Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfallswirkung von Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach Beitragserstattung
Leitsatz (amtlich)
Sind Beiträge für Zeiten nach Inanspruchnahme einer Regelleistung im alten Bundesgebiet erstattet worden, nimmt § 286d Abs 2 SGB 6 zuvor im Beitrittsgebiet zurückgelegte Beitragszeiten nicht von der Verfallswirkung aus.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB VI § 286d Abs. 2 S. 1, § 210 Abs. 3 S. 5, Abs. 6 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. August 1997 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1997 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob von der Klägerin im Beitrittsgebiet vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 zurückgelegte Beitragszeiten als Pflichtbeitragszeiten festzustellen sind.
Die 1933 geborene Klägerin war in der ehemaligen DDR vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrer Übersiedlung in das alte Bundesgebiet war sie hier zunächst vom 2. August bis 31. Dezember 1952 und dann vom 13. September 1954 bis 24. November 1958 versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 16. Juli bis 16. Oktober 1953 gewährte ihr die Beklagte ein stationäres Heilverfahren. Nach ihrer Heirat wurden der Klägerin im Jahr 1961 die von ihr von September 1954 bis November 1958 entrichteten Beiträge von der Beklagten erstattet.
Im Feststellungsbescheid vom 21. Dezember 1994 über die bis 31. November 1958 zurückgelegten Versicherungszeiten lehnte die Beklagte die Anerkennung der Beitragszeit vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 ab. Zur Begründung gab sie an: Diese Zeiten seien durch die Beitragserstattung untergegangen und könnten wegen der 1953 gewährten Kur auch nicht gemäß § 286d Abs 2 Satz 1 SGB VI wiederaufleben. Jedoch bestehe im Rahmen der Nachzahlungsvorschrift des § 282 SGB VI die Möglichkeit, für diesen Zeitraum freiwillige Beiträge nachzuzahlen.
Am 11. Dezember 1995 beantragte die Klägerin die Nachzahlung freiwilliger Beiträge wegen Heiratserstattung. Gleichzeitig bat sie, die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten nach § 286d SGB VI als Beitragszeiten anzuerkennen. Dabei machte sie geltend, der im Bescheid vom 21. Dezember 1994 genannte Ablehnungsgrund ergebe sich aus dieser Vorschrift nicht. Die Beklagte lehnte die Anerkennung der Beitragszeiten im Beitrittsgebiet mit Bescheid vom 27. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 1996 erneut ab. Auf die Klage hat das SG die Beklagte durch Urteil vom 18. Februar 1997 unter Abänderung des Bescheids vom 27. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 1995 (richtig: 1996) verurteilt, die Zeit vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 als Pflichtbeitragszeit anzuerkennen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 29. August 1997 das Urteil des SG dahingehend neu gefaßt, daß die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. März 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 1995 (richtig:1996) verurteilt wurde, den Bescheid vom 21. Dezember 1994 zurückzunehmen und die Zeit vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 als Pflichtbeitragszeit festzustellen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 21. Dezember 1994, mit dem die Beklagte über die Feststellung der strittigen Zeiten verbindlich entschieden habe, sei rechtswidrig und müsse deshalb nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen werden. § 286d Abs 2 Satz 1 SGB VI hebe die im Fall einer Beitragserstattung grundsätzlich eintretende Verfallswirkung nach § 210 Abs 6 Satz 3 SGB VI – bzw nach § 1303 Abs 7 RVO für vor dem 1. Januar 1992 durchgeführte Beitragserstattungen – für Beitragszeiten nach dem 20. Juni 1948 und vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet auf. Mithin seien die von der Klägerin in diesem Zeitraum zurückgelegten Beitragszeiten trotz der im Jahr 1961 durchgeführten Beitragserstattung wieder zu berücksichtigen. Eine Einschränkung des Wiederauflebens für diejenigen Versicherten, die nach der Übersiedlung und vor der Beitragserstattung eine Regelleistung in Anspruch genommen haben, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und ergebe sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift oder der Systematik im Zusammenhang mit den allgemeinen Beitragserstattungsregelungen in § 210 SGB VI. Die Besserstellung von Versicherten mit Beitragszeiten im Beitrittsgebiet durch das Wiederaufleben dieser Zeiten trotz Inanspruchnahme einer Regelleistung rechtfertige sich daraus, daß die für diese Zeiten entrichteten Beiträge einerseits – und anders als im Bundesgebiet entrichtete Beiträge – in keinem Fall erstattet worden wären, also auch dann nicht, wenn keine Regelleistung gewährt worden sei, daß sie aber andererseits stets verfallen seien. Ferner hätten nur die im alten Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten die Regelleistung mitgetragen; dementsprechend seien die im Beitrittsgebiet entrichteten Beiträge auch nicht in gewisser Weise „verbraucht”.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 286d Abs 2 Satz 1 SGB VI. Sie trägt vor: Durch diese Vorschrift sei für die im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten in Fällen, in denen nach der Übersiedlung aus der ehemaligen DDR und vor der Beitragserstattung eine Regelleistung gewährt worden sei, keine neue Anrechnungsgrundlage geschaffen worden. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, einen Nachteil auszugleichen, nicht aber eine Besserstellung zu bewirken. Selbst wenn zur damaligen Zeit eine Rechtsgrundlage für die Erstattung der Beiträge im Beitrittsgebiet bestanden hätte, wäre die Erstattung wegen der gewährten Regelleistung ausgeschlossen gewesen. Für diese Auslegung sprächen Sinn und Zweck der Regelung im Rahmen einer einheitlichen Versicherung und auch § 286d Abs 1 SGB VI.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. August 1997 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Das LSG hat die Beklagte zu Unrecht unter Aufhebung des Bescheids vom 23. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 1996 verurteilt, ihren Bescheid vom 21. Dezember 1994 zurückzunehmen; denn dieser Bescheid war rechtmäßig. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Beklagte nicht verpflichtet, die von der Klägerin im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952 als Pflichtbeitragszeiten festzustellen.
Mögliche Anspruchsgrundlage für die Feststellung der geltend gemachten Zeiten ist § 149 Abs 5 SGB VI. Diese Vorschrift findet nach § 300 Abs 1 SGB VI unabhängig davon Anwendung, ob der Sachverhalt, auf den sich der Anspruch bezieht, bereits vor diesem Zeitpunkt vorgelegen hat. Dies gilt entsprechend auch für Vorschriften des SGB VI, welche die festzustellenden Beitragszeiten betreffen (BSG Urteile vom 31. März 1992 – 4 RA 3/91 – BSGE 70, 220, 221 = SozR 3-2600 § 252 Nr 1 und vom 17. November 1992 – 4 RA 15/91 – BSGE 71, 227, 228 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Nach § 149 Abs 5 SGB VI ist der Versicherungsträger verpflichtet, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalendermonate zurückliegen, durch Bescheid festzustellen, nachdem er das Versicherungskonto geklärt oder der Versicherte sechs Monate nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen hat. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung einer Pflichtbeitragszeit vom 1. September 1948 bis 15. Juni 1952, weil Ansprüche aus dieser Zeit wegen der 1961 erfolgten Beitragserstattung ausgeschlossen sind. An diesem Ausschluß ändert § 286d Abs 2 Satz 1 SGB VI nichts.
Zwar legt der Wortlaut dieser Vorschrift die Annahme nahe, daß Beitragszeiten, die nach dem 20. Juni 1948 und vor dem 19. Mai 1990 im Beitrittsgebiet oder nach dem 31. Januar 1949 und vor dem 19. Mai 1990 in Berlin (Ost) zurückgelegt worden sind, generell von der Wirkung der Erstattung nicht umfaßt werden, wenn die Erstattung bis zum 31. Dezember 1991 durchgeführt worden ist. Ein solches Verständnis wird aber der systematischen Stellung der Regelung als Teil der Sonderregelung des § 286d SGB VI zu den Erstattungsregelungen in § 210 SGB VI im Zusammenhang mit den durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I, S 1606) vorgenommenen Änderungen nicht gerecht. Diese Stellung gebietet vielmehr eine einschränkende Interpretation dahin, daß § 286d Abs 2 SGB VI sich nur auf solche Beitragszeiten im Beitrittsgebiet bezieht, die nach § 210 Abs 3 Satz 5 SGB VI weiterhin von der Beitragserstattung ausgeschlossen bleiben. Dies ergibt eine Gegenüberstellung mit den früheren Erstattungsregelungen und der Zielsetzung des RÜG und wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt.
Die im Jahr 1961 durchgeführte Beitragserstattung an die Klägerin beruhte auf § 1304 RVO in der durch das ArVNG eingefügten bis 31. Dezember 1967 geltenden Fassung. Umfang und Auswirkung der Erstattung waren bis zum Inkrafttreten des SGB VI in § 1303 RVO geregelt. In ihren hier maßgeblichen seit ihrer Fassung durch das ArVNG unverändert gebliebenen Teilen enthielt diese Vorschrift für den Umfang der Beitragserstattung Einschränkungen sowohl in ihrem Absatz 5 als auch in Absatz 1 Satz 1. § 1303 Abs 5 RVO beschränkte im Fall, daß vom Versicherten aus der Versicherung eine Regelleistung in Anspruch genommen worden war, die Erstattung auf die danach entrichteten Beiträge. § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO begrenzte den Erstattungsanspruch auf die im Bundesgebiet für Zeiten nach der Währungsreform (20. Juni 1948) bzw im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 entrichteten Beiträge. Daß die beiden Einschränkungstatbestände in § 1303 Abs 1 Satz 1 und in dessen Abs 5 RVO einander ausschlossen, ist nicht erkennbar. Sie konnten sich vielmehr überlagern. Dies traf im Fall der Klägerin zu. Da sie mit der von der Beklagten gewährten Kur eine Regelleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen hatte, war ihr Erstattungsanspruch nach § 1303 Abs 5 RVO von vornherein auf die danach entrichteten Beiträge beschränkt. Hinsichtlich der davor für Zeiten ab 20. Juni 1948 in der DDR entrichteten Beiträge kam aber eine Beitragserstattung auch schon nach § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO nicht in Betracht.
Die Auswirkung der Erstattung regelte § 1303 Abs 7 RVO. Danach schloß die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Diese sogenannte Verfallswirkung der Erstattung führte nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zur rückwirkenden Aufhebung des Versicherungsverhältnisses und erfaßte somit alle vor der Erstattung liegenden Versicherungszeiten unabhängig davon, ob sie in die Erstattung einbezogen waren oder nicht (vgl BSG Urteil vom 4. Oktober 1979 – 1 RA 83/78 – BSGE 49, 63, 65 = SozR 2200 § 1303 Nr 14 mwN).
Bei der Einordnung des Rentenrechts in das SGB durch Art 1 des RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I, S 2261) wurde die die Erstattung auf Beiträge im Bundesgebiet begrenzende Regelung des § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO durch § 210 Abs 3 Satz 5 SGB VI ersetzt. § 1303 Abs 5 RVO mit der Beschränkung der Erstattung bei Inanspruchnahme einer Regelleistung auf die danach entrichteten Beiträge wurde durch § 210 Abs 5 SGB VI, die Verfallsregelung des § 1303 Abs 7 RVO durch die Bestimmungen in § 210 Abs 6 Satz 2 und 3 SGB VI abgelöst. Soweit diese neuen Vorschriften nicht wortgetreu den abgelösten entsprachen, war eine Rechtsänderung nicht beabsichtigt (vgl BT-Drucks 11/4124, S 61 und 192 und 11/4452, S 6 ff – Begründung Besonderer Teil zu Art 1 SGB VI zu § 205 des – insoweit unverändert verabschiedeten – Gesetzentwurfs). Solche Änderungen wurden jedoch durch Art 1 Nr 38 und 104 des gleichzeitig mit dem SGB VI in Kraft getretenen RÜG vorgenommen.
Entsprechend Art 30 Abs 5 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl II, S 889) – Einigungsvertrag – regelt das RÜG die Einzelheiten der Überleitung des SGB VI, dessen Inkrafttreten im Beitrittsgebiet in einigen Teilen zum 1. Januar 1991 und im übrigen zum 1. Januar 1992 in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 1 schon vorgeschrieben war. Aus der Zielsetzung einer einheitlichen Versicherung und der grundsätzlichen Gleichstellung der in der Sozialversicherung der DDR zurückgelegten Beitragszeiten mit Beitragszeiten nach Bundesrecht (§ 248 Abs 3 SGB VI) ergaben sich dabei im Hinblick auf die die Beitragserstattung einschränkenden Regelungen in § 210 Abs 3 Satz 5 und § 210 Abs 5 SGB VI zwei Problemkreise. Zum einen war zu entscheiden, inwieweit die im Beitrittsgebiet gezahlten Beiträge jetzt in die Erstattung einzubeziehen waren bzw ob und in welcher Weise nach § 210 Abs 3 Satz 5 SGB VI nicht erstattungsfähige, aber gleichwohl von der Verfallswirkung erfaßte Beiträge im Beitrittsgebiet jetzt gleichwohl zu berücksichtigen waren. Zum anderen war zu klären, ob Leistungen aus der Versicherung im Beitrittsgebiet in gleicher Weise wie Leistungen aus einer Versicherung im Bundesgebiet den Ausschluß der Erstattung für davorliegende Beitragszeiten rechtfertigten. Dazu wurden verschiedene Lösungen vertreten (vgl die Darstellung bei Bongartz, MittLVA Rheinpr 1991, S 572, 574).
Genereller Leitgedanke der vom Gesetzgeber beschlossenen Überleitungsregelungen war, die Vorschriften so zu gestalten, daß sie nicht nur die Interessen der Versicherten an einer höchstmöglichen Einzelfallgerechtigkeit berücksichtigten, sondern auch den Interessen der Verwaltung an möglichst praxisnaher Gestaltung und Umsetzbarkeit entgegenkamen (vgl BT-Drucks 12/405, S 108 – Begründung Allgemeiner Teil Abschn I Nr 2 zur Übertragung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet). Der Vorschlag, Beitragszeiten im Beitrittsgebiet in gleicher Weise wie Beitragszeiten im Land Berlin in die Beitragserstattung einzubeziehen, wie er noch in einem Referentenentwurf für ein Renteneinheitsgesetz vom 20. Januar 1991 enthalten war, wurde offenbar wegen der damit zusammenhängenden praktischen Probleme nicht in den Entwurf des RÜG übernommen. § 210 Abs 3 SGB VI wurde vielmehr um den neuen Satz 6 ergänzt, wonach Beiträge im Beitrittsgebiet nur erstattet werden, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind. Im Zusammenhang damit muß die in den Vorläuferentwürfen noch nicht enthaltene als § 286d Abs 2 in das SGB VI aufgenommene Regelung zur Aufhebung der Verfallswirkung für im Beitrittsgebiet gezahlte Beiträge daher als Ausgleich für den fortbestehenden Erstattungsausschluß gesehen werden. Die verschiedenen Vorschläge in den Entwürfen zur Berücksichtigung von im Beitrittsgebiet in Anspruch genommenen Sachleistungen lassen dagegen keinen Zusammenhang mit der Einführung dieser Ausgleichsregelung erkennen. Sie unterschieden sich lediglich hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem Sachleistungen im Beitrittsgebiet zum Ausschluß der Beitragserstattung für davor liegende Zeiten führen sollten.
Vor diesem Hintergrund ist § 286d Abs 2 SGB VI als eine Ergänzung zu § 210 Abs 3 SGB VI in der durch das RÜG geänderten Fassung zu verstehen, nicht jedoch auch als Ergänzung zu § 210 Abs 5 SGB VI, den das RÜG unverändert gelassen und lediglich durch § 286d Abs 1 SGB VI ergänzt hat. Soweit nach § 210 Abs 3 Satz 6 SGB VI für nach dem 20. Juni 1948 aber vor dem 1. Juli 1990 liegende Zeiten im Beitrittsgebiet gezahlte Beiträge weiterhin nicht erstattet werden, schafft § 286d Abs 2 SGB VI einen Ausgleich. Durch die Aufhebung der Verfallswirkung bleiben diese Zeiten als Beitragszeiten erhalten (§ 286d Abs 2 Satz 1 SGB VI). Im Falle, daß Versicherte für diese nach dem früheren Bundesrecht verfallenen Zeiten freiwillige Beiträge nachgezahlt haben, werden anstelle der nun wieder vorhandenen Beitragszeiten auf Antrag die gesamten nachgezahlten Beiträge berücksichtigt, andernfalls werden die nachgezahlten Beiträge erstattet (§ 286d Abs 2 Satz 2 und 3 SGB VI).
Daß sich diese Regelung auf diejenigen Beiträge im Beitrittsgebiet bezieht, für die eine Erstattung nach § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO nicht möglich war und nach § 210 Abs 3 SGB VI weiterhin nicht erfolgt, läßt sich unter Berücksichtigung der aufgezeigten Vorgeschichte auch der Gesetzesbegründung entnehmen. Sie führt aus, § 210 Abs 2 SGB VI korrigiere die bisherige Verfallswirkung einer Beitragserstattung; es sollten danach solche Zeiten im Beitrittsgebiet nicht mehr erfaßt werden, für die die Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet Beiträge bis 31. Dezember 1991 nicht erstattet haben (BT-Drucks 12/405, S 132 – Begründung Besonderer Teil zu Art 1 Änderung des SGB VI Nr 104 ≪§ 286d≫). Einer Korrektur der Verfallswirkung für die im Beitrittsgebiet für Zeiten vor Inanspruchnahme einer Regelleistung im Bundesgebiet gezahlten Beiträge bedurfte es dagegen nicht. Denn die Gleichstellung der Beitragszeiten führte insoweit nicht zu einer Benachteiligung der Versicherten mit im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten. Schon gar nicht konnte das Problem einer möglichen Benachteiligung durch die Einbeziehung nicht nur der Geld-, sondern auch der Sachleistungen aus der Versicherung im Beitrittsgebiet in den Ausschlußtatbestand des § 210 Abs 5 SGB VI als Folge einer einheitlichen Versicherung sachgerecht durch eine derartige Korrektur der Verfallswirkung gelöst werden. Darauf zugeschnitten ist vielmehr die Regelung in § 286d Abs 1 SGB VI, wonach Geldleistungen aus der Versicherung stets zum Ausschluß einer Erstattung der für Zeiten davor gezahlten Beiträge führen, während die aus einer Versicherung im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1991 in Anspruch genommenen Sachleistungen eine solche Wirkung nicht haben. Diese Regelung beruht darauf, daß Sachleistungen im Beitrittsgebiet aufgrund der dort nach dem Einigungsvertrag schon zum 1. Januar 1991 dort in Kraft gesetzten Rehabilitationsvorschriften des SGB VI ab diesem Zeitpunkt den Sachleistungen im Bundesgebiet vergleichbar waren.
Da die Regelung des § 286d Abs 2 SGB VI lediglich ein Ersatz dafür ist, daß nach § 210 Abs 3 Satz 6 SGB VI für Zeiten vor der Währungsunion im Beitrittsgebiet gezahlte Beiträge weiterhin von der Erstattung ausgeschlossen sind, kann diese Regelung nicht als eine generelle Beseitigung der Verfallswirkung für aus anderen Gründen nicht erstattungsfähige Beiträge verstanden werden. Dagegen läßt sich auch nicht anführen, daß die den Erstattungsausschluß bewirkende Regelleistung an die Klägerin nur auf Beiträgen im Bundesgebiet beruhte. Die Gewährleistung von Rehabilitationsleistungen nach dem 1953 geltenden Recht setzte keine bestimmte Beitragsleistung voraus. Ein Wiederaufleben der im Beitrittsgebiet vor Inanspruchnahme einer Regelleistung im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten liefe aber auch der mit den Überleitungsregelungen verfolgten weitgehenden Vereinheitlichung des Rentenrechts zuwider und würde Versicherte mit Beitragszahlungen im Beitrittsgebiet ungerechtfertigt besser stellen als Versicherte mit Beitragszahlungen nur im alten Bundesgebiet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175673 |
BSGE 82, 266 |
BSGE, 266 |
DStR 1999, 1627 |
ZAP-Ost 1998, 588 |
NZS 1999, 305 |
SGb 1999, 377 |
SozR 3-2600 § 286d, Nr.1 |
SozSi 1999, 343 |
www.judicialis.de 1998 |