Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung. Verfahrensfehler. Nichtberücksichtigung im Revisionsverfahren von Amts wegen. Bezeichnung. Pflegekasse. Bescheid. soziale Pflegeversicherung. keine Versicherungspflicht bei Wohnsitz in Mitgliedstaat (hier Spanien). Geltung der Vorschriften der EWGV 1408/71
Leitsatz (redaktionell)
Eine Anfechtungs- und Feststellungsklage ist gemäß § 55 Abs. 1 Nr 1 SGG zulässig, wenn die Feststellung der Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung selbst und der darauf gerichtete Bescheid beseitigt werden soll.
Die Vorschriften der EWGV 1408/71 gelten auch für die Leistungen des SGB XI, da Leistungen bei Pflegebedürftigkeit Leistungen bei Krankheit i.S. von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a EWGV 1408/71 sind.
Der spanische Staatsangehörige mit Wohnsitz in seinem Heimatland, der eine Rente von spanischen und vom deutschen Rentenversicherungsträger bezieht, gehört unbeschadet des ggf. auch insoweit vorrangigen Gemeinschaftsrechts nicht zum Kreis der gemäß § 20 SGB XI Versicherungspflichtigen.
Normenkette
SGB IV § 3 Nr. 2; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 11; EWGV 1408/71 Art. 27; EWGV 574/72 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a; SGG § 75 Abs. 2 Alt. 2; SGB X § 33 Abs. 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2003) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob der in Spanien lebende Kläger in der sozialen Pflegeversicherung auf Grund des Bezuges einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist, obgleich er auch eine Rente des spanischen Trägers der Rentenversicherung bezieht.
Der im März 1934 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger. Er bezieht eine Rente vom beigeladenen deutschen Rentenversicherungsträger. Daneben erhält er eine Rente des spanischen Rentenversicherungsträgers. Er wohnte bis 1998 in Deutschland und verzog am 13. Mai 1998 nach Spanien. Solange er in Deutschland wohnte, war er wegen des Rentenbezugs bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Stuttgart in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie bei der zuständigen Pflegekasse in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert.
Der Kläger hat wegen des Bezugs der spanischen Rente seit seiner Wohnsitzverlegung nach Spanien Anspruch auf Leistungen bei Krankheit gegen den spanischen Versicherungsträger. Unter Hinweis auf diesen Umstand teilte ihm die AOK Rheinland im September 1998 mit, dass bei ihr keine Mitgliedschaft begründet werden könne.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 1998 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, seine Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung solle bestehen bleiben. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 mit, sie führe die Pflegeversicherung als freiwillige Weiterversicherung ab dem 14. Mai 1998 durch. Die vom Kläger begehrte Pflichtmitgliedschaft lehnte sie für die Zeit ab 14. Mai 1998 mit Bescheid vom 8. März 1999 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 1999 zurück. Personen mit Wohnort in einem anderen Staat der Europäischen Union seien nur dann in der deutschen sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, wenn sie bei einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse versichert seien. Grundsätzlich unterlägen Rentenbezieher, die sich gewöhnlich im Ausland aufhielten, nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit sich aus über- oder zwischenstaatlichem Recht nicht etwas anderes ergebe. Der Kläger sei seit dem Wechsel seines Wohnortes nicht mehr in der deutschen Krankenversicherung versichert, weil er nach Art 27 der Verordnung (EWG) 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, (EWGV 1408/71) Leistungsansprüche und Versicherungsschutz nur nach spanischem Recht habe.
Der Kläger hat Klage erhoben. Er sei auf Grund seiner vom spanischen Träger gewährten Rente in Spanien krankenversichert; diese Krankenversicherung sei der deutschen Krankenversicherung, die lediglich ruhe, gleichzustellen. Die Pflegeversicherung könne deshalb auch ohne deutsche Krankenversicherung bestehen. Da das spanische Recht keine Pflegeversicherung kenne, komme insoweit ein Ruhen der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nicht in Betracht. Art 27 EWGV 1408/71 dürfe nicht so ausgelegt werden, dass die Versicherungspflicht in der deutschen sozialen Pflegeversicherung entfalle, wenn auf Grund des Bezuges einer spanischen Rente ein Anspruch gegen den spanischen Krankenversicherungsträger bestehe, denn diese Bestimmung solle lediglich das Nebeneinander zweier identischer Versicherungen verhindern. Eine andere Auslegung sei mit Art 48 und 51, nunmehr Art 39 und 42, des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) nicht vereinbar.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2000 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung nach Beiladung des deutschen Rentenversicherungsträgers mit Urteil vom 27. Juni 2003 zurückgewiesen. Zwar ruhe die deutsche Krankenversicherung lediglich. Dies habe jedoch nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung gegeben seien. Der Kläger sei durch die Möglichkeit einer vom Beitrag her sehr günstigen freiwilligen Versicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) in gleicher Weise abgesichert wie ein Pflichtversicherter.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Da die deutsche Krankenversicherung während seines Aufenthaltes in Spanien lediglich ruhe, seien die Voraussetzungen für die Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung erfüllt. Die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung nach § 26 Abs 2 Satz 1 SGB XI bedeute nicht, dass er kein Interesse an einer Pflichtversicherung habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß
das Urteil des LSG vom 27. Juni 2003, das Urteil des SG vom 16. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 1999 aufzuheben und festzustellen, dass er als Pflichtmitglied Mitglied der beklagten Pflegekasse ist,
hilfsweise,
den Rechtsstreit auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens folgende Fragen vorzulegen:
- Endet nach Art 27 EWGV 1408/71 die Mitgliedschaft bei der deutschen Krankenversicherung eines in Spanien lebenden Rentners, der eine deutsche und eine spanische Rente bezieht, durch die Gewährung der Leistung bei Krankheit durch den spanischen Versicherungsträger? Und wenn ja,
- bleibt nach Art 27 EWGV 1408/71 die Pflichtmitgliedschaft bei der deutschen sozialen Pflegeversicherung bestehen, wenn die spanischen Rechtsvorschriften diese Leistungen nicht vorsehen? Und wenn nicht,
- ist Art 27 EWGV 1408/71 so auszulegen, dass die spanische Krankenversicherung der deutschen Krankenversicherung iS des § 20 Abs 1 SGB XI für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung gleichgestellt wird? Und wenn nicht,
- verstößt Art 27 EWGV 1408/71 gegen Art 48, nunmehr Art 39 EG, wenn die in Spanien lebenden Rentner, die eine spanische und eine deutsche Rente beziehen, ihren Wohnsitz wieder nach Deutschland verlegen müssten, um in der deutschen Krankenversicherung und somit in der Pflegeversicherung als Pflichtmitglied versichert zu sein? Und wenn nicht,
- verstößt § 20 SGB XI gegen Art 48, nunmehr Art 39 EG, wenn der Anspruch auf die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung eines spanischen oder deutschen Rentners, der sowohl von Spanien als auch von Deutschland eine Rente bezieht und in Spanien wohnt, vom Aufenthaltsland des Rentners abhängt?
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Der Kläger habe seine freiwillige Pflegeversicherung bei ihr zum 31. Dezember 2003 gekündigt. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung seien weiterhin nicht erfüllt.
Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert.
Der Senat hat mit Schreiben vom 11. Januar 2005 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob die Beklagte für die Entscheidung über die vom Kläger für die Zeit ab 14. Mai 1998 begehrte Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung zuständig ist.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Zu entscheiden war nur über des Begehren des Klägers, das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung bei der beklagten Pflegekasse festzustellen. Zu Recht hat das SG insoweit die Klage abgewiesen und das LSG die Berufung zurückgewiesen. Zutreffend hat es die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 1999 abgelehnt, eine Pflichtmitgliedschaft des Klägers nach dem 13. Mai 1998 festzustellen. Der Kläger ist seit diesem Zeitpunkt kein versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Einer Aussetzung des Revisionsverfahrens zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedurfte es nicht.
- Im Revisionsverfahren war lediglich über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu entscheiden, mit denen die Beklagte die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung bei ihr für die Zeit ab 14. Mai 1998 verneint hat. Nicht Gegenstand der angefochtenen Bescheide war die vom Kläger beantragte und von der Beklagten auch durchgeführte freiwillige Weiterversicherung (vgl §§ 26, 26a SGB XI), die der Kläger während des Revisionsverfahrens gekündigt hat. Ob und bei welchem Versicherungsträger diese begründet werden konnte und welche Rechtswirkungen sie entfaltete, kann daher dahinstehen.
Der Senat konnte über die Revision des Klägers entscheiden, auch wenn die AOK Rheinland – Pflegekasse beizuladen gewesen wäre. Diese kommt zwar als beizuladender Versicherungsträger gemäß § 75 Abs 2 Regelung 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht, denn für die Durchführung der Pflichtversicherung könnte im streitigen Zeitraum ab 14. Mai 1998 die AOK Rheinland – Pflegekasse zuständig sein, soweit sich das Versicherungsverhältnis des Klägers nach den Vorschriften der EWGV 1408/71 bestimmt. Gemäß Art 4 Abs 2 der Verordnung (EWG) 574/72 des Rates über die Durchführung der EWGV 1408/71 vom 21. März 1972 (ABl EG Nr L 74 S 1 vom 27. März 1972), zuletzt geändert durch EWGV 631/2004, iVm ihrem Anhang 2 D 1c Unterabsatz 3 Satz 2 ist für die Durchführung der Krankenversicherung der Rentenantragsteller und Rentner nach Titel III Kapitel 1 Abschnitt 4 und 5 EWGV 1408/71 zuständiger Träger in der Bundesrepublik Deutschland die AOK Rheinland (vgl auch Art 1 Buchst o EWGV 1408/71). Da Leistungen bei Pflege Leistungen bei Krankheit iS der EWGV 1408/71 sind (vgl ua EuGH, Urteil vom 5. März 1998 – C-160/96 – ≪Molenaar≫, EuGHE I 1998, 843, 887 f = SozR 3300 § 34 Nr 2 S 15), wäre die Zuständigkeit der AOK Rheinland – Pflegekasse gegeben, nachdem der Kläger seinen Wohnsitz am 14. Mai 1998 in den Mitgliedstaat Spanien verlegt hatte. Selbst wenn jedoch die Voraussetzungen des § 75 Abs 2 Regelung 2 SGG vorgelegen hätten, wäre ein solcher dann bestehender Verfahrensfehler im Revisionsverfahren nicht von Amts wegen zu berücksichtigen (stRspr BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9/9a RVg 4/92 –, BSGE 77, 1, 6 f = BSG SozR 3-3800 § 1 Nr 4, Urteil vom 20. Februar 2002, B 11 AL 59/01 R, DBlR 4744a, AFG/§ 105b, Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 75 RdNr 13b). Die fehlende Beiladung hat der Kläger nicht gerügt.
Auch der Benachrichtigung der AOK Rheinland bzw deren Pflegekasse gemäß § 181 SGG bedurfte es nicht, selbst wenn die von ihr erlassenen Bescheide bindend geworden sein sollten. Eine Verurteilung gemäß § 181 Satz 2 iVm § 180 Abs 4 SGG ist dann nicht möglich, wenn das Gericht die Zuständigkeit des beklagten Versicherungsträgers verneint, der als Leistungspflichtiger in Betracht kommende Versicherungsträger seine sachliche Zuständigkeit jedoch nicht verneint hat und die Ablehnung auf das Fehlen der für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen gestützt hat (vgl BSG, Urteil vom 21. Mai 1980 – 7 RAr 19/79 –, BSGE 50, 111, 115 = SozR 1500 § 181 Nr 1 S 2). Dies ist hier der Fall. Die AOK Rheinland hatte – wie das LSG festgestellt hat – mit Bescheid vom 8. September 1998 eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt, weil der Kläger nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung habe. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich ferner, dass dieser Versicherungsträger mit Bescheid vom 28. Oktober 1998 auch die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung verneint hat.
- Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage, die mit einer Anfechtungsklage verbunden ist, ist gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig. Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden feststellenden Bescheides. Für diese Feststellungsklage besteht ein Rechtsschutzinteresse (vgl Urteil des Senats vom 7. Dezember 1989 – 12 RK 19/87 –, BSGE 66, 124, 126 = SozR 2200 § 165 Nr 97 S 168 f). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, weil grundsätzlich das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft Voraussetzung für das Vorliegen von Versicherungsschutz sowie die Verpflichtung zur Beitragszahlung ist.
Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 1999 ist rechtmäßig.
a) Auch wenn in den Bescheiden die beklagte Pflegekasse als erlassende Körperschaft nicht vollständig bezeichnet ist, sind die Bescheide aus diesem Grund nicht zu beanstanden. Die beklagte Pflegekasse war für die angefochtenen Bescheide sachlich zuständig (vgl Urteil des Senats vom 6. November 1997 – 12 RP 1/96 –, BSGE 81, 168, 169 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2 S 2). Zwischen der allein in den Bescheiden benannten Krankenkasse und der Pflegekasse besteht Organidentität. Der Senat hat deshalb für eine Übergangszeit entschieden, dass derartige Bescheide als Bescheide der Pflegekasse noch erkennbar sind (vgl ua Urteil des Senats vom 6. November 1997 – 12 RP 4/96 –, SozR 3-3300 § 55 Nr 1 S 2). Er hält an dieser Rechtsprechung für die hier zu beurteilenden 1999 erlassenen Bescheide fest, da diese kurz nach den damaligen Entscheidungen ergangen sind. Er geht jedoch für die Zukunft davon aus, dass Bescheide grundsätzlich nur dann der Pflegekasse zuzurechnen sind, wenn diese eindeutig als Urheber erkennbar ist.
b) Die Beklagte hat als zuständiger Versicherungsträger entschieden. Nach dem Inhalt der Bescheide hat sie allein entschieden, dass die Pflichtversicherung bei ihr mit dem Wegzug des Klägers nach Spanien geendet hat und bei ihr seitdem keine Pflichtversicherung mehr besteht.
c) Der Kläger ist nicht mehr Pflichtmitglied der Beklagten als Träger der gesetzlichen Pflegeversicherung gemäß § 49 Abs 1 SGB XI, denn er unterliegt nicht mehr der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Versicherungspflicht sind nach deutschem Recht nicht erfüllt. Soweit sich aus den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts eine Versicherungspflicht ergeben würde, wäre für deren Durchführung nicht die Beklagte, sondern die AOK Rheinland – Pflegekasse zuständig.
aa) Der Kläger gehört unbeschadet des ggf auch insoweit vorrangigen Gemeinschaftsrechts unter Beachtung allein der nationalen Kollisionsvorschrift (§ 3 SGB IV) nicht zum Kreis der gemäß § 20 SGB XI Versicherungspflichtigen. Zu diesen gehören im Wesentlichen die Versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 20 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 1 bis 11 SGB XI) sowie die freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 20 Abs 3 SGB XI) und daneben die in §§ 21, 25 SGB XI genannten Personengruppen. In Betracht kommt hier allein die Versicherungspflicht auf Grund des Rentenbezuges des Klägers gemäß § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 11 SGB XI iVm § 5 Abs 1 Nr 11 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Auf Grund des jetzigen Wohnsitzes des Klägers in Spanien findet das deutsche Sozialversicherungsrecht gemäß der einseitigen Kollisionsnorm in § 3 Nr 2 SGB IV keine Anwendung, sodass schon aus diesem Grunde die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen ist. Darüber hinaus besteht auch wegen der fehlenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung.
bb) Nicht zu entscheiden ist im anhängigen Rechtsstreit, ob unter Berücksichtigung der Vorschriften der EWGV 1408/71 eine Versicherungspflicht des Klägers in der sozialen Pflegeversicherung auch nach der Verlegung seines Wohnsitzes nach Spanien in Betracht kommt. Für deren Durchführung wäre die Beklagte nicht zuständig, wie sich aus Art 4 Abs 2 EWGV 574/72 iVm ihrem Anhang 2 D 1c Unterabsatz 3 Satz 2 ergibt. Danach ist für die Durchführung der Krankenversicherung der Rentenantragsteller und der Rentner nach Titel III Kapitel 1 Abschnitt 4 und 5 der EWGV 1408/71 zuständiger Träger in der Bundesrepublik Deutschland die AOK Rheinland.
Die Vorschriften der EWGV 1408/71 gelten auch für die Leistungen des SGB XI, da Leistungen bei Pflegebedürftigkeit Leistungen bei Krankheit iS von Art 4 Abs 1 Buchst a EWGV 1408/71 sind (vgl EuGH, Urteil vom 5. März 1998 – C-160/96 – ≪Molenaar≫, EuGHE I, 1998, 843, 889 f = SozR 3-3300 § 43 Nr 2 S 15, Urteil vom 8. Juli 2004, C-502/01 und C-31/02 – ≪Gaumain-Cerri und Barth≫, AmtlMittLVA Rheinprovinz 2004, S 445 ff; Urteil vom 8. März 2001 – C-215/99 – ≪Jauch≫, SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 7 zum Pflegegeld nach österreichischem Recht; siehe nunmehr auch Art 3 Nr 1a, Art 34 EWGV 883/2004). Soweit der Kläger geltend macht, Art 27 der EWGV 1408/71 begründe einen Versicherungsstatus für die Zeit nach Verlegung seines Wohnsitzes nach Spanien, kann dies offen bleiben. Träfe diese Ansicht zu, so wären auch die entsprechenden Regelungen über den zuständigen Träger der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art 4 Abs 2 EWGV 574/72 iVm ihrem Anhang 2 D 1c Unterabsatz 3 Satz 2; Art 1 Buchst o EWGV 1408/71 anzuwenden. Danach wäre die Beklagte für die Durchführung der Pflichtmitgliedschaft nicht zuständig.
Das Revisionsverfahren musste nicht nach Art 234 Abs 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung ausgesetzt werden. Zwar ist der Senat als nationales Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung verpflichtet, den EuGH anzurufen, wenn er sich entscheidungserheblich auf europäisches Gemeinschaftsrecht stützt, an dessen Auslegung Zweifel bestehen. Diese Voraussetzungen liegen jedoch bereits deshalb nicht vor, weil es für die Entscheidung nicht darauf ankommt, wie Art 27 ff EWGV 1408/71 auszulegen sind. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten scheidet nämlich bereits deshalb aus, weil beim Bestehen von Versicherungspflicht auf Grund der Anwendung der Vorschriften der EWGV 1408/71 ein Mitgliedschaftsverhältnis nicht zur Beklagten, sondern allenfalls zur AOK Rheinland – Pflegekasse begründet wäre. Dass insoweit die Zuständigkeitsregelungen der EWGV 1408/71 iVm denen der EWGV 574/72 anwendbar sind, ist nicht zweifelhaft, nachdem der EUGH in ständiger Rechtsprechung Leistungen bei Pflegebedürftigkeit den Leistungen bei Krankheit iSd EWGV 1408/71 zuordnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
DStR 2005, 1864 |
EuroAS 2005, 59 |
KrV 2005, 84 |
SGb 2005, 229 |