Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision. Nachprüfbarkeit durch das Revisionsgericht. Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs 1 Nr 3 SGG
Orientierungssatz
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen und kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nachgeprüft werden (vgl BSG vom 23.11.1955 - 7 RAr 30/55 = BSGE 2, 45; BSG vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 = BSGE 2, 81).
2. Die Revision ist nach § 162 Abs 1 Nr 3 SGG nur dann statthaft, wenn eine Gesetzesverletzung tatsächlich vorliegt; die bloße Behauptung genügt nicht (vgl BSG vom 14.10.1955 - 2 RU 16/54 = BSGE 1, 254).
3. Das BSG hat bereits entschieden, dass nur der Verstoß gegen eine Rechtsnorm die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs 1 Nr 3 SGG rechtfertigt. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass diese Vorschrift als Voraussetzung für die Statthaftigkeit eine Verletzung des Gesetzes bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs fordert. Als Rechtsnorm kommt nur der für das Gebiet der Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung geltende Ursachenbegriff (die Kausalitätsnorm) in Frage (vgl BSG vom 20.10.1955 - 10 RV 50/54 = BSGE 1, 268; BSG vom 14.10.1955 - 2 RU 16/54 = BSGE 1, 254). Die Revision ist daher nur dann nach § 162 Abs 1 Nr 3 SGG statthaft, wenn dem Berufungsgericht bei der Unterordnung der festgestellten Tatsachen unter dem Ursachenbegriff Rechtsfehler unterlaufen sind.
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 27. Juli 1954 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Das Versorgungsamt (VersorgA.) S bewilligte dem Kläger durch "vorläufigen Bescheid" vom 31. Juli 1946 bis zur endgültigen Festsetzung seiner Versorgungsansprüche vom 1. Juni 1946 ab eine Abschlagszahlung von monatlich 43,- Reichsmark. In dem Bescheid ist ausgeführt, daß "Gelenkrheumatismus, Leber- und Gallenblasenverwachsungen nach chronischer Gallenblasenentzündung und Dickdarmstörungen als Wehrdienstbeschädigung (WDB.) und Beschädigung bei besonderem Einsatz anerkannt werden. Die Landesversicherungsanstalt (LVA.) Württemberg lehnte mit Bescheid vom 30. Januar 1949 den Antrag des Klägers vom 13. März 1947 nach dem Württemberg-Badischen Gesetz Nr. 74 über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 21. Januar 1947 (Regierungsblatt - RegBl. - 1947 S. 7) ab, weil keine Gesundheitsstörungen als Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KBLG vorlägen.
Das Württembergische Oberversicherungsamt (OVA.) erkannte chronische Gallenblasenentzündung und chronischen Gelenkrheumatismus als Leistungsgrund an und wies im übrigen - soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Rente nach dem KBLG beantragt hatte - die Berufung zurück (Urteil vom 27.2.1953).
Das Landessozialgericht (LSG.) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 27. Juli 1954 die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß als Wehrdienstbeschädigung neben der chronischen Gallenblasenentzündung nur Gelenkrheumatismus anzuerkennen ist. Das OVA. habe zu Unrecht einen chronischen Gelenkrheumatismus als WDB. anerkannt, weil ein solcher nicht vorliege. Die Beurteilung des im Berufungsverfahren gutachtlich gehörten Prof. Dr. D bei dem Kläger hätten nach 1946 keine wehrdienstbedingten gelenkrheumatischen Beschwerden vorgelegen, genüge aber nicht, "eine Aberkennung des mit vorläufigem Bescheid vom 31. Juli 1946 anerkannten Gelenkrheumatismus als WDB. zu rechtfertigen." Die LVA. habe über den Anspruch nach dem KBLG zwar neu entscheiden müssen, dabei sei sie jedoch daran gebunden gewesen, daß in dem vorläufigen Bescheid der Gelenkrheumatismus des Klägers als WDB. anerkannt worden sei.
Der Beklagte rügt mit der - nicht zugelassenen - Revision, daß das LSG. den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung "Gelenkrheumatismus" und dem Wehrdienst zu Unrecht bejaht habe. Die LVA. sei nicht an den vorläufigen Bescheid vom 31. Juli 1946 gebunden gewesen. Die bei der Entscheidung über den Versorgungsanspruch nach dem KBLG vorgenommene Prüfung habe keinen wehrdienstbedingten Gelenkrheumatismus ergeben.
Der Beklagte hat beantragt,
das Urteil des LSG. Baden-Württemberg vom 27. Juli 1954 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 30. Januar 1949 abzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen;
hilfsweise: sie als unbegründet zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, daß Revisionsgründe nach § 162 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht vorlägen; im übrigen sei das angefochtene Urteil zutreffend.
Das LSG. hat die Revision nicht zugelassen. Daran ist das Bundessozialgericht (BSG.) gebunden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG. ist die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung der Revision der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen und kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wesentlichen Mangels des Verfahrens nachgeprüft werden (BSG. 2 S. 45 u. S. 81; SozR. SGG § 162 Bl. Da 1 Nr. 1, Bl. Da 14 Nr. 55). Eine vom LSG. nicht zugelassene Revision ist daher nur dann statthaft, wenn die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGG erfüllt sind. Im vorliegenden Fall rügt die Revision, das LSG. habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Gesundheitsstörung "Gelenkrheumatismus" und dem militärischen Dienst des Klägers zu Unrecht bejaht. Diese Revisionsrüge stützt sich auf § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Zunächst ist festzustellen, daß § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG auch dann Platz greift, wenn - wie hier - mit der Revision geltend gemacht wird, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des KBLG das Gesetz verletzt habe. Zwar ist im § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG nur das Bundesversorgungsgesetz erwähnt; diesem Umstand kommt aber keine Bedeutung zu. Der Hinweis auf das Bundesversorgungsgesetz im SGG (vgl. §§ 55, 148, 150, 162, 214) hat nur den Zweck, die Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung gegenüber den anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, über die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden (§ 51 SGG), abzugrenzen. Wenn daher das SGG an den angeführten Stellen nur auf das Bundesversorgungsgesetz Bezug nimmt, so sind diesem die entsprechenden Vorschriften des KBLG gleichzustellen (BSG. 1 S. 41). Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG nur dann statthaft, wenn eine Gesetzesverletzung tatsächlich vorliegt; die bloße Behauptung genügt nicht (BSG. 1 S. 254 (256)). Das BSG. hat bereits entschieden, daß nur der Verstoß gegen eine Rechtsnorm die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG rechtfertigt. Das ergibt sich insbesondere daraus, daß diese Vorschrift als Voraussetzung für die Statthaftigkeit eine Verletzung des Gesetzes bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs fordert. Als Rechtsnorm kommt nur der für das Gebiet der Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung geltende Ursachenbegriff (die Kausalitätsnorm) in Frage (BSG. 1 S. 268 u. S. 254). Die Revision ist daher nur dann nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft, wenn dem Berufungsgericht bei der Unterordnung der festgestellten Tatsachen unter dem Ursachenbegriff Rechtsfehler unterlaufen sind. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aber den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem als entschädigungspflichtige Gesundheitsstörung nach dem KBLG geltend gemachten Gelenkrheumatismus und dem Wehrdienst nicht geprüft, weil es der Ansicht war, daß die Verwaltungsbehörde bei der Prüfung des Versorgungsanspruches nach dem KBLG an den vorläufigen Bescheid vom 31. Juli 1946, soweit darin ein Gelenkrheumatismus als WDB. anerkannt worden ist, gebunden gewesen sei. Der Revisionsangriff des Beklagten kann sich daher nicht gegen die - nicht erfolgte - Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs durch das LSG. richten; vielmehr macht er nur geltend, daß das Berufungsgericht zu Unrecht eine Rechtsverbindlichkeit des vorläufigen Bescheides für die Entscheidung über den Anspruch nach dem KBLG (§ 1 Abs. 4 KBLG) angenommen habe. Ein solcher Angriff befaßt sich nicht mit dem Ursachenzusammenhang; er kann daher die Statthaftigkeit der Revision nicht rechtfertigen. Andere Revisionsgründe sind nicht vorgebracht. Die Revision ist daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen