Leitsatz (amtlich)
Für den Anspruch auf Waisenrente ist es unschädlich, wenn eine Waise, welche die Voraussetzungen des § 1 BErzGG erfüllt, ihre Schulausbildung wegen der Erziehung des Kindes während dessen ersten drei Lebensjahren (§ 15 BErzGG) unterbricht (Fortführung von BSG vom 29.4.1997 – 5 RJ 84/95 = BSGE 80, 205 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 5).
Stand: 22. Mai 2000
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Schwaben |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Halbwaisenrente für die Zeit vom 1. September 1995 bis 20. März 1996.
Die Beklagte gewährte der am 6. August 1977 geborenen Klägerin für die Zeit vom 11. Juni 1993 bis 31. August 1995 (dh bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) Halbwaisenrente aus der Versicherung ihres am 11. Juni 1993 verstorbenen Vaters A. E. S.. Ab 8. März 1994 unterbrach die Klägerin ihre Schulausbildung an der Freien Waldorfschule A. (Waldorfschule) und wurde vom Schulbesuch bis auf weiteres befreit. Im Mai 1994 gebar die Klägerin ihr erstes Kind.
Am 4. August 1995 beantragte die Klägerin im Hinblick auf ihren Erziehungsurlaub und ihre Teilnahme am Fernlehrgang „Abitur” bei der Studiengemeinschaft D. die Weitergewährung der Halbwaisenrente über den August 1995 hinaus. Mit Bescheid vom 29. August 1995 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Halbwaisenrente ab, weil sich die Klägerin nicht mehr in einer Schul- oder Berufsausbildung befinde. Die Teilnahme an dem Fernlehrgang reiche insoweit nicht aus.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie befinde sich weiterhin in Schulausbildung. Der Schulvertrag mit der Waldorfschule bestehe noch, und es liege lediglich eine Beurlaubung von der Schulpflicht vor. Diese Beurlaubung sei rechtlich einem Erziehungsurlaub gleichzustellen.
Auf Anfrage der Beklagten bestätigte die Waldorfschule den Schulbesuch der Klägerin bis zum 7. März 1994. Das Schulverhältnis sei nicht durch eine Kündigung beendet, sondern lediglich durch die Geburt des ersten Kindes unterbrochen worden. Die Klägerin habe später wieder ihre Schullaufbahn fortsetzen wollen. Die Mutter der Klägerin habe jedoch mit Schreiben vom 20. März 1996 den Erziehungsvertrag endgültig gekündigt, als die Klägerin ihr zweites Kind erwartet habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 1996 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, weil eine Schulausbildung weder in der ursprünglichen schulischen Einrichtung noch im Hinblick auf den Fernunterricht vorliege.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 15. Januar 1998 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin Halbwaisenrente ab 1. September 1995 bis 20. März 1996 zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe sich im streitigen Zeitraum noch in einer Schulausbildung befunden. Bei einer zeitweisen Befreiung vom Schulbesuch sei auch dann noch von einer Schulausbildung iS von § 48 Abs 4 Nr 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) auszugehen, wenn das Schulverhältnis zumindest formal-rechtlich fortbestehe, ein beidseitiger durchgehender Wille zur Fortsetzung der Schulausbildung nach der Unterbrechung vorliege und die Aufnahme einer Berufstätigkeit während des Unterbrechungszeitraumes unzumutbar sei. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Das Schulverhältnis habe bis zum 20. März 1996 formal-rechtlich fortbestanden und sei erst mit der Kündigung durch die Mutter der Klägerin beendet worden. Sowohl die Waldorfschule als auch die Klägerin hätten im streitigen Zeitraum durchgehend den Willen gehabt, die schulische Ausbildung fortzusetzen. Die Waldorfschule habe keine Maßnahmen zur Beendigung des Erziehungsvertrages mit der Klägerin getroffen und eine Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Schulbesuches eingeräumt. Der bis zum Tag der Kündigung fortbestehende Ausbildungswille der Klägerin zeige sich darin, daß sie während des Unterbrechungszeitraumes einen Fernlehrgang „Abitur” aufgenommen und ab 17. September 1996 an einer Abendschule ihre Schulausbildung fortgesetzt habe. Die Entscheidung, die Schulausbildung nicht mehr an der Waldorfschule fortzuführen, sei erst mit der Kündigung des Erziehungsvertrages am 20. März 1996 gefallen.
Die Aufnahme einer Berufstätigkeit während des streitigen Zeitraums sei der Klägerin nicht zumutbar gewesen. Vom Bundessozialgericht (BSG) sei bereits entschieden worden, daß für die Zeit der Unterbrechung der Berufsausbildung wegen Kindererziehung eine Berufsaufnahme nicht zumutbar sei. Gleiches gelte für den Fall der Unterbrechung einer Schulausbildung wegen Kindererziehung. Zwar habe die Klägerin keinen Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen können, weil sie keine Arbeitnehmerin bzw gleichgestellte Person gewesen sei, sie habe aber im streitigen Zeitraum Anspruch auf Erziehungsgeld gehabt. Das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) verfolge den Zweck, einem Elternteil die Betreuung und Erziehung des Kindes in seiner ersten Lebensphase zu ermöglichen bzw zu erleichtern. Die gleichzeitige Gewährung von Erziehungsgeld und Halbwaisenrente stelle auch wegen der jeweils unterschiedlichen Zweckrichtung keine unzulässige Leistungskumulation dar. Für eine Begrenzung des Unterbrechungszeitraumes auf höchstens vier Monate sei kein Raum, weil es sich nicht um eine Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten handele.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt die Beklagte im wesentlichen vor:
Der Begriff des „Sich-in-Schulausbildung-Befindens” (§ 48 Abs 4 Nr 2a SGB VI) könne bei der Entscheidung des vorliegenden Falles – auch zur Verhinderung einer immer weiter ausufernden Leistungspflicht – nur restriktiv gesehen werden. Die Versichertengemeinschaft solle nicht für jede unvermeidbare und/oder unverschuldete Zwangspause in der Ausbildung eines Waisenrentenempfängers einzustehen haben. Die Ausnahmeregelung der rentenunschädlichen Unterbrechung eines Ausbildungsabschnittes sei am Argument der Unvermeidbarkeit der Unterbrechung in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen und keinesfalls lediglich an der Unzumutbarkeit der Aufnahme einer Beschäftigung zu messen. Nur bei einer unvermeidbaren Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten aufgrund der staatlichen bzw gesellschaftlichen Organisation der verschiedenen Ausbildungsgänge könne eine derartige für jeden Auszubildenden unvermeidbare Zwangspause der einen Waisenrentenanspruch begründenden Ausbildung zugeordnet werden. Die Rechtsprechung des 5. Senates des BSG (BSGE 80, 205 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 5) nehme eine unzulässige Ausweitung der bisherigen Rechtsprechung vor, bringe aber keine neuen Gesichtspunkte für eine Ausdehnung der bis dahin von der Rechtsprechung als unschädlich bezeichneten Unterbrechungen der Ausbildung durch Krankheit bzw unvermeidbare Zwischenzeiten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Mai 1999 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. Januar 1998 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend und führt ergänzend im wesentlichen aus: Die Beklagte verkenne, daß hier kein Fall des Übergangs zwischen zwei Ausbildungsabschnitten, sondern eine vorübergehende Unterbrechung des Schulbesuches vorliege. Der Intention des vom Gesetzgeber eingeführten Erziehungsurlaubes würde es widersprechen, wenn nunmehr ausgerechnet schulpflichtige Eltern mit Anspruch auf Halbwaisenrente durch eine Einstellung der Rentenzahlung „bestraft” würden.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht den Anspruch der Klägerin auf Halbwaisenrente für den Zeitraum vom 1. September 1995 bis zum 20. März 1996 bejaht.
Zu Unrecht ist von der Beklagten die Zahlung der Halbwaisenrente für den streitigen Zeitraum abgelehnt worden, denn die Klägerin erfüllte nach der Vollendung des 18. Lebensjahres die Voraussetzungen des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Halb- (oder Voll-) Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise ua sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet. Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Klägerin noch in Schulausbildung iS dieser Vorschrift befand.
Der Begriff Schulausbildung ist im Gesetz nicht definiert. Die Rechtsprechung geht bei dessen Auslegung vom allgemeinen Sprachgebrauch aus. Danach ist unter diesem Begriff der Besuch allgemeinbildender und weiterführender Schulen zu verstehen. Außerdem wird verlangt, daß die Ausbildung an allgemeinbildenden öffentlichen oder privaten Schulen erfolgt und der Unterricht nach staatlich genehmigten Lehrplänen erteilt wird (BSG SozR 5870 § 2 Nr 64 und BSGE 65, 243, 245 = SozR 5870 § 2 Nr 65). Der Begriff der Schulausbildung ist jedoch dahingehend eingeschränkt worden, daß eine Schulausbildung in diesem Sinne nur vorliegt, wenn durch sie die Zeit und Arbeitskraft des Kindes ausschließlich oder überwiegend in Anspruch genommen wird (BSGE 65, 243, 245 = SozR 5870 § 2 Nr 65 und BSG SozR 5870 § 2 Nr 64 jeweils mwN). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien lag eine Schulausbildung im streitigen Zeitraum nicht vor, weil die Klägerin ab 8. März 1994 die Waldorfschule tatsächlich nicht mehr besucht hatte.
Im Wege der ausdehnenden Auslegung hat die Rechtsprechung jedoch bestimmte Übergangs- und Unterbrechungszeiten als für den Waisenrentenanspruch unschädlich angesehen, selbst wenn in diesen Zeiten eine tatsächliche Schul- oder Berufsausbildung nicht stattgefunden hat. Zu solchen Übergangszeiten zählen insbesondere unvermeidbare Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1267 Nrn 1, 3 und BSGE 80, 205 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 5; BSG SozR 3-2600 § 48 Nr 1 jeweils mwN), wobei der Zeitraum einer Übergangszeit auf vier Monate beschränkt ist (BSG SozR 3-2200 § 1267 Nrn 1 und 3; SozR 3-2600 § 48 Nr 1). Zur Begründung für die Einbeziehung derartiger Übergangszeiten in die Schul- oder Berufsausbildung wird vor allem darauf abgestellt, daß es der Versichertengemeinschaft noch zumutbar sei, für sog unvermeidbare Zwangspausen einzustehen, welche der Ausbildung eigentümlich und nicht vom Auszubildenden zu vertreten seien, sondern auf schul- bzw hochschulorganisatorischen Ursachen beruhen (BSG SozR 3-2200 § 1267 Nr 3; BSG SozR 3-2600 Nr 1 mwN). Bei derartigen „Zwischenzeiten” entfalle häufig und typisch die Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und damit einer Beitragsleistung (BSG SozR 3-2200 Nr 3 mwN).
Von diesen Übergangszeiten zu unterscheiden sind die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung ebenfalls anerkannten Unterbrechungszeiten, die eine begonnene Schul- oder Berufsausbildung fortbestehen lassen. Zu diesen Unterbrechungszeiten zählen weder die regelmäßigen Ferien oder Erholungsurlaube noch zB die Beurlaubung vom Hochschulstudium zur Examensvorbereitung (vgl Kamprad in Hauck, SGB VI, § 48 RdNr 40); diese Zeiten sind ohne weiteres der Ausbildung zuzurechnen. Darüber hinaus sind aber von der Rechtsprechung andere Unterbrechungen als für das Fortbestehen der Schul- oder Berufsausbildung unschädlich angesehen worden, die die Ausbildung zwar tatsächlich, nicht aber rechtlich unterbrechen. So ist für krankheitsbedingte wie auch für schwangerschaftsbedingte Unterbrechungen bereits seit langem entschieden, daß die Waisenrente weiter zu gewähren ist, jedenfalls solange das Ausbildungsverhältnis nicht rechtswirksam beendet worden ist und sowohl Ausbilder wie auch Waise den erkennbaren Willen haben, nach der Wiedergenesung bzw nach Ablauf der Mutterschutzfristen die Ausbildung fortzusetzen. Hierbei ist auch die Zeit einer zwar vorübergehenden aber durchaus längeren Krankheit als eine für das Fortbestehen der Ausbildung unschädliche Unterbrechung angesehen worden (BSG in SozR Nrn 16, 42 zu § 1267 und SozR Nr 34 zu § 1262), ohne – und anders als bei den Übergangszeiten – eine bestimmte Höchstdauer festzulegen (vgl BSGE 26, 186 = SozR Nr 10 zu § 45 BVG; Löns in Kreikebohm, SGB VI, § 48 RdNr 16; Maier/Tabert in Berliner Kommentar, § 48 SGB VI RdNr 7). Die Ausbildung ist aber auch im Falle einer Krankheit als beendet anzusehen, wenn diese aufgrund ihrer Art oder ihres Verlaufes eine Fortsetzung der Ausbildung unmöglich macht (BSG SozR Nr 16 zu § 1267 RVO; Köbl in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Bd 3. Rentenversicherungsrecht, § 28 RdNr 140; Kamprad in Hauck, SGB VI, § 48 RdNr 40 f, Löns in Kreikebohm, SGB VI, § 48 RdNr 16).
Zur Begründung für die Weiterzahlung von Waisenrenten im Falle einer krankheitsbedingten Unterbrechung wird vor allem angeführt, daß die Waisenrente auch für die Zeit der Berufsausbildung ihre Ersatzfunktion für verlorengegangene Unterhaltsansprüche behalte, der Zweck der Waisenrente, eine möglichst qualifizierte Ausbildung zu gewährleisten, aber gefährdet würde, wenn die Waise mit dem Entzug der Rente während einer längeren Krankheit rechnen müßte und deshalb genötigt wäre, die Ausbildung abzubrechen, um sich ohne weitere Ausbildung einer weniger qualifizierten Erwerbstätigkeit zuzuwenden (BSGE 26, 186, 188 = SozR Nr 10 zu § 45 BVG mwN; vgl auch BSG SozR Nr 16 zu § 1267 RVO). Diese Gesichtspunkte gelten sinngemäß auch für die Unterbrechung der Ausbildung durch Schwangerschaft (so bereits BSG SozR Nr 34 zu § 1262 RVO).
Die beiden Fallgruppen (unschädliche Übergangs- und Unterbrechungszeiten) haben damit zwar gemeinsam, daß sie einen Waisenrentenbezug ermöglichen, obwohl tatsächlich keine Ausbildung vorliegt, sie unterscheiden sich aber darin, daß im Falle einer Übergangszeit ein Ausbildungsabschnitt nicht mehr oder noch nicht vorliegt und die unvermeidbare Zwangspause gleichwohl einer Ausbildungszeit zugerechnet wird, während im Fall einer Unterbrechungszeit ein begonnenes Ausbildungsverhältnis als rechtlich fortbestehend behandelt wird. Für die Unterbrechungszeit ist daher der Gesichtspunkt der Unvermeidbarkeit einer von der Waisen nicht beeinflußbaren, auf schul- oder hochschulorganisatorischen Ursachen beruhenden Zwangspause nicht von entscheidender Bedeutung. Der maßgebliche Grund für die von der Rechtsprechung vorgenommene ausdehnende Auslegung des Begriffes Schul- oder Berufsausbildung auch auf (unschädliche) Unterbrechungszeiten ist vielmehr darin zu sehen, daß die Waise aufgrund von in ihrer Person liegenden, aber von ihr nicht zu vertretenden Umstände die begonnene Ausbildung für einen gewissen Zeitraum tatsächlich nicht fortsetzen kann.
Soweit die Beklagte vorbringt, mit der Revision werde eine Klärung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unvermeidbarkeit einer auf ausbildungsorganisationsbedingten Gründen beruhenden Zwischenzeit und zur Einhaltung des zeitlichen Rahmens von vier Monaten gesucht, kann der vorliegende Fall zur Klärung dieser Fragen nicht beitragen, weil nicht die Berücksichtigung einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten als Zeit der Ausbildung Gegenstand des Verfahrens ist. Wenn die Klägerin im streitigen Zeitraum wegen der Erziehung ihres ersten Kindes die Waldorfschule tatsächlich nicht besucht hat, stellt sich allein die Frage, ob diese Zeit als eine – für die Waisenrente unschädliche – Unterbrechung der begonnenen Schulausbildung zu behandeln ist.
Über die bislang anerkannten Unterbrechungstatbestände Krankheit und Schwangerschaft hinaus hat der 5. Senat des BSG für den Bereich der Berufsausbildung bereits entschieden, daß auch die Zeit der Unterbrechung dieser Ausbildung wegen der Inanspruchnahme von Kindererziehungsurlaub rentenunschädlich ist, weil die Aufnahme einer Berufstätigkeit in dem Unterbrechungszeitraum nicht zumutbar sei. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. Das BErzGG wolle einem Elternteil die Betreuung und Erziehung des Kindes in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase ermöglichen bzw erleichtern. Müttern und Vätern sei die Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit für die Familie und einer Erwerbstätigkeit geschaffen worden. Im Gegensatz zur Waisenrente handele es sich beim Erziehungsgeld nicht um eine Lohnersatzleistung, sondern um eine familienpolitisch motivierte Sozialleistung. Eine Leistungskumulation liege wegen der nicht identischen Zweckrichtung der verschiedenen Sozialleistungen nicht vor (BSGE 80, 205 f = SozR 3-2200 § 48 Nr 5).
Dieser Rechtsprechung des 5. Senats schließt sich der erkennende Senat an. Soweit die Beklagte gegen die Entscheidung des 5. Senates mit der Revision geltend macht, in dieser Erweiterung der bis dahin geltenden Rechtsprechung sei keineswegs eine folgerichtige Fortführung der bisher anerkannten Unterbrechungstatbestände zu sehen, hält der erkennende Senat diesen Einwand nicht für durchgreifend. Auch wenn in der Kommentarliteratur, welche die Entscheidung des 5. Senats noch nicht berücksichtigen konnte, ganz überwiegend – aber ohne nähere Begründung – die Auffassung vertreten wird, eine Waisenrentenzahlung komme bei einer Unterbrechung der Ausbildung durch Erziehungsurlaub nicht in Betracht (vgl Kamprad in Hauck, SGB VI, § 48 RdNr 42; Löns in Kreikebohm, SGB VI, § 48 RdNr 16; Maier/Tabert in Berliner Kommentar § 48 SGB VI RdNr 99; Verbandskommentar, § 48 SGB VI RdNr 14; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 48 SGB VI Anm 5c; anders dagegen zum Recht der Unfallversicherung: Burchardt in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung – Bd 3/1. Gesetzliche Unfallversicherung, § 7 RdNr 32 – unter Hinweis auf das Urteil des 5. Senats), erweist sich die vom 5. Senat gefundene Lösung gleichwohl als überzeugend (siehe auch die zustimmende Anmerkung von Becker, SGb 1998, 35 f; ebenso bereits Igl, SGb 1996, 86 f).
Auch der erkennende Senat sieht die Gefahr eines Wertungswiderspruches, wenn einerseits mit dem gesetzlich eingeräumten Erziehungsurlaub die Kleinkindbetreuung durch einen Elternteil mit Nachdruck gefördert werden soll und mit dem Erziehungsgeld eine Sozialleistung vorgesehen ist, die weder auf andere Sozialleistungen noch auf private Unterhaltsleistungen angerechnet wird, andererseits aber die Waisenrente eines in Berufsausbildung befindlichen Elternteils wegfallen soll, wenn er Erziehungsurlaub nimmt (so auch Köbl in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Bd 3 Rentenversicherungsrecht, § 28 RdNr 141). Letzterer würde sich damit vor die Alternative gestellt sehen, entweder auf das vom Gesetz eingeräumte Recht auf Erziehungsurlaub und – soweit ein Anspruch besteht – Erziehungsgeld zu verzichten, um seinen Waisenrentenanspruch nicht zu verlieren, oder aber den Erziehungsurlaub in Anspruch zu nehmen, dafür aber den Waisenrentenanspruch aufgeben zu müssen. Vom Gesetzgeber werden jedoch sowohl der Erziehungsurlaub zur Betreuung des Kleinkindes als auch die Weiterzahlung der Waisenrente zur Förderung der Ausbildung der Waisen als sozialpolitisch wünschenswert erachtet, ohne daß eine Rangfolge in der Wertigkeit dieser beiden sozialpolitischen Zielsetzungen festgestellt werden kann. Vielmehr erscheinen beide in gleichem Maße als förderungswürdig. Wenn nun das Gesetz keine Regelungen enthält, wie die beiden gesetzgeberischen Zielsetzungen im konkreten Fall miteinander vereinbart werden können, sondern diese Aufgabe der Rechtsprechung überlassen hat, kann es nicht als Überschreitung der Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung betrachtet werden, wenn die Gerichte einen Wertungswiderspruch in Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung zu vermeiden suchen.
Anknüpfungspunkt für die Vermeidung eines Wertungswiderspruches bei der Unterbrechung einer Berufsausbildung wegen Kindererziehung ist zunächst die bisherige Rechtsprechung zur krankheits- und schwangerschaftsbedingten Unterbrechung des Ausbildungsverhältnisses. Diese seit langem bestehende Rechtsprechung (siehe hierzu oben) ist in den Folgejahren vom Gesetzgeber nicht korrigiert worden. Weder mit der Einführung des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) noch mit dem RRG 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2998) ist insoweit eine Korrektur vorgenommen worden. Wenn aber eine schwangerschaftsbedingte Unterbrechung innerhalb der Mutterschutzfristen als für den Bezug von Waisenrente unschädlich anzusehen ist, erscheint es konsequent, wenn die nachfolgende Unterbrechung durch den vom Gesetzgeber geschaffenen Erziehungsurlaub ebenfalls als unschädlich erachtet wird. Dieser Schluß ist rechtsystematisch vertretbar und vor allem geeignet, den oben aufgezeigten Wertungskonflikt dahingehend zu lösen, daß möglichst beide Wertentscheidungen des Gesetzgebers verwirklicht werden können.
Die Erweiterung der bislang anerkannten (unschädlichen) Unterbrechungstatbestände einer vorübergehenden Krankheit und einer Schwangerschaft/Mutterschaft um den weiteren, neuen Unterbrechungstatbestand des Erziehungsurlaubs erscheint auch weniger aus rechtssystematischen Gründen als problematisch, sondern wohl eher wegen des Umstandes, daß die Unterbrechung über die bislang anerkannten Zeiträume weit hinausgehen und bis zu drei Jahren dauern kann. Für die mögliche Dauer dieses Unterbrechungstatbestandes ist vom 5. Senat des BSG (vgl BSGE 80, 205, 206 f = SozR 3-2200 § 48 Nr 5) zu Recht nicht auf die Dauer der Erziehungsgeldgewährung, sondern auf die mögliche Dauer des Erziehungsurlaubs abgestellt worden, weil der Erziehungsurlaub auch ohne Inanspruchnahme von Erziehungsgeld genommen werden kann, nachdem das Zweite Bundeserziehungsgeldänderungsgesetz vom 6. Dezember 1991 (BGBl I 2142) den Erziehungsurlaub auf drei Jahre verlängert hat. Bei dieser gesetzlich eingeräumten Dauer des Erziehungsurlaubes handelt es sich um eine gesetzgeberische Entscheidung, die im Interesse der Betreuung und Erziehung des Kindes während seiner ersten Lebensjahre getroffen worden ist. Wenn für diesen gesamten Zeitraum ein Arbeitsverhältnis (§§ 15 f BErzGG) und über § 20 Abs 1 Satz 1 BErzGG auch ein Berufsausbildungsverhältnis als nicht beendet, sondern fortbestehend behandelt wird, ist es folgerichtig, diese Wertung des Gesetzgebers in Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung auch für das Vorliegen einer Berufsausbildung iS von § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI gelten zu lassen.
Es ist nicht zu verkennen, daß durch eine Waisenrentenzahlung während der durch Kindererziehung unterbrochenen Berufsausbildung die Leistungspflichten der Rentenversicherungsträger nicht unerheblich erweitert werden. Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Erziehungsurlaubs getroffene Wertentscheidung erscheint diese Mehrbelastung aber als vertretbar. Sie führt auch nicht zu einer unverhältnismäßigen und unabsehbaren Leistungsausweitung. Zwar kann nach dem Erziehungsurlaub die Berufsausbildung fortgesetzt und für die weitere Dauer der Berufsausbildung Waisenrente bezogen werden, die Waisenrente endet aber auf jeden Fall mit dem 27. Lebensjahr (so auch Igl, SGb 1996, 86, 87). Eine entsprechende Anwendung des § 48 Abs 5 SGB VI für die Unterbrechung der Ausbildung durch Erziehungsurlaub kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Ausnahmevorschrift nicht in Betracht.
Durch die Möglichkeit einer gleichzeitigen Inanspruchnahme von Waisenrente und Erziehungsgeld für jedenfalls einen Teil der Zeit, in der die Berufsausbildung wegen des Erziehungsurlaubs unterbrochen ist, findet auch keine unzulässige Leistungskumulation statt. Die Zweckrichtung der verschiedenen Sozialleistungen ist nicht identisch (vgl hierzu ausführlich BSGE 80, 205, 208 = SozR 3-2200 § 48 Nr 5). Wegen des auf 18 Monate begrenzten und weitgehend von einer Bedarfsprüfung abhängigen Bezuges von Erziehungsgeld kann bei voller Inanspruchnahme des gesetzlich möglichen Erziehungsurlaubs ein gleichzeitiger Bezug von Waisenrente und Erziehungsgeld ohnehin allenfalls für die Hälfte der Dauer des Erziehungsurlaubs erfolgen.
Der erweiternden Auslegung des Begriffes Berufsausbildung in § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI steht auch nicht entgegen, daß im Kindergeldrecht seit der Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) durch das Gesetz vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1250, 1378) die bis dahin aufgrund des Gesetzes vom 6. Dezember 1991 (BGBl I 2142) geltende Regelung in § 2 Abs 2 Satz 6 BKGG alter Fassung (aF) wieder beseitigt worden ist. Nach § 2 Abs 2 Satz 6 Nr 1 BKGG aF zählte zur Schul- oder Berufsausbildung auch die Zeit, in der unter den Voraussetzungen des § 1 BErzGG und im zeitlichen Rahmen des § 15 BErzGG ein Kind betreut und erzogen wurde, solange mit Rücksicht hierauf die Ausbildung unterbrochen wurde. Die Einführung des § 2 Abs 2 Satz 6 BKGG aF diente dabei seinerzeit nur der Klarstellung und sollte verhindern, daß nachteilige Folgen für die Berücksichtigungsfähigkeit der betreffenden (kindergeldberechtigten) Eltern einträten (vgl Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand: Mai 1995, § 2 RdNr 7). Damit konnte diese frühere kindergeldrechtliche Regelung für die ausdehnende Auslegung des Begriffs Berufsausbildung in § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI auch auf Zeiten der Unterbrechung durch Erziehungsurlaub nach dem BErzGG durchaus ein zusätzliches Argument sein (vgl hierzu SG Duisburg, Urteil vom 28. April 1994 in SGb 1996, 81, 86; Köbl, aaO, § 28 RdNr 141). Nunmehr bestimmt § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG in seiner seit 1996 geltenden Fassung (neuen Fassung – nF), daß Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, nur berücksichtigt werden, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. Wenn auch nicht aus dem Wortlaut, so ergibt sich aus der Begründung zu dieser Gesetzesfassung, daß die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub im Kindergeldrecht nicht mehr als Zeit der Berufsausbildung gelten soll (vgl BT-Drucks 13/1558 S 164). Dieser Auffassung folgt auch nahezu einhellig die Kommentarliteratur zu der für die steuerliche Berücksichtigung von Kindern maßgeblichen Vorschrift des § 32 des Einkommenssteuergesetzes ≪EStG≫ (vgl Ross in Dankmeyer/Giloy, Einkommenssteuer-Kommentar, Stand: September 1998, § 32 EStG RdNr 50; Jachmann in Kirchhof/Sohn, EStG, § 32 RdNr C 19; Stache in Hartmann/ Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG-Kommentar, Bd I, § 32 EStG RdNr 74; Jechnere in Lademann, EStG-Kommentar, 4. Aufl, § 32 RdNr 70; vgl auch Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienlastenausgleichs nach dem X. Abschnitt des EStG ≪DA-FamEStG≫ 63.3.2 in BStBl 1997, 14 – 1. Ergänzungslieferung; kritisch zu dieser Auffassung: Brandmüller, Kindergeldgesetz, § 63 EStG Anm 7).
Gleichwohl zwingt diese Änderung des Kindergeldrechts nicht zur Aufgabe der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG betreffend die Auslegung des Begriffs Berufsausbildung in § 48 Abs 4 Nr 2a SGB VI, zumal der 5. Senat sich bei seiner Entscheidung auch nicht auf die Fassung des § 2 Abs 2 Satz 6 Nr 1 BKGG aF gestützt hat. So wünschenswert ein „Gleichklang” in der Auslegung der kindergeldrechtlichen und rentenrechtlichen Vorschriften in diesem Punkt wäre, da sie letztlich gleiche Begriffe verwenden (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1267 Nr 1), so muß sich die Auslegung gleicher Begriffe in verschiedenen Vorschriften doch am jeweiligen Sinn und Zweck einer jeden Norm orientieren. Führt eine sinn- und zweckorientierte Auslegung des Begriffs Berufsbildung in § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI zu dem vom 5. Senat des BSG gefundenen Ergebnis, so kann die Richtigkeit dieser Auslegung nicht bereits deshalb in Zweifel gezogen werden, weil der Gesetzgeber in anderem Regelungszusammenhang seine eigene gesetzliche Auslegung aufgegeben hat. Der Zweck des Kindergeldes bzw Kinderfreibetrags als familienpolitischer Leistung mag es rechtfertigen, Kindergeld bzw Kinderfreibeträge nicht mehr zu gewähren, wenn das bislang berücksichtigungsfähige Kind selbst eine familienpolitische Leistung in Form von Erziehungsgeld bzw Erziehungsurlaub erhält. Es ist hier nicht zu prüfen, ob diese gesetzgeberische Entscheidung angemessen und mit dem Ziel und Zweck des Bundeserziehungsgeldes zu vereinbaren ist. Für § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI ist angesichts der og Gründe eine restriktive Auslegung des Begriffs Berufsausbildung nicht sinnvoll und führt zu unbilligen Ergebnissen, weshalb eine entsprechende Anwendung der jetzigen kindergeldrechtlichen Vorschriften ausscheidet.
Auch wenn die unterschiedliche Auslegung des Begriffs Berufsausbildung in § 2 Abs 2 Nr 1 BKGG nF durch den Gesetzgeber und in § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI durch die Rechtsprechung dazu führt, daß insoweit wiederum kein „Gleichklang” dieser beiden Vorschriften erreicht wird, so ist dieses hinzunehmen. Der Kreis der gemäß § 2 Abs 2 BKGG nF berücksichtigungsfähigen über 18jährigen Kinder deckt sich ohnehin nicht mit dem Kreis der nach § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a und b SGB VI rentenberechtigten, über 18 Jahre alten Waisen. So sind nach § 2 Abs 2 S 1 Nrn 3 und 5 BKGG nF Kinder berücksichtigungsfähig, die eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen können (Nr 3) oder – bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres – als Arbeitslose in Deutschland der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen (Nr 5 in Verbindung mit Abs 3 Satz 1). Diese Tatbestände berechtigen nach § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a und b SGB VI dagegen nicht zum Waisenrentenbezug, wenn die Waise das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Die im Hinblick auf das BErzGG gebotene erweiternde Auslegung des Begriffs Berufsausbildung, wonach Zeiten der Unterbrechung wegen Erziehungsurlaubs davon mit erfaßt sind, muß entsprechend auch auf den Begriff der Schulausbildung erstreckt werden. Allerdings sind anders als für die Berufsausbildung die Vorschriften des BErzGG bzgl des Erziehungsurlaubs nicht direkt auf die Schulausbildung anwendbar. Das BErzGG betrifft insoweit nur Arbeitnehmer, denen die in Berufsausbildung befindlichen Personen gleichgestellt sind (§ 20 Abs 1 BErzGG). Eine Urlaubsregelung wegen Kindererziehung für in Schulausbildung stehende Eltern findet sich im BErzGG nicht. Gleichwohl bestehen keine Bedenken, eine Unterbrechung der Schulausbildung insoweit genauso zu behandeln wie die Unterbrechung einer Berufsausbildung. Dies liegt bereits aufgrund des Wortlauts des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI nahe, der Schul- und Berufsausbildung sozusagen „in einem Atemzug” nennt und an beide Ausbildungsarten dieselben Rechtsfolgen knüpft. Einen weiteren Hinweis für die gebotene Gleichbehandlung bietet auch § 2 Abs 2 Satz 6 Nr 1 BKGG aF, wonach die Zeit einer Kindesbetreuung (im Rahmen des § 15 BErzGG) sowohl zur Schul- als auch zur Berufsausbildung gehörte. Selbst wenn heute nach dem Wortlaut von § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 BKGG nF und § 32 Abs 4 Satz 1 Nr 2 a EStG nur Kinder berücksichtigungsfähig sind, die „für einen Beruf ausgebildet” werden, so besteht Einigkeit darüber, daß unter Berufsausbildung iS dieser Vorschrift auch der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen, dh die Schulausbildung zählt (Dürr in Frotscher, EStG, § 32 RdNr 61; Schmidt, EStG, 18. Aufl, § 32 RdNr 38; Hönsch, Erziehungs- und Kindergeldrecht, 1998, RdNr 623).
Auch für die Lebenssituation von Eltern, die als rentenberechtigte Waisen ihr Kind in dessen ersten Lebensjahren betreuen und erziehen wollen, macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob sich der den „Erziehungsurlaub” in Anspruch nehmende Elternteil in einer Berufs- oder aber in einer Schulausbildung befindet. Es wäre kaum nachvollziehbar, einem in Berufsausbildung befindlichen Elternteil während der Unterbrechung der Ausbildung durch Erziehungsurlaub die Waisenrente zu gewähren, einer in Schulausbildung stehenden Waisen, die diese Schulausbildung unterbricht, um ihr Kind in dessen ersten Lebensjahren selbst betreuen und erziehen zu können, die Waisenrente aber zu versagen. Dagegen spricht nicht, daß Erziehungsurlaub nach dem BErzGG nur Arbeitnehmern und den diesen gleichgestellten Personen zusteht. Indem der Gesetzgeber den Anspruch auf Erziehungsgeld grundsätzlich allen Eltern zubilligt, gibt er zu erkennen, daß nach seinem Willen allen Eltern die Möglichkeit gegeben sein soll, ihr Kind in dessen ersten Lebensjahren selbst betreuen und erziehen zu können. Für die in Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnissen stehenden Personen bedurfte es daher einer Regelung, die es diesen erlaubt, trotz bestehender vertraglicher Pflichten sich dem Kind widmen zu können. Diesem Ziel dient die Einräumung von Erziehungsurlaub in §§ 15 ff BErzGG. Für nicht abhängig beschäftigte Personen bedurfte es keiner entsprechenden Regelung, da diese ohnehin nicht durch ein Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnis an der Betreuung ihres Kindes gehindert sind. Befindet sich ein Elternteil jedoch in einer Schulausbildung, die seine Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt, so steht diese Ausbildung in gleicher Weise einer Betreuung des Kindes entgegen wie bei einem in Berufsausbildung stehenden Elternteil. Das vom Gesetzgeber mit dem BErzGG verfolgte Ziel kann für die in Schulausbildung befindlichen Eltern nur erreicht werden, wenn diese sich für die Zeit der Kindesbetreuung vom Schulunterricht „beurlauben” lassen können. Es liegt daher nahe, eine Waise, die wegen der Erziehung ihres Kindes die tatsächliche Schulausbildung unterbricht, nicht anders zu behandeln als eine in Berufsausbildung stehende Waise, die aus demselben Grund den gesetzlich eingeräumten Erziehungsurlaub nimmt.
Aufgrund der unterschiedlichsten, zum Teil langwierigen Ausbildungsgänge, kann noch nicht einmal generell unterstellt werden, die in Schulausbildung befindlichen Waisen könnten sich hierbei einen besonderen Vorteil verschaffen, weil der Waisenrentenbezug durch die rentenunschädliche Unterbrechung der Schulausbildung zu einer überlangen Bezugsdauer führen könnte. Wie bereits ausgeführt, erfährt die Bezugsdauer der Waisenrente – im Regelfall – ohnehin eine Begrenzung durch den Wegfall der Leistung mit der Vollendung des 27. Lebensjahres. Die ursprüngliche Begrenzung auf das 25. Lebensjahr ist vom Gesetzgeber sogar erst mit dem § 48 SGB VI durch das RRG 1992 auf das 27. Lebensjahr angehoben worden, weil aufgrund der heutigen langen Ausbildungszeiten die Beendigung einer Ausbildung vor dem 25. Lebensjahr nicht gewährleistet ist. Für viele Waisen wird bei Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub wegen Kindesbetreuung die Ausbildung auch bis zum 27. Lebensjahr nicht beendet werden können, und zwar völlig unabhängig davon, ob der Erziehungsurlaub in einer Zeit der Berufsausbildung oder während einer Schulausbildung genommen wurde.
Allerdings kann ein „Erziehungsurlaub” während einer Schulausbildung nicht für einen längeren Zeitraum als für den Waisenrentenbezug unschädlich angesehen werden als dies bei den nach dem BErzGG berechtigten Arbeitnehmern und den diesen gleichgestellten in Berufsausbildung stehenden Personen nach § 15 Abs 1 BErzGG möglich ist. Außerdem müssen – wie dies auch § 2 Abs 2 Satz 6 Nr 1 BKGG aF bestimmt hatte – die Voraussetzungen des § 1 BErzGG gegeben sein. Eine Einschränkung des Erziehungsurlaubs nur auf die Zeit der Erziehungsgeldgewährung bzw Berechtigung auf Erziehungsgeld dem Grunde nach (§ 4 Abs 1 BErzGG) ist für die in Schulausbildung befindlichen Waisen dagegen ebensowenig gerechtfertigt wie für die in Berufsausbildung stehenden Waisen.
Zuzugeben ist allerdings, daß anders als bei der „Suspendierung” eines Ausbildungsverhältnisses durch den Erziehungsurlaub, wobei die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis ausgesetzt („unterbrochen”) werden, mitunter die Feststellung schwierig sein kann, ob ein Schulverhältnis fortbesteht und lediglich suspendiert oder bereits als zumindest vorläufig beendet anzusehen ist. Insbesondere wird das bloße Fernbleiben oder Abmelden vom Unterricht nicht für die Annahme eines „Erziehungsurlaubs” ausreichen können, vielmehr bedarf es zum Nachweis der (unschädlichen) Unterbrechung einer Schulausbildung – wie auch entsprechend beim Berufsausbildungsverhältnis – in der Regel einer Vereinbarung zwischen der schulischen Einrichtung und dem Schüler. Entsprechend den zu den anderen (unschädlichen) Unterbrechungstatbeständen entwickelten Grundsätzen kann eine Schulausbildung auch nur solange vorliegen, wie von Seiten des Schülers bzw der Schülerin und der schulischen Einrichtung noch der Wille zur Fortsetzung der Ausbildung vorhanden ist und dieser auch realisiert werden kann. Für die Annahme von schulischem „Erziehungsurlaub” als solcher ist es unbeachtlich, wenn die Ausbildung während einer derartigen Unterbrechung doch noch (ganz) beendet wird. Allerdings kann ein unschädlicher Unterbrechungstatbestand nur solange anerkannt werden, wie die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen. Soweit hierbei die Gefahr einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme eines für die Waisenrente unschädlichen „Erziehungsurlaubs” nicht ausgeschlossen werden kann, wird dieser Besorgnis nur durch eine sorgfältige Prüfung der vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen begegnet werden können. Die bloße Möglichkeit einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme kann es dagegen nicht rechtfertigen, bei der Schulausbildung einen „Erziehungsurlaub” als (unschädlichen) Unterbrechungstatbestand von vornherein auszuschließen.
Entsprechend diesen Grundsätzen ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen das Fortbestehen der Schulausbildung der Klägerin vom LSG zutreffend bejaht worden. Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt beruhte die Suspendierung des Schulverhältnisses auf einer zwischen der Waldorfschule und der Klägerin getroffenen Vereinbarung, die das Ziel hatte, nach der Zeit der Kindererziehung den Schulbesuch fortzusetzen. Des weiteren wollten sowohl die Klägerin als auch die Waldorfschule den Erziehungsvertrag während des gesamten streitigen Zeitraums aufrechterhalten. Die Voraussetzungen des § 1 BErzGG sind nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt ebenfalls gegeben; die Zeitdauer des Erziehungsurlaubs hatte im streitigen Zeitraum die gesetzliche Frist von drei Jahren gem § 15 BErzGG idF des Zweiten Bundeserziehungsgeldänderungsgesetzes nicht überschritten, da das im Mai 1994 geborene erste Kind der Klägerin im März 1996 noch nicht das 3. Lebensjahr vollendet hatte.
Befand sich die Klägerin während des streitigen Zeitraums somit noch in Schulausbildung iS von § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI, steht ihr auch die Halbwaisenrente für diese Zeit zu. Das LSG ist aufgrund dieses Ergebnisses zu Recht nicht auf die Frage eingegangen, ob es bei dem zwischenzeitlich von der Klägerin belegten Fernlehrgang „Abitur” um eine Schulausbildung iS von § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI handelte. Soweit die Beklagte ihren ablehnenden Bescheid hierauf gestützt hat, ist dies unbeachtlich, weil der Klägerin wegen der anderweitig fortbestandenen Schulausbildung die Halbwaisenrente zu gewähren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2000, 465 |
SozSi 2001, 142 |