Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 26.2.2019 - B 1 KR 18/18 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Mai 2017 aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2016 wird abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 8. Dezember 2015 und 27. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen.
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die Versorgung mit Liposuktionen an beiden Armen und Beinen (29.9.2015). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung, forderte bei der Klägerin weitere Unterlagen an (Schreiben vom 4.11.2015) und lehnte die Versorgung mit Liposuktionen ab (Bescheid vom 8.12.2015, Widerspruchsbescheid vom 24.2.2016). Für den Fall des Eintritts einer fiktiven Genehmigung hob sie diese auf (Bescheid vom 27.1.2016, Widerspruchsbescheid vom 24.2.2016). Die Klägerin hat mit ihrem Begehren gerichtet auf Erstattung von 13 111,55 Euro Kosten inzwischen selbstbeschaffter Operationen nebst präoperativer Leistungen, Laboruntersuchungen und Arzneimitteln sowie Aufhebung der Ablehnungs- und der Rücknahmeentscheidung weder beim SG (Urteil vom 12.10.2016) noch beim LSG Erfolg gehabt. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die von der Klägerin selbstbeschafften Liposuktionen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Auch die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a SGB V) seien aus diesem Grund nicht erfüllt (Beschluss vom 31.5.2017).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a SGB V. Die Beklagte habe die Drei-Wochen-Frist (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 1 SGB V) ohne Begründung nicht eingehalten. Auch sei die Fiktionswirkung nicht auf Gegenstände des Leistungskataloges der GKV beschränkt. Die Rücknahme der fiktiven Genehmigung nach § 45 SGB X sei rechtswidrig.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Mai 2017, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Oktober 2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 8. Dezember 2015 und 27. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der selbstbeschafften Liposuktionen an Armen und Beinen in Höhe von 13 111,55 Euro zu erstatten,
hilfsweise,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. Mai 2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise - hinsichtlich der Anfechtung der Ablehnung der beantragten Leistung sowie der Aufhebung der Rücknahme - begründet, teilweise - hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von 13 111,55 Euro - im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 und S 2 SGG). Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Entscheidung der Vorinstanz verletzt materielles revisibles Recht. Die zulässige Klage (dazu 1.) ist teilweise begründet. Die Klägerin hat aufgrund fingierter Genehmigung ihres Antrags und der Ablehnung der beklagten KK, ihr die beantragte Leistung im System der GKV zu gewähren, Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr für selbst beschaffte Liposuktionen entstehen (dazu 2.). Der Anspruch aufgrund der fingierten Genehmigung ist nicht erloschen. Insbesondere ist die Rücknahme der Genehmigung aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig (dazu 3.). Darüber, ob die Klägerin aufgrund fingierter Genehmigung ihres Antrags einen Anspruch auf Zahlung von 13 111,55 Euro Kosten selbstbeschaffter Liposuktionen aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V (in der seit dem 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten ≪PatRVerbG≫ vom 20.2.2013, BGBl I 277) hat, kann der erkennende Senat indes nicht abschließend entscheiden. Es bedarf noch weiterer Feststellungen (dazu 4.). Die Ablehnung der beantragten Leistung verletzt die Klägerin in ihren Rechten (dazu 5.).
1. Gegenstand des Rechtsstreits sind drei in einer Klage im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zulässige Klagebegehren: Die allgemeine Leistungsklage auf Zahlung von 13.111,55 Euro (dazu a), die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung (dazu b) und die (isolierte) Anfechtungsklage gegen die während des Klageverfahrens zum Gegenstand des Rechtsstreits gewordene Rücknahmeentscheidung (dazu c).
a) Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist zulässig. Nach § 54 Abs 5 SGG kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hierfür genügt es, dass ein bindender Verwaltungsakt vorliegt, der Leistungsträger aber gleichwohl nicht leistet (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 9 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 9, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Genehmigung kraft Fiktion steht der Bewilligung durch einen Leistungsbescheid gleich und bewirkt, dass dem Versicherten - wie hier - unmittelbar ein Anspruch auf Versorgung mit der hinreichend inhaltlich bestimmt beantragten Leistung zusteht (vgl zum Ganzen BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 8 mwN).
Die allgemeine Leistungsklage tritt nicht hinter die Feststellungklage zurück (§ 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Mit der allgemeinen Leistungsklage kann ein Kläger effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) erlangen, wenn sich eine KK - wie hier - weigert, eine durch Verwaltungsakt zuerkannte Leistung zu erbringen. Ihm bleibt nur die Leistungsklage, um einen Vollstreckungstitel zu erhalten (§ 199 Abs 1 Nr 1 SGG). Eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand ist nicht vorgesehen (vgl BSGE 50, 82, 83 = SozR 1500 § 54 Nr 40 S 23; BSGE 75, 262, 265 = SozR 3-8560 § 26 Nr 2 S 15). Die allgemeine Leistungsklage und nicht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist statthaft. Denn die Klägerin stützt ihr Begehren gerade auf den Eintritt der fingierten Genehmigung ihres Antrags (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V), auf einen fingierten Leistungsbescheid, der in Bestandskraft erwachsen ist. § 86 SGG findet keine Anwendung, anders als bei einer Ablehnungs- und Rücknahmeentscheidung (vgl hierzu sogleich unter c).
b) Die gegen die Ablehnungsentscheidung neben der allgemeinen Leistungsklage erhobene isolierte Anfechtungsklage ist zulässig (stRspr, vgl zB BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 9 mwN). Die Beklagte setzte mit ihrer Leistungsablehnung nicht das mit Eintritt der Genehmigungsfiktion beendete, ursprüngliche Verwaltungsverfahren fort, sondern eröffnete ein eigenständiges Verfahren.
c) Die Klage ist auch in Bezug auf die Rücknahmeentscheidung (Bescheid vom 27.1.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.2.2016) zulässig. Dieser Verwaltungsakt ist zunächst zum Gegenstand des die Ablehnungsentscheidung betreffenden Widerspruchsverfahrens (§ 86 Abs 1 SGG) geworden. Mit der Umstellung des ursprünglich erstinstanzlich geltend gemachten Feststellungsantrags auf einen Leistungsantrag unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung (zum Vorrang der Leistungsklage vgl oben a) nach Erlass des Widerspruchsbescheides, wurde dieser ebenfalls Klagegegenstand.
Gemäß § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn er den angefochtenen Verwaltungsakt während des Vorverfahrens abändert, dh ändert oder ersetzt (vgl § 96 Abs 1 SGG; vgl BSG SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 18 f; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86 RdNr 3). Die Rücknahme der fingierten Genehmigung änderte in diesem Sinne die Ablehnungsentscheidung. Ein späterer Verwaltungsakt ändert oder ersetzt dann einen früheren, angefochtenen, wenn er den Verfügungssatz des Ursprungsbescheides ersetzt, abändert oder unter Aufrechterhaltung des Rechtsfolgenausspruchs dessen Begründung so modifiziert, dass sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt ändert. Es genügt auch, wenn der spätere in die Regelung des früheren Verwaltungsakts eingreift und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert (vgl BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 7 mwN; Estelmann in Zeihe/Hauck, SGG, Stand Oktober 2018, § 96 Anm 8b; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 12, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen zu § 96 Abs 1 SGG). Geeigneter Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit der Regelung des § 86 SGG ist nur die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung. Die Klägerin greift gerade nicht den fingierten Verwaltungsakt an, sondern stützt ihre allgemeine Leistungsklage auf ihn.
In diesem Sinne änderte die Rücknahme der fingierten Genehmigung die angefochtene Ablehnungsentscheidung. Die Rücknahmeentscheidung hob die fingierte Genehmigung auf. Die Aufhebung der Genehmigung änderte die Grundlage für die nun zu treffende Entscheidung über den Leistungsantrag. Die Rücknahmeentscheidung änderte mit der darin liegenden Leistungsablehnung für die Zukunft zugleich die ursprünglich ergangene Ablehnungsentscheidung auf geänderter Sachverhaltsgrundlage (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 14, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
2. Die Voraussetzungen des Eintritts der Fiktion der Genehmigung sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist eröffnet (dazu a). Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu b).
a) Die Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist auf den Antrag der Klägerin sachlich und unproblematisch zeitlich anwendbar. Die Regelung erfasst ua Ansprüche auf Krankenbehandlung, nicht dagegen Ansprüche gegen KKn, die unmittelbar auf eine Geldleistung oder auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gerichtet sind (vgl zum Ganzen BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 14 mwN); auf letztere finden die §§ 14 f SGB IX (idF des Art 1 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch ≪SGB IX≫ Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen ≪SGB IX aF≫; seit 1.1.2018: §§ 14 f, 18 idF des Art 1 Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ≪Bundesteilhabegesetzes - BTHG≫ vom 23.12.2016, BGBl I 3234) Anwendung (§ 13 Abs 3a S 9 SGB V). Die Klägerin verlangt demgegenüber Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 1 oder Nr 5 SGB V).
b) Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion ist nach der Rspr des erkennenden Senats, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck (vgl ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 19 f). Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 12).
Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die leistungsberechtigte Klägerin (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen (dazu dd).
aa) Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen ua in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 22; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, Juris RdNr 16 mwN).
bb) Die Klägerin beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Der Antrag hat eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung und als materiell-rechtliche Voraussetzung (stRspr, vgl zur Doppelfunktion zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 17 mwN). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl zB BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 17 mwN; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Der Antrag der Klägerin genügte diesen Anforderungen. Er richtete sich auf die Versorgung mit medizinisch indizierten Liposuktionen an beiden Armen und Beinen (Ober- und Unterschenkeln). Die Klägerin untermauerte mit den beigefügten Unterlagen ihr Begehren, ohne dieses - anders als das LSG meint - auf die Erbringung durch nicht zugelassene Ärzte oder eine privatärztliche Leistungserbringung auszurichten. Der Antrag war auf "Kostenübernahme für Liposuction bei schmerzhaftem Lipödem" gerichtet. Es bedarf keiner Vertiefung, ob - wofür viel spricht - ein solcher Antrag grundsätzlich auf die Behandlung durch zugelassene Leistungserbringer gerichtet ist, wenn die begehrte Leistung konkret im Naturalleistungssystem vorgesehen ist. So lag es weder hinsichtlich stationärer (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 137e Nr 1 RdNr 9 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) noch ambulanter Liposuktionen. Letztere konnte die Beklagte als neue, nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthaltene Behandlungsmethode mangels Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) und Verankerung im EBM ohnehin nur im Wege der Kostenfreistellung verschaffen (vgl zum Grundsatz BSGE 124, 1 = SozR 4-2500 § 27 Nr 29, RdNr 8 mwN; Hauck, NZS 2007, 461). Eine solche Beschränkung wirkte jedenfalls nach der Ablehnungsentscheidung der Beklagten nicht mehr (vgl dazu unten II 2. c aa).
cc) Der Antrag betraf eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 26; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 21 mwN).
Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entgegen. Die in der Durchbrechung dieser Grundsätze liegende Ungleichbehandlung Versicherter ist als gezielte, durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vermeidbare Sanktion in eng begrenzten Ausnahmefällen noch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG) gerechtfertigt (stRspr, vgl zB BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 22; BSG SozR 4-2500 § 137e Nr 1 RdNr 22, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). § 13 Abs 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V obsolet (stRspr, vgl BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 22 mwN; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 21, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; dies verkennend zB LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff = NZS 2014, 663; Schneider, NZS 2018, 753, 756 f, zudem unzutreffend auf die ursprünglich geplante Regelung in Art 2 Nr 1 PatRVerbG-Entwurf der Bundesregierung ≪BT-Drucks 17/10488 S 7≫ abstellend; ebenso v Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 603 f und Knispel, SGb 2014, 374 ff sowie GesR 2017, 749, 752 f; zur Unmaßgeblichkeit des Ursprungsentwurfs in Art 2 Nr 1 PatRVerbG vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Eine Beschränkung der Genehmigungsfiktion auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V lässt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht dem "gesetzgeberischen Willen" entnehmen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit ≪14. Ausschuss≫ zum Entwurf eines PatRVerbG, BT-Drucks 17/11710 S 29 ff). Die Begründung enthält keine Hinweise darauf, die Regelung solle sich auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche beschränken. Im Gegenteil knüpft die Begründung des späteren Gesetzentwurfs eines BTHG zur vergleichbaren Neuregelung in § 18 Abs 3 SGB IX an die Rspr des erkennenden Senats zu § 13 Abs 3a S 6 SGB V an und stellt klar, dass nur "Evidenzfälle (,Urlaub auf Mallorca')" ausgenommen sein sollen (vgl Entwurf der BReg eines BTHG, BR-Drucks 428/16, S 236 Zu § 18 SGB IX).
Die von der Klägerin begehrten Liposuktionen liegen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 22). Gründe, warum die Klägerin die beantragten Liposuktionen nicht aufgrund der fachlichen Befürwortung durch ihre behandelnden Ärzte für erforderlich halten durfte, hat das LSG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte ermittelte zudem selbst in medizinischer Hinsicht. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch aus den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG).
dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 1 SGB V), die aufgrund der fehlenden Unterrichtung der Klägerin von der MDK-Begutachtung vor Fristablauf lief (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Nach der stRspr des Senats ist die Fünf-Wochen-Frist bei Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere des MDK, nur maßgeblich, wenn der Leistungsberechtigte durch die KK von der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet wird. Das entspricht Wortlaut, Regelungssystem sowie Regelungszweck und ist mit der Entstehungsgeschichte vereinbar. Erforderlich ist, dass die KK den Berechtigten innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber informiert, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen will (vgl § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (vgl §§ 39, 37 SGB X; stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 28; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 29 mwN; BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 8/17 R - Juris RdNr 28 = KHE 2017/81; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 28, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; unzutreffend Bayerisches LSG Beschluss vom 25.4.2016 - L 5 KR 121/16 B ER - Juris RdNr 26). Ohne diese gebotene Information über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme können Leistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt gilt (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 28). Die Unterrichtung durch die KK (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V) ist eine notwendige Voraussetzung, um die Fünf-Wochen-Frist (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 2 SGB V) auszulösen. Schon der ursprüngliche Gesetzentwurf eines PatRVerbG, der noch keine Genehmigungsfiktion vorsah, begründete die Unterrichtungspflicht damit, dem Versicherten Klarheit zu verschaffen, ob die Drei- oder Fünf-Wochen-Frist gilt (vgl BT-Drucks 17/11710 S 30). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Zielrichtung durch die später Gesetz gewordene Einführung der Genehmigungsfiktion (vgl nochmals BT-Drucks 17/11710 S 30) geändert hat (vgl zu dem Ganzen BSG Urteil vom 6.11.2018 - B 1 KR 20/17 R - Juris RdNr 20, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Die Frist begann am Mittwoch, dem 30.9.2015 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) ging der Antrag der Klägerin am 29.9.2015 der Beklagten zu. Die Frist endete am 20.10.2015 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Bescheidung erfolgte nach Ablauf der Frist (Bescheid vom 8.12.2015). Die Beklagte teilte der Klägerin keine Gründe für die Fristüberschreitung mit.
3. Der entstandene Anspruch aufgrund fingierter Genehmigung ist auch nicht später erloschen und bestand noch zur Zeit der Selbstbeschaffung der Leistungen. Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene der Klägerin - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. In diesem Sinne ist eine KK nicht mit allen Einwendungen gegen die fingierte Genehmigung ausgeschlossen (stRspr seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31 mwN; § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24). Die Voraussetzungen eines Erlöschenstatbestands sind nicht erfüllt. Die Beklagte regelte mit der Ablehnung der Leistung weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme, eine Aufhebung oder einen Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47, 48 SGB X) der fingierten Genehmigung (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 35 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Rücknahme der Genehmigung ist aufzuheben, denn sie ist rechtswidrig (dazu a). Die Genehmigung hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt (dazu b).
a) Die Rücknahme der fiktiven Genehmigung nach § 45 SGB X verletzte die Klägerin in ihrem Anspruch auf Versorgung mit Liposuktionen. Die Rücknahmevoraussetzungen waren nicht erfüllt, weil die Genehmigung rechtmäßig ist (dazu aa). Die Rücknahmeentscheidung ist weder mittels Umdeutung noch anderweitig aufrechtzuerhalten (dazu bb).
aa) § 45 Abs 1 SGB X bestimmt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Grundvoraussetzung der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts - hier: der fingierten Genehmigung - ist nach der klaren Gesetzesregelung, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Daran fehlt es.
Ansprüche auf Leistungen, die Versicherte aufgrund fingierter Genehmigung erlangen, gehören zum Leistungskatalog der GKV (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 LS 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Maßstab der Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung ist § 13 Abs 3a SGB V. Schon nach dem Wortlaut des § 13 Abs 3a S 6 SGB V gilt "die Leistung als genehmigt", nicht etwa bloß "die Genehmigung als erteilt", wie es § 42a VwVfG formuliert (vgl Harich, jurisPR-SozR 2/2018 Anm 3). In Einklang mit Wortlaut und Entstehungsgeschichte soll nach dem Regelungssystem die Genehmigungsfiktion die Berechtigten vom Risiko entlasten, dass eine beantragte Leistung nicht in den Leistungskatalog der GKV fällt. § 13 Abs 3a SGB V begründet hierzu einen eigenen Anspruch der Berechtigten, den ihnen das Gesetz kraft Genehmigungsfiktion durch fingierten Verwaltungsakt zuerkennt. Der Gesetzgeber ging damit bewusst über den bisher mittels sachleistungsersetzender Kostenerstattung gewährten Schutz hinaus (vgl dazu § 13 Abs 3 SGB V). Während dort die Berechtigten im Streitfall bei auf eigene Kosten selbstbeschafften Leistungen das Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen ihres Leistungsanspruchs tragen, genügt in den Fällen des § 13 Abs 3a SGB V der Eintritt der Genehmigungsfiktion, weil deren Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gesetzgeber begegnet mit der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V einem spezifischen Systemversagen, der nicht zeitgerechten Entscheidung der KK über einen hiervon erfassten Leistungsantrag. Der berechtigte Antragsteller soll schnell Gewissheit erlangen, ob ihm die beantragte Leistung endgültig zusteht. Dementsprechend ist die KK nach Eintritt der Genehmigungsfiktion zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die dem Berechtigten durch Selbstbeschaffung einer erforderlichen Leistung entstanden sind (vgl § 13 Abs 3a S 7 SGB V). Die Berechtigten tragen nur noch das geringere Risiko der Nichterweislichkeit der Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion. Der dabei fingierte Verwaltungsakt erwirkt verfahrensrechtlichen Vertrauensschutz durch die Schranken für seine Beseitigung (vgl insbesondere §§ 45, 47, 48, 39 SGB X). Gleichen Schutz wie bei Selbstverschaffung gewährt der Eintritt der Genehmigungsfiktion für Berechtigte, die Erfüllung ihres kraft Genehmigungsfiktion entstandenen Anspruchs in Natur von ihrer KK verlangen. Dieser Naturalleistungsanspruch sichert unter Wahrung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG), dass Berechtigte ihren Sozialleistungsanspruch nicht nur dann realisieren können, wenn sie hinreichend vermögend sind, um eine sofortige Selbstbeschaffung vorzufinanzieren. Der gesetzliche Regelungszweck würde verfehlt, wollte man einen rechtmäßig nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V fingierten Verwaltungsakt als einen eine Leistung rechtswidrig bewilligenden Verwaltungsakt ansehen. Es wäre auch widersinnig, würde das Gesetz zunächst mit großer Geste die Genehmigung der Leistung (!) fingieren, der betroffenen KK aber abschließend gestatten, die fingierte Genehmigung wegen Rechtswidrigkeit der Leistung wieder zurückzunehmen. Die Gesamtregelung bezweckt, das Interesse aller Berechtigten an einem beschleunigten Verwaltungsverfahren zu schützen und zögerliche Antragsbearbeitung der KKn zu sanktionieren (vgl zum Ganzen BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 19 ff; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 38 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vergleichbar Entwurf der BReg eines BTHG zum Entwurf von § 18 SGB IX, BR-Drucks 428/16, S 236; vgl auch Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 8/18, K § 13 RdNr 58l Anm 7; aA, aber ohne neue Argumente Schneider, NZS 2018, 753, 756 ff; Felix, KrV 2018, 177, 182; Uyanik, KrV 2018, 53, 57 ff; nur im Hinblick auf § 42a Abs 1 S 2 VwVfG zustimmend Barkow von Creytz, NZS 2018, 933, 937).
Nach der Gesetzeskonzeption unter Nutzung aller Auslegungsmethoden und Einbeziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG sind die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag geltend gemachten Naturalleistungsanspruchs für die Rechtmäßigkeit des Eintritts der Genehmigungsfiktion ohne Belang (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 39 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Es widerspräche der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X, für die Rücknahme einer nach § 13 Abs 3a SGB V fingierten Genehmigung nicht auf deren Voraussetzungen abzustellen, sondern auf die Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten. Dafür fehlt ein tragfähiger Grund. Unerheblich ist, ob die fingierte Genehmigung im Widerspruch zum materiellen Recht hinsichtlich der Voraussetzungen des mit dem ursprünglichen Leistungsantrag Begehrten steht, denn auch die Regelung des § 13 Abs 3a SGB V gehört zum materiellen Recht. Sie hat nämlich materiell-rechtliche genehmigte Leistungsansprüche zum Gegenstand. Eine Abkehr von der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X ist damit nicht zu rechtfertigen (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 39 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Soweit der 3. BSG-Senat in einem obiter dictum zu einer abweichenden Ansicht neigt (vgl BSGE 123, 145 = SozR 4-2500 § 13 Nr 34, RdNr 50, 52; zustimmend Schifferdecker, Kasseler Komm, Stand September 2018, § 13 SGB V, RdNr 140a, aber ohne hinreichende Würdigung aller Auslegungsmethoden einer petitio principii unterliegend), folgt der erkennende Senat ihm nicht. Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es in solchen Fällen nicht (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 10).
Es fehlt auch jeder Grund, eine Durchbrechung der Regelung des § 45 Abs 1 SGB X aus einer entsprechenden Anwendung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG abzuleiten (vgl zur Auslegung der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG zB Harich, jurisPR-SozR 2/2018 Anm 3; Uechtritz in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 42a RdNr 45 ff mwN; s ferner zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 42a VwVfG Caspar, AöR 2000, 131 - Der fiktive Verwaltungsakt - Zur Systematisierung eines aktuellen verwaltungsrechtlichen Instituts). Selbst wenn man der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG Rechtsgedanken hinsichtlich des Maßstabs der Rechtmäßigkeitsprüfung entnehmen wollte, käme deren entsprechende Anwendung auf Rücknahmen fingierter Genehmigungen gemäß § 13 Abs 3a SGB V nach § 45 SGB X nicht in Betracht (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 40, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Es fehlt bereits an einer unbewussten Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat bewusst die Vorschriften über das Verwaltungsverfahren eigenständig im Ersten Kapitel des SGB X für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden geregelt, die nach dem SGB ausgeübt wird (vgl § 1 Abs 1 S 1 SGB X). Die Regelungen unterscheiden sich gezielt teilweise von jenen des VwVfG des Bundes. Eine pauschale Lückenfüllung des SGB X durch Regelungen des VwVfG ist ausgeschlossen, erst recht eine Änderung der ausdrücklichen Regelungen des Ersten Kapitels des SGB X durch abweichende Rechtsgedanken des VwVfG.
Der Regelung des § 42a Abs 1 S 2 VwVfG sind im Übrigen überhaupt keine entsprechenden Rechtsgedanken zu entnehmen. Aus dem jeweils berufenen Fachrecht und nicht aus § 42a Abs 1 S 2 VwVfG folgt, welcher Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Rücknahme eines fingierten Leistungsverwaltungsakts anzuwenden ist. § 42a VwVfG eröffnet dem Fachgesetzgeber ein "Regelungsangebot" mit einem "vollständigen Regelungskonzept", das es ihm erlaubt, die Regelungen des Fachrechts auf spezifische Besonderheiten zu beschränken (vgl Harich, jurisPR-SozR 2/2018 Anm 3; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 42a RdNr 2 mwN). Dementsprechend bestimmt in der Rspr des BVerwG das jeweilige Fachrecht Inhalt und Tragweite der jeweils betroffenen Genehmigungsfiktion (vgl zB BVerwGE 127, 208 RdNr 37 ff mwN zur Fiktionswirkung des § 71 Abs 2 S 1 LuftVG; BVerwG Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 54/87 - Juris RdNr 25 zur Fiktionswirkung des § 19 Abs 3 S 6 BBauG aF; vgl zum Bestand öffentlich-rechtlicher Fiktionsnormen im Verwaltungsrecht außerhalb des SGB Jachmann, Die Fiktion im öffentlichen Recht, 1998, S 234 ff). Es liegt auf der Hand, dass das Fachrecht etwa bei fingierten Genehmigungen mit potentiell drittbelastender Doppelwirkung andere Erwägungen vornimmt als bei lediglich begünstigenden Genehmigungen von sozialrechtlichen Naturalleistungen. Dementsprechend erfasst die Regelung des § 42a VwVfG nach Maßgabe des jeweiligen Fachrechts nur gesetzlich vorgesehene Genehmigungen eines Verhaltens oder eines Vorhabens (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl 2018, § 42a RdNr 9; vgl auch Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks 16/10493 S 15: "Für Genehmigungsverfahren … muss die Geltung einer Genehmigungsfiktion vorgesehen sein …"). Nicht dazu gehören Verwaltungsakte, die Ansprüche auf Geld- oder Naturalleistungen mittels Fiktion begründen (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 42a RdNr 20; dies vernachlässigend Krüger, NZS 2016, 521, 522). Das vorliegend relevante Fachrecht wurzelt in § 13 Abs 3a SGB V mit seinem von § 42a VwVfG abweichenden Normgehalt (vgl Harich, jurisPR-SozR 2/2018 Anm 3).
Die aufgezeigten Grundsätze gelten auch hinsichtlich des Zusammenspiels der Regelungen zur Rücknahme von Verwaltungsakten (§ 45 SGB X) mit den speziellen, in sich abgeschlossenen Regelungen des Eintritts einer Genehmigungsfiktion von Naturalleistungsanträgen aus dem Leistungskatalog der GKV, die nicht Leistungen der medizinischen Rehabilitation betreffen (§ 13 Abs 3a SGB V). Der erkennende Senat hat hier denn auch keinen Raum für eine analoge Anwendung der Regelungen des § 42a VwVfG gesehen. Er hat lediglich bei Anwendung der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V die Achtung ergänzender allgemeiner Grundsätze eingefordert, die ihren Niederschlag auch in Regelungen des § 42a VwVfG gefunden haben, soweit sie mit der Regelung des § 13 Abs 3a SGB V vereinbar sind. Das hat der erkennende Senat hinsichtlich des Erfordernisses der hinreichenden Bestimmtheit eines Antrags nach § 13 Abs 3a S 1 SGB V bejaht (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr 36, RdNr 17). Dieser differenzierte Rückgriff auf ergänzende allgemeine Grundsätze gibt keinen Anlass zu einer Analogie contra legem (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 40 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Die gesetzestreue Auslegung des erkennenden Senats bewirkt nicht etwa, dass Versicherte die Leistung auch dann behalten dürfen, wenn diese sich die Leistung unter vorsätzlich falschen Angaben beschafft haben. Soweit ein Antragsteller die begehrte Leistung nicht für subjektiv erforderlich halten darf (vgl ähnlich den Ausschluss des Vertrauensschutzes gemäß § 45 Abs 2 S 3 Nr 1 bis 3 SGB X), verhindert dies nicht nur den Eintritt der Genehmigungsfiktion. Geht die KK in Unkenntnis des Rechtsmissbrauchs des Antragstellers vom Eintritt der Genehmigungsfiktion aus und bescheinigt sie dem Antragsteller sein Recht, damit er sich bei Leistungserbringern hierauf berufen kann, ermöglicht die Rücknahme der fingierten Genehmigung der KK, den Rechtsschein einer eingetretenen Fiktion der Genehmigung zu beseitigen. Macht die KK wegen der ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Naturalleistung oder Kostenerstattung einen Erstattungsanspruch mittels Verwaltungsakts gegenüber dem Versicherten geltend (§ 50 Abs 3 SGB X), finden die §§ 45, 48 SGB X entsprechende Anwendung (§ 50 Abs 2 SGB X; vgl allgemein BSGE 60, 239, 240 = SozR 1300 § 45 Nr 26 S 84; BSGE 75, 291, 292 f = SozR 3-1300 § 50 Nr 17 S 46 f; BSG SozR 4-1300 § 50 Nr 3 RdNr 19 ff). Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn die KK etwa aufgrund einstweiliger Verfügung vorläufig Sachleistungen erbringen muss und sich später die Rechtswidrigkeit herausstellt (vgl zB BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 8 mwN; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 44 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Soweit Literaturansichten meinen, wer für die Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung auf deren Voraussetzungen abstelle, vernachlässige, dass in diesen Fällen eine Genehmigungsfiktion von vornherein nicht eintreten könne und folglich auch nicht aufgehoben werden müsse (vgl zB Knispel, GesR 2017, 749, 754), übersehen sie die Notwendigkeit, einen Rechtsschein zu beseitigen (grundlegend gegen solche begriffsjuristischen Ansätze bereits Theodor Kipp, Über Doppelwirkungen im Recht, in Festschrift der Berliner Juristischen Fakultät für Ferdinand von Martitz, Berlin 1911, S 211 ff; zutreffend dagegen Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl 2018, § 18 SGB IX RdNr 46.1).
Auch der Patientenschutz rechtfertigt keinen anderen Prüfungsmaßstab. Das gesamte Leistungsgeschehen der GKV wird ärztlich gesteuert und veranlasst (§ 15 Abs 1 SGB V), jedenfalls, soweit nicht Hilfsmittel betroffen sind. Das gilt ggf mit der genannten Einschränkung auch für Leistungsansprüche kraft Genehmigungsfiktion (unzutreffend Schifferdecker, Kasseler Komm, Stand September 2018, § 13 SGB V RdNr 140a). Ob bei Hilfsmitteln etwas anderes zu gelten hat, muss der erkennende Senat nicht entscheiden. Die ärztlichen Behandler unterliegen erheblichen Sorgfalts-, Informations- und bei Pflichtverletzungen Schadensersatzpflichten (vgl § 630a Abs 2, §§ 630c ff BGB), sei es aus dem krankenversicherungsrechtlichen Leistungserbringungsverhältnis (§ 2 Abs 1 und 4, § 70, § 76 Abs 4 SGB V), aus Behandlungsvertrag oder aus Delikt. Auf dieser Ebene erfolgt der Patientenschutz für alle Versicherten, die Leistungen aus dem System der GKV heraus erhalten. Die KKn können und dürfen in aller Regel die Leistungserbringung nicht präventiv kontrollieren. Dies gilt sowohl für Kostenerstattungsfälle (vgl § 13 Abs 2, § 13 Abs 3 S 1 Fall 1, § 13 Abs 3a S 7 SGB V) als auch bei unmittelbarer Inanspruchnahme zugelassener Leistungserbringer zur Erfüllung des (ggf nur vermeintlichen) Naturalleistungsanspruchs des Versicherten (vgl auch BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 31 bis 34). Ein Leistungserbringer muss bei einem Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion auch nicht ein von ihm nicht für tragbar gehaltenes Haftungsrisiko eingehen (vgl § 630h BGB; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 45 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
Nichts anderes folgt aus der Begründung des Gesetzentwurfs eines BTHG. Diese geht für die Neuregelung in § 18 SGB IX entsprechend der Rspr des erkennenden Senats zu § 13 Abs 3a SGB V davon aus, dass für den Vertrauensschutz der Leistungsberechtigten die allgemeinen Maßstäbe für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte gelten (vgl Gesetzentwurf der BReg eines BTHG, BT-Drucks 18/9522 S 238, zu Art 1 § 18; vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 46, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Ein Hinweis dazu, welcher Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Rücknahme eines fingierten Leistungsverwaltungsakts anzuwenden ist, kann dem nicht entnommen werden (dies verkennend Spitzlei, NZS 2018, 759, 763).
bb) Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit in Fällen wie hier eine Rücknahme nach § 45 SGB X in eine Aufhebung nach § 48 SGB X umgedeutet (vgl § 43 SGB X) oder anderweit überführt werden kann oder dem entgegensteht, dass die Rücknahme dadurch in ihrem "Wesen" verändert und die Klägerin infolgedessen in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann (vgl dazu zB BSG Urteil vom 27.8.1998 - B 8 KN 20/97 R - Juris RdNr 35 mwN; BSG SozR 4-2600 § 89 Nr 3 RdNr 33 ff; BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 34; Steinwedel in Kasseler Komm, Stand September 2018, § 43 SGB X RdNr 20). Wird eine fingierte Genehmigung ausgehend von den Voraussetzungen des § 13 Abs 3a SGB V nachträglich rechtswidrig, kann die KK sie ggf im Verfahren nach § 48 SGB X aufheben (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 47 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; unzutreffend die Möglichkeit einer Rücknahme nach der Senats-Rspr verneinend Felix, KrV 2018, 177, 182). Eine Dauerwirkung ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig werden kann (vgl Steinwedel in Kasseler Komm, Stand September 2018, § 45 SGB X RdNr 19). Das gilt auch für fingierte Genehmigungen. Sie eröffnen dem Versicherten die Handlungsoptionen der Inanspruchnahme einer Naturalleistung oder Kostenerstattung, von denen er nicht sofort Gebrauch machen muss. Ob im Falle von Hilfsmitteln etwas anderes gilt, lässt der Senat offen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 47 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Voraussetzungen einer Aufhebung sind nach den nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) aber jedenfalls nicht erfüllt.
b) Die Genehmigung der Liposuktionen hat sich auch nicht auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X). Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31; BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13 f; BSG SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 18 mwN). So kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31). Dies muss sich für den Betroffenen unzweifelhaft erschließen (vgl entsprechend BSGE 84, 195 = SozR 3-8585 § 1 Nr 1; BSG SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13 f). Umstände, die die Genehmigung bis zur Selbstbeschaffung hätten entfallen lassen können, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich. Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten berührte nicht die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion.
4. Die Klägerin beschaffte sich zulässig die erforderlichen genehmigten Leistungen der Liposuktionen selbst (hierzu aa). In welchem Umfang ihr hierfür Kosten entstanden, hat das LSG nicht festgestellt. Es wird diese Feststellungen nachzuholen haben (hierzu bb).
aa) Die Klägerin durfte sich die Liposuktionen privatärztlich selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 24 mwN; vgl auch BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 34 f, für BSGE und SozR vorgesehen; dies verkennend Barkow von Creytz, NZS 2018, 933, 936). Legen sie ehrlich und korrekt gegenüber dem ausgewählten Leistungserbringer die trotz Genehmigungsfiktion erfolgte Leistungsablehnung ihrer KK offen, muss dieser sich nicht auf eine Leistung zu Lasten der GKV einlassen.
Die selbstbeschafften Liposuktionen entsprachen den genehmigten Leistungen und waren auch noch zum Zeitpunkt der Beschaffung aus Sicht der Klägerin erforderlich. Die Klägerin beschaffte sich die Liposuktionen an Armen und Beinen zur Behandlung des Lipödems, die in dem mit dem Antrag eingereichten Gutachten beschrieben waren. Die Klägerin durfte diese genehmigten Leistungen, die sie sich selbst beschaffte, auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung für erforderlich halten. Sie beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung und musste - wie ausgeführt - bei der Beschaffung nicht annehmen, die fingierte Genehmigung habe sich bereits erledigt, die Leistung sei nicht mehr (subjektiv) erforderlich (vgl dazu oben, II 3. b).
bb) Dazu, ob der Klägerin durch die Selbstbeschaffung Kosten entstanden und ggf in welcher Höhe, fehlen Feststellungen des LSG. Das LSG referiert lediglich den Vortrag der Klägerin, für die durchgeführten Operationen nebst präoperativer Leistungen, Laboruntersuchungen und Arzneimitteln habe sie insgesamt 13 111,55 Euro bezahlt. Erforderlich ist, dass die Klägerin aufgrund von Behandlungsverträgen mit den operierenden bzw die Voruntersuchungen durchführenden Ärzten rechtswirksam Vergütung in der geltend gemachten Höhe schuldete. Dies hängt, soweit die Liposuktionen betroffen sind, davon ab, ob diese als ärztliche Leistungen dem Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ (§ 1 Abs 1 GOÄ) unterfielen, etwa weil sie ambulant erbracht wurden oder bei einer stationären Behandlung ein totaler Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag oder ein gespaltener Arzt-Krankenhaus-Vertrag geschlossen wurde (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29 sowie BGH Urteil vom 14.1.2016 - III ZR 107/15 - NJW 2016, 3027 RdNr 23 ff). Zudem begründeten in diesem Fall die Rechnungen die Fälligkeit der Vergütung nur dann, wenn sie - ggf durch Bezugnahme auf die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Kostenvoranschläge - die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ erfüllten (vgl BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29; BGHZ 170, 252, 257). Sollten die Behandlungen stationär durchgeführt worden sein, wären ferner Feststellungen dazu zu treffen, ob und ggf in welcher Höhe die Klägerin einen Eigenanteil an der stationären Behandlung zu tragen hatte (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 31). Soweit die Klägerin zusätzlich zu den Kosten der Operationen Erstattung von Arzneimitteln und Laborkosten begehrt, sind diese erstattungsfähig, soweit sie aus medizinischen Gründen durch die Liposuktionen erforderlich wurden. Das LSG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.
5. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (Bescheid vom 18.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2014) ist rechtswidrig. Sie verletzt die Klägerin in ihrem sich aus der fiktiven Genehmigung ihres Antrags ergebenden Leistungsanspruch (vgl dazu oben, unter II. 2. und 3.).
6. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen
KrV 2019, 107 |
SGb 2019, 279 |