Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebs- und Heizkostennachforderung für nicht mehr bewohnte Unterkunft. kein Leistungsbezug im Entstehungszeitraum der Nachforderung
Leitsatz (amtlich)
Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, und deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, sind kein anzuerkennender Bedarf für Unterkunft und Heizung (Abgrenzung von BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 50).
Normenkette
SGB 2 § 22 Abs. 1 S. 1; SGB 10 § 48 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2014 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. Dezember 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit ist der Anspruch des Klägers auf höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) wegen einer Nachforderung von Betriebs- und Heizkosten, die außerhalb des Leistungsbezugs entstanden sind, für eine im Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bewohnte Wohnung.
Der Kläger und seine Ehefrau wohnten in einer Dreizimmerwohnung in N. im P. Ring und bezogen vom beklagten Jobcenter Alg II bis Juli 2008. Anschließend war der Kläger erwerbstätig. Im September 2009 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Nachdem die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit des Klägers im April 2010 endete, bewilligte der Beklagte dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn für die Zeit von Mai bis Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bescheid vom 11.5.2010, Änderungsbescheide vom 25.5.2010, 24.8.2010 und 19.10.2010), die er für den Monat Oktober 2010 nach Vorlage einer Entgeltabrechnung des Klägers hinsichtlich der Regelleistungen teilweise aufhob (Bescheide vom 4.11.2010). Zum 1.10.2010 mietete der Kläger vom bisherigen Vermieter eine Dreizimmerwohnung in N. im P.-Ring und zog die Familie in diese um, wozu der Beklagte die Zusicherung erteilte.
Am 14.10.2010 rechnete der Vermieter die Betriebs- und Heizkosten für die frühere Wohnung im P.-Ring für das Jahr 2009 ab. Der Kläger legte am 21.10.2010 dem Beklagten die Abrechnung vor, deren im selben Monat fällige Nachforderung sich auf 559,72 Euro belief. Die Übernahme dieser Nachforderung lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 4.11.2010, Widerspruchsbescheid vom 8.2.2011); es handele sich um Verbindlichkeiten aus einem früheren Mietverhältnis.
Auf die zunächst nur vom Kläger erhobene und während des Klageverfahrens um die Ehefrau und den Sohn erweiterte Klage verpflichtete das Sozialgericht (SG) den Beklagten, den Klägern Betriebs- und Heizkosten in Höhe von 559,72 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren (Urteil vom 13.12.2012). Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten wurde vom Landessozialgericht (LSG) - nach Rücknahme der Klagen der Ehefrau und des Sohnes - zurückgewiesen (Urteil vom 26.8.2014). Den Tenor des SG-Urteils fasste das LSG "klarstellend" dahingehend neu, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger Grundsicherungsleistungen für Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro zu gewähren. Dass der Kläger im Jahr 2009 nicht im Leistungsbezug gestanden habe und nun die frühere Wohnung nicht mehr bewohne, sei ohne Belang, weil er damals seinen Pflichten aus dem Mietverhältnis nachgekommen sei und zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug des Beklagten gestanden habe. Unter Einbeziehung seiner laufenden Bedarfe und des zu berücksichtigenden Einkommens sowie seines Kopfteils in Höhe von einem Drittel der Nachforderung ergebe sich ein Leistungsanspruch des Klägers im Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung des § 22 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geltend. Nebenkostennachforderungen für eine frühere Wohnung seien nur zu übernehmen, wenn der Mieter im Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug in Erfüllung einer Kostensenkungsaufforderung erfolgt sei.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. August 2014 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. Dezember 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen, weil der Beklagte zu Recht einen Anspruch des Klägers auf höheres Alg II wegen einer Nachforderung von Betriebs- und Heizkosten abgelehnt hat.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das nur den Kläger betreffende Urteil des LSG und das Urteil des SG, soweit es den Kläger betrifft, durch die der Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger Alg II für Oktober 2010 unter kopfteiliger Berücksichtigung der Nachforderung aus der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2009 in Höhe von insgesamt 416,61 Euro zu zahlen, sowie der Bescheid des Beklagten vom 4.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.2.2011. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), denn er begehrt die Aufhebung dieses Bescheides, durch den der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachforderung und eine entsprechende Änderung seiner Bewilligungsentscheidung für Oktober 2010 abgelehnt hat, und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung höheren Alg II für Oktober 2010 an ihn.
2. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres als das ihm für Oktober 2010 zuletzt bewilligte Alg II sind § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 und §§ 20 ff SGB II, hier hinsichtlich der umstrittenen Nachforderung § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der im Oktober 2010 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; SGB II aF). Denn der Beklagte hat bei der Leistungsbewilligung durch den Änderungsbescheid vom 19.10.2010 für Oktober 2010 dem Kläger Alg II einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bewilligt und die vom Kläger am 21.10.2010 vorgelegte Betriebs- und Heizkostenabrechnung vom 14.10.2010 fällt zeitlich in diesen Monat.
3. Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier der Änderungsbescheid vom 19.10.2010 für Oktober 2010, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Doch an einer rechtserheblichen Änderung zugunsten des Klägers fehlt es hier.
Mit der Betriebs- und Heizkostennachforderung des Vermieters hinsichtlich der vom Kläger früher bewohnten Wohnung für das Jahr 2009, in dem er wegen fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug bei dem Beklagten stand, ist keine solche Änderung eingetreten, weil der Kläger im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 keinen Anspruch auf (kopfteilige) Übernahme dieser Nachforderung hat (dazu 4.). Im Übrigen ergeben sich weder Anhaltspunkte dafür, dass das vom Beklagten für Oktober 2010 bewilligte Alg II einschließlich der Leistungen für laufende Kosten der Unterkunft und Heizung für den Kläger, der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die Voraussetzungen des § 19 Satz 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte, zu niedrig festgesetzt worden sein könnte, noch dafür, dass dem Kläger aus anderen Gründen als der Nachforderung höheres als das bewilligte Alg II im Oktober 2010 zustehen könnte. Insbesondere berücksichtigt der Änderungsbescheid vom 19.10.2010 die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die aktuell bewohnte Wohnung abzüglich nur der Warmwasserpauschale bei der Bedarfsberechnung.
4. Der Kläger hat im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 keinen Anspruch auf (kopfteilige) Übernahme der Nachforderung aus § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.
a) Hierdurch erfasst werden nicht nur Leistungen für laufende, sondern auch für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf (vgl Bundessozialgericht ≪BSG≫ Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14).
Die Leistungen für laufende wie für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF dienen indes der Unterkunftssicherung. Hieran hat sich durch die Neufassung dieser Regelung mit Wirkung vom 1.1.2011 ("Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.") nichts geändert (Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; SGB II nF). Durch die existenzsichernden Leistungen soll der aktuelle räumliche Lebensmittelpunkt beibehalten werden können und sollen so der persönliche Lebensbereich "Wohnung" sowie das Grundbedürfnis "Wohnen" geschützt werden. Der Leistungsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zur Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht sich deshalb grundsätzlich nur auf die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt (vgl - in unterschiedlichen Zusammenhängen - BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 29 RdNr 19; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 28/09 R - juris RdNr 20; BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 28; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23; BSG Urteil vom 23.5.2012 - B 14 AS 133/11 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 25 RdNr 20; BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 17; vgl auch Boerner in Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Mietwohnung, Bedarfe für" RdNr 3). Entsprechend haben die bisherigen Entscheidungen des BSG zur Übernahme von Betriebs- und/oder Heizkostennachforderungen - mit einer Ausnahme (dazu b) - jeweils Forderungen aus bestehenden Mietverhältnissen für im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit weiterhin genutzte Wohnungen zum Gegenstand (s nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58).
Besteht das Mietverhältnis noch, gehören danach auch Nebenkostennachforderungen für Unterkunft und Heizung, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit tatsächlich entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (so BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15). Daran ist festzuhalten.
Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Betriebs- und Heizkostennachforderung vom 14.10.2010 - nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Oktober 2010 - war das Mietverhältnis über die frühere Wohnung, auf die sich die Nachforderung bezog, jedoch bereits beendet. Für diese Wohnung kamen unterkunftssichernde Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II aF grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
b) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das BSG anerkannt, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten im Leistungsbezug nach dem SGB II stand als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung noch steht sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt ist und keine anderweitige Bedarfsdeckung eingetreten ist. In diesem Fall sind auch Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17 und Leitsatz).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger hat die frühere Wohnung nicht während des ununterbrochenen Leistungsbezugs aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Leistungsträgers aufgegeben.
c) Es gibt keinen Grund, vorliegend eine weitere Ausnahme anzuerkennen. Nebenkostennachforderungen für eine Wohnung, die erst fällig geworden sind, nachdem diese nicht mehr bewohnt wird, und deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, sind kein anzuerkennender Bedarf iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II (vgl auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 65, Stand Oktober 2012).
Den vorliegenden Fall prägt nicht die vom 4. Senat betonte Besonderheit eines Umzugs während des Leistungsbezugs in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit nach Aufforderung durch den Leistungsträger (§ 22 Abs 1 Satz 3 SGB II), die auch in anderen Zusammenhängen Berücksichtigung gefunden hat (§ 22 Abs 6 Satz 2 SGB II: Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten, wenn der Umzug durch den Leistungsträger veranlasst ist; zu einem Erstausstattungsanspruch bei unbrauchbar gewordenen Möbeln durch einen vom Leistungsträger veranlassten Umzug vgl BSG Urteil vom 1.7.2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 4). Der Leistungsträger ist in diesen Fällen nicht von seiner Verantwortung für die Berücksichtigung unterkunftsbezogener Bedarfe für die frühere Wohnung enthoben und er soll die Folgekosten des von ihm veranlassten Umzugs übernehmen (vgl § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II: "unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen").
Mit einem in diesem Sinne vom Leistungsträger veranlassten Umzug nicht vergleichbar ist der Umzug der Familie des Klägers in die neue Wohnung, der nach den Feststellungen des LSG aufgrund von Mängeln der früheren Wohnung erfolgte und dessen Erforderlichkeit der Beklagte durch seine Zusicherung anerkannte. Die Erteilung einer Zusicherung verschafft dem Leistungsberechtigten zwar Gewissheit über die Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft (§ 22 Abs 4 Satz 1 SGB II), begründet aber keinen Übernahmeanspruch für nach dem Umzug fällig werdende Forderungen für die frühere Wohnung. Eine anderweitige existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung von Nebenkosten für das Jahr 2009, deren tatsächliche Entstehung nicht auf Zeiten der Hilfebedürftigkeit zurückgeht, mit dem anzuerkennenden unterkunftsbezogenen Bedarf im Fälligkeitsmonat Oktober 2010 ist nicht zu erkennen, weil der Beklagte im Jahr 2009 keine unterkunftsbezogenen Bedarfe des Klägers zu übernehmen hatte.
5. Eine Übernahme der Nachforderung als Schulden iS von § 22 Abs 5 SGB II (in der im Oktober 2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558) kam von vornherein nicht in Betracht. Diese Schuldenübernahme dient allein der Sicherung der aktuell genutzten Unterkunft (vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 28; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 80 RdNr 17; vgl auch Boerner in Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2014, Stichwort "Mietschulden" RdNr 12). Hieran hat sich durch die Neufassung der Regelung zur Schuldenübernahme in § 22 Abs 8 SGB II nF mit Wirkung vom 1.1.2011 nichts geändert. Für die im Oktober 2010 durch den Kläger genutzte neue Wohnung bestanden indes keine Schulden.
6. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom LSG wiedergegebenen Vortrag des Klägers, der Vermieter der aktuellen Wohnung, der mit dem früheren Vermieter identisch sei, habe mit der Kündigung der Wohnung gedroht, wenn die Nachforderung nicht gezahlt werde. Denn eine Rechtsgrundlage für eine Vermieter-Kündigung des vertragstreu durchgeführten bestehenden Mietverhältnisses über die aktuell genutzte Wohnung wegen der ausstehenden Erfüllung einer Nachforderung aus dem anderen, bereits beendeten Mietverhältnis über die frühere Wohnung sehen die Regelungen zum Wohnraumkündigungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht vor. Sie knüpfen insoweit vielmehr an das jeweilige Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter sowie an die Verletzung vertraglicher Pflichten des Mieters in diesem Mietverhältnis an (vgl § 542 Abs 1, § 543 Abs 1 Satz 1, § 568 Abs 1, § 573 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Nr 1 BGB).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
FEVS 2016, 270 |
NDV-RD 2015, 141 |
NZS 2015, 832 |
ZfF 2015, 209 |
Breith. 2016, 77 |
info-also 2015, 232 |
info-also 2015, 276 |