Entscheidungsstichwort (Thema)
Währungsumrechnung
Orientierungssatz
Zur Ermittlung eines zutreffenden Währungsvergleichs ist dem aktuellen, auf die jeweilige Zeit bezogenen Devisenkurs der Vorzug vor einem "zeitversetzten" Umrechnungskurs zu geben. Diese Verfahrensweise führt insbesondere im Verhältnis zu Staaten mit stärkerer Inflationsrate zu weniger unbilligen Ergebnissen.
Normenkette
RVO § 1248 Abs 4 S 2 Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 07.03.1986; Aktenzeichen L 14 J 12/83) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 16.11.1982; Aktenzeichen S 8 J 114/79) |
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf Altersruhegeld für die Monate Januar bis März 1978.
Die 1915 geborene, in Israel lebende Klägerin bezieht von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Frauenruhegeld (Altersruhegeld nach § 1248 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO). In dem angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 24. November 1978 setzte die Beklagte den Beginn der Rente auf den 1. Februar 1977 fest, verneinte aber den Anspruch auf Altersruhegeld unter anderem für die Monate Januar bis März 1978 wegen Überschreitens der Verdienstgrenze des § 1248 Abs 4 Satz 2 RVO von monatlich 425,-- DM. Bei der Währungsumrechnung ging sie von Tabellenwerten aus, die - entsprechend Art 107 der EWG-Verordnung (VO) 574/72 - auf dem ersten Monat des vorausgegangenen Quartals (Oktober 1977) basieren; danach entsprach dem vom Arbeitgeber der Klägerin für Januar bis März 1978 bescheinigten monatlichen Einkommen von 1.930,- israelischen Pfund (IL) ein monatlicher Betrag von 426,26 DM. In Abänderung des vorgenannten Bescheids wurde das Altersruhegeld durch Bescheid vom 16. Februar 1982 zugunsten der Klägerin unter Berücksichtigung nachentrichteter Beiträge neu festgestellt.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. Februar 1982 verpflichtet, der Klägerin Altersruhegeld unter anderem auch für die Monate Januar bis März 1978 zu gewähren (Urteil vom 16. November 1982). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit der angefochtenen Entscheidung vom 7. März 1986 die (zugelassene) Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Klägerin habe die Verdienstgrenze von monatlich 425,-- DM nicht überschritten. Ihr Einkommen sei für Januar 1978 nach dem durchschnittlichen Devisenkurs in diesem Monat mit 258,68 DM anzusetzen; in den Monaten Februar und März 1978 habe der Kurs für das israelische Pfund noch ungünstiger gestanden. Dieser Kurs sei in Ermangelung einer anderen gesetzlichen Regelung maßgebend, weil es auf die valutarischen Verhältnisse der Rentenbezugszeit ankomme (Hinweis auf BSG, Urteile vom 9. November 1982 - 11 RA 2/82 = BSGE 54, 169 und vom 12. September 1984 - 4 RJ 11/83). Wenn es auch praktikabler sein möge, auf einen im jeweiligen Monat bereits bekannten Devisenkurs zurückzugreifen, so müsse doch eine Neugestaltung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben; dieser habe § 17a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 4) erst ab 1. Juli 1985 eingeführt.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision verweist die Beklagte auf die amtliche Begründung zu § 17a SGB 4, wonach der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung eine bestehende Regelungslücke habe schließen und bei der Umrechnung ausländischen Einkommens auf längergültige Umrechnungskurse abstellen sollen. Die für Bezugszeiten seit dem 1. Juli 1985 festgeschriebene Regelung bestätige die bereits vorher von ihr - der beklagten LVA - praktizierte Währungsumrechnung. Vor diesem Hintergrund müßten die anderslautenden Urteile als Einzelfallentscheidungen ohne richtunggebende Bedeutung gewertet werden. Folgte man der höchstrichterlichen Rechtsprechung, könne die Anspruchsberechtigung nur für die Vergangenheit geprüft werden, und es seien ständige Umrechnungen erforderlich, was dem gesetzlichen Auftrag des § 1297 RVO, die Rente monatlich im voraus zu zahlen, entgegenstünde.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. März 1986 sowie des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. November 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht das Urteil des SG bestätigt, durch das die Beklagte verpflichtet worden war, auch für die Monate Januar bis März 1978 Altersruhegeld zu zahlen.
Die Klägerin erfüllt als Bezieherin des Frauenruhegeldes die Voraussetzungen des § 1248 Abs 3 RVO. Streitig ist lediglich, ob der Anspruchsausschlußgrund des § 1248 Abs 4 Satz 2 iVm Satz 1 RVO vorliegt, ob also - aus der Sicht der Klägerin - die dort beschriebenen negativen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Danach besteht Anspruch auf Frauenruhegeld neben einer laufenden Beschäftigung gegen Entgelt nur, wenn das Entgelt für die in Betracht kommende Zeit eine bestimmte Verdienstgrenze - im vorliegenden Fall 425,-- DM "durchschnittlich im Monat" - nicht überschreitet (§ 1248 Abs 4 Satz 2, 2. Halbsatz RVO in der mit Wirkung vom 1. Juli 1977 geltenden Fassung des Art 2 § 1 Nr 10b des 20. Rentenanpassungsgesetzes vom 27. Juni 1977 - BGBl I 1040 - iVm Satz 1 Buchst b aaO).
Diese 425,-- DM-Grenze hat die Klägerin nicht überschritten. Bei seiner rechtlichen Überprüfung konnte der Senat dahingestellt sein lassen, ob die Beklagte unter Zugrundelegung ihrer eigenen Umrechnungspraxis das "durchschnittlich im Monat" von der Klägerin erzielte Entgelt in Übereinstimmung mit der dazu entwickelten Rechtsprechung ermittelt hat (vgl insbesondere SozR 2200 § 1248 Nr 29 mwN: Arbeitsentgelt ist für den Teil des Kalenderjahres, für den das Altersruhegeld begehrt wird, durch die entsprechende Zahl der Monate zu teilen). Denn auch wenn man das von der Klägerin für die drei streitigen Monate erhaltene Entgelt isoliert betrachtet, wie es die Beklagte getan hat, ist die negative Voraussetzung des § 1248 Abs 4 Satz 1b iVm Satz 2 RVO erfüllt. Das LSG hat in Anwendung des durchschnittlichen Devisenkurses für Januar 1978 das Arbeitseinkommen der Klägerin in diesem Monat mit 258,68 DM errechnet mit dem Hinweis, in den Folgemonaten Februar und März habe sich der Kurs noch mehr zu ungunsten des israelischen Pfundes verschoben. Mit diesem Abheben auf den aktuellen, wenngleich durchschnittlichen monatlichen Devisenkurs ist das LSG der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt, wonach im Rahmen des § 1248 Abs 4 Satz 1 Buchst b RVO Entgelte in ausländischer Währung nach dem durchschnittlichen monatlichen Wechselkurs in Deutsche Mark umzurechnen sind, soweit sich nicht aus über- oder zwischenstaatlichem Recht etwas anderes ergibt (BSG vom 9. November 1982 - 11 RA 2/82 = BSGE 54, 169 = SozR 2200 § 1248 Nr 38; ebenso Urteil des Senats vom 12. September 1984 - 4 RJ 11/83 S 6 f: wenn ohnehin Entgelte für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zu ermitteln sind, ist der für den jeweiligen Monat geltende Mittelkurs zugrunde zulegen und - sofern dieser noch nicht feststeht - auf den nächstfeststehenden Mittelkurs zurückzugreifen). Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Sie hebt darauf ab, daß zur Ermittlung eines zutreffenden Währungsvergleichs dem aktuellen, auf die jeweilige Zeit bezogenen Devisenkurs der Vorzug vor einem "zeitversetzten" Umrechnungskurs zu geben ist. Diese Verfahrensweise führt insbesondere im Verhältnis zu Staaten mit stärkerer Inflationsrate zu weniger unbilligen Ergebnissen. Das verdeutlicht der vorliegende Fall. Legt man - wie die Beklagte - für Januar 1978 den Kurs von Oktober 1977 zugrunde, ergibt sich umgerechnet ein Monatsentgelt von 426,26 DM gegenüber nur 258,68 DM bei Anwendung des aktuellen Monatskurses.
Die Argumentation der Beklagten, bei Befolgung der Rechtsprechung des BSG könnte der Rentenversicherungsträger den etwaigen Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld nur für die Vergangenheit prüfen, er wäre für den Fall der Änderung der Einkünfte zu ständigen Umrechnungen gezwungen, was dem gesetzlichen Auftrag des § 1297 RVO (die Rente monatlich im voraus zu zahlen) entgegenstünde, vermag nicht zu überzeugen. Wenn der Anspruch von der Einhaltung bestimmter Verdienstgrenzen abhängt, kann regelmäßig ohnehin erst nach Ablauf der als Bezugszeiten in Frage kommenden Monate die Leistungsberechtigung festgestellt werden (BSGE 54, 169, 173; vgl auch SozR 2200 § 1248 Nrn 18, 22, 29), zumal - worauf bereits hingewiesen worden ist - das Entgelt nur "durchschnittlich im Monat" unter der maßgeblichen Verdienstgrenze bleiben muß und auch deshalb unabhängig von Umrechnungsschwierigkeiten häufig erst im nachhinein unter Prüfung einer mehrere Monate umfassenden zurückliegenden Zeitspanne endgültige Feststellungen getroffen werden können (Nrn 22, 29 aaO).
Die durch Art 9 des Rentenanpassungsgesetzes 1985 (RAG 1985) vom 5. Juni 1985 (BGBl I 913) in das Vierte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB 4) eingefügte Vorschrift des § 17a vermag im vorliegenden Rechtsstreit am Ergebnis nichts zu ändern, wie bereits die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat. Zwar enthält § 17a SGB 4 nunmehr die gesetzliche Regelung über die "Umrechnung von ausländischem Einkommen" in dem von der Beklagten praktizierten Sinne, und sie ist auch anzuwenden, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Juli 1985 eingetreten ist (§ 17a Abs 5 SGB 4). Die Vorschrift ist jedoch erst am 1. Juli 1985 in Kraft getreten (Art 11 Satz 1 RAG 1985). Sie findet also nur für Rentenbezugszeiten seit diesem Zeitpunkt Anwendung.
Zu Unrecht meint die Beklagte, für ihre Auffassung die amtliche Begründung zu § 17a SGB 4 heranziehen zu können. Wenn es auch zutrifft, daß der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift eine Regelungslücke hat schließen wollen (vgl hierzu BR-Drucks 523/84, Allg. Teil II Nr 3 S 13) - auch die Rechtsprechung hatte eine Gesetzeslücke angenommen (BSGE 54, 169, 170f) -, so folgt doch daraus nicht, daß deshalb und weil § 17a SGB 4 der bisherigen Praxis der Beklagten entspricht, auch für Rentenbezugszeiten vor dem 1. Juli 1985 ebenso verfahren werden müßte. Der Gesetzentwurf, der sich aus Praktikabilitätsgründen für eine Regelung ausgesprochen hat, "wonach grundsätzlich bei der Umrechnung von ausländischem Einkommen auf längergültige Kurse abgestellt werden und nur in besonders geregelten Ausnahmefällen eine Neuberechnung erfolgen soll" (aaO S 13), führt zur Begründung einleitend aus, daß das BSG die Rentenversicherungsträger in mehreren Urteilen dazu verpflichtet habe, "ausländisches Einkommen und Prämien für eine Krankenversicherung nach dem Mittelkurs des Monats umzurechnen, in dem die Einkünfte erzielt bzw die Prämien zur Krankenversicherung erbracht werden". Er hat dazu nicht nur die zu § 1248 RVO ergangenen Urteile genannt, sondern auch zwei Urteile - 11 RA 4/83 und 5/83 - vom 3. März 1984 zu § 83e des Angestelltenversicherungsgesetzes (= § 1304e RVO). Damit geht auch die amtliche Begründung von einer für die Zeit vor Inkrafttreten des § 17a SGB 4 zu beachtenden ständigen Rechtsprechung aus. Das Vorbringen der Beklagten, es handle sich um Einzelfallentscheidungen ohne richtunggebende Bedeutung, übersieht nicht nur, daß in BSGE 54, 169 der Leitsatz Nr 2 im Zusammenhang mit den Ausführungen S 172f die im vorliegenden Verfahren streitige Rechtsfrage betrifft, sondern auch die Richtlinienfunktion einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl § 48 Abs 2 SGB 10). Diese Rechtsprechung, für die es - wie dargelegt - gute Gründe gibt, behält deshalb für Rentenbezugszeiten vor dem 1. Juli 1985 ihre Gültigkeit.
Die Revision der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen