Leitsatz (redaktionell)
Im Rahmen von Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung kann nur ein bestimmter Ausbildungsgang an einer bestimmten Ausbildungsstätte gefördert werden. Bei jeder Änderung des Ausbildungsgangs ist daher ein neuer Antrag nach AFuU § 21 Abs 1 F: 1969-12-18 erforderlich.
Orientierungssatz
Der Antrag auf Förderung der Ausbildung zum Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters umfaßt nicht die Ausbildung zum Krankengymnasten, da beide Berufe durch das MBKG vom 1958-12-21 (BGBl 1 1958, 985) und die hierzu ergangenen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen als unterschiedliche Berufe organisiert sind.
Normenkette
AFuU § 21 Abs. 1 Fassung: 1969-12-18; MBKG Fassung: 1958-12-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. März 1976 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Wechsel von der Ausbildung für den Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters zur Ausbildung als Krankengymnast lediglich als Schwerpunktverlagerung innerhalb einer einheitlichen Ausbildung oder als Wechsel der Ausbildung einzustufen und deshalb nur auf erneuten Antrag hin zu fördern ist.
Der Kläger begann am 1. Juli 1971 bei der staatlich anerkannten Lehranstalt für Massage in B eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister. Diese Ausbildung sollte bis 30. Juni 1972 dauern. Zum 1. Oktober 1971 wechselte er zu einer Ausbildung für Krankengymnastik über, die an der organisatorisch mit der bisherigen Ausbildungsstätte verbundenen Lehranstalt für Krankengymnastik durchgeführt wurde. Hierüber schloß der Kläger am 15. November 1971 einen neuen Ausbildungsvertrag, mit dem zugleich der alte aufgehoben wurde. Die Ausbildung als Krankengymnast endete am 27. Juni 1973 durch ein erfolgreich bestandenes Examen.
Die Beklagte erfuhr von diesem Wechsel erstmals durch eine Bescheinigung der Lehranstalt vom 30. August 1972. Der Kläger selbst legte erst mit Schreiben vom 18. Mai 1973 die Gründe für den Wechsel dar und stellte einen Antrag auf Förderung auch dieser neuen Ausbildung.
Vor Beginn der Ausbildung war der Kläger zunächst Soldat bei der Bundeswehr (ab 1. April 1967 Grundwehrdienst, vom 1. Juli 1968 bis 31. März 1971 Zeitsoldat). Danach war er vom 1. April 1971 bis 30. Juni 1971 als Hilfskraft im elterlichen Kurbadebetrieb tätig.
Sein Antrag auf Förderung der Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister wurde zunächst abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 4. Januar 1974 bewilligte die Beklagte jedoch Förderungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1971. Weitere Förderungsleistungen lehnte sie ab. Zur Begründung führte sie aus, daß der Kläger bisher nur für die von ihm bis 30. September 1971 durchlaufene Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister einen Antrag gestellt habe, nicht jedoch für die daran anschließende Ausbildung zum Krankengymnasten. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. August 1974, Urteil des Sozialgerichts - SG - vom 14. April 1975).
Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, Förderungsleistungen für die Ausbildung zum Krankengymnasten für die Zeit vom 22. Mai bis 30. Juni 1973 zu gewähren. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 12. März 1976). Es hat in dem Schreiben vom 18. Mai 1973 (eingegangen am 22. Mai 1973) einen Antrag auf Förderung der Ausbildung zum Krankengymnasten gesehen und auch die übrigen Voraussetzungen einer Förderung für gegeben erachtet. Einen Anspruch auf Förderung für die Zeit ab Beendigung der Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister (30. September 1971) bis zur Antragstellung (22. Mai 1973) hat das LSG verneint, weil nach § 21 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 - (ANBA 1970, S. 85) Leistungen frühestens vom Zeitpunkt der Antragstellung an gewährt werden könnten. Der Antrag auf Förderung der Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister umfasse nicht gleichzeitig die Förderung einer Ausbildung zum Krankengymnasten, weil zwischen beiden Ausbildungsgängen erhebliche Unterschiede bestünden.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß die Gemeinsamkeiten beider Berufe überwiegen. Daher beziehe sich der Antrag auf Förderung des einen Berufs auch auf die Berufsausbildung für den anderen. Der Kläger rügt in diesem Punkt das Verfahren des LSG. Seiner Auffassung nach sei die Anhörung eines Sachverständigen zur Klärung der Verwandtschaft beider Berufe erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
unter Abänderung des Urteils des LSG das Urteil des SG in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 4. Januar 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 1974 zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 21. Mai 1973 Förderungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die Beklagte dem Kläger Förderungsleistungen für seine Ausbildung zum Krankengymnasten in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis 21. Mai 1973 nicht zu erbringen hat. Eine Förderung als Ausbildung scheidet von vornherein aus, weil sie nur für Ausbildungen in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen vorgesehen ist (§ 40 Abs. 1 AFG). Die hier streitige Ausbildung als Krankengymnast an einer Lehranstalt erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Auch eine Förderung als Fortbildung kommt schon tatbestandlich nicht in Betracht, weil die Ausbildung zum Krankengymnasten nicht an eine vorhandene abgeschlossene Berufsausbildung oder entsprechende Berufserfahrung anknüpft (BSGE 38, 174, 176; BSG-Urteil vom 22. September 1976 - 7 RAr 24/75 -).
Die danach allenfalls noch mögliche Förderung als Umschulung scheitert daran, daß der Kläger den Förderungsantrag für die Ausbildung zum Krankengymnasten erst am 22. Mai 1973 gestellt hat. Nach § 21 Abs. 1 AFuU 1969 können Leistungen zur Förderung einer Umschulungsmaßnahme grundsätzlich nur vom Zeitpunkt der Antragstellung an gewährt werden. An einem solchen Förderungsantrag fehlt es für die vom Kläger in der streitigen Zeit absolvierte Bildungsmaßnahme. Gefördert werden kann im Rahmen von Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung immer nur ein bestimmter Ausbildungsgang an einer bestimmten Ausbildungsstätte, weil für jeden Ausbildungsgang ua die Zweckmäßigkeit (§ 36 Arbeitsförderungsgesetz - AFG -) und für jede Ausbildungsstätte deren Eignung (§ 34 AFG) gesondert zu prüfen ist. Aus diesem Grunde ist bei jeder Änderung des Ausbildungsganges ein neuer Antrag erforderlich, der die Beklagte in die Lage versetzt, die Förderungsvoraussetzungen zu überprüfen und hierüber erneut zu entscheiden (BSG SozR 4460 § 21 Nr. 1).
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Ausbildungen zum Beruf des Krankengymnasten und des Masseurs und medizinischen Bademeisters als eigenständige, voneinander deutlich nach Ausbildungsgang und Ausbildungsinhalt zu unterscheidende Bildungsgänge organisiert. Dies ergibt sich aus dem Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl I, 58, 985) und den hierzu ergangenen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen. Der Beruf des Masseurs und medizinischen Bademeisters wird erreicht durch einen einjährigen Lehrgang in der Massage (§ 8) und ein eineinhalbjähriges Praktikum mit verschiedenen Phasen (§ 11 i. V. m. § 10). Für die Ausbildung zum Krankengymnasten ist hingegen ein zweijähriger Lehrgang erforderlich (§ 8) und ein einjähriges Praktikum, das sich aber inhaltlich von dem des Masseurs und medizinischen Bademeisters unterscheidet. Der Unterschied wird noch dadurch verdeutlicht, daß die Ausbildung zum Masseur nur mit 6 Monaten auf den zweijährigen Krankengymnastenlehrgang angerechnet wird, die Masseurausbildung also im Ausbildungsgang des Krankengymnasten lediglich zu einem Viertel der theoretischen Ausbildung von Bedeutung ist (§ 8 Abs. 2 Nr. 3). Die Eigenständigkeit beider Berufsausbildungen zeigt sich ferner darin, daß die Ausbildungsinhalte in getrennten Ausbildungs- und Prüfungsordnungen geregelt sind (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Masseure und für Masseure und medizinische Bademeister vom 7. Dezember 1960 - BGBl I, 60, 880 - und Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankengymnasten vom 7. Dezember 1960 - BGBl I, 60, 885 - idF der Verordnung zur Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankengymnasten vom 25. Juni 1971 - BGBl I 71, 847 -). Der Inhalt dieser Ausbildungs- und Prüfungsordnungen bestätigt den schon im Gesetz angelegten sachlichen Unterschied. Insbesondere der Fächerkatalog, der jeweils im § 1 der Verordnungen aufgeführt ist, zeigt erhebliche Abweichungen. Diese gesetzliche Unterscheidung ist zudem in der Praxis der vom Kläger besuchten Bildungseinrichtungen dadurch verdeutlicht, daß die beiden Ausbildungsgänge in eigenständigen - wenn auch organisatorisch verbundenen - Lehranstalten durchgeführt wurden und jeweils ein besonderer Lehrvertrag abgeschlossen wurde.
Angesichts der gesetzlichen Anhaltspunkte für die Eigenständigkeit beider Ausbildungsgänge bedurfte es nicht mehr der Anhörung eines Sachverständigen über die Ähnlichkeiten beider Berufe.
Den somit für die eigenständige Bildungsmaßnahme der Ausbildung zum Krankengymnasten erforderlichen Antrag hat der Kläger erst am 22. Mai 1973 gestellt, so daß eine Förderung erst vor diesem Zeitpunkt an in Betracht kam.
Den Folgen der verspäteten Antragstellung kann der Kläger weder mit Wiedereinsetzungsgründen noch mit dem Hinweis begegnen, daß etwa eine mißbräuchliche Ausnutzung von Verfahrensvorschriften durch die Beklagte vorliege. Der 7. Senat hat bereits in einem Urteil vom 16. März 1973 (BSGE 35, 262) darauf hingewiesen, daß der Antrag nach § 21 Abs. 1 AFuU 1969 materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung ist. Es ist auch nichts dafür zu ersehen, daß die Beklagte durch ihr Verhalten etwa die Stellung eines rechtzeitigen Antrages verhindert hat. In der oa Entscheidung ist ferner dargelegt worden, daß gegen die Wirksamkeit des § 21 AFuU 1969 keine Bedenken bestehen.
Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen