer typischen Beschäftigungsverhältnisses stattfindet. Das Gesetz hat insoweit durch eine Kombination rechtlich verschiedener Formen sozialer Sicherheit eine für die Personengruppe der Entwicklungshelfer angemessene Absicherung gefunden, die der besonderen Eigenart ihres rechtlichen Status Rechnung trägt (vgl dazu im einzelnen Echterhölter, BABl 1968, 125 ff). So werden die Entwicklungshelfer in die deutsche Sozialversicherung nur insoweit einbezogen, als dies mit ihrem Sonderstatus vereinbar ist; im übrigen erhalten sie teils Leistungen des Bundes, die der deutschen Sozialversicherung entsprechen, teils werden sie vom Träger des Entwicklungsdienstes privatversichert (zB in der Krankenversicherung) oder hinsichtlich bestimmter, den Arbeitgeber treffender Verpflichtungen so behandelt, als seien insoweit die deutschen Gesetze maßgeblich. ZB muß der Entwicklungsdienstvertrag eine Übernahme der Pflichten, die ua nach dem MuSchG dem Arbeitgeber obliegen, durch den Träger vorsehen (§ 4 Abs 1 Nr 4 EhfG). Im Falle der Schwangerschaft einer Entwicklungshelferin hat der Träger für die Dauer der Schutzfristen die vertraglichen Unterhaltsleistungen weiterzugewähren (§ 8 Abs 2 EhfG). Auch solche Regelungen wären entbehrlich gewesen, wenn das Entwicklungsdienstverhältnis schon seiner Natur nach dem Arbeitsrecht und damit auch den mutterschutzrechtlichen Leistungspflichten unterläge.
Mangels eines Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnisses zwischen Träger und Entwicklungshelfer handelt es sich bei dessen „Entsendung” in ein Entwicklungsland auch nicht um eine Entsendung iS von § 4 Abs 1 SGB IV, weil diese Bestimmung nur für Personen gilt, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden.
Ob – was § 5 Abs 1 EhfG nahelegt – ein zwischen dem Entwicklungshelfer und einem ausländischen Projektträger bestehendes Rechtsverhältnis (das von dem Dienstverhältnis zu dem deutschen Träger des Entwicklungsdienstes zu unterscheiden ist) ein Arbeitsverhältns sein kann (so BAG AP Nr 1 zu § 611 BGB – Entwicklungshelfer –), und ob die Klägerin zu dem Projektträger in Ghana, bei dem sie als Krankenschwester eingesetzt war, in besonderen arbeitsvertraglichen Beziehungen gestanden hat, kann der Senat offenlassen, weil es sich allenfalls um ein Arbeitsverhältnis im Ausland handeln würde. § 200 Abs 1 RVO setzt jedoch ein inländisches Arbeitsverhältnis voraus.
Das ergibt sich, wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, aus dem Sinnzusammenhang und dem System des MuSchG, mit dem die Vorschriften der RVO über das Mutterschaftsgeld auf das engste zusammenhängen (BSGE 34, 76, 78 f = SozR Nr 3 zu § 200 RVO). Da das Mutterschaftsgeld nach § 200 RVO, auf das § 13 Abs 1 MuSchG ausdrücklich verweist, seinem Zweck nach nur gewährt wird, wenn und weil die (werdende) Mutter während der Schutzfristen einem Beschäftigungsverbot unterliegt, muß das Arbeitsverhältnis, um einen Leistungsanspruch auszulösen, ein Arbeitsverhältnis sein, das von einem Beschäftigungsverbot betroffen werden kann.
Die die Art und den Umfang der Beschäftigung regelnden Vorschriften des MuSchG können sich – als Normen, die insbesondere den Arbeitgebern Unterlassungspflichten auferlegen – nur an Personen wenden, die der gesetzgebenden Gewalt des Staates unterworfen sind, sich also im Inland aufhalten. Mithin muß das einen Leistungsanspruch nach § 200 Abs 1 Satz 1 RVO auslösende Arbeitsverhältnis im Inland bestanden haben. Im gleichen Sinne ist grundsätzlich auch die anschließende Vorschrift in § 200 Abs 1 Satz 2 RVO zu verstehen, wonach während einer Rahmenfrist vor der Entbindung in bestimmtem Umfang Versicherungspflicht „oder ein Arbeitsverhältnis” bestanden haben muß; denn der Begriff „Arbeitsverhältnis” kann innerhalb des § 200 Abs 1 RVO nicht unterschiedlich ausgelegt werden (BSGE aaO).
Obwohl also auch § 200 Abs 1 Satz 2 RVO das Vorliegen eines inländischen Arbeitsverhältnisses verlangt, steht auch Entwicklungshelferinnen nach ihrer Rückkehr in die Heimat Mutterschaftsgeld zu, wenn sie hier wieder eine Arbeit aufnehmen und diese wegen der bevorstehenden Geburt eines Kindes unterbrechen müssen. Denn die genannte Vorschrift muß erweiternd dahin ausgelegt werden, daß auch Zeiten eines (beendeten) Entwicklungsdienstes bei den zeitlichen Voraussetzungen für das Mutterschaftsgeld als anspruchswahrend zu berücksichten sind. Insoweit enthält das Gesetz eine unbewußte Regelungslücke, die nach dem Sachprogramm des Gesetzes durch die Rechtsprechung ergänzt werden darf. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17. April 1991 (– 1/3 RK 26/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgeführt hat, entspricht es der erkennbaren Absicht des Gesetzes, durch die Regelung des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Mutterschaftsleistungen auszuschließen (vgl dazu Peters/Mengert, Handbuch der Krankenversicherung, § 200 Anm 5a unter Hinweis auf BT-Drucks IV/3652, S 8 f zu §§ 200 und 200a RVO).Die Gefahr eines Mißbrauchs hat der Gesetzgeber nur darin gesehen, daß (werdende) Mütter noch kurz vor Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs 2 MuSchG ein Arbeitsverhältnis begründen oder – zB nach einer Beschäftigung im Ausland – eine inländische Beschäftigung aufnehmen könnten, um dadurch in den Genuß der Mutterschaftsleistungen zu gelangen. Da diese Mißbrauchsmöglichkeit dadurch ausgeschlossen werden sollte, daß die (werdende) Mutter innerhalb der Rahmenfrist des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO für mindestens 12 Wochen „in einem Arbeitsverhältnis” gestanden hat, müssen im Rahmen dieser Vorschrift auch Zeiten des Entwicklungsdienstes berücksichtigt werden. Denn solche Zeiten sind nach ihrer sozialpolitischen Zwecksetzung (vgl § 1 Abs 1, § 2 Abs 1 EhfG) in gleicher Weise wie ein Arbeitsverhältnis geeignet, eine mißbräuchliche Inanspruchnahme des Mutterschaftsgeldes auszuschließen, zumal der Entwicklungsdienst häufig ein inländisches Arbeitsverhältnis nur für eine von vornherein begrenzte Zeit unterbricht oder gar nur zu einem Ruhen dieses Arbeitsverhältnisses führt. Diese Auslegung entspricht dem Plan des Gesetzes, die Entwicklungshelfer im Ergebnis möglichst so zu stellen, wie sie bei einer inländischen Beschäftigung ständen (vgl BT-Drucks V/2696 S 8 unter A. Allgemeines) und berücksichtigt, daß der Status der Entwicklungshelfer(innen) gerade im Hinblick auf den Mutterschutz dem der Arbeitnehmer(-innen) weitgehend angenähert ist (vgl BT-Drucks V/3783, S 5 zu § 16).
Dem stehen die Regelungen des EhfG nicht entgegen. In § 8 Abs 2 EhfG ist zwar eine – das Mutterschaftsgeld ersetzende – privatrechtliche Lösung des Mutterschutzes insofern gefunden worden, als der Träger verpflichtet ist, der Entwicklungshelferin während der Schutzfristen der § 3 Abs 2 und § 6 Abs 1 MuSchG die vertraglichen Unterhaltsleistungen des § 4 Abs 1 Nr 4 EhfG weiterzuzahlen, und zwar auch dann, wenn das Dienstverhältnis während der Schutzfristen endet; daneben wird Mutterschaftsgeld nicht gewährt. Diese Regelung erfaßt jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, nicht den Fall, in dem – wie hier – das Dienstverhältnis mit dem Träger des Entwicklungsdienstes schon vor Beginn der Schutzfristen (einvernehmlich) geendet hat, und es nur um die Frage geht, ob mit der Bestandsdauer einer Entwicklungshelfertätigkeit die zeitlichen Voraussetzungen eines – später entstehenden – Anspruchs auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 Satz 2 RVO erfüllt werden können. Diese Frage ist weder in § 8 Abs 2 EhfG geregelt noch enthält das EhfG insoweit eine sonstige Regelung, die – ähnlich wie etwa § 13 EhfG für Ansprüche nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) – vorsieht, daß auch Zeiten des Entwicklungsdienstes berücksichtigt werden, soweit ein Anspruch davon abhängt, daß der Antragsteller versicherungspflichtig war oder in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat. Aus dem Vorhandensein dieser und ähnlicher Regelungen über einen „nachgehenden” Schutz des Entwicklungshelfers (so außer in § 13 EhfG auch in §§ 4 Abs 1 Nr 2, 8, 9, 12 und 15 EhfG) kann aber andererseits nicht geschlossen werden, daß damit die Sicherung des Entwicklungshelfers nach beendetem Entwicklungsdienst abschließend – und damit einer erweiternden Auslegung unzugänglich – geregelt wäre. Mit dem EhfG sind erstmalig für einen begrenzten Personenkreis neue Formen der sozialen Sicherung entwickelt worden (Echterhölter, aaO, spricht von einem Experiment auf einem neuen Feld), die in ihrer Verbindung das Ziel verfolgen, die Entwicklungshelfer möglichst so zu stellen, wie sie sich bei einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Inland ständen. Dabei hat sich das EhfG, was die soziale Sicherung nach der Rückkehr aus dem Entwicklungsdienst anbelangt, im wesentlichen auf die Regelung der typischen Risiken eines noch nicht wieder beruflich eingegliederten Entwicklungshelfers beschränkt (Gewährung von Eingliederungshilfen, Berufsförderung, Leistungen bei Arbeitslosigkeit). Der davon abweichende Fall einer zurückgekehrten Entwicklungshelferin, die bei Beginn der Mutterschutzfrist bereits wieder in einem inländischen Arbeitsverhältnis steht und damit die Voraussetzungen des § 200 Abs 1 Satz 1 RVO erfüllt, hätte demgegenüber in § 200 Abs 1 Satz 2 RVO berücksichtigt werden müssen; denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Gesetzgeber, wenn er solche Fälle bedacht hätte, angesichts der mit dieser Regelung bezweckten Mißbrauchsabwehr und im Hinblick auf den selbstlosen Einsatz der Entwicklungshelfer(innen) zum Wohle der Dritten Welt den Entwicklungsdienst hinsichtlich der zeitlichen Anspruchsvoraussetzungen für das Mutterschaftsgeld in gleicher Weise berücksichtigt hätte wie ein inländisches Arbeitsverhältnis.
Dem steht – anders als die Beklagte meint – auch weder § 7 Abs 3 noch § 13 Abs 3 EhfG entgegen. § 7 Abs 3 EhfG sieht zwar auch noch nach Beendigung des Entwicklungsdienstes eine Übernahme von Kosten durch den Bund aus Anlaß einer Schwangerschaft der Entwicklungshelferin vor; dabei handelt es sich jedoch lediglich um die Erstattung von Entbindungskosten sowie von Rückführungs- und Überführungskosten. Mutterschaftsgeld als laufende Leistung, insbesondere für Zeiten vor der Geburt, ist davon nicht erfaßt. Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, daß nach § 13 Abs 3 EhfG der Bundesanstalt für Arbeit die Mehrkosten, welche ihr durch die Berücksichtigung von Zeiten des Entwicklungsdienstes bei der Erfüllung von Ansprüchen nach dem AFG (Absatz 1 aaO) entstehen, vom Bund erstattet werden. Ist – wie im vorliegenden Fall – die Entwicklungshelferin bei Beginn der Mutterschutzfrist Pflichtmitglied einer inländischen Krankenkasse und hat sie damit die Grundvoraussetzungen für das Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs 1 Satz 1 RVO erfüllt, so kann nach dem Zweck des § 200 Abs 1 Satz 2 RVO, Mißbrauch auszuschließen, der Gedanke, daß die Sozialleistungsträger durch das EhfG nicht belastet werden sollen, für die Auslegung dieser Regelung keine maßgebliche Rolle spielen.
Bei der Feststellung des Mutterschaftsgeldes wird die Beklagte zu beachten haben, daß die Klägerin vom Tag der Geburt ihres Kindes an Erziehungsgeld in Höhe von 600,– DM monatlich erhalten hat (vgl § 7 des Bundeserziehungsgeldgesetzes).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen