Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmungen der ÄZO BZ über die zahlenmäßig beschränkte Zulassung von Ärzten zur kassenärztlichen Tätigkeit sind nicht verfassungswidrig; sie verletzen nicht GG Art 2 und 12.
2. Das Ermessen der Zulassungsinstanzen bei Besetzung einer Kassenarztstelle ist durch die Auswahlgrundsätze des ZO-Ärzte brit Zone § 18 rechtssatzmäßig beschränkt; eine Überschreitung des gesetzlich eingeräumten Ermessens liegt daher vor, wenn die in § 18 aufgeführten Grundsätze nicht beachtet sind.
3. Die bei der Auswahl zu berücksichtigenden Umstände sind in ZO-Ärzte brit Zone § 18 nicht erschöpfend aufgeführt; vielmehr sind auch andere Sachverhalte zu berücksichtigen, sofern es das billige Ermessen erfordert. Demgemäß kann die späte Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft zugunsten eines Bewerbers im Rahmen der Gesamtwürdigung auch in Fällen berücksichtigt werden, in denen HKG § 7b Abs 3 in der Fassung 1953-08-17 noch nicht anzuwenden war.
Normenkette
RVO § 368a Fassung: 1955-08-17; GG Art. 12 Fassung: 1956-03-19; ÄZO BrZ § 18 Fassung: 1948-04-21; GG Art. 2 Fassung: 1949-05-23; HkG § 7b Abs. 3 Fassung: 1953-08-17
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Februar 1953 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Der Kläger ist praktischer Arzt. Er bewarb sich im Jahre 1951 um eine Kassenarztstelle in St. H (Kreis K), die durch Beschluß des Zulassungsausschusses in K vom 23. Juni 1951 jedoch dem Beigeladenen zugesprochen wurde. Der beklagte Berufungsausschuß bestätigte mit seiner Entscheidung vom 22. September 1951 den Beschluß des Zulassungsausschusses. Bei der Auswahl der Bewerber hat der Beklagte das höhere Lebens- und Approbationsalter des Beigeladenen zu dessen Gunsten gewertet. Die Heimatzugehörigkeit der beiden Bewerber zur Gemeinde des Kassenarztsitzes wurde gleichgeachtet. Hingegen sprachen nach Meinung des Beklagten Familienstand - im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung war der Kläger verheiratet und hatte ein Kind, der Beigeladene war ledig -, die längere Ausbildungszeit des Klägers und der Umstand, daß der Kläger sich auf Grund eines mit der Witwe eines verstorbenen Arztes in St. H abgeschlossenen Praxisübernahmevertrages bereits am Ort der ausgeschriebenen Kassenarztstelle eingearbeitet hatte, zugunsten des Klägers. Der Beklagte hat jedoch die für den Kläger zu wertenden Umstände durch die erst 1949 erfolgte Heimkehr des Beigeladenen aus russischer Kriegsgefangenschaft als ausgeglichen angesehen, zumal gerade die Spätheimkehr den Beigeladenen daran gehindert habe, früher zu heiraten und Ausbildungszeiten in dem Umfang aufzuweisen, wie sie beim Kläger vorliegen. Bei der Gesamtabwägung aller Auswahlmomente hat er daher dem Beigeladenen den Vorzug gegeben.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger beim Landesverwaltungsgericht in Düsseldorf Anfechtungsklage erhoben, die durch Urteil vom 13. Februar 1952 abgewiesen wurde. Auch die beim Oberverwaltungsgericht (OVerwG.) für das Land Nordrhein-Westfalen eingelegte Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. In seiner Entscheidung vom 4. Februar 1953 bejahte das OVerwG. die Verfassungsmäßigkeit der Zulassungsordnung für Ärzte in der britischen Zone (ZulO br. Zone) vom 21. April 1948 (ArbBl. f. d. br. Zone 1948 S. 250). Es sah in der kassenärztlichen Tätigkeit die Ausübung eines unselbständigen Berufs, wobei entweder die Krankenkassen oder die Kassenärztliche Vereinigung als Arbeitgeber anzusehen seien. Das durch Art. 12 GG verbürgte Grundrecht der Berufsfreiheit beschränke sich beim unselbständigen Beruf auf die in Art. 12 Abs. 1 und 2 GG besonders hervorgehobene freie Wahl des Arbeitsplatzes; es verbürge keinen Anspruch auf Einräumung eines bestimmten Arbeitsplatzes. Bei der weiteren Prüfung, ob der Beklagte die Grenzen des ihm nach § 18 ZulO br. Zone für die Auswahl unter den Bewerbern eingeräumten Ermessens eingehalten habe, ist das OVerwG. zu dem Ergebnis gekommen, daß die Entscheidung unter sachlicher Würdigung aller Gesichtspunkte innerhalb des Ermessensspielraums des Beklagten getroffen sei. Es hat demnach die Zulassungsentscheidung des Beklagten als rechtmäßig angesehen und die Berufung zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen.
Gegen das Urteil des OVerwG. hat der Kläger bei diesem Gericht Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen des Klägers in der letzten mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zu erkennen.
In der Revisionsbegründung wird in erster Linie die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts angegriffen, daß die ZulO br. Zone nicht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen über die Berufsfreiheit stehe. Nach Ansicht des Klägers wäre das Niederlassungsrecht des Arztes ohne das Recht, auch Kassenpatienten zu behandeln ein bloßes Scheinrecht, da etwa dreiviertel der Bevölkerung der Bundesrepublik von der gesetzlichen Krankenversicherung erfaßt würden. Weiterhin hat der Kläger geltend gemacht, daß das Berufungsgericht die Bedeutung des Heimkehrergesetzes vom 30. Oktober 1951 (BGBl. I S. 875) für die nach § 18 ZulO br. Zone zu beachtenden Auswahlgesichtspunkte verkannt habe; die Heimkehrereigenschaft sei im Rahmen des Zulassungsrechts nur dann zu berücksichtigen, wenn der Heimkehrer von seiner Einberufung oder Internierung bereits zur Kassenpraxis zugelassen gewesen sei, nicht aber, wenn er sich erstmals um die Zulassung als Kassenarzt bewerbe. Unter den nach § 18 Abs. 3 ZulO abzuwägenden Gesamtumständen könne die Heimkehrereigenschaft nur insofern eine Rolle spielen, als der Bewerber nachweisen könne, daß er in der Kriegsgefangenschaft besonders hohe menschliche Qualitäten oder ärztliche Fähigkeiten erworben habe; dafür sei aber im vorliegenden Fall nichts dargetan.
Der beklagte Berufungsausschuß hat um Zurückweisung der Revision gebeten. Er hält das angegriffene Urteil des OVerwG. für zutreffend.
Der Beigeladene hat gleichfalls Zurückweisung der Revision beantragt. Er tritt insbesondere der Auffassung der Revision entgegen, daß die späte Heimkehr aus Kriegsgefangenschaft nur dann zugunsten eines Bewerbers berücksichtigt werden dürfe, wenn der Heimkehrer in der Kriegsgefangenschaft besonders wertvolle Eigenschaften allgemeinmenschlicher oder fachlicher Art erworben habe.
In dem zunächst bei dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG.) anhängig gewesenen Revisionsverfahren hat der Oberbundesanwalt beim BVerwG. vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus der dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Auffassung widersprochen, daß die Kassenarzttätigkeit ein abhängiger ärztlicher Beruf sei. Er hat hierbei besonders Gewicht auf den steuerrechtlichen Gesichtspunkt gelegt, daß auch Einkünfte aus der Kassenarzttätigkeit zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes) rechnen.
Mit Beschluß vom 11. Februar 1954 hat das BVerwG. festgestellt, daß der Rechtsstreit am 1. Januar 1954 auf das Bundessozialgericht (BSG.) übergegangen ist.
II.
1.) Gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen keine Bedenken.
Die Streitsache ist, wie das BVerwG. in seinem Beschluß vom 11. Februar 1954 zutreffend festgestellt hat, am 1. Januar 1954 auf das BSG. übergegangen (§ 215 Abs. 9 in Verbindung mit §§ 51 Abs. 1 und 2, 224 Abs. 1 SGG). Nach § 215 Abs. 9, 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) richtet sich die Zulässigkeit der Revision nach dem SGG. Die Revision wäre demnach gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, wenn das Landessozialgericht (LSG.) sie zugelassen hätte, was dadurch ausgeschlossen wird, daß das LSG. mit dieser Streitsache nie befaßt wurde; im vorliegenden Fall hat vielmehr das OVerwG. die Revision nach § 53 Abs. 2 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVerwGG) zugelassen.
Der Senat hat jedoch bereits entschieden, daß in Übergangsfällen nach Art des vorliegenden die Revision jedenfalls dann statthaft ist, wenn die vom Revisionsgericht anzustellende Prüfung ergibt, daß im Revisionsverfahren über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu entscheiden ist (BSG. I S. 17 (21) und Urteil vom 29.5.1956 (6 RKa 14/54); vgl. auch BSG. I S. 11 (13)). Da die von der Revision aufgeworfenen Fragen über die Vereinbarkeit der ZulO br. Zone mit dem GG und die Bewertung der Heimkehrereigenschaft eines Arztbewerbers im Rahmen der Zulassungsentscheidung nach § 18 ZulO br. Zone eine weit über den Einzelfall hinausgehende -- grundsätzliche - Bedeutung haben, ist die Revision statthaft.
Was die Parteifähigkeit des beklagten Berufungsausschusses im Verfahren vor dem BSG. betrifft, so kann insoweit auf die Ausführungen im Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1956 - 6 RKa 14/54 - verwiesen werden. Hiernach ist der beklagte Berufungsausschuß eine Behörde. Den Behörden ist im Lande Nordrhein-Westfalen durch Gesetz vom 29. November 1955 (GVBl. NRW Ausg. A S. 230) die Fähigkeit zuerkannt worden, am sozialgerichtlichen Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 70 Nr. 3 SGG) beteiligt zu sein. Unerörtert konnte daher im vorliegenden Streitfall die Frage bleiben, ob der beklagte Berufungsausschuß nicht auch nach § 70 Nr. 4 SGG die Fähigkeit besitzt, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein.
2. Die von der Revision in erster Linie zur Nachprüfung gestellte Frage, ob die ZulO br. Zone in Einklang mit dem Bonner Grundgesetz stehe, ist bereits im Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1956 - 6 RKa 14/54 - im Anschluß an die in BSG. 2 S. 201 veröffentlichte Entscheidung bejaht worden. Der Senat hat in diesen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß sich das System der beschränkten Zulassung zur Kassenpraxis, wie es in den Zulassungsordnungen seinen Ausdruck findet, nicht gegen das in Art. 12 GG gewährleistete Recht der Berufsfreiheit richtet, sondern die Verleihung einer mit besonderer Verantwortung verbundenen öffentlich-rechtlichen Rechtstellung zum Gegenstand hat. Von einer im Grunde ähnlichen Auffassung scheint das Berufungsgericht ausgegangen zu sein, wenn es die Kassenarzttätigkeit als die Tätigkeit eines abhängigen Arbeitnehmers - sei es der Kassenärztlichen Vereinigung, sei es der Krankenkassen - ansieht, dem ein Anspruch auf Einräumung eines bestimmten Arbeitsplatzes (Tätigkeitsbereichs) durch Art. 12 GG nicht eingeräumt werde. Diese Beurteilung der kassenärztlichen Tätigkeit ist allerdings insofern nicht haltbar, als sie den Kassenarzt als Arbeitnehmer betrachtet; denn der Arzt, der zur kassenärztlichen Praxis zugelassen ist, bleibt auch in Erfüllung dieser Aufgabe im Rahmen seines ärztlichen Berufs selbständig (BSG. Bd. 2, S. 216 u. 217). Im Ergebnis richtig ist jedoch, daß sich aus dem durch Art. 12 GG verbürgten Recht der Berufsfreiheit auch für Angehörige freier Berufe nicht ein Anspruch auf Einräumung einer bestimmten Berufsposition ableiten läßt.
Der Revision kann auch darin nicht gefolgt werden, daß das System der beschränkten Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) beeinträchtige. Es bedarf keiner Erörterung, ob Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur den Schutz eines Mindestmaßes menschlicher Handlungsfreiheit bedeutet und damit in seiner Anwendung auf die tragenden Ordnungsprinzipien des gesellschaftlichen Zusammenlebens beschränkt ist, zu denen die Art der Regelung der kassenärztlichen Zulassung in den gegenwärtigen Zulassungsordnungen nicht gehört. Denn auch wenn man in der Vorschrift des Art. 2 Abs. 1 eine umfassendere Gewährung der Handlungsfreiheit sehen wollte, würde sie doch auf Beschränkungen der Berufsfreiheit nicht anzuwenden sein, weil die Seite der Freiheitsverbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG, die die Berufsfreiheit betrifft, ihre Konkretisierung in Art. 12 GG gefunden hat. Mit Recht wird insoweit die Gewährleistung der Berufsfreiheit durch Art. 12 GG als Spezialgesetz gegenüber der allgemeinen Freiheitsgarantie in Art. 2 Abs. 1 GG angesehen (Wernicke a. a. O. Anm. II 1 b zu Art. 2; vgl. dazu auch Scheuner a. a. O. S. 31 sowie BGH im Gutachten vom 28.4.1952 in DVBl. 1953 S. 471 (472) und BVerwG 1 S. 48 (51)). Ist deshalb für die Regelung der kassenärztlichen Versorgung durch Zulassungsordnungen festzustellen, daß sie das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht berührt (vgl. BSG. 2 S. 217), so kann auch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit insoweit nicht verletzt sein, als es sich um die Freiheit der Berufsaufnahme und Berufsausübung handelt. Andere Gesichtspunkte, die sich "im Bereich des Persönlichkeitskerns" (von Mangoldt-Klein, Bonner GG, 2. Aufl., Anm. II 2 zu Art. 2) halten müßten, kommen in diesem Zusammenhang unter dem Blickwinkel der allgemeinen Freiheitsverbürgung des Art. 2 Abs. 1 GG nicht in Betracht. Die weitere Frage, ob das Grundrecht der Berufsfreiheit als besonderer Anwendungsfall des in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch an die dort vorgesehenen Schranken gebunden ist, kann hier dahingestellt bleiben. Da die ZulO br. Zone weder eine Einschränkung der freien Berufswahl noch der Ausübung des ärztlichen Berufs in sich schließt, hat die Frage, welche Schranken einem solchen Eingriff gesetzt wären, für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der ZulO br. Zone keine Bedeutung. Der Senat hält daher in Bestätigung seines oben erwähnten Urteils vom 29. Mai 1956 daran fest, daß die ZulO br. Zone nicht gegen das Grundgesetz verstößt.
3.) Die Revision konnte auch insoweit keinen Erfolg haben, als sie dem beklagten Berufungsausschuß Ermessensmißbrauch bei der Auswahlentscheidung nach § 18 ZulO br. Zone zur Last legt (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie hat hierzu ausgeführt, daß der beklagte Berufungsausschuß bei seiner Zulassungsentscheidung zu Unrecht die Heimkehrereigenschaft des Beigeladenen berücksichtigt habe. Dieser Rechtsauffassung der Revision würde § 7 b Abs. 3 des Heimkehrergesetzes (HkG) in der Fassung des Gesetzes vom 17. August 1953 (BGBl. I S. 931), der den nach dem 1. Januar 1948 Heimgekehrten ausdrücklich bei der Auswahl der Bewerber um Neuzulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit bei sonst gleichen fachlichen Voraussetzungen einen Vorzug einräumt, dann entgegenstehen, wenn diese Vorschrift im vorliegenden Fall anzuwenden wäre. Sie ist aber erst nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung des Beklagten in Kraft getreten. Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts ist grundsätzlich die Rechtslage zur Zeit seines Erlasses maßgebend (vgl. Urteil vom 29.5.1956 - 6 RKa 14/54 -). Es fragt sich allerdings, ob dieser Grundsatz auch dann uneingeschränkt gilt, wenn es sich um einen "Verwaltungsakt mit Dauerwirkung" handelt und das neue Gesetz den bereits erlassenen Verwaltungsakt nach seinem zeitlichen Geltungswillen noch erfassen will (vgl. Bachof in JZ. 1954 S. 416 ff., abweichend BVerwG 2 S. 55 (60/61)). Diese Fragen können im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, denn die angefochtene Zulassungsentscheidung des Beklagten erweist sich auch dann als rechtmäßig, wenn man von der Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses - 22. September 1951 - ausgeht.
Das damals gültige HkG vom 19. Juni 1950 (BGBl. I S. 221) in der Fassung des Gesetzes vom 30. Oktober 1951 (BGBl. I S. 875) sah, worauf die Revision zutreffend hinweist, nur vor, daß Heimkehrer, die vor ihrer Einberufung als Ärzte zur Kassenpraxis nach deutschen Vorschriften zugelassen wären, weiterhin als zur Kassenpraxis zugelassen gelten. Diesem Schweigen des Gesetzes in der Frage, ob und in welchem Umfange die Heimkehrereigenschaft bei der Neuzulassung zu berücksichtigen sei, kann aber nur die Bedeutung beigemessen werden, daß nicht aus dem HkG a. F. selbst ein bestimmter Vorrang des Heimkehrers bei der Zulassungsbewerbung abgeleitet werden darf, wie es § 7 b Abs. 3 HkG in der Fassung des Gesetzes vom 17. August 1953 ausdrücklich vorschreibt. Jedoch kann hieraus nichts für die Frage gefolgert werden, ob und in welchem Ausmaß die Heimkehrereigenschaft schon im Rahmen des § 18 der bereits 1948 erlassenen ZulO br. Zone zu berücksichtigen ist.
Die unter den Bewerbern zu treffende Auswahl hat nach § 18 Abs. 3 ZulO br. Zone nach billigem Ermessen unter Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Das Ermessen der Zulassungsinstanzen ist hierbei nicht völlig frei; sie haben vielmehr bei der Auswahlentscheidung die Vorrangsgründe nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 ZulO br. Zone und die allgemeinen Umstände nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 ZulO br. Zone zu berücksichtigen. Unter den in § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone aufgezählten Gesichtspunkten fehlt die Heimkehrereigenschaft. Indessen kann die Aufzählung der in § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone aufgeführten Umstände, die für die Auswahlentscheidung von Bedeutung sein sollen, bei der Vielfältigkeit der Lebensschicksale nicht als erschöpfend angesehen werden. Der Gesetzgeber hätte sich angesichts der ständigen auf den Bereich der kassenärztlichen Versorgung einwirkenden Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Kräftespiel eine nahezu unlösbare Aufgabe zugemutet, wenn er bei Erlaß der ZulO alle Umstände im einzelnen hätte erfassen wollen, die für die Zulassung beachtlich sein können. Die vom Gesetz geforderten Entscheidung nach billigem Ermessen unter Abwägung aller Umstände" (§ 18 Abs. 3 ZulO br. Zone) verpflichtet daher die Zulassungsinstanzen zur Berücksichtigung auch solcher Umstände, die zwar in § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone nicht ausdrücklich genannt sind, aber nach Sinn und Zweck der ZulO bei der Auswahlentscheidung nicht unbeachtet bleiben dürfen (ebenso LSG. Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 28.9.1954 (Ärztl. Mitt. 1955 S. 86 - 89); ferner Bayer. LSG. für den gleichlautenden § 18 Bay ZulG in zwei Urteilen vom 18.3.1954 (Breith. 1954 S. 460 - 468 - und S. 665 - 669 -); Heinemann-Koch, Kassenarztrecht, Stand: Juni 1955, Vorbemerk. zu § 18 ZulO br. Zone S. 52).
Zu diesen Umständen rechnet auch die Heimkehrereigenschaft eines Zulassungsbewerbers. Wenn die Revision demgegenüber anführt, die Zulassungsinstanzen hätten schon deshalb nicht die Heimkehrereigenschaft des Beigeladenen in die Gesamtwürdigung der Auswahlgesichtspunkte einbeziehen dürfen, weil das Zulassungsrecht nicht den Interessen des einzelnen Arztes, sondern den Interessen der sozialversicherten Bevölkerung diene und es daher entscheidend auf die Eignung des Arztbewerbers ankomme, so verkennt sie das Wesen der Zulassungsentscheidung und der nach dem Gesetz hierbei zu berücksichtigenden Gesichtspunkte. Wie § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone klar erkennen läßt, sind bei der Entscheidung über die Zulassung sowohl die Interessen der Versicherten und Versicherungsträger als auch die der Zulassungsbewerber zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Sosehr dabei unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen kassenärztlichen Versorgung der Versicherten der Frage der Eignung Gewicht beizumessen ist, so fordern doch auch soziale Gesichtspunkte, wie sie sich aus Familienstand, Flüchtlings- oder Schwerbeschädigteneigenschaft ergeben, angemessene Beachtung. Die Fassung des § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone, der bei den Vorrangsgesichtspunkten der Nr. 1 (vgl. a, b und d dieser Nr.) überwiegend auf Wiedergutmachung erlittenen Unrechts und Ausgleich von Härten im persönlichen Lebensschicksal abstellt und die für die Fragen der Eignung besonders bedeutsamen Momente des Zeitpunkts der Approbation und der Ausbildungszeit nach der Approbation unter die nur "im übrigen" zu berücksichtigenden Umstände der Nr. 2 rechnet, könnte sogar die Annahme nahelegen, daß der Gesetzgeber damals besonderes Gewicht auf die Beachtung der auf die individuell-persönliche Interessenlage bezogenen Billigkeitsmomente gelegt hat. Jedenfalls zeigen die in § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone ausdrücklich genannten Billigkeitsgesichtspunkte, die den Ausgleich von Härten des persönlichen Lebensschicksals zum Ziele haben, zur Genüge, daß die Spätheimkehrereigenschaft ebenso wie Flüchtlings- oder Schwerbeschädigteneigenschaft bei der Auswahlentscheidung nicht übergangen werden dürfen.
Diese Überlegung entkräftet auch das weitere Argument der Revision, daß die lange Dauer der Kriegsgefangenschaft des Beigeladenen allenfalls dann bei der Zulassungsentscheidung hätte berücksichtigt werden dürfen, wenn der Beigeladene in der Kriegsgefangenschaft Eigenschaften allgemeinmenschlicher oder spezifisch medizinischer Art erworben hätte, die seine Bevorzugung gegenüber dem Kläger rechtfertigen könnten. Wenn nach Sinn und Zweck des § 18 Abs. 2 und 3 ZulO br. Zone die lange Dauer der Kriegsgefangenschaft schon im Hinblick auf die Schwere des Schicksals der Spätheimkehrer Berücksichtigung verdient, so kann es nicht mehr auf die Frage ankommen, welche Eigenschaften oder Fähigkeiten der Zulassungsbewerber im Laufe der Kriegsgefangenschaft etwa erworben hat. Im übrigen sind stark ins Subjektive gehende Wertungen der Person des einzelnen Arztes dem Zulassungsrecht auch grundsätzlich fremd. Die in § 18 Abs. 2 ZulO br. Zone angeführten Auswahlgesichtspunkte lassen erkennen, daß das Gesetz vornehmlich auf objektive Merkmale abstellt, die verhältnismäßig leicht und irrtumsfrei festzustellen sind.
Demnach war es dem beklagten Berufungsausschuß nicht verwehrt, bei der Abwägung der für die Auswahlentscheidung in Betracht kommenden Momente zugunsten des Beigeladenen auch die lange Dauer seiner Kriegsgefangenschaft zu berücksichtigen (im Ergebnis ebenso BayLSG. im Urteil vom 18.3.1954 in Breithaupt 1954 S. 469 (472)). Wie das Berufungsgericht bedenkenfrei festgestellt hat, konnte der Beklagte ohne Überschreitung der Grenzen seines Ermessens die für den Kläger sprechenden Umstände (Familienstand, längere Ausbildungszeit und Praxisübernahme am Kassenarztsitz) durch die Spätheimkehr des Beigeladenen als ausgeglichen betrachten und insbesondere dabei berücksichtigen, daß gerade die Kriegsgefangenschaft dem Beigeladenen es nicht ermöglicht hat, eine Familie zu gründen und sich einer längeren Ausbildungszeit zu unterziehen. Zugunsten des Beigeladenen sprach ferner das um fast 6 Jahre höher liegende Lebens- und Approbationsalter. Wenn der Beklagte nach Abwägung aller Umstände das Übergewicht der berücksichtigungswürdigen Momente auf Seiten des Beigeladenen gesehen hat, so kann hierin nicht eine willkürliche, die Grenzen des Ermessensspielraums mißachtende Beurteilung erblickt werden, die allein die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als rechtswidrig erfordern würde.
Die Revision ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Eine Erstattung der dem beklagten Berufungsausschuß entstandenen Kosten findet nicht statt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29.5.1956 in "Sozialrecht" SGG § 193, Nr. 2 Bl. Da 1).
Fundstellen