Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gefälligkeit unter Ehegatten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Ehefrau, die ihren Ehemann abends nach einer geschäftlichen Besprechung mit einem firmeneigenen Kraftwagen in die Wohnung abholt, ist auf dieser Fahrt nach RVO § 539 Abs 2 unfallversichert, wenn sie dabei im Interesse und Auftrage des Beschäftigungsunternehmens handelt.

2. Die in der Revisionsbegründung enthaltene Rüge des Klägers, die Vorinstanzen hätten ihn mit seinem Anspruch zu Unrecht abgewiesen, genügt dem Erfordernis des bestimmten Antrages (SGG § 164 Abs 2 S 3 Fassung: 1974-07-30), wenn dadurch ggf iVm der weiteren Revisionsbegründung oder dem Berufungsantrag das Ziel der Revision eindeutig erkennbar wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine bloße Gefälligkeit zwischen Ehegatten, die nach RVO § 539 Abs 2 unversichert ist, liegt dann nicht vor, wenn es sich um eine für das Unternehmen wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung handelt, beziehungsweise wenn die Tätigkeit über das hinausgeht, was sich allgemein aus den eherechtlichen Vorschriften des BGB ergibt.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 2 Fassung: 1963-04-30; SGG § 164 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1974-07-30; BGB § 1353

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. November 1976 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die 1937 geborene Klägerin ist mit dem Betriebswirt Günter S (S.) verheiratet. Dieser ist Finanzprokurist der Firma C Werke Carl S KG in L; ihm steht - ebenso wie den übrigen Prokuristen - ein Firmen-Pkw zur Verfügung, jedoch ohne Kraftfahrer. Den Pkw können er und die Klägerin auch privat unentgeltlich benutzen.

Am Nachmittag des 20. Dezember 1972 hatten die beiden Angestellten eines Wirtschaftsprüferbüros, die in der Firma die Jahresabschlußarbeiten durchführten, mit dem Ehemann der Klägerin sowie dem Angestellten V (V.) eine längere Besprechung. Nach Betriebsschluß begaben sich alle in die Wohnung des V. in L, wo Speisen und alkoholische Getränke gereicht und geschäftliche sowie auch private Angelegenheiten besprochen wurden. Die Klägerin, die bereits mittags von S. die Aufforderung erhalten hatte, ihn gegen 20.30 Uhr aus der Wohnung des V. abzuholen, verunglückte gegen 20.30 Uhr mit dem Firmen-Pkw auf der Fahrt von Bad N nach L. Dabei zog sie sich erhebliche Verletzungen zu.

Auf den im Dezember 1973 gestellten Antrag des S. lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Februar 1974 eine Entschädigung ab, weil die Fahrt nach L als eine persönliche Hilfe- und Gefälligkeitsleistung für den Ehemann zu werten sei. Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei gegenüber der Firma verpflichtet gewesen, derartige Fahrten durchzuführen; bei der Festsetzung des Gehalts ihres Ehemannes sei eine Vergütung für derartige Tätigkeiten der Ehefrau mitberücksichtigt; die Fahrt sei für ihren Ehemann die einzige Möglichkeit gewesen, zu diesem Zeitpunkt von seiner Arbeitsstätte nach Hause zu gelangen; deshalb habe sie nicht seiner Bequemlichkeit gedient. Mit Urteil vom 5. April 1976 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 16. November 1976 mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe nicht gem. § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) in einem Arbeits-, Dienstoder Lehrverhältnis zur Firma ihres Ehemannes gestanden. Die Vereinbarung eines Arbeitsentgelts liege nicht schon darin, daß nach ihrem Vorbringen ihre Tätigkeit mit dem Gehalt ihres Ehemannes abgegolten sein sollte. Daraus sei vielmehr zu folgern, daß irgendein Vergütungsanspruch der Klägerin selbst gerade nicht begründet worden sei. Auch die Voraussetzungen des § 539 Abs 2 RVO lägen nicht vor. Eine Arbeitsleistung (geschäftliche Besprechung oä) sei von S. nach der Zusammenkunft in der Wohnung des V. nicht mehr zu vollbringen gewesen. Er habe nur in seine Wohnung gefahren werden sollen. Daß ein Betriebsangehöriger nach Beendigung der versicherten Tätigkeit sicher und schnell nach Hause komme, sei für den Betrieb allenfalls mittelbar insofern nützlich, als dadurch die Arbeitsleistung am nächsten Tag gewährleistet werde. Dieser lose Zusammenhang zwischen dem Abholen durch die Ehefrau um 20.30 Uhr und der betrieblichen Beschäftigung des S. am nächsten Tage reiche auch im Falle eines leitenden Angestellten nicht aus, um die Voraussetzungen für die Annahme des Versicherungsschutzes nach Abs 2 zu erfüllen. Im übrigen handele es sich bei der hier streitigen Fahrt - unterstellt, die Fahrt habe der Firma gedient - um eine Hilfeleistung, die von ehelichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen geprägt werde und daher unversichert sei. Zwar habe die Klägerin von ihrem Ehemann im Namen der Firma und im Rahmen seiner Befugnisse einen "Dauerauftrag" erhalten, den Ehemann auf dessen Einzelauftrag zu fahren. Jedoch sei der Senat davon überzeugt, daß die Klägerin diesem Auftrag ausschließlich deswegen nachkomme, weil sie mit S. verheiratet sei und sie diesem seine jeweilige Tätigkeit erleichtern wolle. Damit halte sie sich im Rahmen dessen, was jeder Ehegatte im Bereich seiner Möglichkeiten und des Zumutbaren zu tun pflege (§ 1353 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), um dem anderen Ehegatten eine Fahrt zu ermöglichen, die dieser selbst nicht vornehmen könne, weil er etwa zu müde sei oder unter Alkoholeinwirkung stehe. Die Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem Betriebsort betrage nur etwa 10 km, auch sei die Fahrt nicht zu einer unzumutbaren Zeit unternommen worden. Da sie sonach nur der Bequemlichkeit gedient habe und von der unter Ehegatten bestehenden Fürsorgepflicht geprägt gewesen sei, sei es unerheblich, ob es S. zuzumuten war, über 1 Stunde auf die nächste Omnibusverbindung nach Bad Nenndorf zu warten oder aber, was möglich gewesen sei, eine Taxe in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und - ohne zunächst einen förmlichen Antrag zu stellen - zu Beginn der Revisionsbegründung ausgeführt: "Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klägerin mit ihrem Anspruchsbegehren abgewiesen". Zur Sache trägt sie vor, bei dem ihr erteilten Auftrag sei an Situationen gedacht gewesen, in welchen S., der einen sogen. full-time-job ausübe, sich aufgrund seiner anstrengenden Tätigkeit physisch und psychisch nicht mehr in der Lage fühle, ein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher zu führen. Eine solche Situation sei am Abend des Unfalltages gegeben gewesen, weshalb er die Klägerin aufgrund des zwischen dieser und der Firma C bestehenden Auftragsverhältnisses angewiesen habe, ihn abends im Hause des V. abzuholen. Die von ihr angeregte Beweisaufnahme hätte ergeben, daß das Auftragsverhältnis zwischen ihr und der Firma C tatsächlich bestanden habe. Demgemäß habe die Klägerin entgegen der Begründung des LSG in persönlicher Abhängigkeit zu der Firma gestanden; es habe auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin vorgelegen, da sie einen Vergütungsanspruch gegenüber der Firma gehabt habe. Die Tatsache, daß ihre Tätigkeit mit dem Gehalt ihres Ehemannes abgegolten werden sollte, stelle lediglich eine Verrechnung dar. Demnach lägen die Voraussetzungen des § 539 Abs 2 RVO vor. Selbst wenn sie aus einem ehegemeinschaftlichen Gefälligkeitsdenken heraus gehandelt habe, könne die besondere Rechtsbeziehung zu der Firma nicht außer Betracht bleiben. Da ihre Tätigkeit in dem zwischen ihr und der Firma C bestehenden Rechtsverhältnis begründet sei, sei ihre Tätigkeit jedenfalls nicht nur allein durch die ehelichen Beziehungen bestimmt. Das LSG hätte deshalb die Berufung entgegen der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) nicht zurückweisen dürfen. Die Tatsache, daß die Firma ihre Tätigkeit in rechtlich verpflichtender Form in Anspruch nehme, bedeute, daß das Unternehmen auf ihre Tätigkeit größten Wert lege; ihre Tätigkeit diene deshalb dem Unternehmen. Unabhängig hiervon bestehe Versicherungsschutz, wenn dem Betriebsangehörigen, der (wie hier) noch lange nach Feierabend im Betrieb tätig gewesen sei, der Nachhauseweg erleichtert werde.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Heilbehandlung und Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist auch formgerecht erhoben. Denn der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Erfordernis des § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Revisionsbegründung einen "bestimmten Antrag" enthalten muß, hier in noch ausreichender Weise Rechnung getragen ist.

Der 9. Senat des BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Mai 1955 (SozR Nr 14 zu § 164 SGG), die zu § 164 SGG idF vor dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 30. Juli 1974 (BGBl I 1625) - SGÄndG - ergangen ist, wonach der bestimmte Antrag bereits innerhalb der Revisionsfrist gestellt werden mußte, ausgesprochen, er sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) der Auffassung, daß es auch im Revisionsverfahren vor dem BSG eines förmlichen oder genau formulierten Antrags nicht bedürfe, es vielmehr ausreichend sei, wenn das mit der Revision erstrebte Ziel des Rechtsmittelklägers aus dem Inhalt seiner rechtzeitig eingereichten Schriftsätze erkennbar ist. In dieser Entscheidung ist der 9. Senat des BSG dem Beschluß des Großen Senats des BVerwG vom 26. September 1953 (BVerwGE 1, Heft 1 Nr 7) allerdings darin nicht gefolgt, daß dem Erfordernis des bestimmten Antrags schon dann genügt sei, wenn das Ziel der Revision aus der Tatsache der Revisionseinlegung allein oder in Verbindung mit den abgegebenen Erklärungen erkennbar sei. Das BSG hat seine - trotz im wesentlichen übereinstimmender Regelung in beiden Verfahrensordnungen - abweichende, strengere Anforderungen stellende Auffassung insbesondere damit begründet, daß sich die Beteiligten vor dem BVerwG - anders als vor dem BSG - regelmäßig selbst vertreten könnten. Seit dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960 ist aber dieser Unterschied zwischen den beiden Verfahrensarten weggefallen (vgl § 67 Abs 1 VwGO). Der 4. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 27. Juni 1955 (BSGE 1, 47, 48) ebenfalls entschieden, eines förmlichen Antrages bedürfe es nicht, es genüge vielmehr, wenn aus den insgesamt in der Revisionsfrist abgegebenen schriftlichen Erklärungen des Revisionsklägers klar erkennbar sei, welchen Antrag er stellen wolle. Dazu hat der 4. Senat näher ausgeführt, die Revisionseinlegung könne dann gleichzeitig als ausreichender Revisionsantrag angesehen werden, wenn sonstige, außerhalb der Erklärung liegende Umstände hinzuträten, die es dem Gericht ermöglichten, im Wege der Auslegung festzustellen, welcher Revisionsantrag gestellt werden soll. In Betracht zu ziehen wären vor allem der Wortlaut des angefochtenen Urteils und der sonstige Prozeßstoff, insbesondere die Schriftsätze einschließlich der Anträge der Revisionsklägerin in der Vorinstanz. Sicherlich werde diese Regelung nur dann zum Ziele führen können, wenn nach Hinzuziehung dieser Umstände nur ein einziger Revisionsantrag möglich wäre. Das BVerwG habe in seiner Entscheidung vom 8. November 1954 diesen Weg der Auslegung in einem vergleichbaren Fall beschritten.

Dieser Rechtsansicht stimmt der erkennende Senat zu. Der 4. Senat ist damals trotzdem zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil dort der Wille über den Umfang der Anfechtung nicht einen - wenn auch noch so unvollkommenen - Ausdruck in der schriftlichen Erklärung gefunden habe, und zwar auch dann nicht, wenn man auch außerhalb dieser Erklärung liegende Umstände zur Auslegung mit heranziehen wollte (BSGE aaO S 49).

Seit Inkrafttreten des SGÄndG am 1.1.1975 dürften solche Schwierigkeiten kaum noch auftreten, da § 164 Abs 2 Satz 3 SGG es nun genügen läßt, wenn erst in der Revisionsbegründung ein "bestimmter Antrag" enthalten ist. Die Revisionsbegründung wird nun in aller Regel erkennen lassen, welches prozessuale Ziel der Revisionskläger erreichen will. Im vorliegenden Fall ergibt sich dieses Ziel bereits aus den Worten in der Revisionsbegründungsschrift: "Zu Unrecht haben die Vorinstanzen die Klägerin mit ihrem Anspruchsbegehren abgewiesen". Danach ist unter Berücksichtigung des vom LSG festgestellten Berufungsantrags, der dahin ging, 1.) das SG-Urteil vom 5. April 1976 und den Bescheid vom 22. Februar 1974 zu ändern und 2.) die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Heilbehandlung und Verletztenrente zu gewähren, folgender eindeutiger Revisionsantrag festzustellen:

Die Beklagte wird unter Abänderung der Urteile des SG und des LSG sowie des Bescheides vom 22. Februar 1974 verurteilt, der Klägerin Heilbehandlung und Verletztenrente zu gewähren.

In sachlicher Hinsicht ist die Revision insoweit begründet, als der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen war.

Soweit das LSG zunächst das Vorliegen eines Arbeits-, Dienstoder Lehrverhältnisses verneint hat, begegnet seine Entscheidung keinen rechtlichen Bedenken. Eindeutige Grundlagen für die Annahme eines echten Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO (vgl Urteil des erkennenden Senats in SozR 2200 § 539 RVO Nr 14) sind nach dem von LSG festgestellten Sachverhalt nicht - auch nicht im Sinne eines mittelbaren Beschäftigungsverhältnisses (vgl dazu Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl Stand Oktober 1976, Anm 6 a zu § 539 RVO) - erkennbar. Es fehlt an Merkmalen, die üblicher- bzw notwendigerweise ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis (ein Lehrverhältnis scheidet von vornherein aus) kennzeichnen, wie arbeitsvertragliches Weisungs- und Verfügungsrecht des Arbeitgebers, entsprechende Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers, eigener Anspruch des Beschäftigten auf Arbeitsentgelt (vgl dazu auch BSGE 13, 263, 264).

Zutreffend rügt die Revision jedoch eine Verletzung des § 539 Abs 2 RVO. Nach dieser Vorschrift sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die "wie" ein nach Abs 1 Versicherter tätig werden, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht. Das LSG hat "unterstellt", die unfallbringende Fahrt habe der Firma gedient. Dazu hat es festgestellt, die Klägerin habe von ihrem Ehemann "im Namen der Firma und im Rahmen seiner Befugnisse einen "Dauerauftrag" erhalten, den Ehemann auf dessen Einzelauftrag zu fahren" (Urteil S 6). Damit wären aber grundsätzlich die Voraussetzungen des § 539 Abs 2 RVO erfüllt. Denn die Klägerin würde hiernach - ohne in einem eigentlichen Arbeitsverhältnis zu stehen - kurzfristig oder gelegentlich für die Firma C-Werke in einer Weise tätig sein, die wirtschaftlich als dem Betrieb dienliche Arbeit zu beurteilen ist und die nicht nur dem mutmaßlichen, sondern dem ausdrücklichen Willen des Unternehmers entspräche. Sie wäre auch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, da sie der eines angestellten Kraftfahrers entspräche; eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit muß nicht vorliegen (vgl Lauterbach aaO Anm 100, 101 zu § 539 RVO). Dies hat auch das LSG anscheinend nicht verkannt, denn es hat die Anwendung des § 539 Abs 2 RVO insbesondere deshalb verneint, weil es überzeugt war, daß die Klägerin diesen Aufträgen ausschließlich deswegen nachkomme, weil sie mit ihrem Ehemann verheiratet sei und sie diesem seine jeweilige Tätigkeit erleichtern wolle. Der erkennende Senat kann jedoch die Auffassung des LSG nicht teilen, daß die Klägerin sich damit im Rahmen dessen halte, was jeder Ehegatte im Bereich seiner Möglichkeiten und des Zumutbaren zu tun pflege, um dem anderen Ehegatten eine Fahrt zu ermöglichen, die dieser selbst nicht vornehmen könne, weil er etwa zu müde sei oder unter Alkoholeinwirkung stehe (Urteil S 6/7).

Bei bloßen Gefälligkeiten zwischen Ehegatten, die von den durch die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB) gekennzeichneten Beziehungen ihr Gepräge erhalten, liegt zwar eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne von § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO nicht vor. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn es sich darüber hinaus um eine für das Unternehmen wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung handelt (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 27. Januar 1976 in SozR 2200 § 539 RVO Nr 14) bzw wenn die Tätigkeit über das hinausgeht, was sich allgemein aus den eherechtlichen Vorschriften ergibt (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II Stand Dezember 1976, S 476 m I unten; vgl auch BSGE 18, 143, 147).

Der 2. Senat des BSG hat allerdings in SozR Nr 42 zu § 539 RVO ausgeführt, allein die bequemere Gestaltung des Weges könne noch keinen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 RVO begründen; denn der mittelbare Nutzen, der sich für die Arbeitgeberin ihres Ehemannes daraus ergeben habe, daß ihr Arbeitnehmer frischer und ausgeruhter zum Betrieb gelange, trete als rechtsunerheblich in den Hintergrund gegenüber dem aus den persönlichen Beziehungen begründeten Entschluß der Ehefrau, ihrem Ehemann - in dessen Interesse - das Zurücklegen des Weges (nach der Arbeitsstätte) zu erleichtern. Die Hilfeleistung sei deshalb auch dann unversichert, wenn das Unternehmen, wie die Revision behaupte, sonst den Kläger mit einem Firmenwagen von seiner Wohnung habe abholen lassen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich aber insofern von dem vom 2. Senat entschiedenen Fall, als dort die Fahrt durch einen "aus den persönlichen Beziehungen begründeten Entschluß der Ehefrau" veranlaßt worden war, während die Fahrt hier von der Klägerin aufgrund eines ausdrücklichen Auftrags der Beschäftigungsfirma - und zudem im Firmen-Pkw - unternommen worden sein soll.

Damit ging die Tätigkeit über das hinaus, was sich allgemein aus den eherechtlichen Vorschriften ergibt, und es bestand eine rechtlich wesentliche innere Beziehung der Fahrt zu dem Betrieb der Arbeitgeberin, die etwaige persönliche Beziehungen der Ehegatten in den Hintergrund treten ließ. Diese Regelung würde - objektiv gesehen - auch den Interessen des Betriebes entsprechen. Denn das LSG hat auf Seite 2 des Urteils festgestellt, daß dem Ehemann der Klägerin als Finanzprokurist ein Firmen-Pkw - jedoch kein Kraftfahrer - zur Verfügung gestellt worden sei. Durch den der Klägerin erteilten "Dauerauftrag" sollte somit offenbar ein (ständiger) Kraftfahrer ersetzt werden.

Sonach wären bei dem hier erörterten Sachverhalt die Voraussetzungen des § 539 Abs 2 RVO - entgegen der Auffassung des LSG - erfüllt. Da das Berufungsgericht insoweit jedoch keine ausreichende eigene Feststellungen getroffen, sondern die Voraussetzung, daß die Fahrt der Firma gedient hat, nur "unterstellt" hat, war das LSG-Urteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der von der Klägerin vermißten Beweisaufnahme und erneuten Entscheidung - auch über die Verfahrenskosten - an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Das LSG wird vor erneuter Entscheidung zu beachten haben, daß der Firmen-Pkw nach seinen Feststellungen von der Klägerin auch privat benutzt werden konnte. Es wäre sonach uU zu prüfen, ob die unfallbringende Fahrt etwa in einem rechtlich-wesentlichen Zusammenhang mit einer - bisher nicht festgestellten - eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden und damit ggf unversicherten Verrichtung gestanden hat.

 

Fundstellen

DVBl. 1978, 158

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