Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Exklusivliefervertrag über Zytostatikazubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung. Leistungsausschluss aller anderen Apotheken
Leitsatz (amtlich)
Stellt eine Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Verträge mit Apotheken in der Weise sicher, dass sie im Wege der Ausschreibung einen auf ein bestimmtes Gebiet bezogenen Exklusivliefervertrag mit einer Apotheke schließt, sind alle anderen Apotheken von der Erbringung dieser Leistung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse in diesem Gebiet ausgeschlossen.
Orientierungssatz
Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 13.4.2016 - 1 BvR 591/16).
Normenkette
SGB V § 129 Abs. 5 S. 3 Fassung: 2007-03-26, S. 3 Fassung: 2009-07-17, S. 1, Abs. 5c Fassung: 2009-07-17, Abs. 2, § 70 Abs. 1 S. 2, § 31 Abs. 1 S. 5, § 12 Abs. 1; ApoG § 11 Abs. 1-2; ApoBetrO § 17 Abs. 4; ApoBetrO 1987 § 17 Abs. 4; ApoBetrO § 17 Abs. 5 S. 1; ApoBetrO 1987 § 17 Abs. 5 S. 1; GG Art 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29. August 2014 geändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 70 502,35 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist ein Abrechnungsbetrag in Höhe von 70 502,35 Euro, den die beklagte Krankenkasse von dem klagenden Inhaber der F.-Apotheke in D. zurückfordern will.
In dieser Apotheke werden seit vielen Jahren anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen hergestellt, die aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 Apothekengesetz (ApoG) unmittelbar an eine in demselben Gebäude betriebene onkologische Praxis abgegeben werden. Dort werden sie den Versicherten durch die behandelnden Ärzte verabreicht.
Im Juli 2013 schrieb die Beklagte 23 Gebietslose für den Abschluss von Verträgen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren Anwendung bei Patienten öffentlich aus. Der Kläger erhielt für die F.-Apotheke keinen Zuschlag. Die Beklagte bat die onkologische Arztpraxis im November 2013, ab 1.12.2013 parenterale zytostatische Zubereitungen nur noch bei der konkret bezeichneten Apotheke in M. zu bestellen, die für das Gebietslos in D. den Zuschlag erhalten habe. Den Kläger wies sie darauf hin, dass zukünftig nur die Apotheken Vergütungen für parenterale Zubereitungen erhalten könnten, die im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten hätten.
Der Kläger stellte dennoch weiterhin parenterale onkologische Zubereitungen auf Anforderung der onkologischen Praxis her. In der Zeit vom 5. bis 30.12.2013 belieferte er die Praxis auf der Basis von 149 ärztlichen Verordnungen für 38 Versicherte der Beklagten und berechnete ihr dafür 70 502,35 Euro. Die Versicherten hatten jeweils eine unter dem Briefkopf der onkologischen Praxis vorformulierte Erklärung zur Ausübung des Apothekenwahlrechts gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V unterzeichnet, in der sie als eine von mehreren vorformulierten Alternativen angekreuzt hatten, sich von der bislang mit der onkologischen Praxis nach § 11 Abs 2 ApoG kooperierenden Apotheke des Klägers versorgen lassen zu wollen, soweit sie im Rahmen einer onkologischen Therapie individuell herzustellende parenterale Zubereitungen benötigten.
Die Beklagte beanstandete die Abrechnungen des Klägers für den Monat Dezember 2013 (Schreiben vom 14.2.2014) und setzte den Betrag am 16.5.2014 in voller Höhe von einer weiteren Rechnung des Klägers ab. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren einigten sich die Beteiligten vorläufig darauf, dass die Beklagte die Zahlungen jeden dritten Monat retaxiere, die für Dezember 2013 abgesetzte Summe in Höhe von 70 502,35 Euro jedoch vorläufig wieder zur Auszahlung bringe.
Der Kläger änderte seine zunächst auf Zahlung gerichtete Klage nach der vorläufigen Rückauszahlung in eine Klage auf Feststellung, dass die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des vorläufig erneut zur Auszahlung gebrachten Betrages in Höhe von 70 502,35 Euro für im Dezember 2013 vom Kläger gelieferte und abgerechnete parenterale, onkologische Zubereitungen hat. Er hat vorgetragen, die belieferten Ärzte der onkologischen Praxis entschieden anlässlich eines Patiententermins über die Durchführung der Therapie und gäben die Herstellung der jeweils benötigten Zubereitung körpergewichtsadaptiert und nach einer sofort ausgewerteten Blutuntersuchung und ggf auch körperlichen Untersuchung bei ihm in Auftrag. Er könne diese in der Regel innerhalb von 30 Minuten ausliefern. Diese "ad hoc"-Zubereitungen ermöglichten schnelle Änderungen der zunächst vorgesehenen Therapie, zu denen es nach seiner eigenen Auswertung in knapp 20 % der Fälle gekommen sei.
Die Beklagte hat ausgeführt, eine generell praktizierte "ad hoc"-Zubereitung von Zytostatika sei ihr nicht bekannt. Im Regelfall stelle der behandelnde Arzt einen ärztlichen Therapieplan auf, in dem die Pharmakotherapie sowie die Arzttermine für die Infusionen im Voraus festgelegt würden. Im Falle einer Kooperation zwischen dem behandelnden Arzt und einer Apotheke nach § 11 Abs 2 ApoG könne diese die onkologische Zubereitung auf der Grundlage des Therapieplans rechtzeitig zum Applikationstermin in die Arztpraxis liefern. Eine "ad hoc"-Belieferung sei nur in Ausnahmefällen bzw bei speziellen Indikationen erforderlich. In diesen Fällen werde die Zubereitung auf Abruf vorbestellt und nach Kenntnis der erforderlichen Untersuchungsergebnisse tatsächlich angefordert. Hierfür sei in den Ausschreibungsbedingungen eine Lieferfrist von 45 Minuten ab Abruf vorgegeben. Die Quote der "ad hoc"-Belieferung sei sehr niedrig.
Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 29.8.2014) und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe die Vergütung von ihm hergestellter parenteraler onkologischer Zubereitungen für den Monat Dezember 2013 für die bei der Beklagten Versicherten zu, weil diese ihr Apothekenwahlrecht gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V wirksam zu Gunsten des Klägers ausgeübt hätten. Durch den Vertrag nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V zwischen der Beklagten und der Apotheke in M., die im Ausschreibungsverfahren den Zuschlag erhalten habe, könne weder das Apothekenwahlrecht der Versicherten beschnitten, noch der Vergütungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten ausgeschlossen werden. Das Leistungsrecht des SGB V werde von dem Grundsatz bestimmt, dass die Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern frei wählen könnten. Dies betreffe nicht nur die freie Arztwahl nach § 76 SGB V, sondern darüber hinaus alle zugelassenen Krankenhäuser, Einrichtungen, Heil- und Hilfsmittelerbringer. Wegen dieses durchgreifenden Prinzips müsse das Apothekenwahlrecht nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V auch dann gelten, wenn die Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch entsprechende Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V sichergestellt habe. In den Gesetzesmaterialien sei ausdrücklich ausgeführt, dass das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheken erhalten bleibe (BT-Drucks 16/3100 S 142). Schließlich werde das Apothekenwahlrecht nicht durch die Regelung des § 11 Abs 2 ApoG eingeschränkt, nach der der Apotheker Zytostatikazubereitungen unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben dürfe. Im Ausschreibungsverfahren sei die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass das Apothekenwahlrecht der Versicherten gemäß § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V unberührt bleibe. Die 38 Versicherten der Beklagten hätten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Das Verhalten des Klägers im Zusammenspiel mit der onkologischen Praxis sei nicht zu beanstanden, denn die Wahl der Apotheke des Klägers liege im Interesse der hier betroffenen Versicherten. Deren Zytostatikazubereitungen könnten aufgrund der räumlichen Nähe zu der onkologischen Praxis auch bei Dosierungsänderungen schnell und sicher geliefert werden. Die nach dem Ausschreibungsverfahren allein versorgungsberechtigte Apotheke könne demgegenüber die vorgesehene Belieferung innerhalb von 45 Minuten (§ 3 Abs 6 des Rahmenvertrags für die Ausschreibung der Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie gemäß § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V) nicht sicherstellen. Zudem pflege der Kläger nach seinen Angaben intensiven Kontakt zu den Versicherten auch im Hinblick auf die Begleitmedikation und erörtere mit ihnen Fragen im Zusammenhang mit der Ernährung und Behandlung.
Die Beklagte macht mit der Sprungrevision eine Verletzung des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V und des § 11 Abs 2 ApoG geltend. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten die toxischen und gesundheitsschädigenden onkologischen Zubereitungen den Patienten nicht ausgehändigt, sondern aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG zwischen Arzt und Apotheker direkt in die Praxis geliefert und dort verabreicht werden. Deshalb komme das Apothekenwahlrecht der Versicherten regelmäßig nicht zur Anwendung, wenn die Versorgung mit Zystostatikazubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Selektivverträge nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V, § 11 Abs 2 ApoG sichergestellt werde. Vergleichbar mit der Arzneimittelversorgung im Rahmen einer stationären Behandlung hätten die Versicherten auch in diesem Fall kein schutzwürdiges Interesse an der Auswahl einer bestimmten Apotheke. Jedenfalls aber könne das Apothekenwahlrecht nicht gegenüber dem Vertragsarzt auf dessen vorbereiteten Formularen ausgeübt werden. Ein solches "Kombinationsmodell" aus Regelversorgung und Direktbelieferung nach § 11 Abs 2 ApoG, in dem der Vertragsarzt als "Mittler" zwischen Versichertem und Apotheke agiere, sei mit der strengen Trennung der Leistungsbereiche von Arzt und Apotheker nach § 11 Abs 1 ApoG nicht vereinbar. Das Verhalten der onkologischen Praxis stelle eine berufsrechtswidrige Empfehlung einer Apotheke dar, die zudem evident gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße. Ein Vertragsarzt sei nach der Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG verpflichtet, die kostengünstigere Bezugsvariante zu wählen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 29.8.2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht sich die Begründung des SG zu eigen und führt ergänzend aus, durch die "ad hoc"-Bestellungen komme es nicht zu Stornierungen vorbestellter Zubereitungen. Dies sei für die Kassen mit einer "Einsparungsquote" von etwa 18 % verbunden. Die Belieferung durch die 49,8 km entfernt liegende Vertragsapotheke in M. sei mit der Therapiesicherheit nicht zu vereinbaren, da nach der Fachinformation beispielsweise für den Wirkstoff Melphalan die Dauer von der Herstellung bis zur Beendigung der Infusion nicht mehr als 1,5 Stunden betragen solle. Der Kläger beruft sich zudem auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums als Aufsichtsbehörde, nach dem Apotheken zur Belieferung von Kassenrezepten verpflichtet seien, und Krankenkassen diese gesetzliche Verpflichtung weder durch Rabattverträge noch durch Ausschreibungen aushebeln könnten. Schließlich nimmt er auf eine Stellungnahme der Landesapothekerkammer Bezug, die aufgrund des Kontrahierungszwangs von einer Lieferpflicht aller Apotheker ausgehe, auch der, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen hätten, und bei Zuwiderhandeln das Risiko einer Zwangsfestsetzung durch die Überwachungsbehörde sehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, denn die Beklagte hat Anspruch auf Rückerstattung des vorläufig erneut zur Auszahlung gebrachten Betrages in Höhe von 70 502,35 Euro für die im Dezember 2013 vom Kläger an die onkologische Praxis gelieferten und abgerechneten parenteralen onkologischen Zubereitungen für Versicherte der Beklagten. Die vom Kläger darauf bezogene negative Feststellungsklage war daher abzuweisen, denn sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Nach der Retaxierung des Zahlungsbetrages seitens der Beklagten hatte der Kläger zunächst eine auf Zahlung gerichtete Klage erhoben. Grundsätzlich können Leistungserbringer ihre Zahlungsansprüche im Wege der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend machen, denn es handelt sich dabei um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, ein Vorverfahren nicht durchzuführen und eine Klagefrist nicht einzuhalten ist (vgl zB BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 20; für Apotheken: BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 1 bis 9 sowie SozR 4-2500 § 129a Nr 1 ≪vorgesehen≫ jeweils mwN). Nachdem die Beklagte zur Beilegung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem Kläger die streitige Summe vorläufig wieder ausgezahlt hatte, und der Kläger daher seine Rechte nicht weiter im Wege der Leistungsklage verfolgen konnte, war die Umstellung auf eine negative Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig. Eine Klageänderung liegt darin nicht (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG). Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der negativen Feststellung, weil die Beklagte die streitige Summe im Falle eines für sie günstigen Ausgangs des vorliegenden Hauptsacheverfahrens zeitnah von einer der nächsten Rechnungen des Klägers einbehalten wird. Es ist weder prozessökonomisch noch dem Kläger zumutbar, zunächst eine erneute Retaxierung der Summe durch die Beklagte abzuwarten, um dagegen im Wege der Leistungsklage vorgehen zu können. Es ist auch anzunehmen, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt ist.
2. Der Beklagten steht für die im Dezember 2013 vom Kläger an die onkologische Praxis gelieferten und abgerechneten parenteralen onkologischen Zubereitungen für ihre Versicherten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Kläger zu; sie kann die insoweit ohne Rechtsgrund erfolgte Zahlung zurückfordern oder im Wege der Aufrechnung von einer späteren Rechnung absetzen (retaxieren), soweit sie dabei die hierfür vorgesehenen vertraglichen Vereinbarungen einhält (§ 16 des Arzneimittellieferungsvertrag ≪ALV≫ Hessen nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V in der Fassung vom 1.4.2008; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 mwN).
Dem Kläger steht für die Belieferung der onkologischen Praxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen kein Vergütungsanspruch (hierzu a) und auch kein Anspruch auf Wertersatz oder Erstattung der Kosten der Warenbeschaffung oder der "Sowiesokosten" zu (hierzu b).
a) Der Kläger war zur Belieferung der onkologischen Praxis mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten nicht berechtigt. Er erfüllte daher keine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht. Der Vergütungsanspruch für vom Kläger abgegebene Arzneimittel ergibt sich grundsätzlich aus § 129 SGB V in Verbindung mit dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 SGB V in der Fassung vom 15.6.2012 sowie dem ALV Hessen; für die hier streitigen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zudem aus der Anlage 3 zur Hilfstaxe in der seit dem 1.3.2012 anwendbaren Fassung.
Die Voraussetzungen für das Entstehen eines solchen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruchs lagen für die streitgegenständliche Forderung jedoch nicht vor, weil die Beklagte nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V berechtigt war, mit einer Apotheke einen Exklusivliefervertrag im Wege eines Ausschreibungsverfahrens abzuschließen und von diesem Recht Gebrauch gemacht hat (hierzu aa)). Dem stehen weder verfassungsrechtliche Bedenken (hierzu bb)), noch der Kontrahierungszwang nach § 17 Abs 4 Apothekenbetriebsordnung ≪ApBetrO≫ (hierzu cc)) oder das Apothekenwahlrecht der Versicherten nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V (hierzu dd)) entgegen. Aufgrund dieses Exklusivliefervertrags durfte die onkologische Praxis parenterale, onkologische Zubereitungen für die Versicherten der Beklagten grundsätzlich nur noch von der M. Apotheke beziehen, die die Ausschreibung gewonnen hat, und der Kläger durfte diese Leistungen nicht mehr zu Lasten der Beklagten erbringen (hierzu ee)). Datenschutzrechtliche Bestimmungen werden dadurch nicht verletzt (hierzu ff)).
aa) Nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V kann die Krankenkasse die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten durch Verträge mit Apotheken sicherstellen; dabei können Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens und die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden.
Soweit die Krankenkasse von dieser Berechtigung Gebrauch macht und zur Sicherstellung der Versorgung ihrer Versicherten mit parenteralen onkologischen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten Verträge mit Apotheken schließt, können hiervon abweichende Regelungen des Rahmenvertrags nach § 129 Abs 2 SGB V und der ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V keine Anwendung mehr finden. Für die vertragsschließenden Parteien ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Grundsatz des Vorrangs der spezielleren Regelung. Die Regelungen des Rahmenvertrags werden in diesem Spezialbereich durch speziellere Regelungen in dem Einzelvertrag verdrängt. Speziellere Regelungen finden sich insbesondere in den Abschlägen auf die ansonsten geltenden Preise. Für alle übrigen Arzneimittel und anderen Anwendungssituationen verbleibt es - auch zwischen der vertragsschließenden Apotheke und der Beklagten - bei den Regelungen des Rahmenvertrags.
Für die anderen Apotheken und im Verhältnis zu den übrigen Krankenkassen verbleibt es zwar grundsätzlich bei der Anwendbarkeit der Regelungen des Rahmenvertrags nach § 129 Abs 2 SGB V einschließlich der ergänzenden Verträge nach § 129 Abs 5 Satz 1 SGB V und der Anlage 3 zur Hilfstaxe. In dem Umfang, in dem die Leistungserbringung Gegenstand eines Einzelvertrags mit einer bestimmten Apotheke geworden ist, werden die anderen Apotheken jedoch notwendig von der Leistungserbringung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse ausgeschlossen. Ihre grundsätzliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung entfällt im Umfang des vorrangigen Einzelvertrags, weil jede Leistung nur einmal erbracht werden kann. Diese Konsequenz ist unausweichlich mit der gesetzlichen Zulassung von Einzelverträgen verbunden. Schließt eine Krankenkasse beispielsweise mit einer Apotheke einen Einzelvertrag über 500 Einzelleistungen, so können die übrigen Apotheken diese 500 Einzelleistungen nicht mehr erbringen. Schließt eine Krankenkasse mit einer Apotheke in einem bestimmten Gebiet einen Exklusivliefervertrag, kann in diesem Gebiet die Versorgung der Versicherten dieser Krankenkasse nur noch durch diese Apotheke erfolgen.
Mit der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen hat der Gesetzgeber den Ausschluss der anderen Apotheken von der Leistungsberechtigung und -verpflichtung bewusst in Kauf genommen. Der Exklusivliefervertrag für ein bestimmtes Gebiet, der alle anderen Leistungserbringer von der Versorgung der Versicherten der vertragsschließenden Krankenkasse in diesem Gebiet ausschließt, gehört inzwischen zu den regelmäßig im Wege einer Ausschreibung vergebenen Leistungserbringungsverträgen. Schon deshalb kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Exklusivverträgen im Zusammenhang mit der Einführung der Vorschrift des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V übersehen hat. Aus der Gesetzesbegründung wird darüber hinaus deutlich, dass der Gesetzgeber insbesondere im Bereich der Zytostatikazubereitungen einen Bedarf zur Hebung von Wirtschaftlichkeitsreserven durch den Abschluss von preisgünstigeren Einzelverträgen gesehen hat. In der Begründung des Fraktionsentwurfs zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG - BT-Drucks 16/3100 S 142; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387) ist ausgeführt, dass Apotheken durch die Neuregelung des § 129 Abs 5 SGB V die Möglichkeit erhalten sollten, die auf Landesebene vereinbarten Preise für Arzneimittel, die nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegen, sowie die auf Bundesebene vereinbarten Höchstpreise für Rezepturarzneimittel bei der Abrechnung mit einer Krankenkasse zu unterschreiten. Soweit eine Direktlieferung an Arztpraxen nach den geltenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes vorgesehen sei, sollten Apotheken und Krankenkassen zur Versorgung von Arztpraxen mit Arzneimitteln Vereinbarungen schließen können. Eine Bindung von Versicherten an eine Apotheke außerhalb von vertraglich vereinbarten Versorgungsformen erfolge gemäß § 11 Abs 1 ApoG nicht. Das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke bleibe erhalten (BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387). Der ursprünglich sehr weit gefasste Vorschlag zur Neuregelung des § 129 Abs 5 Satz 3 bis 6 SGB V, die ua alle Arzneimittel umfasste, die von Ärzten in der Arztpraxis während der Behandlung angewendet werden (vgl BR-Drucks 755/06 S 79), wurde - weil sich dies nach einer Stellungnahme des Bundesrates (vgl BT-Drucks 16/3950 S 22) nicht durchsetzen konnte (vgl auch BT-Drucks 16/4020 S 5) - aufgrund einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (BT-Drucks 16/4200 S 78) ua auf in Apotheken hergestellte Zytostatika zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten reduziert. In der hierzu ergangenen Begründung wird von einer redaktionellen Anpassung der im Gesetzentwurf vorgesehenen Möglichkeit gesprochen, Preisabschläge für diese spezielle Versorgung zu vereinbaren und dadurch besondere Fallgestaltungen der Versorgung mit Zytostatika-Rezepturen sachgerecht zu berücksichtigen (BT-Drucks 16/4247 S 46 f). Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I S 1990 - 2020) wurde in § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V das Wort "Zytostatika" durch die Wörter "parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie" ersetzt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12256, S 65 zu § 129 SGB V) wird dadurch "erreicht, dass Krankenkassen Versorgungsverträge mit einzelnen Apotheken nicht nur für Zytostatika-Zubereitungen schließen können, sondern auch für andere parenterale Zubereitungen (Infusionen) aus Fertigarzneimitteln, die für onkologische Behandlungen erforderlich sind. Damit können Verträge, insbesondere auch für biotechnologische Fertigarzneimittel, vereinbart werden, die in der Onkologie einen zunehmenden Versorgungsbeitrag erbringen. Der Anteil dieser Zubereitungen wächst jährlich zweistellig". Mit diesem Gesetz wurde auch die Regelung des § 129 Abs 5c SGB V neu eingefügt.
Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber zur Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven (vgl hierzu BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387) Verträge mit einzelnen Apotheken ermöglichen wollte (so auch Knittel in: Krauskopf, § 129 SGB V, RdNr 16) und sich insbesondere durch die Vereinbarung von Abschlägen auf die nach Anlage 3 zur Hilfstaxe maßgeblichen Preise Einsparungen versprach. Die Durchsetzung des in § 12 Abs 1 SGB V normierten und das gesamte krankenversicherungsrechtliche Leistungs- und Leistungserbringerrecht durchziehenden Wirtschaftlichkeitsgebots ist der Vorschrift damit immanent. Mit einem gegenüber den herkömmlichen Konditionen für den Apotheker wirtschaftlich ungünstigeren Einzelvertrag kann die Versorgung der Versicherten jedoch nur dann "sichergestellt" werden, wenn die Krankenkasse dem Leistungserbringer eines abgegrenzten Versorgungsbereiches einen gewissen Leistungsumfang garantieren kann. Ohne diese Garantie gäbe es für den Apotheker keinen Anreiz, einen Vertrag mit Abschlägen gegenüber den ansonsten geltenden Preisen zu vereinbaren. Die Vorschrift des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V würde leerlaufen. Um den Krankenkassen neben der rechtlichen auch die tatsächliche Möglichkeit einzuräumen, im Verhandlungsweg Abschläge auf die ansonsten geltenden Preise zu erzielen, muss die Krankenkasse deshalb in der Lage sein, die Abnahme einer bestimmten Menge verlässlich zuzusagen. Eine zumindest prinzipielle Exklusivität der Lieferbeziehungen gehört daher zu den Essentialia eines entsprechenden Vertrags, und im Umfang eines solchen Exklusivliefervertrags werden alle anderen Apotheken von der Versorgungsberechtigung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse ausgeschlossen (vgl hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.10.2010 - L 1 SF 191/10 B - Verg - Juris).
bb) Dieses Normverständnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Krankenkassen haben grundsätzlich jedem zugelassenen und geeigneten Leistungserbringer die Möglichkeit zur Beteiligung an der Versorgung der Versicherten nach Maßgabe sachgerechter, vorhersehbarer und transparenter Kriterien im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Vorgaben einzuräumen. Zwar steht dabei jedem Leistungserbringer im Rahmen der gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben eine Beteiligung offen, solange und soweit das Leistungserbringungsrecht nicht selbst den Zugang zur GKV-Versorgung begrenzt, und Beschränkungen des Zugangs bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (vgl BSGE 106, 29 = SozR 4-2500 § 126 Nr 2, RdNr 22 ff). Allerdings bietet § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V für Einzelverträge, die notwendig den Zugang zur Versorgung von Versicherten mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie in einem gewissen Umfang exklusiv einer Einzelapotheke zuweist, hierfür eine hinreichende Rechtsgrundlage, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot gerecht wird. In diesem Rahmen ist es auch im Hinblick auf die durch Art 12 Abs 1 GG garantierte Berufsfreiheit ausreichend, wenn den Leistungserbringern im Wege einer Ausschreibung der Leistung gleicher Zugang zur Leistungserbringung gewährt wird. Art 12 Abs 1 GG gewährt den Leistungserbringern keinen Anspruch auf unveränderte Wettbewerbsbedingungen und Marktverhältnisse. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an Mitbewerber grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des unterlegenen Bieters berührt (vgl zB BVerfG SozR 4-2500 § 130a Nr 7; BVerfGE 116, 135 ≪151 f≫ RdNr 58 ff). Vielmehr sind die Kassen bei der Vergabe von Leistungen an Leistungserbringer europarechtlich zur Ausschreibung der Verträge verpflichtet, gerade um den Leistungserbringern gleichen Zugang zu den Verträgen zu gewähren, soweit den Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt ist, Versorgungsverträge mit einzelnen Leistungserbringern, dh selektivvertraglich, zu schließen (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 22.7.2010 - L 21 SF 152/10 Verg - RdNr 71 ff Juris). Eine Ausschreibung kann aber sinnvoll nur erfolgen, wenn die Leistungsmenge - beispielsweise durch die Einräumung eines exklusiven Lieferrechts - hinreichend bestimmbar ist (vgl §§ 97 Abs 6, 98 Nr 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ≪GWB≫, § 4 Abs 1 VgV iVm § 3a Nr 4 Abs 1 Satz 2 VOL/A; vgl hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 7.5.2010 - L 1 SF 95/10 B Verg - Juris, RdNr 51).
cc) Dem steht auch nicht die in § 17 Abs 4 ApBetrO geregelte Pflicht zur unverzüglichen Ausführung einer Arzneimittelverordnung und der damit verbundene Kontrahierungszwang entgegen. Denn das SGB V geht als förmliches Bundesgesetz der als Rechtsverordnung erlassenen ApBetrO grundsätzlich vor. Auf dieser rechtlichen Vorrangigkeit basiert die Regelung des § 17 Abs 5 Satz 1 ApBetrO, nach der die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des SGB V zur Arzneimittelversorgung entsprechen müssen. Deshalb tritt der Kontrahierungszwang der Apotheker auch nach der Rechtsprechung des BSG (vgl BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 2, RdNr 27) erst ein, wenn alle gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen für die Abgabe eines Arzneimittels erfüllt sind, soweit sie ein Apotheker zu prüfen hat. Ein Apotheker hat zwar von sich aus nicht die Pflicht zu prüfen, ob eine andere Apotheke mit einer Krankenkasse einen Selektivvertrag geschlossen hat; wird die Apotheke aber - wie hier - von der Krankenkasse über das Bestehen eines solchen Selektivvertrages informiert, wird dadurch der Kontrahierungszwang nach § 17 Abs 4 ApBetrO ausgesetzt. Denn die Versorgung wird nach dem Wortlaut des § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V bei Abschluss eines Einzelvertrags durch diesen "sichergestellt". Ein im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung der Krankenkassen zum Abschluss von Verträgen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V geschlossener Einzelvertrag geht daher dem Kontrahierungszwang grundsätzlich vor.
dd) Das Recht der Versicherten, unter den zugelassenen Leistungserbringern frei zu wählen - hier das Apothekenwahlrecht - wird notwendig auf die vertraglich gebundenen Leistungserbringer beschränkt, soweit der Gesetzgeber den Abschluss von Einzelverträgen vorsieht. Insoweit wird nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern regelmäßig dem Wirtschaftlichkeitsgebot der Vorrang vor dem Versichertenwahlrecht eingeräumt (hierzu (1)). In dem besonderen Fall der Direktbelieferung der Arztpraxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen ist zudem ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke nicht erkennbar (hierzu (2)). Vielmehr ist der anwendende Arzt zur Absprache mit der Apotheke berechtigt, sodass in diesem Zusammenhang den Versicherten ohnehin kein Wahlrecht zukommt (hierzu (3)). Einer dem § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V vergleichbaren gesetzlichen Regelung bedarf es für die Leistung von parenteralen onkologischen Zubereitungen nicht (hierzu (4)).
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob das Apothekenwahlrecht der Versicherten hier bereits nach der im Wortlaut des § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V enthaltenen Einschränkung auf solche Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 SGB V Geltung hat, nicht eingreift. Wie dargelegt wird der Rahmenvertrag durch einen Einzelvertrag für die vertragsschließenden Parteien verdrängt, soweit er speziellere Regelungen enthält. Für alle übrigen Apotheken wird der Rahmenvertrag jedenfalls insoweit verdrängt, als es zu einem Ausschluss von der Leistungsberechtigung zu Lasten der vertragsschließenden Krankenkasse kommt. Soweit der vorliegende Versorgungsbereich im Streit steht, kann sich der Kläger daher schon nicht auf den Rahmenvertrag berufen.
(1) Entgegen der Auffassung des SG gilt die für weite Bereiche des Leistungsrechts geregelte Wahlfreiheit der Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern prinzipiell nicht uneingeschränkt. Vielmehr kann sich das Wahlrecht der Versicherten nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig nur im Falle besonderer berechtigter Interessen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und/oder gegen Tragung der Mehrkosten durchsetzen. Bereits die freie Arztwahl wird nach § 76 Abs 2 SGB V durch die vom Versicherten zu tragenden Mehrkosten für den Fall eingeschränkt, dass ohne zwingenden Grund ein anderer als einer der nächst erreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinischen Versorgungszentren in Anspruch genommen wird (vgl hierzu BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 27/14 R - vorgesehen für SozR 4 - danach sind die erstattungsfähigen Fahrkosten auf Fahrten zum nächsterreichbaren Arzt beschränkt, auch wenn der Versicherte einen Arzt mit weiter entfernt gelegenem Praxissitz wählt). Für die Hilfsmittel bestimmt § 33 Abs 6 SGB V ausdrücklich, dass die Versicherten (nur) Leistungserbringer in Anspruch nehmen können, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs 1 SGB V - dh im Wege der Ausschreibung - über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist (§ 33 Abs 6 Satz 2 SGB V). Einen anderen Leistungserbringer können Versicherte davon abweichend nach § 33 Abs 6 Satz 3 SGB V nur wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen. Für den Bereich der Heilmittel ist eine Wahlfreiheit der Versicherten nicht ausdrücklich geregelt. Bei stationären Maßnahmen der Rehabilitation wählt nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V zunächst die Krankenkasse die Einrichtung aus; ein hiervon abweichendes Wahlrecht wird den Versicherten regelmäßig nur zugestanden, soweit sie die Mehrkosten tragen, allerdings haben sie nicht für Mehrkosten aufzukommen, die im Hinblick auf die Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB IX angemessen sind (§ 40 Abs 2 Satz 2 SGB V). Vergleichbar damit können den Versicherten auch im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 2 SGB V die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn sie ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus wählen. Es wird also deutlich, dass das Leistungsrecht des SGB V nicht auf einem uneingeschränkten Grundsatz des freien Wahlrechts der Versicherten bezüglich der Leistungserbringer basiert. Vielmehr ist das Wahlrecht der Versicherten grundsätzlich auf die Vertragspartner der Krankenkasse beschränkt, soweit die Leistungserbringung durch Verträge geregelt wird, und gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot genießt das Versichertenwahlrecht regelmäßig nur bei berechtigten Interessen und/oder gegen Tragung der Mehrkosten Vorrang.
Zwar wird den Versicherten die Teilnahme an besonderen Versorgungsformen (zB an der integrierten Versorgung gemäß § 140 Abs 2 SGB V, an Strukturverträgen nach § 73a SGB V, an der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V, an der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung nach § 73c SGB V) regelmäßig freigestellt, dies beruht aber auf den Besonderheiten dieser Versorgungsformen, die eine Vergleichbarkeit mit dem Wahlrecht der Versicherten in der Regelversorgung ausschließen.
(2) Aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Direktbelieferung der Arztpraxis mit parenteralen onkologischen Zubereitungen ist ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke nicht erkennbar. Nach § 31 Abs 1 Satz 5 SGB V gilt das Apothekenwahlrecht der Versicherten - entsprechend der Geltung des Rahmenvertrags - grundsätzlich nur in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung. In diesem Versorgungsbereich werden Arzneimittel regelmäßig ärztlich verordnet und aufgrund einer solchen Verordnung von einer vom Versicherten frei zu wählenden Apotheke unmittelbar an ihn abgegeben. Der Versicherte kann sich dabei Hinweise und Ratschläge vom Apotheker zu dem Arzneimittel und seiner Einnahme einholen.
Demgegenüber haben die Versicherten während einer stationären Behandlung grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wahl der zuliefernden Apotheke. Vielmehr erbringt das Krankenhaus regelmäßig die gesamte Versorgung einheitlich (§ 2 Krankenhausentgeltgesetz ≪KHEntG≫), wobei es sich wegen der notwendigen Arzneimittel der Krankenhausapotheke bedient. Dem Versicherten steht die freie Wahl des Krankenhauses, nicht aber der in diesem Rahmen vom Krankenhaus eingesetzten Hilfspersonen oder Dritten (zur Zulässigkeit der vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter § 2 Abs 2 Nr 2 KHEntG) zu. Ein berechtigtes Interesse des Versicherten an der freien Wahl der Apotheke ist während eines Krankenhausaufenthaltes regelmäßig nicht erkennbar, da die behandelnden Ärzte, Therapeuten und Pfleger die fachgerechte Anwendung der Arzneimittel überwachen und den Versicherten als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Soweit sich der Kläger auf das freie Apothekenwahlrecht der Versicherten für vom Krankenhaus ausgestellte Rezepte nach § 39 Abs 1a SGB V beruft, der durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.7.2015 neu eingefügt wurde (BGBl I S 1211, 1213 f), betrifft diese Regelung nicht die Versorgung der Versicherten während des Krankenhausaufenthaltes, sondern die Versorgung für die Zeit unmittelbar nach der Entlassung. Die Situation ist dann mit der (sonstigen) ambulanten Behandlung identisch: Den Versicherten wird das Rezept mitgegeben und die Medikamente werden von ihnen selbständig eingenommen (vgl auch BT-Drucks 18/4095 S 76).
Zu einer selbständigen Einnahme der Arzneimittel durch den Versicherten kommt es auch dann nicht, wenn ein Medikament dem Versicherten direkt vom Vertragsarzt während der (ambulanten) Behandlung verabreicht wird. Ein Vertragsarzt muss bestimmte Arznei- und Verbandmittel zur direkten Behandlung durch ihn in seiner Praxis vorrätig halten oder bei Bedarf bestellen. Dazu gehören zB der sogenannte Sprechstundenbedarf, wie Röntgenkontrastmittel, Arzneimittel zur Notfallversorgung uä. Diesbezüglich liegt die Wahl der Bezugsquelle im Rahmen der gesetzlichen Regelungen allein beim Arzt. Eine Zustimmung des Patienten zur Auswahl der zuliefernden Apotheke kennt das Gesetz nicht. Der Versicherte kann nur den Arzt, nicht die ihn beliefernde Apotheke frei wählen. Da der vom Versicherten nach eigenem Vertrauen ausgewählte Arzt die Arzneimittel unmittelbar selbst verabreicht oder anwendet und als Ansprechpartner zur Verfügung steht, ist auch hier ein berechtigtes Interesse der Versicherten an der freien Wahl der Apotheke regelmäßig nicht erkennbar.
(3) Das Gleiche gilt für die Versorgung mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten. In diesem Bereich sind der anwendende Arzt und der Betreiber einer öffentlichen Apotheke nach § 11 Abs 2 ApoG - in Abweichung von dem grundsätzlichen Verbot von Absprachen zwischen Ärzten und Apothekern nach § 11 Abs 1 ApoG - berechtigt, Absprachen zu treffen, nach denen die anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen, die im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebes hergestellt worden sind, direkt an die Arztpraxis geliefert werden, um sie dort den Patienten durch den Arzt parenteral zu verabreichen. In der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs 2 ApoG wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der erforderlichen besonderen personellen, räumlichen und apparativen Ausstattung nur einzelne Apotheken zur Herstellung dieser Zubereitungen in der Lage seien. Aus Sicherheitsgründen sei eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Abspracheverbot erforderlich, weil die Zytostatikazubereitungen nicht in die Hände der Patienten gelangen sollten (BT-Drucks 14/756 S 5). Es wäre dem behandelnden Arzt auch kaum zumutbar, die Verantwortung für eine Behandlung mit diesen empfindlichen Zubereitungen zu übernehmen, wenn er nicht die vollständige Kontrolle über den Beschaffungsweg, die zwischenzeitlichen Lagerungsbedingungen, einschließlich der Zugriffsmöglichkeiten und des Zeitablaufs hat. Mit einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG wählt aber gerade der behandelnde Arzt - nicht der Versicherte - den Apotheker aus. Zu dieser Absprache bedarf es weder der Zustimmung des Versicherten, noch kann dieser die Versorgung durch eine andere Apotheke wählen. Der in den Gesetzesmaterialien zu § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V enthaltene Hinweis, dass das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke erhalten bleibe, kann vor diesem Hintergrund nur so verstanden werden, dass dieses Wahlrecht durch die Regelung gar nicht erst berührt wird. Denn dieser Satz wird in der Gesetzesbegründung in einen unmittelbaren Zusammenhang zur Direktlieferung von Arzneimitteln an Arztpraxen gestellt und ausgeführt, Apotheken und Krankenkassen sollten zur Versorgung von Arztpraxen mit Arzneimitteln Vereinbarungen schließen können. "Eine Bindung von Versicherten an eine Apotheke außerhalb von vertraglich vereinbarten Versorgungsformen erfolgt gemäß § 11 Abs 1 ApoG nicht. Das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke bleibt erhalten" (BT-Drucks 16/3100 S 142 zu § 129 SGB V; ebenso die Regierungsvorlage, BR-Drucks 755/06 S 387).
(4) Mangels eigener Wahlmöglichkeiten der Versicherten bezüglich der versorgenden Apotheke bedarf es keiner dem § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V vergleichbaren gesetzlichen Bestimmung. § 33 Abs 6 Satz 2 SGB V sieht für das grundsätzliche Wahlrecht der Versicherten bezüglich des Hilfsmittelerbringers ausdrücklich die Einschränkung vor, dass bei einem im Wege der Ausschreibung erfolgten Vertragsabschluss über Hilfsmittel die Versorgung ausschließlich durch den von der Krankenkasse zu benennenden Vertragspartner erfolgt. Bei der Behandlung mit anwendungsfertigen, parenteralen Zytostatikazubereitungen entscheidet jedoch allein der Onkologe über die Bezugsquelle der von ihm verabreichten Medikamente. Es liegt daher keine der Hilfsmittelversorgung vergleichbare Situation vor. Einer gesetzlichen Regelung zur Beschränkung des Apothekenwahlrechts der Versicherten auf die Vertragsapotheke bedarf es daher nicht.
ee) Stellt eine Krankenkasse die Lieferung von anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen durch den Abschluss eines Exklusivliefervertrags iS von § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V mit einer Apotheke sicher, darf der anwendende Arzt - soweit er von der Krankenkasse über die Beschränkung des Bezugsweges auf eine bestimmte Apotheke informiert wurde - die parenteralen onkologischen Zubereitungen zur Versorgung der bei der vertragsschließenden Krankenkasse Versicherten grundsätzlich nur noch von dieser Apotheke beziehen. Jedenfalls solange nicht aus zwingenden medizinischen Gründen oder sonstigen berücksichtigungsfähigen besonderen Umständen von dem von der Beklagten vorgegebenen wirtschaftlichsten Bezugsweg abgewichen werden muss, sind die Vertragsärzte hierauf beschränkt und die anderen Apotheker haben keine Leistungsberechtigung. Nach der Rechtsprechung des für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senats des BSG sind Vertragsärzte regelmäßig verpflichtet, den kostengünstigsten Bezugsweg zu wählen, wenn sie von der Krankenkasse hierauf hingewiesen werden und keine besonderen Umstände dagegen sprechen (BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - vorgesehen für SozR 4). Diese Entscheidung betraf insoweit eine vergleichbare Konstellation, als die Krankenkasse des versicherten Patienten die behandelnde Ärztin aufgefordert hatte, die notwendigen Gerinnungsfaktoren unmittelbar vom Hersteller in die Praxis liefern zu lassen und nicht dem Patienten über eine Apotheke zukommen zu lassen. Im Übrigen dürften hier die Ärzte der mit dem Kläger kooperierenden onkologischen Praxis durch die Einflussnahme auf die (vermeintlich) freie Wahl der Apotheke durch ihre Patienten gegen ihre Berufspflichten verstoßen haben. Jedenfalls sind die behandelnden Ärzten nach der Rechtsprechung des BGH berufsrechtlich nicht berechtigt, den Patienten ein vorformuliertes Formular vorzulegen, mit dem diese eine Erklärung zur Wahl eines bestimmten Leistungserbringers abgeben (vgl BGH, MedR 2015, 729; GRUR 2015, 283; VersR 2015, 999; MDR 2015, 292; insoweit enthält auch die Hessische Berufsordnung für Ärzte ein entsprechendes Empfehlungs- und Verweisungsverbot in § 31 Abs 2 HBOÄ). Vertragsärzte, die gegen ihre Verpflichtung zur wirtschaftlichen Erbringung der Versorgung nach §§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V verstoßen, können sich entsprechenden Regressforderungen der Krankenkasse aussetzen. Die Beurteilung, ob die regelmäßige "ad hoc"-Bestellung oder die von der Beklagten beschriebene therapeutische Vorgehensweise einer im Voraus festgelegten Pharmakotherapie die wirtschaftlichere Alternative darstellt, obliegt ausschließlich der Beklagten. Es ist weder Aufgabe der Leistungserbringer, noch Aufgabe der Gerichte, ohne medizinischen Anlass oder sonstige berücksichtigungsfähige Umstände die Wirtschaftlichkeit der von den Kassen abgeschlossenen Verträge zu bewerten.
Korrespondierend hiermit hat der davon in Kenntnis gesetzte Apotheker, mit dem kein Selektivvertrag geschlossen wurde, kein Recht mehr zur Lieferung und Abrechnung der Zytostatikazubereitungen zu Lasten der Beklagten. Denn einerseits sind auch Apotheker an das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs 1 SGB V gebunden, andererseits ist für eine Absprache zwischen Arzt und Apotheker gemäß § 11 Abs 2 ApoG kein Raum mehr, wenn schon der Arzt aus wirtschaftlichen Gründen eine solche Absprache nicht mehr treffen darf.
Nach diesen Grundsätzen dürfen die Vertragsärzte der onkologischen Praxis zur Versorgung der bei der Beklagten versicherten Patienten seit dem 1.12.2013 weder mit anderen Apotheken Vereinbarungen nach § 11 Abs 2 ApoG schließen, noch den Versicherten die Verordnungen zur Selbstabholung der Zubereitungen aushändigen. Ob die Selbstabholung durch Versicherte im Hinblick auf die damit verbundenen Sicherheitsbedenken bei anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen nicht ohnehin unzulässig ist, braucht daher nicht entschieden zu werden. Denn medizinische Gesichtspunkte oder sonstige berücksichtigungsfähige besondere Umstände, die gegen die Vertragsapotheke aus M. als Bezugsquelle der onkologischen Praxis in D. sprechen könnten, sind bei Einhaltung der von der Beklagten geschilderten therapeutischen Vorgehensweise weder vorgetragen noch ersichtlich. Es wäre ohnehin fraglich, welches subjektive Recht des Klägers verletzt sein könnte, wenn die Beklagte ihre Versicherten (und die behandelnden Vertragsärzte) auf eine nicht ausreichende medizinische Versorgung beschränken würde. Das muss aber ebenfalls nicht abschließend entschieden werden, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der von der Beklagten zur Verfügung gestellte Bezugsweg für parenterale onkologische Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten unter medizinischen Gesichtspunkten unzureichend sein könnte.
Stellt der behandelnde Arzt, wie die Beklagte ausführt, einen ärztlichen Therapieplan auf, in dem die Pharmakotherapie sowie die Arzttermine für die Infusionen im Voraus festgelegt werden, und liefert die Apotheke aufgrund dieses Therapieplans die onkologischen Zubereitungen termingerecht in die Arztpraxis, spielt die Entfernung der Vertragsapotheke von der Arztpraxis keine wesentliche Rolle. Sollte im Einzelfall eine "ad hoc"-Belieferung notwendig sein, weil entweder der aufgestellte Therapieplan geändert werden muss oder weil aufgrund einer speziellen Indikation ein fester Therapieplan nicht erstellt werden kann, erfolgt eine Lieferung auf Abruf innerhalb von 45 Minuten durch die Vertragsapotheke. Dieser zeitlichen Vorgabe hat sich die Vertragsapotheke aus M. im Ausschreibungsverfahren unterworfen. Bei dieser Vorgehensweise ist eine medizinisch ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten sichergestellt (§ 70 Abs 1 SGB V). Das zeigt sich schon daran, dass deutschlandweit ohnehin nur sehr wenige (nach Angabe der Beteiligten etwa 250 bis 400) Apotheken in der Lage sind, anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen selbst herzustellen und sich auch diese teilweise industrieller Herstellerbetriebe bedienen (vgl hierzu § 21 Abs 2 Nr 1b lit a) AMG, der dies rechtlich ermöglicht). Schon diese Tatsache bedingt im allgemeinen gewisse Fahrwege, ohne dadurch eine medizinisch ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten zu gefährden. Auch der Kläger hatte sich mit seiner in D. ansässigen Apotheke auf eine Ausschreibung für das Gebietslos F. beworben und hierfür einen Herstellbetrieb als Unterauftragnehmer mit Sitz in W. angegeben.
Nach dem rechtswirksamen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren für das Gebietslos in D. zugunsten der Apotheke in M. kann der Kläger als Inhaber einer konkurrierenden Apotheke nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, die M. Apotheke könne die Vorgabe der Lieferung innerhalb von 45 Minuten nicht gewährleisten. Der Einwand, ein Konkurrent erfülle nicht die in der Ausschreibung vorgegebenen Anforderungen an die Leistungserbringung, kann nur in einem gegen die Erteilung des Zuschlags im Ausschreibungsverfahren gerichteten Verfahren nach dem GWB, für das der Zivilrechtsweg gegeben ist (vgl § 13 GVG, § 51 Abs 3 SGG), und dort nur von konkurrierenden Apotheken erhoben werden, soweit sie sich an der Ausschreibung beteiligt haben.
Auch wenn deshalb davon auszugehen ist, dass eine "ad hoc"-Belieferung innerhalb von 45 Minuten durch die Vertragsapotheke in M. grundsätzlich gewährleistet ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle von Lieferengpässen oder besonderen Verkehrsproblemen eine konkrete Lieferung nicht oder im Hinblick auf eine kurze Haltbarkeitsdauer der Zubereitungen nicht zeitgerecht oder unter Berücksichtigung sonstiger medizinischer Erfordernisse nur unzureichend erbracht werden kann. Grundsätzlich kann jede Apotheke im Einzelfall auf solche unvorhergesehenen Lieferschwierigkeiten treffen. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist aber nicht darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht selektivvertraglich gebundene Apotheke ausnahmsweise eine Lieferung übernehmen darf, weil die gebundene Apotheke diese unter Beachtung der medizinischen Erfordernisse im konkreten Einzelfall nicht erbringen kann. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei einer der 149 ärztlichen Verordnungen für die 38 Versicherten der Beklagten, die der streitigen Abrechnung zugrunde liegen, ein solcher Ausnahmefall vorgelegen haben könnte. Auf die Frage, ob die von der Beklagten geschilderte therapeutische Vorgehensweise den Regelfall bildet, oder ob die meisten behandelnden Ärzte - wie die onkologische Praxis in D. in allen Fällen erst anlässlich eines Patiententermins über die Durchführung der Therapie entscheiden und die Herstellung der jeweils benötigten Zubereitung "ad hoc" in Auftrag geben, kommt es nicht entscheidend an. Denn solange die regelmäßige "ad hoc"-Bestellung keine medizinischen Vorteile bietet, sind die Vertragsärzte nicht nur bei der Wahl ihrer Bezugsquelle, sondern auch bei ihrer therapeutischen Vorgehensweise an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden (§§ 12 Abs 1, 70 Abs 1 Satz 2 SGB V, vgl auch BSG Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - vorgesehen für SozR 4).
ff) Die Annahme, bei der von der Beklagten beschriebenen therapeutischen Vorgehensweise komme es ohne Einwilligung der Versicherten zu einer Verletzung von Datenschutzbestimmungen, oder die behandelnden Onkologen könnten sich nach § 203 StGB wegen einer Verletzung ihrer ärztlichen Schweigepflicht strafbar machen, liegt fern. Der Bezug der parenteralen onkologischen Zubereitungen durch den behandelnden Vertragsarzt ist nicht nur gesetzlich vorgesehen (§ 11 Abs 2 ApoG), sondern im Rahmen der ärztlichen Behandlung auch unerlässlich. Insoweit ist daher von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zur Weitergabe der Daten an die Vertragsapotheke der Krankenkasse des Versicherten nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V auszugehen. Dies gilt im Übrigen auch im Falle einer Absprache zwischen Arzt und Apotheker nach § 11 Abs 2 ApoG. Zudem gehört der seinerseits ebenfalls der Schweigepflicht unterliegende Apotheker, der strikt an die Vorgaben der ärztlichen Verordnung gebunden ist, zum Kreis der zum "Wissen berufenen Personen" (vgl hierzu BGH, NJW 1995, 2915, 2916; Lackner in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl 2014, § 203 RdNr 17; Langkeit, NStZ 1994, 6).
b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wertersatz oder Erstattung der Kosten der Warenbeschaffung oder der "Sowiesokosten". Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG besteht ein Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse bei Abgabe vertragsärztlich verordneter Arzneimittel an deren Versicherte lediglich als Pendant zur Lieferberechtigung und -verpflichtung des Apothekers (BSGE 105, 157 = SozR 4-2500 § 129 Nr 5 RdNr 16; BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 21). Fehlt es an einer Lieferberechtigung und -verpflichtung, kann aus einer dennoch erfolgten Abgabe von Arzneimitteln an Versicherte einer Krankenkasse kein Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse erwachsen. Einem Anspruch des Apothekers aus ungerechtfertigter Bereicherung stehen übergeordnete Gesichtspunkte des öffentlichen Rechts entgegen. Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für die jeweilige Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Deshalb kann der Vertragsarzt, der Apotheker oder der sonstige Leistungserbringer auch bereicherungsrechtlich die Abgeltung von Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, selbst dann nicht beanspruchen, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Da auch die vertraglichen Vorschriften Normcharakter haben, muss dem gegen vertragliche oder gesetzliche Vorschriften verstoßenden Leistungserbringer auch im Hinblick auf die Regelung des § 134 BGB, deren Rechtsgedanke hier heranzuziehen ist, jeglicher Vergütungsanspruch versagt bleiben. Nur soweit bestimmte Vorschriften reine Ordnungsfunktion haben, besteht kein Grund, dem Leistungserbringer trotz der Entlastung der Krankenkasse eine Entschädigung zu versagen (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 7 RdNr 29 mwN). Deshalb hat die Krankenkasse für nicht veranlasste, pflichtwidrige Arzneimittelabgaben weder Wertersatz zu leisten, noch dem Apotheker die Kosten der Warenbeschaffung zu erstatten oder ihr durch die Versorgung der Versicherten erspart gebliebene Aufwendungen (sogenannte "Sowiesokosten") herauszugeben (BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 9 RdNr 21 mwN). Denn auch eine Vergütungspflicht in diesem Rahmen würde die den Krankenkassen nach § 129 Abs 5 Satz 3 SGB V eingeräumte Möglichkeit der Sicherstellung der Versorgung durch Einzelverträge mit Apotheken im Bereich der parenteralen onkologischen Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten konterkarieren. Die im Einzelvertrag mit einer bestimmten Apotheke vereinbarten Preise und insbesondere die nach § 129 Abs 5 Satz 3 2. Halbsatz SGB V vorgesehenen Preisabschläge können von den Krankenkassen nur erzielt werden, wenn im Gegenzug ein bestimmter Lieferumfang zugesagt werden kann. Umgekehrt ist die selektivvertraglich verpflichtete Apotheke unter Umständen nicht mehr an die Preisabschläge gebunden, wenn die Krankenkasse den zugesagten Lieferumfang nicht einhalten kann. Erbringen andere Apotheken, mit denen kein Selektivvertrag zur Lieferung von Zytostatikazubereitungen geschlossen wurde, dennoch diese Leistungen, kann die Krankenkasse keinen Lieferumfang garantieren. Zur Durchsetzung des gesetzlich vorgesehenen Systems ist daher der vollständige Ausschluss der Vergütung erforderlich.
c) Gegen den vollständigen Ausschluss des Vergütungsanspruchs (sogenannte "Retaxation auf Null") bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass zwar ein Eingriff in den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG vorliegt, dieser aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn bei der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften die auch für den Gesetzgeber geltenden Maßstäbe bei der Einschränkung der grundsätzlich freien Berufsausübung eingehalten werden. Die Bindung der Apotheker an das Wirtschaftlichkeitsgebot der Arzneimittelversorgung und damit die Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung kann als überragend wichtiger Gemeinwohlbelang ausreichend sein, um selbst einen Eingriff mit berufswahlregelnder Wirkung zu rechtfertigen (BVerfG vom 7.5.2014 - 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 - Juris = NJW 2014, 2340; BVerfG vom 13.9.2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196). Ein vollständiger Vergütungsausschluss greift nach dieser Rechtsprechung ferner nicht unverhältnismäßig in die durch Art 12 Abs 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit der betroffenen Apotheker ein, soweit es keine milderen und insbesondere differenzierteren Mittel gibt, um den gesetzlichen Vorschriften zur Abgabe von Arzneimitteln Wirksamkeit zu verleihen (BVerfG, aaO). Zur Durchsetzung des Exklusivlieferungsrechtes der Apotheke in M., die die Ausschreibung gewonnen hat, sind mildere Mittel als der vollständige Vergütungsausschluss aller anderen Apotheken nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund der vorherigen Information des Klägers sowie der behandelnden Ärzte über das Exklusivlieferungsrecht der M. Apotheke ist der vollständige Vergütungsausschluss dem Kläger nicht unzumutbar. Er durfte sich bei dieser Sachlage nicht auf das Schreiben der Landesapothekerkammer Hessen verlassen, in dem ausgeführt ist, mangels Kenntnis der Ausschreibungsverträge sei nur eine eingeschränkte rechtliche Bewertung möglich. Zum Verhalten der Apotheker, die nicht an der Ausschreibung teilgenommen haben, wird vorausgesetzt, dass diese keinerlei Absprache getroffen hätten. Die Belieferung der onkologischen Praxis erfolgt aber aufgrund einer Absprache nach § 11 Abs 2 ApoG. Es war daher ohne weiteres erkennbar, dass keine rechtliche Bewertung der vorliegenden Situation erfolgt ist. Im Schreiben des Regierungspräsidiums wird lediglich auf die grundsätzliche Pflicht der Apotheken zur Belieferung von Rezepten eingegangen. Nach dem unmissverständlichen Hinweis der Beklagten, dass der Kläger zukünftig für parenterale Zubereitungen keine Vergütung mehr erhalten könne, ist er das Risiko des vollständigen Vergütungsausschlusses sehenden Auges eingegangen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teilsatz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 9017136 |
BSGE 2016, 122 |
NVwZ 2015, 7 |
NZG 2015, 6 |
WzS 2016, 24 |
KrV 2016, 66 |
MedR 2016, 386 |
SGb 2016, 89 |
SGb 2017, 219 |
GesR 2016, 232 |
GuP 2016, 236 |