Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwartschaftszeit. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. nicht nur vorübergehende Arbeitszeitvereinbarung. Anwendung des § 112 Abs 7. Verfassungsmäßigkeit des § 112 Abs 5 Nr 4 S 2 AFG
Leitsatz (amtlich)
1. Ist aus halbschichtiger ABM-Beschäftigung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entstanden, so rechtfertigt dessen geringe Höhe weder den Rückgriff auf den höheren Leistungssatz einer früher bezogenen Arbeitslosenhilfe noch die fiktive Bemessung nach dem Entgelt einer Vollzeittätigkeit, sofern die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 112 Abs 5 Nr 4 bzw § 112 Abs 7 AFG) nicht vorliegen (Fortführung von BSG vom 26.4.1989 - 7 RAr 90/87 = SozR 4100 § 112 Nr 49; BSG vom 8.6.1989 - 7 RAr 40/88 -, vom 12.7.1989 - 7 RAr 62/88 -, vom 26.9.1989 - 11 RAr 79/89 -).
2. Zur Zumutbarkeit der Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung, deren Netto-Entgelt nur wenig über dem Leistungssatz der bisherigen Arbeitslosenhilfe liegt.
Orientierungssatz
1. Das verwirklichte Tatbestandsmerkmal der Anwartschaftszeit läßt sich nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als nicht gegeben fungieren (vgl BSG vom 12.7.1989 - 7 RAr 62/88).
2. Ob eine Arbeitszeitvereinbarung vorübergehender Natur ist, ist allein nach dem Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen, für das die Vereinbarung getroffen worden ist. Eine geringere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart wird, ist mithin unbeschadet der Kürze der Frist in keinem Fall nur vorübergehend vereinbart. Festhaltung an BSG vom 26.11.1986 - 7 RAr 88/85 = SozR 4100 § 112 Nr 28).
3. § 112 Abs 5 Nr 4 S 2 AFG verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (vgl BSG vom 8.6.1989 - 7 RAr 40/88).
4. Hat der Arbeitslose in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung keine andere berufliche Tätigkeit bzw keine Tätigkeit mit längerer Arbeitszeit als die in dem nach § 112 Abs 3 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum ausgeübt, so kommt eine mittelbare Anwendung des § 112 Abs 7 AFG nicht in Betracht (vgl BSG vom 12.5.1982 - 7 RAr 88/80).
5. § 136 Abs 2b AFG enthält die Möglichkeit die Verfestigung einer ungünstigen Leistungsbemessung auf Dauer zu vermeiden, wenn der Arbeitslose anstelle einer gewünschten Vollzeittätigkeit nur eine Halbtagsbeschäftigung aufnehmen konnte und sich deshalb bei Wiedereintritt von Arbeitslosigkeit nur ein geringer Leistungssatz ergibt. Das bedeutet, daß das Bemessungsentgelt nach Ablauf der genannten Zeit ggf nach oben zu korrigieren ist.
Normenkette
AFG § § 103-104, 112 Abs 4 Nr 3, § 112 Abs 5 Nr 4 S 2, § 136 Abs 2b; ZumutbarkeitsAnO § 6 Abs 1 Halbs 2; GG Art 3 Abs 1; AFG § 112 Abs 7
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 22.09.1988; Aktenzeichen L 3 Ar 32/88) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 07.12.1987; Aktenzeichen S 7 Ar 428/86) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin nach einer Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung zustehenden Leistungsansprüche.
Die Klägerin ist 1935 geboren und von Beruf Altenpflegerin. Sie bezog bis 1979 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend mit Unterbrechungen Arbeitslosenhilfe (Alhi), zuletzt nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 525,-- DM in Höhe von wöchentlich 195,60 DM. In der Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1986 übte die Klägerin im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine Tätigkeit als Arzthelferin (Beschäftigungstherapeutin) bei der Stadt N. aus. Sie erhielt - vor ihrem Ausscheiden abgerechnet - für Dezember 1985 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.142,96 DM sowie für Januar und Februar 1986 ein solches in Höhe von je 1.181,79 DM. Die Arbeitszeit betrug 20 Stunden wöchentlich. In der Zeit vom 24. Februar bis 24. August 1986 bezog die Klägerin Krankengeld (Krg); während dieses Zeitraumes wurden Beiträge entrichtet (§ 186 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-).
Zum 25. August 1986 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte gewährte ihr diese Leistung ab 25. August 1986 für 104 Wochentage in Höhe von 124,20 DM wöchentlich, und zwar unter Zugrundelegung der Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag (Leistungsgruppe A) und eines gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 270,-- DM (Bescheid vom 20. August 1986). Das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt ist aufgrund des für Dezember 1985 bis Februar 1986 durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden errechnet worden (1.168,85 DM : 86,66 Arbeitsstunden monatlich x 20 Stunden wöchentlich = 269,75 DM). Der Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, sie sei hereingelegt worden, weil ihr vor der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ein Mitarbeiter der Beklagten erklärt habe, daß sie nach Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ihren alten Alhi-Satz wiedererhalten werde, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 25. September 1986). Während des Klageverfahrens hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 24. Dezember 1986 bis 28. Februar 1988 Anschluß-Alhi in Höhe von wöchentlich 110,40 DM nach einem Bemessungsentgelt von 270,-- DM bewilligt (Verfügung vom 2. Januar 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986 und unter Zulassung der Berufung verurteilt, das Alg neu festzusetzen und dabei von einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auszugehen (Urteil vom 7. Dezember 1987). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils, des Bescheides vom 20. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986 und des Bescheides vom 2. Januar 1987 (Verfügung vom 2. Januar 1987) verurteilt, der Klägerin höheres Alg und höhere Alhi unter Zugrundelegung des sich aus § 112 Abs 7 AFG ergebenden Arbeitsentgelts zu gewähren; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 22. September 1988).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe aufgrund ihrer Beschäftigung in der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine neue Anwartschaftszeit erfüllt und demgemäß ab 25. August 1986 einen Anspruch auf Alg erworben. Dadurch sei ihr früherer Anspruch auf Alhi erloschen (§ 135 Abs 1 Nr 1 AFG). Aus diesem Grunde sei es ausgeschlossen, die alte Leistung wiederzubewilligen oder auf deren Berechnungsgrundlagen zurückzugreifen.
Die Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 4 Satz 1 Halbs 1 AFG, wonach für die Zeit einer Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mindestens das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden sei, komme nicht zum Tragen; denn der letzte Tag des für den bisherigen Leistungsanspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes habe bei der Entstehung des neuen Anspruchs länger als drei Jahre zurückgelegen (§ 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2 Halbs 1 AFG).
Eine ausdehnende Anwendung des § 112 Abs 4 Nr 3 AFG, wonach als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen sei, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart worden seien, scheide entgegen der Ansicht des SG aus. Die Dauer der einjährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme könne nicht als vorübergehend angesehen werden. Zum einen bestünden Bedenken, den Zeitraum eines Jahres noch als vorübergehend zu betrachten. Zum anderen lasse sich eine solche Auslegung nicht mit dem Schutzzweck des § 112 Abs 4 Nr 3 AFG in Einklang bringen. Dieser sei darin zu erblicken, nachteilige Auswirkungen einer vorübergehenden Herabsetzung der tariflichen oder üblichen regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitslosen zu vermeiden. Er könne nicht Platz greifen, wenn - wie hier - ein von vornherein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart werde.
Der vorliegende Fall zeichne sich indessen dadurch aus, daß die Klägerin eine Teilnahme an der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wegen der mit ihr verbundenen unausweichlichen Nachteile hätte ablehnen dürfen. Daß sie dies nicht getan habe, dürfe ihr nicht angelastet werden; denn sie habe die Sachlage nicht sachkundig beurteilen können, wohingegen die Beklagte in Wahrnehmung der ihr obliegenden Fürsorgepflicht von einer Einweisung der Klägerin in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hätte absehen müssen. Es liege eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke vor, die durch entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG zu schließen sei.
Nach dieser Bestimmung könne das Bemessungsentgelt abweichend von den Regelungen in den Absätzen 2 bis 6 ermittelt werden, wenn deren Anwendung mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart sei oder wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraumes bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliege. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift verbiete sich.
Doch führe eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG zu einer sachgerechten Ausfüllung der festgestellten Gesetzeslücke. So wie in § 112 Abs 5 Nr 4 AFG der Ablauf der Dreijahresfrist einen Rückgriff auf das für den Arbeitslosen günstigere alte Bemessungsentgelt unter dem Gesichtspunkt mangelnder Aktualität ausschließe, weiche auch § 112 Abs 7 AFG in seiner zweiten Alternative von der Anwendung der regelmäßigen Bemessungsgrundlage ab, weil diese länger als drei Jahre zurückliege und deswegen die aktuelle Entwicklung nicht mehr berücksichtigen könne. Statt dessen sei ein fiktives Arbeitsentgelt zu ermitteln, nämlich das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Wohnort des Arbeitslosen maßgebliche tarifliche oder mangels einer tariflichen Regelung das ortsübliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht komme. Der dieser Vorschrift zugrundeliegende Rechtsgedanke sei geeignet, den von § 112 Abs 5 Nr 4 AFG verfolgten Schutzzweck auch für die besondere, hier vorliegende Fallgestaltung zu erfüllen. Daher erscheine es zweckmäßig und geboten, das für den neuen Leistungsanspruch maßgebende Bemessungsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zu ermitteln. In diesem Rahmen ergebe sich, daß die Klägerin nach ihren persönlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ebenso das früher erzielte Arbeitsentgelt einer Altenpflegerin wie das einer Arzthelferin in Vollzeiteinsatz erzielen könne. Es seien weder in der Person der Klägerin liegende noch arbeitsmarktliche Gründe erkennbar, die dieses Arbeitsentgelt als sachfremd erscheinen lassen könnten. Demgemäß werde der Berechnung des neuen Leistungsanspruchs voraussichtlich kein niedrigeres Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden dürfen, als es dem alten Leistungsanspruch zugrunde gelegen habe.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 Abs 7 AFG. Zur Begründung trägt sie vor: Eine Gesetzeslücke, die durch entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG geschlossen werden müsse, sei nicht zu erkennen. Die Bestimmung des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG beschränke die Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem günstigeren Bemessungsentgelt ausdrücklich auf die Fälle, in denen der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes weniger als drei Jahre zurückliege. Darüber hinaus zeige die Vorschrift, daß der Gesetzgeber Fälle, in denen sich das Bemessungsentgelt - wie hier - durch die Neuberechnung drastisch verringere, durchaus gesehen und berücksichtigt habe. Das wiederum bedeute, daß er bei Entstehung eines neuen Anspruchs nach mehr als drei Jahren das Bemessungsentgelt nicht nach unten habe begrenzen wollen. Hierüber dürfe sich ein Gericht nicht im Wege extensiver oder gar analoger Gesetzesanwendung hinwegsetzen.
Eine analoge Anwendung des § 112 Abs 7 AFG rechtfertige sich auch nicht aus dem Gedanken der Unzumutbarkeit der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Zwar sei gemäß § 6 Abs 1 der Zumutbarkeits-Anordnung (ZumutbarkeitsAnO) eine Beschäftigung nach vorangegangenem Alhi-Bezug unzumutbar, wenn das Nettoarbeitsentgelt den Alhi-Satz unterschreite. Jedoch sei dies vorliegend nicht der Fall gewesen. Umgekehrt ergebe sich aus § 6 ZumutbarkeitsAnO, daß eine Beschäftigung zumutbar sei, wenn wegen eines den Leistungssatz nur geringfügig überschreitenden Nettoeinkommens spätere Leistungen aufgrund des dann ebenfalls niedrigeren Bemessungsentgelts deutlich niedriger ausfielen als der frühere Leistungssatz. Im übrigen zeige § 6 ZumutbarkeitsAnO, daß es für die Beurteilung der Zumutbarkeit in finanzieller Hinsicht nicht auf die zukünftige Entwicklung und die finanzielle Situation bei möglicher späterer Arbeitslosigkeit, sondern allein auf den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ankomme.
Andere Gründe, die eine Aufnahme der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme unzumutbar erschienen ließen, seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei das Bestehen einer besonderen Fürsorgepflicht der Beklagten nicht erkennbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert: Eine analoge Anwendung des § 112 Abs 7 AFG sei deswegen gerechtfertigt, weil es nicht angehe, daß ein Arbeitsloser, der an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teilnehmen müsse, wirtschaftliche Nachteile erleide. Der Hinweis der Beklagten, der Gesetzgeber habe durch § 112 Abs 5 Nr 4 AFG die Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem günstigeren Bemessungsentgelt ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes weniger als drei Jahre zurückliege, überzeuge nicht. Diese Auffassung widerspreche der Gesamtkonzeption des § 112 AFG. Überdies sei die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Klägerin bei Abwägung der Interessenlage nicht zumutbar gewesen. Hätte sie die Teilnahme verweigert, hätte ihr eine Sperrzeit gedroht. Nachdem sie teilgenommen habe, dürften ihr nicht wirtschaftlich unzumutbare Nachteile auferlegt werden. In ähnlich gelagerten Fällen bleibe einem Arbeitslosen wegen der unzumutbaren Konsequenzen nichts anderes übrig, als die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme abzulehnen, wozu er auch berechtigt sei. Schließlich führe eine restriktive Auslegung des § 112 AFG dazu, daß der Zweck einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, nämlich längerfristige Arbeitslose zu rehabilitieren und dem Arbeitsmarkt wieder zuzuführen, unterlaufen und in Frage gestellt werde.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Streitgegenstand sind der Bescheid vom 20. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986, durch den die Beklagte der Klägerin ab 25. August 1986 Alg für 104 Wochentage gewährt hat, und der Bescheid (Verfügung) vom 2. Januar 1987, durch den die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 24. Dezember 1986 bis 28. Februar 1988 Anschluß-Alhi bewilligt hat. Der Inhalt dieser Bescheide bestimmt den rechtlichen Umfang der Ansprüche, über den das Revisionsgericht zu entscheiden hat (§ 123 SGG). Dagegen ist der Bescheid vom 25. März 1988, auf den sich die Beklagte im Revisionsverfahren bezieht und durch den sie der Klägerin Alhi für die Zeit vom 29. Februar 1988 bis 28. Februar 1989 zugesprochen hat, der Prüfung im Revisionsverfahren entzogen. Seine ggf fehlerhafte Nichteinbeziehung in das Verfahren vor dem Berufungsgericht und eine dementsprechende Verletzung des § 96 SGG wäre nur auf entsprechende Rüge hin zu beachten (BSG SozR 1500 § 53 Nr 2 und 4100 § 113 Nr 5). An ihr fehlt es indes.
Dem Grunde nach hat die Klägerin ab 25. August 1986 einen Anspruch auf Alg erworben. Sie hat an diesem Tag alle Voraussetzungen für die Entstehung eines Alg-Anspruchs erfüllt (§ 100 Abs 1 AFG), insbesondere die Anwartschaftszeit (§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG, zuletzt geändert durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG- vom 22. Dezember 1981 - BGBl I 1497 -). Sie hat innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist, die vom 25. August 1983 bis 24. August 1986 lief (§ 104 Abs 2, Abs 3 Halbs 1 AFG), in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden bzw den Tatbestand des § 107 Abs 1 Nr 5 Buchst a AFG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (HBegleitG 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) erfüllt, der den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ua die Zeiten gleichstellt, für die wegen des Bezuges von Krg - wie hier - Beiträge zu zahlen waren (§ 186 AFG). Der Erwerb des Anspruchs auf Alg durch Erfüllung der neuen Anwartschaftszeit am 25. April 1986 hatte nach der Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 1 AFG zwangsläufig das Erlöschen des früheren Anspruchs auf Alhi zur Folge. Auf die Frage, ob diese Rechtswirkung auch deswegen eingetreten ist, weil am 25. August 1986 seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi mehr als ein Jahr vergangen war (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG), kommt es nicht mehr an.
Unter diesen Umständen scheidet ein Rückgriff auf den früheren Alhi-Anspruch im Wege des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus. Das vorliegend verwirklichte Merkmal der Anwartschaftszeit läßt sich nicht durch eine rechtlich zulässige Amtshandlung der Beklagten beseitigen. Das gilt selbst dann, wenn der Klägerin - wie sie im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat - vor der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme seitens eines Mitarbeiters der Beklagten erklärt worden sein sollte, sie werde nach Beendigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ihren alten Alhi-Satz wiedererhalten. Da es sich bei der Verwirklichung der Anwartschaftsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg um einen rechtserheblichen Tatbestand handelt, der tatsächliche Verhältnisse betrifft und nicht rückabgewickelt werden kann, wäre es gesetzeswidrig, die Klägerin unter Ausschaltung insbesondere der Vorschrift des § 135 Abs 1 Nr 1 AFG allein deswegen in den Genuß ihres erloschenen früheren Anspruchs auf Alhi kommen zu lassen, weil ihr neu erworbener Anspruch auf Alg niedriger ist, als es ihr früherer Anspruch auf Alhi war. Der Senat hat zu dieser Frage bereits ausführlich Stellung bezogen. Auf die entsprechende Entscheidung wird verwiesen (BSG vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 - mwN).
Die Höhe des der Klägerin am 25. August 1986 zustehenden Anspruchs auf Alg ist von der Beklagten zutreffend festgesetzt worden. Sie richtet sich nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG idF des HBegleitG 1984. Danach beträgt das Alg für die übrigen Arbeitslosen, dh für die Arbeitslosen, die - wie die Klägerin - keine Kinder haben, 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die AFG-Leistungsverordnung 1986 vom 2. Januar 1986 (BGBl I 40), in deren Anlage 2 für die verschiedenen Arbeitsentgelte iS des § 112 AFG (Bemessungsentgelte) nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung der jeweils maßgebenden Nettolohnersatzquote die jeweiligen Leistungssätze für 1986 ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe A, der die Klägerin gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst a AFG angehört (nicht verheiratet, ohne Kinder), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von 270,-- DM bei der Nettolohnersatzquote von 63 vH die bewilligten 124,20 DM vor. Ein Anspruch auf höheres Alg wäre der Klägerin folglich nur dann zuzuerkennen, wenn die Leistung nach einem höheren Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) als 270,-- DM zu zahlen wäre. Das ist indessen nicht der Fall.
Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) in diesem Sinne ist nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden, zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs 3 Satz 1 AFG idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Das sind hier nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), die Monate Dezember 1985 sowie Januar und Februar 1986, in denen die Klägerin ein Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 3.506,54 DM (1.142,96 DM + /2 x 1.181,79 DM/) erzielte. Dieses Gesamtbruttoarbeitsentgelt gilt nach der Formel des § 112 Abs 2 Satz 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung als in 3 x 86,66 (= 259,98) Stunden erzielt. Dabei ist 86,66 die monatliche Arbeitsstundenzahl, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden (20) mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird. Das in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt beträgt hier somit 13,4877 DM (3.506,54 DM : 259,98).
Zutreffend hat die Beklagte dieses durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit 20, dh der Zahl der Arbeitsstunden vervielfacht, die der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vorliegend als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrunde gelegen hat. Im Regelfall ist als Vervielfältiger zwar die Zahl der Arbeitsstunden anzusetzen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG idF des AFKG), wenn - wie hier - eine tarifliche Arbeitszeit bestand. Etwas anderes gilt jedoch, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden vereinbart worden sind; dann ist die vereinbarte Arbeitszeit zugrunde zu legen (§ 112 Abs 4 Nr 3 AFG). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Der Senat hat bereits früher zum Ausdruck gebracht, daß die Frage, ob eine Arbeitszeitvereinbarung vorübergehender Natur ist, allein nach dem Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen ist, für das die Vereinbarung getroffen worden ist. Das hat zur Folge, daß eine Arbeitszeit schon dann nicht nur vorübergehend vereinbart ist, wenn sie für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses gelten soll. Eine geringere als die tarifliche oder übliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die für ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart wird, ist mithin unbeschadet der Kürze der Frist in keinem Fall nur vorübergehend vereinbart (BSG SozR 4100 § 112 Nr 28; vgl hierzu auch etwa Gagel in Gagel, Komm zum AFG, Stand Februar 1989, § 112 Rz 197 ff; Heuer in Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand Juni 1989, § 112 Rz 23). Dieser Grundsatz, an dem der Senat festhält, beruht auf dem die Vorschrift des § 112 AFG durchziehenden Gedanken, daß das Alg dem Arbeitslosen ermöglichen soll, mit gewissen Einschränkungen seinen Lebensstandard beizubehalten, soweit dieser an dem bisher erzielten Einkommen aus versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgerichtet war (BSGE 53, 186, 189 = SozR 4100 § 112 Nr 20). Dementsprechend soll das Bemessungsentgelt nicht höher sein als das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Etwas anderes liefe dem Grundsatz zuwider, die Höhe des Alg an das bisher aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt anzuknüpfen. Wenn trotzdem gemäß § 112 Abs 4 Nr 3 AFG eine nur vorübergehend vereinbarte kürzere als die tarifliche oder übliche Arbeitszeit unberücksichtigt bleibt, kann dies nur für eine Arbeitszeitvereinbarung gelten, die lediglich wenige Monate erfaßt, das Beschäftigungsverhältnis im übrigen aber nicht prägt. Härten, die durch diese zurückhaltende Beurteilung des Vorübergehenden entstehen, werden - sofern die Voraussetzungen gegeben sind - durch § 112 Abs 7 AFG ausgeglichen (BSG SozR 4100 § 112 Nr 28).
Nach alledem greift im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 112 Abs 4 Nr 3 AFG ein. Abgesehen davon, daß sich die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht lediglich auf einige wenige Monate, sondern ein ganzes Jahr erstreckte, hat die Arbeitszeitvereinbarung das gesamte Arbeitsverhältnis der Klägerin erfaßt. Das schließt die Annahme einer nur vorübergehenden Arbeitszeitvereinbarung aus.
Die Klägerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie sei von der Beklagten in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingewiesen worden und habe die Arbeitszeitvereinbarung über 20 Stunden nicht freiwillig abgeschlossen; eine Teilnahme sei ihr grundsätzlich nicht zuzumuten gewesen; nachdem sie aber teilgenommen habe, dürften ihr nicht wirtschaftlich unzumutbare Nachteile auferlegt werden. Auch wenn die Beklagte die Klägerin nicht in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingewiesen, sondern ihr eine sonstige halbschichtige Beschäftigung angeboten hätte, hätte die Klägerin, sofern sie nicht die Feststellung einer Sperrzeit (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG) riskieren wollte, das Arbeitsangebot nicht ablehnen dürfen. Das folgt aus § 6 Abs 1 Halbs 2 der ZumutbarkeitsAnO vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 523). Danach ist ein Nettoarbeitsentgelt, das den Alhi-Satz unterschreitet, unzumutbar. Zugleich bedeutet dies, daß die Annahme einer Beschäftigung nicht deshalb unzumutbar ist, weil das Nettoarbeitsentgelt den früheren Alhi-Satz nicht oder nur wenig überschreitet. Letzteres war hier der Fall. Während nämlich der Alhi-Satz, der der Klägerin vor dem 1. April 1985 zustand, monatlich 847,60 DM betrug (195,60 DM x 13 : 3), belief sich das Nettoarbeitsentgelt, das aus der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme resultierte, nach dem eigenen Vortrag der Klägerin von Anfang an auf 868,62 DM.
Des weiteren stellt die Vorschrift des § 6 Abs 1 Halbs 2 ZumutbarkeitsAnO, wie die Beklagte mit Recht betont, unter Beweis, daß es für die Frage der Zumutbarkeit nicht auf die finanzielle Situation bei möglicher Arbeitslosigkeit im Anschluß an eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme ankommt. Dies ist auch sinnvoll. Zum einen verfolgen die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung ua den Zweck, die Arbeitslosen in das Arbeitsleben wiedereinzugliedern (Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 91 Rz 3); nicht selten kommt es auch dazu, so daß die Frage nach der Höhe des sich anschließenden Leistungsbezuges nicht auftritt. Zum anderen steht die Klägerin nicht anders da, als wenn sie sich selbst eine entsprechende halbschichtige Beschäftigung gesucht hätte oder ihr eine solche zulässigerweise vom Arbeitsamt erfolgreich angeboten worden wäre. Auch dann könnte sie sich wegen des Erwerbes einer neuen Anwartschaft nicht mit Erfolg auf einen früheren höheren Alhi-Anspruch berufen.
Die Annahme der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist der Klägerin gemäß § 6 Abs 1 Halbs 2 ZumutbarkeitsAnO selbst dann zumutbar gewesen, wenn ihr durch die Arbeitsaufnahme erhöhte Aufwendungen, zB Reisekosten, entstanden sein sollten, so daß ihr im Ergebnis weniger als der frühere Alhi-Satz verblieben ist. In diesem Fall hätte sie nämlich Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme gehabt (§§ 53 f AFG iVm der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme (FdAAnO) vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 543).
Das von der Klägerin in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt von 13,4877 DM ist sonach mit der Zahl 20, dh der Zahl der Arbeitsstunden, die die Klägerin vereinbarungsgemäß regelmäßig in der Woche erbringen sollte, zu vervielfachen. Das führt, wie von der Beklagten richtig errechnet, zu einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 269,75 DM, das auf 270,-- DM, den nächsten durch 5 teilbaren Deutsche-Mark-Betrag, zu runden ist (§ 112 Abs 9 AFG in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung).
Ein höheres Bemessungsentgelt als 270,-- DM läßt sich nicht aus § 112 Abs 5 Nr 4 AFG in der zuletzt durch das AFKG geänderten Fassung herleiten. Hiernach ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit einer Beschäftigung, die im Rahmen einer Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung nach den §§ 91 bis 96 AFG gefördert worden ist, mindestens das Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) zugrunde zu legen, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist (Satz 1 Halbs 1). Liegen die Voraussetzungen des § 112a Abs 1 AFG vor, so ist das erhöhte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (Satz 1 Halbs 2). Danach wäre für die Leistungsansprüche der Klägerin anstelle der 270,-- DM ein Bemessungsentgelt von 525,-- DM maßgebend, erhöht um den Vomhundertsatz, um den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen zuletzt vor dem Anpassungstag nach dem jeweiligen Anpassungsgesetz angepaßt worden sind (§ 112a AFG), wenn diese Vorschrift Anwendung fände. Das ist jedoch nicht der Fall.
Keine Anwendung findet die Vorschrift, wenn die Beschäftigung aufgrund der Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung für ältere Arbeitnehmer (§§ 97 ff AFG) und nicht nach den §§ 91 bis 96 ff AFG erfolgt ist; denn Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach den §§ 97 ff AFG sind durch § 112 Abs 5 Nr 4 AFG nicht miterfaßt worden (BSGE 54, 110 = SozR 4100 § 112 Nr 21). Aber auch dann, wenn die Beschäftigung der Klägerin nach den §§ 91 bis 96 AFG gefördert sein sollte, was wegen der Beschäftigung bei der Stadt N. der Fall gewesen sein dürfte (vgl § 97 Abs 1 Satz 2 AFG idF des AFKG), kann die Vorschrift im Fall der Klägerin nicht angewendet werden. Der Rückgriff auf das höhere, gemäß § 112a AFG den Rentenerhöhungen angepaßte Bemessungsentgelt ist nicht möglich, wenn es auf einer längere Zeit zurückliegenden Bemessung beruht (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 49). Das folgt aus Satz 2 des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG. Hiernach gilt die Vergünstigung des Satzes 1 nicht, wenn der letzte Tag des für den bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt. So war es hier.
Bisheriger Anspruch war der Anspruch auf Alhi, aufgrund dessen die Klägerin bis zum 31. März 1985 Leistungen bezogen hat. Das LSG hat festgestellt, daß der letzte Tag des für diesen bisherigen Anspruch maßgebenden Bemessungszeitraumes bei Entstehung des neuen Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt. Die Klägerin hat diese Feststellung nicht angegriffen, so daß sie für den Senat bindend ist (§ 163 SGG). Sie stimmt im übrigen mit den tatsächlichen Grundlagen des Berufungsurteils überein. Der 1979 von der Klägerin erworbene Anspruch auf Alhi stützte sich auf den Vorbezug von Alg (§ 134 Abs 1 Nr 4 Buchst a AFG). Ausgehend hiervon wäre der Bemessungszeitraum für jenen Alg-Anspruch, dessen letzter Tag spätestens in das Jahr 1979 fiel, auch für den anschließenden Alhi-Anspruch maßgebend (vgl dazu BSG vom 8. Juni 1989 - 7 RAr 40/88 -, vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 - und vom 26. September 1989 - 11 RAr 79/89 -). Er läge bei Entstehung des neuen Anspruchs (25. August 1986) insgesamt weit mehr als drei Jahre zurück (§ 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2 AFG). Nichts anderes gilt, wenn von einer Neufestsetzung des Alhi-Anspruchs auszugehen ist, den die Beklagte ausweislich der vom LSG zugrunde gelegten Leistungsakten mit Wirkung zum 20. April 1982 gemäß § 136 Abs 2 AFG in der seinerzeit geltenden Fassung vorgenommen hat (Bescheid vom 30. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 1982). Der für diese Neubemessung maßgebliche Bemessungsstichtag iS von § 112a Abs 1 Satz 3 AFG, nämlich der Tag, der dem Zeitraum vorausgeht, für den die Alhi bemessen worden ist (vgl dazu BSG SozR 4100 § 112 Nr 49 sowie Urteil vom 12. Juli 1989 - 7 RAr 62/88 -), liegt ebenfalls deutlich außerhalb des Dreijahreszeitraums des § 112 Abs 5 Nr 4 Satz 2 AFG.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen Satz 2 des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG bestehen nicht. Insbesondere ist, worauf der Senat schon früher hingewiesen hat, unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz -GG-) nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber die von der Grundregel des § 112 Abs 2 und 3 AFG abweichende Vergünstigung des § 112 Abs 5 Nr 4 AFG nur einräumt, solange er die Annahme für gerechtfertigt hält, daß der arbeitslose Arbeitnehmer das frühere Arbeitsentgelt noch erzielen kann, und dies verneint, sobald der letzte Tag des für dieses Arbeitsentgelt maßgebend gewesenen Bemessungszeitraumes länger als drei Jahre zurückliegt (BSG vom 8. Juni 1989 - 7 RAr 40/88 -).
Ein höheres Bemessungsentgelt als 270,-- DM läßt sich entgegen der Ansicht des LSG zugunsten der Klägerin ferner nicht aus § 112 Abs 7 AFG in der seit dem AFKG gültigen Fassung gewinnen. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Weder liegt der letzte Tag des maßgeblichen (neuen) Bemessungszeitraumes (28. Februar 1986) länger als drei Jahre zurück noch ist es mit Rücksicht auf die von der Klägerin in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart, von dem aus der letzten Beschäftigung entwickelten Bemessungsentgelt auszugehen. Zwar schließt die Alternative 1 des § 112 Abs 7 AFG grundsätzlich auch die Fälle ein, in denen die für die Berechnung des Alg maßgebende Arbeitszeit im Bemessungszeitraum im Verhältnis zu der von dem Arbeitslosen sonst überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit herabgesetzt war (BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 128/74 - und 12. Mai 1982 - 7 RAr 88/80 -). Jedoch liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Die Klägerin hat in den letzten drei Jahren vor dem 25. August 1986 lediglich die Tätigkeit als Arzthelferin (Beschäftigungstherapeutin) bei der Stadt N. ausgeübt, also zu keinem Zeitpunkt mehr als 20 Stunden gearbeitet. Einzige und damit auch überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit war demnach die im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zustande gekommene Beschäftigung (vgl hierzu etwa BSGE 62, 153, 161 = SozR 4100 § 112 Nr 39; SozR 4100 § 112 Nr 44).
Entgegen der Ansicht des LSG kommt schließlich auch eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG nicht zum Tragen. Die Vorschrift des § 112 Abs 7 AFG ist nicht als eine Art Auffangtatbestand konzipiert, die Fälle der vorliegenden Art als Härtefälle berücksichtigen soll. Hiergegen spricht bereits, daß es sich bei § 112 Abs 7 AFG um eine Ausnahmeregelung handelt und solche Regelungen grundsätzlich eng auszulegen sind. Darüber hinaus widerspräche die Anwendung des § 112 Abs 7 AFG der aus dem Gesamtzusammenhang des § 112 AFG ersichtlichen Absicht des Gesetzgebers, das Alg an dem vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit tatsächlich erzielten Einkommen auszurichten (Versicherungsprinzip). Des weiteren verlangt § 112 Abs 7 AFG, wie der Senat schon früher ausgeführt hat, daß die Bemessung des Alg im Hinblick auf die bisherige Berufstätigkeit bzw das daraus erzielte Entgelt unbillig hart ist, dh aus diesem Grund zu einer erheblichen Benachteiligung führt. Fehlt es - wie hier - schon deswegen an einer derartigen Benachteiligung, weil der Arbeitslose in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung keine andere berufliche Tätigkeit bzw keine Tätigkeit mit längerer Arbeitszeit als die in dem nach § 112 Abs 3 AFG maßgeblichen Bemessungszeitraum ausgeübt hat, so kommt eine mittelbare Anwendung des § 112 Abs 7 AFG nicht in Betracht (BSG vom 12. Mai 1982 - 7 RAr 88/80 -).
Da die Beklagte, anders als das LSG meint, gegenüber der Klägerin auch keine Fürsorgepflicht hatte, aufgrund der es ihr versagt gewesen wäre, die Klägerin in die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme einzuweisen, ist der Bescheid der Beklagten vom 20. August 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1986 rechtens.
Wenn der Klägerin dieses Ergebnis unbillig erscheint, so verkennt sie Inhalt und System der gesetzlichen Regelungen über die aus Beiträgen der Beschäftigten und ihrer Arbeitgeber bzw aus Steuermitteln finanzierten Leistungen des Alg und der Alhi. Der Gesetzgeber hat nicht ohne Grund der Vermittlung in Arbeit eindeutig den Vorrang vor dem Bezug dieser Leistungen eingeräumt (§ 5 AFG). Das bedeutet, daß Arbeitslose jede zumutbare Gelegenheit durch Arbeitsangebote wahrzunehmen haben, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, um dadurch die Allgemeinheit (dh die Beitrags- bzw Steuerzahler) von diesem finanziellen Aufwand zu entlasten. Soweit die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben, wie sie sich hier in § 6 Abs 1 Halbs 2 der ZumutbarkeitsAnO konkretisieren, können deshalb finanzielle Erwägungen nicht als Grund für die Ablehnung eines Arbeitsangebots ins Feld geführt werden. Durchaus berechtigt verlangt das Gesetz daher, daß der Arbeitslose auch dann bereit ist, eine Beschäftigung aufzunehmen, wenn diese ihm - wie hier - netto nur wenig mehr einbringt, als er bei Verzicht auf diese Arbeitsgelegenheit vom Arbeitsamt an Alhi weiter erhielte. Diese Konsequenz erfaßt dann aber auch eine gegenüber früheren Ansprüchen mindere Leistung, wenn die aufgenommene Tätigkeit nicht zu einer Dauerbeschäftigung führt und die neuen Ansprüche sich wegen der Ordnung des Gesetzes nach dem Entgelt aus der letzten Beschäftigung zu richten haben.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das Gesetz auch für Fälle der vorliegenden Art die Möglichkeit enthält, die Verfestigung einer ungünstigen Leistungsbemessung auf Dauer zu vermeiden, wenn der Arbeitslose anstelle einer gewünschten Vollzeittätigkeit nur eine Halbtagsbeschäftigung aufnehmen konnte und sich deshalb bei Wiedereintritt von Arbeitslosigkeit nur ein geringer Leistungssatz ergibt. In § 136 Abs 2b AFG, eingefügt durch das 7. AFG-ÄndG, ist nämlich bestimmt, daß das für die Bemessung der Alhi maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraumes nach § 112 Abs 7 AFG neu festzusetzen ist; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß das Bemessungsentgelt der Klägerin nach Ablauf der genannten Zeit ggf nach oben zu korrigieren ist (BT-Drucks 10/3923 S 25 zu Nr 30 Buchst d; Kühl in Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 136 Rz 13; Wittrock in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 136 Rz 15).
Keiner Ausführungen bedarf, daß der Klägerin ab 24. Dezember 1986 Alhi auf der Grundlage des Arbeitsentgelts zusteht, nach dem die Beklagte zuvor das Alg rechtmäßig bewilligt hat. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, daß die Beklagte eine entsprechende Bewilligung ausgesprochen hat (Verfügung vom 2. Januar 1987).
Soweit die Klägerin meinen sollte, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch wegen falscher Beratung zu, könnte dieser nur im Wege des Amtshaftungsanspruches geltend gemacht werden (Art 34 GG iVm § 839 Bürgerliches Gesetzbuch), über den jedoch nicht die Sozialgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Art 34 Satz 3 GG).
Erweist sich die Klage hiernach als unbegründet, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 193 SGG ab.
Fundstellen