Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion. konkrete Bezeichnung der Verweisungstätigkeit. rechtliches Gehör
Orientierungssatz
1. Betriebliche Weisungsbefugnisse gegenüber Lehrlingen und besondere Abrechnungsverfahren bei der Zusammenarbeit mit Lehrlingen im Rahmen der Akkordarbeit genügen nicht, einen Facharbeiter (hier: Fliesenleger) der Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion zuzuordnen.
2. Ohne eine konkrete Bezeichnung der Verweisungstätigkeit ist eine Subsumtion unter die nach § 1246 Abs 2 S 2 RVO geforderten Voraussetzungen, daß der Versicherte die Verweisungstätigkeit noch ausüben kann, daß sie ihm zuzumuten ist und daß ihm bezüglich dieser Tätigkeit der Arbeitsmarkt nicht verschlossen ist, nicht möglich.
3. Wird in der mündlichen Verhandlung lediglich über die vom Gericht ins Auge gefaßten Verweisungstätigkeiten gesprochen, so ergibt sich daraus noch nicht, daß der Versicherte wissen müßte, daß sich das Gericht eine entscheidungserhebliche Gerichtskunde zutraue. Insofern ist nicht nur § 128 Abs 2 SGG verletzt, sondern gleichzeitig auch der in Art 103 Abs 1 GG garantierte und in § 62 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör.
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23; SGG § 62 Fassung: 1953-09-03, § 128 Abs 2 Fassung: 1953-09-03; GG Art 103 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 23.01.1981; Aktenzeichen L 6 J 214/80) |
SG Speyer (Entscheidung vom 12.06.1980; Aktenzeichen S 11 J 460/79) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Der 1927 geborene Kläger übte den erlernten Beruf des Fliesenlegers von 1946 bis Ende 1978 aus. Anschließend war er in seinem Beruf krankheitshalber nicht mehr tätig. Er beantragte im April 1979 die Gewährung von Versichertenrente. Mit Bescheid vom 17. Juli 1979 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger könne noch als Materialausgeber und Lagerverwalter arbeiten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Juni 1980). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23. Januar 1981 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gewesen. Zwar habe er nicht zur Spitzengruppe der Lohnskala gehört. Seine Vorgesetztenfunktion habe sich vorwiegend auf die Beschäftigung der Lehrlinge ausgewirkt. Ihm habe in größerem Umfang die Lehrlingsausbildung oblegen. Lohnmäßig sei ihm die jeweils vom Lehrling verrichtete Arbeit zugerechnet worden. Er sei also im Hinblick auf den ausgezahlten Lohn so behandelt worden, als ob er selbst die vom Lehrling durchgeführten Fliesenlegerarbeiten verrichtet hätte. Dadurch habe er im Betrieb mehr Lohn als die anderen Facharbeiter erhalten. Er könne damit nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die durch den Beruf des Facharbeiters charakterisiert seien. Seine bisherige Tätigkeit als Fliesenleger könne er nicht mehr ausüben. Er könne aber noch ganzschichtig leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, Stehen oder Gehen oder im Wechsel zwischen diesen Körperhaltungen in geschlossenen Räumen und im Freien verrichten. Er sei auch fähig, gelegentlich leichte oder mittelschwere Lasten kurzfristig zu heben. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten in ständig gebückter Haltung, im Knien oder in sonstigen andauernden Zwangshaltungen. Mit seinen verbliebenen körperlichen Fähigkeiten kämen für ihn berufsverwandte Tätigkeiten in Unternehmen des Fliesenfachhandels und Fliesengroßhandels sowie bei Verlegefirmen in Betracht. So könne er als Berater für Verlegefirmen im Auftrag der fliesenherstellenden Industrie arbeiten. Er könne auch in der Baustellenüberwachung tätig sein. Diese Facharbeiterberufe könne der Kläger innerhalb von drei Monaten vollwertig ausüben.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 62, 128 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie des § 1246 Reichsversicherungsordnung (RVO) durch das Berufungsgericht.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Speyer und den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1979 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Mai 1979 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung begründet. Die Tatsachen, soweit sie verfahrensfehlerfrei festgestellt sind, reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit usw (§ 1246 Abs 2 Satz 1 RVO) auf weniger als die Hälfte derjenigen eines vergleichbaren Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Festzustellen ist also zunächst die bisherige Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor Eintritt von Krankheit, anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte, die den Versicherungsfall ausgelöst haben sollen. Aus dieser individuellen Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor Eintritt der Beeinträchtigung ist auf die eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten zu schließen. Das hat das LSG getan. Es hat festgestellt, daß der Kläger vor seiner Erkrankung als Fliesenleger gearbeitet und dabei Lehrlinge ausgebildet hat, außerdem die Arbeiten der Lehrlinge so als eigene verantwortet hat, daß sie über ihn wie eigene abgerechnet wurden. Dadurch hat er mehr verdient als seine Kollegen (individuelle bisherige berufliche Leistungsfähigkeit). Daraus hat das LSG geschlossen, daß der Kläger als Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion einzustufen ist. Der gesunde durchschnittliche Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion ist demnach nach Auffassung des LSG die Vergleichsperson, an der die herabgesunkene Erwerbsfähigkeit des Klägers zu messen ist. Zu ihr ist die verbliebene Erwerbsfähigkeit in Verbindung zu setzen.
Die vom LSG festgestellten Tatsachen rechtfertigen allein indessen nicht die Einordnung des Klägers in die Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört derjenige zur Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion, der selbst Facharbeiter ist, also einen Beruf mit einer Ausbildungszeit von mindestens zwei Jahren ausübt, Weisungsbefugnisse nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern gegenüber mehreren anderen Facharbeitern hat und selbst in der Spitzengruppe der Lohnskala der Arbeiter steht. Außerdem darf er nicht selbst wieder Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeitsverhältnis befolgen müssen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 70 mwN). Daß betriebliche Weisungsbefugnisse gegenüber Lehrlingen und besondere Abrechnungsverfahren bei der Zusammenarbeit mit Lehrlingen im Rahmen der Akkordarbeit ebenfalls dazu Veranlassung geben, einen Facharbeiter der Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion zuzuordnen, ist - soweit ersichtlich - bisher in der Rechtsprechung noch nicht vertreten worden. Die verschiedenen Stufen der Arbeiterberufe sind deswegen gebildet worden, weil sie in der beruflichen Wirklichkeit vorzufindende Qualitätsunterschiede ausdrücken und weil die Verweisung der Arbeiter nach unten daher - wenn die Verweisung iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO einen zu großen Abstieg bringen würde -, unzumutbar sein kann. Wieso durch die Anleitung von Lehrlingen eine eben solch qualitative Heraushebung des Facharbeiters begründet sein soll wie bei den Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion, hat das LSG nicht ausgeführt. Derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat jedoch vor dem LSG vorgetragen, er sei überwiegend als Kolonnenführer eingesetzt worden und sei in dieser Eigenschaft gegenüber acht bis zehn Fliesenfacharbeitern weisungsbefugt gewesen. Der Kläger hat insoweit Beweis erboten und eine Bestätigung der Firma vorgelegt, bei der er zuletzt beschäftigt gewesen ist. Er hat darauf auch in der Revisionsinstanz hingewiesen. Das LSG hat aber dazu keine Feststellungen getroffen.
Ebenso wie die Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gehören die besonders hoch qualifizierten Facharbeiter zur obersten Arbeitergruppe (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 37 mwN). Der Kläger hat vor dem LSG vorgetragen, daß er äußerst schwierige Fliesenarbeiten, wie zB Labors, Treppenhäuser, Trennwandanlagen, Schwimmbecken usw auszuführen hatte und darüber hinaus nach Angaben der Architekten bzw nach Zeichnung selbständig gearbeitet hat. Auch darauf hat er sich in der Revisionsinstanz weiter berufen. Bei der nach § 103 SGG gebotenen Sachaufklärung des Tatsachengerichtes kann sich daher ergeben, daß die von dem Kläger ausgeübten Arbeiten meisterliches Können voraussetzten und daß sie auch sonst die hohen beruflichen Eigenschaften fordern, die von einem besonders hohen qualifizierten Facharbeiter gefordert werden. In diesem Rahmen kann es auch von Bedeutung sein, daß dem Kläger die Ausbildung der Lehrlinge anvertraut war.
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Satz 2 RVO). Steht also fest, daß der Versicherte seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben kann - und das hat das LSG beim Kläger festgestellt -, ist er nur dann nicht berufsunfähig, wenn das Tatsachengericht eine konkrete berufliche Tätigkeit mit nachprüfbaren Feststellungen benennt, die der Versicherte nach seinen Fähigkeiten noch ausüben kann und die zu ergreifen ihm zuzumuten ist. Das Gebot, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, folgt aus § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO. Ohne eine konkrete Bezeichnung der Verweisungstätigkeit ist nämlich eine Subsumtion unter die nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO geforderten Voraussetzungen, daß der Kläger die Verweisungstätigkeit noch ausüben kann, daß sie ihm zuzumuten ist und daß ihm bezüglich dieser Tätigkeit der Arbeitsmarkt nicht verschlossen ist, nicht möglich. Mit dem Gebot der konkreten Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit soll zunächst erreicht werden, daß eine Berufstätigkeit identifiziert wird, die es in der Arbeitswelt als Arbeitsstelle, dh als versicherungspflichtige Beschäftigung real gibt. Es soll verhindert werden, daß der Versicherte auf eine auf dem Arbeitsmarkt nicht existierende Tätigkeit oder auf Teilbezeichnungen einer Berufstätigkeit verwiesen wird, die ihm die Nutzung der verbliebenen Erwerbsfähigkeit nicht erlauben (BSG, Urteil vom 8.9.1982 - 5b RJ 48/82 -). " Ob unter diesem Aspekt die vom LSG genannten Verweisungstätigkeiten in Unternehmen des Fliesenfachhandels, des Fliesengroßhandels, bei Verlegefirmen und in der Baustellenüberwachung " der konkreten Bezeichnung im aufgezeigten Sinne genügen, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die vom Kläger geltend gemachte Verfahrensrüge einer Verletzung der §§ 62, 128 Abs 2 SGG durchgreift.
Die Fähigkeit des Versicherten, die Verweisungstätigkeit auszuüben, besteht nur, wenn er sie ohne Umschulung, also nach einer bloßen Einweisung von höchstens drei Monaten ausüben kann (BSGE 44, 288 = SozR 2200 § 1246 Nr 23 mwN). Das LSG hat das beim Kläger angenommen. Wie der Kläger zu Recht rügt, hat es indes insoweit dem Kläger das rechtliche Gehör nicht gewährt (Art 103 Abs 1 Grundgesetz - GG -; §§ 62, 128 Abs 2 SGG). Das LSG konnte zu der Feststellung, der Kläger sei zur Verrichtung der im Berufungsurteil genannten Verweisungstätigkeiten innerhalb von drei Monaten in der Lage, denkgesetzlich nur dann kommen, wenn es vorher diese Anforderungen festgestellt hatte. Es hat insoweit jedoch keinen Beweis erhoben. Seine Kenntnisse, die es auch im Urteil nicht im einzelnen dargetan hat, konnten also nur auf Gerichtskunde beruhen. Nach § 128 Abs 2 SGG darf das Urteil aber nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Gerichtskunde tritt an die Stelle einer ohne sie erforderlichen Beweisaufnahme. Die Tatsachen und ihre Gerichtskundigkeit müssen daher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden, damit die Beteiligten Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern (vgl BSG SozR 1500 § 62 Nr 3 und § 128 Nr 15 jeweils mwN). Ist das nicht geschehen, so ist nicht nur § 128 Abs 2 SGG verletzt, sondern gleichzeitig auch der in Art 103 Abs 1 GG garantierte und in § 62 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl BSG-Urteil vom 8.9.1982 aaO). Weder aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 1981 vor dem LSG noch sonst aus den Akten ist ersichtlich, daß das LSG dem Kläger offen gelegt hat, daß es eine derartige, für den Ausgang des Rechtsstreits erhebliche Gerichtskunde besitze. Die Beklagte meint lediglich, in der mündlichen Verhandlung sei über die vom LSG ins Auge gefaßten Verweisungstätigkeiten gesprochen worden. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, der Kläger habe gewußt, daß sich das Gericht eine entscheidungserhebliche Gerichtskunde zutraue. Er hatte also keine Gelegenheit, durch seinen Vortrag oder Beweisanträge das LSG davon zu überzeugen, daß die Anforderungen der Verweisungstätigkeiten an die Leistungsfähigkeit anders sind als das LSG dies aufgrund seiner Gerichtskunde angenommen hat. Darauf kann das angefochtene Urteil auch beruhen. Denn es ist durchaus möglich, daß der Kläger durch seinen Vortrag oder Beweisanträge das Gericht zu einer Beweiserhebung oder einer anderen Entscheidung veranlaßt hätte. Die Feststellung des LSG, der Kläger sei zur Ausübung der von ihm genannten Verweisungstätigkeit innerhalb von drei Monaten imstande, ist somit nicht verwertbar, weil im Bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG).
Nicht geprüft hat das LSG auch die Frage, ob dem Kläger die Verweisung auf den angesonnenen Beruf zumutbar ist. Hinsichtlich dieser Frage hat die Rechtsprechung das Mehrstufenschema entwickelt, das zwar nicht starr anzuwenden ist, das jedoch Hinweise dafür liefert, wieweit der durch Krankheit oder sonstige Gebrechen in der Leistungsfähigkeit beschränkte Versicherte sich bei der beruflichen Neuorientierung von seinem bisherigen beruflichen Standard nötigenfalls entfernen muß. Auszugehen ist zunächst von einer oberen, mittleren und unteren Gruppe von Arbeiterberufen. Zur oberen Gruppe gehört der Facharbeiter, zur mittleren der Angelernte, zur unteren der ungelernte Arbeiter. Von der oberen Gruppe hebt sich der besonders qualifizierte Facharbeiter bzw der Vorarbeiter mit Weisungsbefugnissen ab, während sich die ungelernten Arbeiterberufe in solche ganz einfacher Art und in solche einteilen lassen, die über die ganz einfachen Tätigkeiten hinaus besser qualifiziert sind (vgl BSGE 41, 129 = SozR 2200 § 1246 Nr 11; BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr 16, SozR 2200 § 1246 Nr 41). Daraus, daß das Gesetz von einer Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeiten spricht, hat die Rechtsprechung geschlossen, daß der Versicherte nicht nur auf die eigene Gruppe, sondern auch auf die darunter liegende Arbeitergruppe verwiesen werden kann. Der Verweisungsberuf ist also darauf zu prüfen, welchen qualitativen Wert er hat. Das hat das LSG bisher nicht getan und auch nicht tun können, weil seine Bezeichnungen der Verweisungstätigkeiten schon so unbestimmt sind, daß sie auf verschiedene im Arbeitsleben bestehende Berufe, die qualitativ unterschiedlich sein können, zutreffen können.
Zu Recht hat das LSG Ausführungen darüber gemacht, ob dem Kläger der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Denn die Erwerbsfähigkeit nach § 1246 RVO ist nicht abstrakt, dh losgelöst von der Wirklichkeit des Lebens zu betrachten. Es kommt nicht nur darauf an, ob der Versicherte gesundheitlich noch bestimmte Tätigkeiten verrichten kann. Erforderlich ist vielmehr auch, daß es Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl gibt, um die sich der Versicherte bewerben kann - seien sie frei oder besetzt - (BSGE 30, 167; 30, 192; 43, 75). Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß der Versicherte nur dann auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit verwiesen werden kann, wenn in der Wirklichkeit des Arbeitslebens auch eine reale Chance besteht, einen ihr entsprechenden Arbeitsplatz zu erlangen. Deshalb scheiden solche Tätigkeiten für eine Verweisung aus, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht oder praktisch nicht gibt, dh nur in so geringer Zahl, daß eine Verweisung darauf unrealistisch ist. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Teilzeitarbeitsplätze. Sie sind in gleicher Weise für Vollzeittätigkeiten gültig (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 78 und 82). Allerdings hat die Rechtsprechung die Vermutung aufgestellt, daß es für die von Tarifverträgen erfaßten Vollzeittätigkeiten einen ausreichenden Arbeitsmarkt gibt (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 19, 22, 30 und 78). Diese Vermutung kann aus besonderen Gründen ganz entfallen oder im konkreten Falle widerlegbar sein (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nr 82 und das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 8. 9. 1982 - 5b RJ 16/81 -).
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen