Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften
Orientierungssatz
Für den Unfallversicherungsschutz bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen ist grundsätzlich Voraussetzung, daß diese sich zu gemeinsamer Durchführung einer Ausgleichszwecken dienenden regelmäßigen sportlichen Betätigung zusammengeschlossen haben (vgl BSG 1972-11-30 2 RU 175/71 = USK 72218).
Darauf kann nur verzichtet werden, wenn, abgesehen von der sportlichen Betätigung während der regelmäßigen Übungsstunden, nur gelegentlich auch ein Spiel mit einer anderen Betriebssportgemeinschaft ausgetragen wird (vgl BSG 1979-08-15 2 RU 45/79 = USK 79152).
Normenkette
RVO § 548 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 20.01.1982; Aktenzeichen L 17 U 111/81) |
SG Detmold (Entscheidung vom 24.06.1981; Aktenzeichen S 4 U 24/80) |
Tatbestand
Der Kläger ist als Verkaufssachbearbeiter bei der Firma T. Sp G. N. GmbH in D. beschäftigt. Anläßlich eines Fußballspieles der Betriebssportgemeinschaft des Unternehmens, dessen Mitglied der Kläger ist, gegen eine Mannschaft der Betriebssportgemeinschaft der L. L. B. in D. am 19. Juni 1978 zog er sich eine Netzhautablösung mit Netzhautblutung zu. Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche ab, weil das ausgetragene Fußballspiel Wettkampfcharakter gehabt habe (Bescheid vom 8. Oktober 1979 und Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1980). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- Detmold vom 24. Juni 1981 und des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1982). Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe zur Zeit des Unfalls nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil die sportliche Betätigung nicht entsprechend den Grundsätzen der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung innerhalb einer mit dem Betrieb verbundenen Organisation ausgeübt worden sei. Die von der Fußballmannschaft der Betriebssportgemeinschaft der T. Sp. mit der Mannschaft der L. L.-B. und mit anderen Mannschaften im Laufe des Jahres absolvierten Spiele seien in der Regel spontan vereinbart worden, ohne daß ein übergeordnetes Organisationsschema vorhanden gewesen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar in seinem Urteil vom 30. November 1972 - 2 RU 175/71 - (USK 72218) den Schutz der Unfallversicherung auch für den Fall bejaht, daß die Sportausübung auf einen im wesentlichen gleichbleibenden Kreis von beteiligten Unternehmen beschränkt sei. Diesem Fall habe jedoch die Besonderheit zugrunde gelegen, daß die Betriebssportgemeinschaften mehrerer Unternehmen sich zu gemeinsamer regelmäßiger Sportausübung zusammengeschlossen hatten, weil die Voraussetzungen für die Pflege bestimmter Sportarten wegen zu geringer Teilnehmerzahl bei den einzelnen Unternehmen nicht gegeben waren. Die Beteiligung der Fußballmannschaft eines anderen Unternehmens habe nämlich den Zweck gehabt, die für die Benutzung des Sportplatzes erforderliche Mannschaftsstärke zu erreichen, da der Sportplatz nicht für ein sog Kick-Training zur Verfügung gestanden habe. Diese Besonderheiten seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Betriebssportgemeinschaft der T. Sp. habe bei der Benutzung des Sportplatzes keinen entsprechenden Einschränkungen unterlegen. Auch hätten sich nicht Mannschaften mehrerer Unternehmen zu gemeinsamer regelmäßiger Sportausübung zusammengeschlossen. Nach Angaben des Klägers sei im Sommer 1978 mit fünf verschiedenen Mannschaften von Betriebssportgemeinschaften jeweils ein Spiel durchgeführt worden, wobei es gelegentlich zu Rückspielen gekommen sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Das LSG sei in Abweichung von der Rechtsprechung des BSG rechtsirrig zu der Auffassung gelangt, daß die sportliche Betätigung nicht innerhalb einer mit dem Betrieb verbundenen Organisation stattgefunden habe. Es habe zu Unrecht das Urteil des BSG vom 30. November 1972 - 2 RU 175/71 - (aa0) als Einzelfallentscheidung angesehen, die nur den Sonderfall berücksichtige, daß der Sportplatz ausschließlich für Fußballspiele mit kompletten Mannschaften zur Verfügung gestanden habe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Es müsse aber auch sonst Versicherungsschutz bestehen, wenn - zumindest gelegentlich - Fußballspiele entsprechend den Fußballregeln abgehalten und zur Auffüllung der eigenen Mannschaft Angehörige fremder Betriebssportgemeinschaften genommen werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG für das Land Nordrhein- Westfalen vom 20. Januar 1982, das Urteil des SG Detmold vom 24. Juni 1979 sowie den Bescheid vom 8. Oktober 1981 idF des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1978 Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat am 19. Juni 1978 keinen Arbeitsunfall erlitten und daher keinen Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte. Nach § 548 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet. Der Kläger war als Verkaufssachbearbeiter bei der Firma T. Sp. G. N. GmbH in D. nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert, jedoch übte er bei dem zum Unfall führenden Fußballspiel keine mit seinem Beschäftigungsverhältnis im ursächlichen Zusammenhang stehende Tätigkeit aus.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. November 1961 (BSGE 16, 1) näher dargelegt, welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, um den ursächlichen Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung in einem Unternehmen bejahen zu können. Nach den in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätzen ist eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen der versicherten Tätigkeit gleichzuachten, wenn sie geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und durch einen im wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis und die unternehmensbezogene Organisation sowie durch Zeit und Dauer der Übungen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht. Dieser Zielsetzung entspricht am meisten der reine Ausgleichssport in Form von Lockerungsübungen und dergleichen. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 28. November 1961 (aa0 S 4) den Begriff des Betriebssports nicht auf Übungen dieser Art eingeengt (vgl auch BSG BB 1967, 718; BG 1969, 276; USK 72145 und 72218; Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 - und vom 29. Oktober 1980 - 2 RU 21/81 -; siehe auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9.Aufl, S 482r ff mwN von Rechtsprechung und Schrifttum). Der Senat ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die Teilnahme an ausschließlich gymnastischen Übungen nicht dem Umstand gerecht würde, daß insbesondere bei männlichen Beschäftigten solche Übungen in der Regel keinen Anreiz bilden, um sich zum Ausgleich der betrieblichen Belastung regelmäßig sportlich zu betätigen. Danach ist auch der Versicherungsschutz bei der Ausübung von Sportarten nicht ausgeschlossen, denen es eigentümlich ist, daß sie einen Gegner voraussetzen und meist zwischen verschiedenen Mannschaften ausgetragen werden, wenn und solange die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats maßgebenden allgemeinen Voraussetzungen für den Betriebssport gegeben sind. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß auch das Fußballspielen dem erforderlichen Ausgleichszweck dienen kann (vgl ua BSGE 16, 1, 5; 41, 145, 146; BSG SozR Nr 37 zu § 548 RVO; BSG BB 1967,718; Breithaupt 1969, 566; BG 1969, 276; USK 72145, 72218 und 79152; Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 - und vom 29. Oktober 1980 - 2 RU 21/78 -). Sind die vom Senat aufgestellten allgemeinen Voraussetzungen erfüllt, kann sogar bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen Versicherungsschutz gegeben sein (BSGE 41, 145, 147; BSG Urteil vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 -).
Bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen ist jedoch grundsätzlich Voraussetzung, daß diese sich zu gemeinsamer Durchführung einer Ausgleichszwecken dienenden regelmäßigen sportlichen Betätigung zusammengeschlossen haben (BSGE 16, 1, 5; BSG BG 1969, 276; USK 72218). In dem durch die Besonderheiten des Einzelfalles geprägten Urteil vom 30. November 1972 - 2 RU 175/71 - (USK 72218) hat der Senat jenen Fall gleichgeachtet, daß eine Betriebssportgemeinschaft, um die für die Benutzung eines Sportplatzes erforderliche Mannschaftsstärke zu erreichen und damit eine regelmäßige sinnvolle sportliche Betätigung zu gewährleisten, sich andere Betriebssportgemeinschaften zum gemeinsamen Spiel einlädt. Dabei bestand die Besonderheit jenes Falles darin, daß der einladenden Betriebssportgemeinschaft mit nur 13 bis 14 regelmäßigen Teilnehmern die Benutzung eines Sportplatzes zum bloßen Kick-Training nicht gestattet war, der Sportplatz ihr jedoch zu Mannschaftsspielen zur Verfügung stand.
Der hier zu entscheidende Fall ist nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die durch zulässige und begründete Revisionsrügen nicht angegriffen worden sind und an die der Senat daher gebunden ist (§ 163 SGG), nicht durch ähnliche Besonderheiten geprägt. Der Senat vermag daher nicht von der Voraussetzung abzusehen, daß bei einer sportlichen Betätigung mehrerer Betriebssportgemeinschaften ein unternehmensbezogener organisatorischer Zusammenschluß zur regelmäßigen sportlichen Betätigung erforderlich ist. Darauf kann nur verzichtet werden, wenn, abgesehen von der sportlichen Betätigung während der regelmäßigen Übungsstunden, nur gelegentlich auch ein Spiel mit einer anderen Betriebssportgemeinschaft ausgetragen wird (BSG USK 72145, 79152; Urteil vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 -). Nach den Ausführungen des LSG im angefochtenen Urteil führte die Betriebssportgemeinschaft der T. Sp. dagegen nicht nur gelegentlich, sondern häufig Spiele mit anderen Betriebssportgemeinschaften durch, ohne mit ihnen zum Zwecke der regelmäßigen Sportausübung verbunden zu sein. Im Sommer 1978 wurden mindestens fünf Fußballspiele mit anderen Betriebssportgemeinschaften ausgetragen, wobei es gelegentlich auch zu Rückspielen gekommen war. Die Betriebssportgemeinschaft wurde somit nicht - wie die Revision als Beispiel anführt - durch Spieler anderer Betriebe aufgefüllt (s BSGE 16, 1, 5; Brackmann aaO Seite 482v), sondern hat gegen andere Mannschaften Spiele durchgeführt. Unter diesen Umständen ist der ursächliche Zusammenhang der zum Unfall führenden Sportausübung mit der versicherten Tätigkeit des Klägers vom LSG zu Recht verneint worden.
Die Revision des Klägers mußte daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen