Leitsatz (amtlich)
§ 55 Abs 2 (iVm Abs 1 Nr 1) SGG ist anwendbar, wenn die Berücksichtigung von Beiträgen streitig ist, soweit eine Vorschrift eine Beitragsentrichtung verlangt.
Normenkette
SGG § 55 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1953-09-03; SGG § 55 Abs 2 Fassung: 1953-09-03; AVG § 25 Abs 2 S 2 Fassung: 1981-12-22; RVO § 1248 Abs 2 S 2 Fassung: 1981-12-22
Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 22.08.1983; Aktenzeichen S 14 An 103/82) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung verlangen kann, daß er - in nicht näher bestimmter Zeit - eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung iS von § 25 Abs 2 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) ausgeübt hat.
Für den am 2. Oktober 1923 geborenen Kläger sind ab 1960 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze keine Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung mehr entrichtet worden. Von 1968 an hat er sich aufgrund von Art 2 § 1 Abs 1 Buchst b des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Finanzänderungsgesetzes 1967 (BGBl I 1259) auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen. Seit 1960 leistet er freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung. Seine Absicht, mit dem 59. Lebensjahr aus dem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden, um nach einer Arbeitslosigkeit von 52 Wochen das vorgezogene Altersruhegeld gemäß § 25 Abs 2 AVG zu beantragen, verwirklichte er wegen der ab 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Änderung des Gesetzes durch das AFKG nicht, begehrte aber im Juni 1982 im Klagewege festzustellen, daß die von ihm geleisteten freiwilligen Beiträge "für die Annahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung iS von § 25 Abs 2 Satz 2 AVG ausreichend sind".
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage aufgrund von § 55 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. März 1979 - 12 RK 53/78 - für zulässig gehalten; sie habe Bedeutung für die Entscheidung des Klägers, zur Erlangung des Altersruhegeldes eine einjährige Arbeitslosigkeit auf sich zu nehmen. Die Klage sei in der Sache jedoch unbegründet. Zwar sei im Gesetz nur von einer "rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung" die Rede, doch müßten tatsächlich Pflichtbeiträge entrichtet sein. § 25 Abs 2 Satz 2 AVG enthalte insoweit die gleiche Formulierung wie der Abs 3 für das vorzeitige Frauenaltersruhegeld. Hierzu habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden (Hinweis auf SozR Nrn 20, 24 und 44 zu § 1248 der Reichsversicherungsordnung -RVO-), daß eine solche Beschäftigung allein dann gegeben sei, wenn eine Verpflichtung zu Beiträgen bestanden habe und solche entrichtet worden seien; diese Rechtsprechung sei entsprechend anzuwenden. Eine Gleichstellung freiwilliger Beiträge mit Pflichtbeiträgen sei im Rahmen von § 25 Abs 2 Satz 2 AVG nicht möglich.
Mit der vom SG zugelassenen Revision beantragt der Kläger, das Urteil aufzuheben und festzustellen, daß die geleisteten freiwilligen Beiträge für die Annahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung iS von § 25 Abs 2 Satz 2 AVG ausreichend sind.
Zur Begründung rügt er eine Verletzung des § 25 Abs 2 Satz 2 AVG. Der Wortlaut des Gesetzes verlange keine Beitragsentrichtung, vielmehr genüge die rentenversicherungspflichtige Beschäftigung. Zu § 25 Abs 3 AVG habe das BSG nicht festgestellt, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung eine Beitragspflicht voraussetze, sondern nur, daß eine tatsächliche Beitragsentrichtung erforderlich sei. Für die rentenversicherungspflichtige Beschäftigung müsse die freiwillige Beitragsentrichtung genügen; weder nach Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 25 Abs 2 AVG sei einzusehen, weshalb derjenige, der freiwillige Beiträge wie ein Pflichtversicherter entrichtet habe, vom Arbeitslosenruhegeld ausgeschlossen sein solle.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die - mit formgemäßer Zustimmung der Beklagten eingelegte - Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber schon deshalb nicht begründet, weil die erhobene Feststellungsklage der Zulässigkeit ermangelt; das SG hätte sie, anstatt in der Sache zu entscheiden, aus prozessualen Gründen als unzulässig abweisen müssen.
Eine Feststellungsklage ist nach § 55 SGG zulässig, wenn mit ihr eine dieser Vorschrift entsprechende Feststellung verlangt wird und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Insoweit kann hier zwar das Feststellungsbegehren, wenn auch nur unter einem von mehreren Aspekten, als statthaft erachtet, das außerdem erforderliche Feststellungsinteresse jedoch nicht bejaht werden.
Der Kläger will festgestellt haben, daß die von ihm entrichteten "freiwilligen Beiträge für die Annahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung iS des § 25 Abs 2 Satz 2 AVG ausreichend sind". Dieses Begehren läßt sich näher erst verstehen, wenn der Gesetzeswortlaut und seine Auslegung durch den Kläger dabei mitberücksichtigt werden. Nach § 25 Abs 2 Satz 2 AVG erhält ein Versicherter, der die Voraussetzungen des Satzes 1 für das Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit erfüllt, diese Leistung nur, wenn er "in den letzten zehn Jahren mindestens acht Jahre eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat". Dies bejaht der Kläger schon deshalb, weil die von ihm ausgeübte Beschäftigung "an sich" rentenversicherungspflichtig gewesen sei; falls zusätzlich - wie er meint: ohne Anhalt im Wortlaut - Beitragsleistungen für die Beschäftigungszeiten erforderlich seien, hält er hilfsweise auch diese Voraussetzung mit seinen freiwilligen Beiträgen für erfüllt.
Angesichts dieses Vorbringens kann das Feststellungsbegehren nur unter dem letztgenannten Gesichtspunkt dem § 55 SGG untergeordnet werden. Denn Feststellungen, wie eine Vorschrift auszulegen und ob ein Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, betreffen nicht das "Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses" iS der allein in Betracht kommenden Nr 1 von Abs 1 (BSGE 4, 184, 185; SozR Nr 53 zu § 55 SGG). Nach Abs 2 fällt unter Abs 1 Nr 1 jedoch auch die Feststellung, "in welchem Umfang Beiträge (zu berechnen oder) anzurechnen sind". Wie der 12. Senat des BSG in der vom SG bereits herangezogenen Entscheidung vom 8. März 1979 (USK 1979 Nr 7945) unter Hinweis auf BSGE 4, 265, 266 ausgeführt hat, gehören hierzu Feststellungen, ob (und ggfs inwieweit) Beiträge für die Erfüllung der Wartezeit, die Erhaltung einer Anwartschaft, die Berechnung der Rente oder das Recht zur Weiterversicherung zu berücksichtigen sind; nach seiner Meinung erfaßt § 55 Abs 2 SGG aber ferner die Feststellung, ob (bestimmte) freiwillige Beiträge zB bei der Halbbelegung für Ausfallzeiten den Pflichtbeiträgen gleichstehen. Der erkennende Senat stimmt dieser weiten Auslegung des § 55 Abs 2 SGG zu, weil sie dem verstärkten Bedürfnis nach verbindlichen Vorabklärungen vor späteren Rentenfeststellungen Rechnung trägt (vgl BSGE 31, 226 f); nach seiner Auffassung ist § 55 Abs 2 SGG immer dann anwendbar, wenn streitig ist, ob (bestimmte) Beiträge zu berücksichtigen sind, soweit eine Vorschrift eine Beitragsentrichtung verlangt. Dementsprechend bezweifelt der Senat auch nicht mehr (wie noch in SozR Nr 53 zu § 55 SGG), daß § 55 Abs 2 SGG in seinem Rahmen damit Feststellungen über Verhältnisse zuläßt, die keine Rechtsverhältnisse sind. Unter diesem Blickpunkt erstrebt der Kläger mithin hier eine Feststellung der "Anrechnung von Beiträgen", wenn er die Berücksichtigung seiner freiwilligen Beiträge für den Fall fordert, daß § 25 Abs 2 Satz 2 AVG für die dort rechtserhebliche rentenversicherungspflichtige Beschäftigung außerdem die Entrichtung von Beiträgen voraussetzt.
Es läßt sich jedoch nicht erkennen, daß der Kläger an einer baldigen Feststellung der von ihm gewünschten Art ein berechtigtes Interesse hat. Nach seiner vom SG übernommenen Darstellung benötigt er die Feststellung für einen künftigen Entschluß, eine einjährige Arbeitslosigkeit auf sich zu nehmen, um das Altersruhegeld nach § 25 Abs 2 AVG zu erlangen. Da der Kläger im Oktober 1923 geboren ist, käme für ihn nach § 25 Abs 2 Satz 1 AVG ein vorzeitiges Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit zwar schon nach einer Arbeitslosigkeit von 52 Wochen und damit noch vor Vollendung seines 65. Lebensjahres (§ 25 Abs 5 AVG) und selbst seines 63. Lebensjahres (§ 25 Abs 1, zu dem Feststellungen fehlen) in Betracht. Dann müßte er in dieser Zeit aber tatsächlich "arbeitslos" und nicht nur ohne Beschäftigung sein. Hierfür gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Nach ständiger Rechtsprechung zu den §§ 1248 Abs 2 RVO, 25 Abs 2 AVG (beispielhaft: SozR Nrn 8, 19, 33, 40, 61 zu § 1248 RVO; SozR 2200 § 1248 Nrn 11, 28) gehört zur Arbeitslosigkeit, daß der Versicherte ernstlich arbeitsbereit ist, also in Arbeit vermittelt werden will. Der Kläger will aber nur dadurch in "Arbeitslosigkeit" kommen, daß er aus eigenem Entschluß aus seinem derzeitigen Beschäftigungsverhältnis ausscheidet. Angesichts dessen erscheint es nicht glaubhaft, daß er unmittelbar nach dem Ausscheiden dann wieder ernstlich arbeitsbereit sein würde.
Die Revision des Klägers ist nach alledem wegen Unzulässigkeit der erhobenen Feststellungsklage als unbegründet zurückzuweisen, so daß der Senat in der Sache zur Auslegung des § 25 Abs 2 Satz 2 AVG hier keine Stellung nehmen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen