Leitsatz (amtlich)
1. Eine vor dem 1954-01-01 gemäß § 50 des Bayerischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 1946-09-25 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof rechtshängig gewordene Klage ist mit dem Inkrafttreten des SGG nicht nach SGG § 215 Abs 8 auf das LSG, sondern nach SGG § 215 Abs 6 auf das SG übergegangen.
2. Der Rechtsstreit einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gegen die oberste Verwaltungsbehörde eines Landes um die Bestätigung des gewählten Geschäftsführers (GSv § 8 Abs 1 Buchst b S 2) ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung gemäß SGG § 51 Abs 1.
3. Zum Begriff der Verpflichtungsklage (Vornahmeklage).
4. Ist die Revision nach SGG § 162 Abs 1 Nr 2 statthaft, so ist das angefochtene Urteil in vollem Umgang materiell-rechtlich nachzuprüfen.
5. Bei der Ausübung ihres Bestätigungsrechts gemäß GSV § 8 Abs 1 Buchst b S 2 darf die oberste Verwaltungsbehörde eine Überprüfung des vom Vorstand des Versicherungsträgers gefaßten Beschlusses, soweit der Vorstand nach seinem Ermessen gehandelt hat, nur auf etwaige Ermessensfehler erstrecken. Die Geltendmachung eigenen Ermessens der Behörde ist insoweit eingeschränkt, als diese ihre Beurteilung nicht ohne weiteres an Stelle des den Organen der Selbstverwaltung vorbehaltenen Ermessens setzen darf, sondern nur dann, wenn der Zweck des Bestätigungsrechts es erfordert.
6. Art 17 des Bayerischen Ausführungsgesetzes vom 1912-11-02 zur RVO (GVBl 1912, 1135 ff) in der Fassung des in der Fassung des Abänderungsgesetzes vom 1921-08-10 (GVBl 1921, 397) ist unvereinbar mit GSv § 8 Abs 1 Buchst b und deshalb aufgrund des GSv § 18 Abs 3 (Einleitung) außer Kraft getreten.
7. SGG § 131 Abs 3 ist auch dann anzuwenden, wenn nach Auffassung des Gerichts die Gründe für die Ablehnung eines Verwaltungsakts diese Entschließung nicht rechtfertigen, die Streitfrage aber noch nicht in jeder Beziehung spruchreif ist.
Normenkette
SGG § 29 Fassung: 1953-09-03, § 215 Abs. 8 Fassung: 1953-09-03, § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 54 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 131 Abs. 3 Fassung: 1953-09-03; SVwG § 8 Abs. 1 Buchst. b S. 2, § 18 Abs. 3; SGG § 215 Abs. 6 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. November 1954 sowie die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1953 und vom 13. November 1953 aufgehoben.
Der Beklagte hat die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der am ... 1888 geborene Beigeladene leitet seit dem 1. April 1950 die Geschäfte der Klägerin. Zunächst hatte ihn der Beklagte zum Leiter der Klägerin bestellt. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Selbstverwaltungsgesetz - GSv.) vom 22. Februar 1951 in der Fassung vom 13. August 1952 (BGBl. 1952 I S. 427) wählte ihn der Vorstand der Klägerin zum Geschäftsführer. Der Beklagte bestätigte die Wahl gem. § 8 Abs. 1 b Satz 2 GSv. am 17. Juli 1953, lehnte jedoch dabei ab, das aktive Beamtenverhältnis des Beigeladenen über das 65. Lebensjahr hinaus zu verlängern. Mit Ablauf des Monats Oktober 1953 trat der Beigeladene in den Ruhestand. Daraufhin schrieb der Vorstand der Klägerin am 19. September 1953 an den Beklagten, er werde den Beigeladenen trotzdem weiter beschäftigen, notfalls auf der Grundlage eines privaten Anstellungsvertrages. Der Vorstand lege für die Übergangszeit Wert auf einen Geschäftsführer, der das Vertrauen der Selbstverwaltungsorgane genieße. Der Beklagte sah dieses Schreiben als erneuten Antrag auf Bestätigung an und versagte diese unter dem 16. Oktober 1953, weil Angestellte nicht Geschäftsführer von landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sein dürften. Den Einspruch dagegen wies der Beklagte durch Einspruchsbescheid vom 13. November 1953 zurück. Der Einspruchsbescheid wurde der Klägerin am 24. November 1953 zugestellt.
Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 8. Dezember 1953 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH.) Klage. Der VGH. übersandte die Akten nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG.) "mit dem Ersuchen, sie erforderlichenfalls an das zuständige Gericht weiterzuleiten". Einwendungen gegen die Zuständigkeit des LSG. erhoben die Beteiligten nicht.
Durch Urteil vom 4. November 1954 hat das Bayerische LSG. die Klage abgewiesen. Es hielt sich sachlich für zuständig, weil eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 SGG) vorliege. Seine funktionelle Zuständigkeit leitete es aus § 215 Abs. 8 SGG in Verbindung mit § 50 des Bayerischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (VGG) vom 25. September 1946 ab. Die Gleichrangigkeit des VGH. in der Verwaltungs- und des LSG. in der Sozialgerichtsbarkeit erfordere eine sinngemäße Anwendung des § 215 Abs. 8 SGG und schließe die Anwendbarkeit des Abs. 6 dieser Vorschrift aus. Zur Sache vertrat das LSG. den Standpunkt, die Ablehnung der in § 8 Abs. 1 b S. 2 GSv. vorgeschriebenen Bestätigung verstoße nicht gegen das Gesetz. Da dieses selbst keine Richtlinien für die Handhabung der Bestätigung enthalte, könnten sie durch Verwaltungsübung bestimmt werden. Daß der Beklagte sich hierbei an Grundsätze des Beamten- und Tarifrechts anlehne, sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn Art. 17 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zur RVO vom 2. November 1912 (GVBl. S. 1135) und Ziff. 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften betreffend, vom 21. November 1912 (GVBl. S. 1235), nach denen "Vorstandsvorsitzende" Landesbeamte sein müssen, durch das GSv. aufgehoben sein sollten. Das LSG. hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen das ihr am 14. Januar 1955 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Februar 1955 Revision eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist - am 13. April 1955 begründet: Das LSG. habe zu Unrecht seine Zuständigkeit angenommen; dadurch sei ihr eine Tatsacheninstanz verloren gegangen. Ferner hätte das LSG. den Sachverhalt näher aufklären und die Revision zulassen müssen. Die Bescheide des Beklagten seien rechtswidrig. Es liege kein Grund vor, der nach allgemeinem Verwaltungsrecht den Widerruf der früheren Bestätigung vom 17. Juli 1953 rechtfertigen könnte. Davon abgesehen hätte der Beklagte nur das Wahlverfahren, die Wählbarkeit und die Eignung des Gewählten prüfen und einen erneuten Antrag auf Bestätigung nur aus diesen Gründen ablehnen dürfen. Die Klägerin beantragt,
1) das Urteil des LSG. vom 4. November 1954 aufzuheben,
2) die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1953 und 13. November 1953 aufzuheben,
3) den Beklagten zu verpflichten, den Beigeladenen als Geschäftsführer der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Unterfranken in Würzburg zu bestätigen,
4) hilfsweise: festzustellen, daß der Beigeladene ordnungsgemäß gewählter und bestätigter Geschäftsführer der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Unterfranken in Würzburg ist.
Die Klägerin hat diese Anträge in der mündlichen Verhandlung näher erläutert.
Der Beklagte beantragt, die Revision zu verwerfen, hilfsweise sie zurückzuweisen. Er hält das LSG. für zuständig zum Erlaß des angefochtenen Urteils. Da nur über Rechtsfragen zu entscheiden gewesen sei, bestehe für eine zweite Tatsacheninstanz kein Bedürfnis. Auch sonst lägen keine Verfahrensmängel vor; jedenfalls beruhe das Urteil des LSG. weder auf der Nichtzulassung der Revision noch auf der angeblich mangelhaften Sachaufklärung. Als Widerruf sei der strittige Bescheid nicht anzusehen; die Bestätigung vom 17. Juli 1953 sei vielmehr so abgefaßt, daß sie von selbst außer Kraft getreten sei, als der Beigeladene das 65. Lebensjahr vollendete. Er, der Beklagte, habe nur die Verlängerung der Bestätigung abgelehnt. Dazu sei er aus den vom LSG. genannten Gründen sowie auf Grund Art. 17 des o.a. Bayerischen Ausführungsgesetzes von 1912 berechtigt.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision wäre, da der Vorderrichter die Revision trotz der in der Streitsache enthaltenen grundsätzlichen Rechtsfragen bedauerlicherweise nicht zugelassen hat, nur statthaft, wenn ein wesentlicher Verfahrensmangel vorläge (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Ein wesentlicher Verfahrensmangel der Vorinstanz liegt darin, daß das Landessozialgericht sachlich über die Klage entschieden hat, obwohl es funktionell dazu nicht zuständig war. Nach § 215 Abs. 8 SGG gehen auf die LSG.e nur solche Sachen über, die bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten des zweiten Rechtszuges rechtshängig waren. Diese Vorschrift ist nach Ansicht des Senats dahin auszulegen, daß die Streitsachen bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten im zweiten Rechtszug rechtshängig gewesen sein müssen (vgl. auch Hastler, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 215, Anm. 3 b, bb). Die überzuleitenden Sachen können also nur Berufungen sein, andernfalls hätte § 215 Abs. 8 SGG diese Sachen zugleich in ein neues prozessuales Stadium überführen müssen, wie dies in den Absätzen 4 und 7 geschehen ist. In Abs. 8 ist eine derartige Überführung nicht etwa übersehen worden, sondern bewußt unterblieben; Halbsatz 2 dieser Vorschrift spricht vielmehr dafür, daß Abs. 8 nur bereits anhängige Berufungen betrifft.
Im vorliegenden Falle handelt es sich aber um eine Klage, die im ersten Rechtszuge bei einem allgemeinen Verwaltungsgericht rechtshängig war. Auf Grund des § 50 VGG mußte hier schon die Klage beim VGH. eingereicht werden, weil mit ihr eine ministerielle Anordnung angegriffen wurde. Dem SGG ist eine damit vergleichbare erstinstanzliche Zuständigkeit der LSG.e fremd. Zwar ist auch bei der Entstehung des SGG erörtert worden, ob eine erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit höherer Gerichte für bestimmte Streitigkeiten begründet werden sollte. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist jedoch eine solche Zuständigkeitsregelung auf den Ausnahmefall des § 39 Abs. 2 SGG beschränkt worden (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I, 4. Aufl., S. 190 f VI mit weiteren Nachweisen). Die LSG.e entscheiden nach § 29 SGG ausschließlich im zweiten Rechtszuge über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der SG.e.
Dieser Grundsatz wird auch durch die Übergangsregelung in § 215 SGG nicht durchbrochen. Lediglich Abs. 3 dieser Vorschrift eröffnet allerdings die Möglichkeit, daß Verfahren nach §§ 1736, 1740 RVO, die im ersten Rechtszuge bei den früheren Landesversicherungsämtern anhängig gewesen sind, auf die LSG.e übergehen. Von dieser, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen läßt jedoch die Regelung des § 215 SGG - insbesondere Absätze 6 bis 8 - in ihrem Zusammenhang deutlich erkennen, daß die Überleitung unter Berücksichtigung des bis zum 1. Januar 1954 bereits zurückgelegten Instanzenzuges erfolgt. Der Senat konnte demgegenüber die Erwägung des Vorderrichters nicht billigen, daß es auf die Gleichrangigkeit des LSG. mit dem VGH. ankomme. Die Klage war nicht nach dieser Vorschrift auf das LSG., sondern nach § 215 Abs. 6 SGG auf das SG. übergegangen. Das LSG. war somit zur erstinstanzlichen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht zuständig.
Das Fehlen der funktionellen Zuständigkeit wiegt nicht etwa weniger schwer, wenn um Tatfragen nicht gestritten wird; denn jede Tatsacheninstanz ist zugleich Rechtsinstanz. Daß die Klägerin in der Verhandlung vor dem LSG. Bedenken gegen dessen Zuständigkeit nicht geltend gemacht hat, hindert sie nicht, den Mangel mit der Revision zu rügen (§ 202 SGG, §§ 558, 295 Abs. 2 ZPO): Gemäß § 59 SGG haben Vereinbarungen der Beteiligten über die Zuständigkeit keine rechtliche Wirkung, und diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf die örtliche Zuständigkeit (vgl. Brackmann a.a.O., S. 238 e mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin konnte demnach auf die Einhaltung der Zuständigkeit nicht wirksam verzichten (vgl. auch RGZ. 130, 53 f.).
III.
Da die Revision sich hiernach als statthaft erweist, war nunmehr noch festzustellen, ob auch im übrigen die allgemeinen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, insbesondere ob für die vorliegende Streitsache nach § 51 Abs. 1 SGG der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Diese auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Frage (vgl. Haueisen in NJW. 1956 S. 1090 zu I 3 mit weiteren Nachweisen) hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Vorderrichter bejaht. Bei dem Rechtsstreit handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 SGG. Wie das angefochtene Urteil zutreffend ausführt, ist hierfür nicht erforderlich, daß Gegenstand des Rechtsstreits ein Versicherungsverhältnis ist. Eine so enge Auffassung wäre schon mit §§ 51 Abs. 2, 54 Abs. 3 und 149 SGG nicht zu vereinbaren. § 51 SGG ist vielmehr weit auszulegen. Unter diese Vorschrift fallen Maßnahmen von Versicherungsträgern und -behörden (auch Ministerien), selbst wenn sie nicht Leistungsansprüche oder Mitgliedschaftspflichten aus dem Versicherungsverhältnis des Einzelnen betreffen, sofern sich nur solche Maßnahmen auf Angelegenheiten der Sozialversicherung beziehen und hieraus öffentlich-rechtliche Streitigkeiten entstehen (Brackmann, a.a.O., S. 190 h; Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit Stand 1956, § 51, Anm. 10 b; OVG. Lüneburg in Entsch. der OVG.e Münster und Lüneburg Bd. 8 S. 454 hier S. 456 = Breithaupt 1954 S. 1087). Die öffentlich-rechtliche Natur der Streitigkeit ist danach zu beurteilen, ob das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch abgeleitet wird, seinem Wesen nach dem öffentlichen oder dem zivilen Recht angehört (BSG. 2 S. 23 ff., hier S. 26; S. 53 ff., hier S. 54; Brackmann a.a.O., S. 190 h V; Maunz in Eckert-Schraft, Das Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, 2. Bd., Stand Juni 1956, C 6, Erl. I 3 zu § 51 SGG, Bl. 2).
Hiernach hat der Senat keinen Zweifel, daß der Streit um die Bestätigung des gewählten Geschäftsführers (§ 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 GSv.) öffentlich-rechtlich ist. Die Ablehnung ist, wie es die Bestätigung wäre, ein Verwaltungsakt. Sie regelt kraft des Hoheitsrechts des Beklagten einen Einzelfall, nämlich die Bestellung des Beigeladenen zum Geschäftsführer der Klägerin, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung. Es ist anerkannt, daß die der Regelung einer Selbstverwaltungsangelegenheit dienende Anordnung einer staatlichen Behörde gegenüber einer Selbstverwaltungskörperschaft unter den Begriff des Verwaltungsaktes fällt (Bachof, die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951, S. 24; Klinger, Komm. zur VO über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der brit. Zone, 3. Aufl., S. 195, § 25, Anm. B 5; Eyarmann-Fröhler, Komm. zum Verwaltungsgerichtsgesetz, 2. Aufl., S. 69, § 22, Anm. A I 1 a bb; Obermayer, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, 1956, S. 142, Brackmann a.a.O., S. 232 e; OVG. Lüneburg in Breithaupt 1952 S. 1118, hier S. 1120; OVG. Münster in DÖV. 1953 S. 732).
Dieser Verwaltungsakt des Beklagten betraf Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG. Darunter sind solche Angelegenheiten zu verstehen, die in Sozialversicherungsgesetzen ihre materiell-rechtliche Grundlage haben (vgl. BSG. 2 S. 23 ff., hier S. 27). Hierzu gehört unzweifelhaft das im GSv. geregelte Selbstverwaltungsrecht der Versicherungsträger (vgl. auch OVG. Lüneburg in Entsch. der OVG.e Münster und Lüneburg Bd. 8 S. 454, hier S. 456; Hofmann in BABl. 1953 S. 531; Hofmann-Schroeter, Komm. zum SGG, § 51, Anm. III). Nach den Entscheidungen der Sozialgerichte Münster und Dortmund (Urteile vom 28.4.1955 und 30.6.1955, mitgeteilt von Leven in "Die Krankenversicherung" 1955 S. 269 ff.) soll es sich allerdings dann, wenn nicht die Aufsichtsbehörde des Versicherungsträgers, sondern die oberste Verwaltungsbehörde unabhängig von jeder Aufsichtsbefugnis, gemäß § 8 Abs. 6 S. 3 GSv. über die Befähigung des Geschäftsführers entscheidet, um "Verwaltungsakte allgemeiner Art" handeln, die wegen ihrer fehlenden Beziehung zur Sozialversicherung vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten anzufechten seien. Diese formale Betrachtungsweise wird jedoch nach Ansicht des Senats dem Wesen des Rechtsstreits jedenfalls dann nicht gerecht, wenn das für die Sozialversicherung zuständige Fachministerium - wenn auch nicht als Aufsichtsbehörde - dem Versicherungsträger gegenüber in Kernfragen der Selbstverwaltung der Sozialversicherung tätig wird. In solchen Fällen die Beziehung zur Sozialversicherung zu verneinen, würde derartigen Verwaltungsakten jeglichen materiell-rechtlichen Anknüpfungspunkt entziehen. Von Rechtsbeziehungen zur allgemeinen Verwaltung, die etwa gegenüber der Sozialversicherung den Vorrang hätten, kann hier erst recht nicht ausgegangen werden (vgl. auch BSG. in SozR., § 8 WOSoz . Vers., Bl. Aa 2 Nr. 1, § 20 Bl. Aa Nr. 1). Die Bestätigung des Geschäftsführers nach § 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 GSv., um die es sich in der vorliegenden Klage handelt, betrifft die Organisation der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, und zwar in einem besonders wesentlichen Teil. Die dabei zu beurteilenden Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin als Selbstverwaltungskörperschaft und dem Beklagten als der zur Mitwirkung an der Organisation des Versicherungsträgers berufenen Staatsbehörde beruhen jedenfalls überwiegend auf dem Recht der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Soweit daneben aus der Stellung des Beigeladenen zum Beklagten Fragen dienstrechtlicher Art auftreten, wären diese als Vorfragen von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mitzuentscheiden, sie können jedenfalls im vorliegenden Falle nicht zur Hauptfrage werden (vgl. Brackmann a.a.O., S. 190 h VIII, IX).
IV.
Auch die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der gewählten Klageart sind gegeben. Wie der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat, erstrebt die Klägerin in erster Linie, den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dahin zu verpflichten, daß er den Beigeladenen als ihren Geschäftsführer bestätigt. Durch § 54 Abs. 1 SGG sind verschiedene Klagemöglichkeiten geregelt worden. Vorbild für diese Vorschrift ist § 41 Abs. 1 des Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung (Bundestagsdrucksache Nr. 462) gewesen. Wenn auch in § 54 Abs. 1 SGG im Unterschied zu § 41 Abs. 1 des Entwurfs eine Verwaltungsgerichtsordnung die einzelnen Klagarten als solche nicht besonders aufgeführt worden sind, so ändert dies doch nichts an der sich aus dem verschiedenen prozessualen Inhalt von Klage und Urteil ergebenden Notwendigkeit, zwischen den einzelnen Klagarten auch in der Sozialgerichtsbarkeit zu unterscheiden. So sind durch § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG in wörtlicher Übereinstimmung mit § 41 Abs. 1 des Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung die Möglichkeiten, mit der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts zu begehren, gesondert eröffnet worden. In der amtlichen Begründung zu § 41 des Entwurfs einer Verwaltungsgerichtsordnung ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß sich die Anfechtungs- (Aufhebungs-) und die auf Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes gerichtete sogen. Verpflichtungsklage (Vornahmeklage) ihrem Wesen nach voneinander unterscheiden. Die Anfechtungsklage führt den erstrebten Erfolg mit dem Urteil ipso jure herbei. Sie ist eine Gestaltungsklage. Die Verpflichtungsklage ist dagegen eine Unterart der Leistungsklage (vgl. BVerwG. in DÖV. 1955, S.413; Haueisen in NJW. 1956, S. 203). Sie bezieht sich wesentlich auf ein verwaltungsmäßiges Handeln, in dem Urteil ist dementsprechend der Befehl zu einem späteren Verhalten, eine an die Verwaltungsbehörde gerichtete Verpflichtung enthalten (s. BVerwG. a.a.O.; OVG. Münster in DVBl. 1955 S. 670; Bachof a.a.O., S. 57; Ule, Komm. zum Gesetz über das Bundesverwaltungsgericht, 1952, S. 82 Anm. 2 b zu § 15; Brackmann a.a.O., S. 238 s). Im vorliegenden Fall handelt es sich hiernach nicht um eine Anfechtungsklage, wie der Vorderrichter angenommen hat, sondern um eine Verpflichtungsklage mit der Folge, daß die für sie bestehenden Vorschriften anzuwenden sind. Da die Klägerin geltend macht, die Weigerung, den Beigeladenen als ihren Geschäftsführer zu bestätigen, sei rechtswidrig, bestehen gegen die Zulässigkeit dieser Klage (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) keine Bedenken.
V.
Die Revision ist auch begründet.
Die Entscheidung des LSG. beruht im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG auf der unrichtigen Annahme seiner Zuständigkeit nach § 215 SGG. Dies folgt aus § 551 Nr. 4 ZPO, der gemäß § 202 SGG auch in der Sozialgerichtsbarkeit gilt (BSG. in SozR., § 162 SGG, Bl. Da 6 Nr. 28; Haueisen in NJW. 1955, S. 1859, Fußn. 22; Brackmann a.a.O., S. 252 y; Hofmann-Schroeter a.a.O., § 162, Anm. 3; Peters-Sautter-Wolff a.a.O., § 162, Anm. 4).
Die von dem Senat zu treffende Entscheidung hängt von dem Ergebnis der materiellen Nachprüfung des angefochtenen Urteils ab. Zu einer solchen Nachprüfung in vollem Umfange war der Senat berechtigt und verpflichtet. Es bestehen nach Ansicht des Senats keine Bedenken dagegen, § 559 Satz 2 ZPO über § 202 SGG in der Sozialgerichtsbarkeit anzuwenden (ebenso Brackmann a.a.O., S. 254 c; Haueisen in NJW. 1956, S. 1090/91 zu I 4; Lublasser in SGb. 1956, S. 154; s. auch RGZ. Bd. 149, S. 157 ff., hier S. 165; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Komm. zur ZPO, 18. Aufl., Stand 1956, § 559, Anm. V; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 24. Aufl., § 559, Anm. 3). Die gegenteilige Auffassung (vgl. Bettermann NJW. 1956 S. 1388/89 zu III) würde die wegen aller wesentlichen Verfahrensmängel zulässige Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG in eine solche über bestimmte Rechtsfragen, etwa wie im Falle des § 547 Abs. 1 ZPO, einengen. Eine solche Einengung kann aber bei der Revision zum Bundessozialgericht nicht beabsichtigt sein. Dies ergibt schon der Wortlaut des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, nach dem die Revision nicht - wie in § 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - nur eröffnet ist, insoweit es sich um wesentliche Verfahrensmängel handelt. Dadurch ermöglicht das SGG dem Revisionsgericht, materielle Rechtsfragen zur Entscheidung an sich zu ziehen, deretwegen die Beteiligten selbst die Revision nicht einlegen können. Ist die Revision auf Grund einer der in § 162 Abs. 1 SGG enthaltenen Vorschriften statthaft, so sind Verletzungen des materiellen Rechts in vollem Umfang und unabhängig von etwaigen Rügen der Beteiligten nachzuprüfen. So hat sich die Nachprüfung bei Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage grundsätzlich auf sämtliche Verletzungen des materiellen Rechts zu erstrecken, und zwar selbst dann, wenn der Vorderrichter Fragen unerledigt gelassen hat (Stein-Jonas-Schönke-Pohle a.a.O.; s. auch BGHZ. 9 S. 357). Eine andere Beurteilung der Fälle, in denen die Revision wegen wesentlicher Verfahrensmängel statthaft ist, wäre nur gerechtfertigt, wenn besondere Vorschriften hierüber beständen. Dies ist aber nach dem SGG nicht der Fall. Der Hinweis auf § 54 Abs. 1 BVerwGG, nach dem es einer Zulassung zur Einlegung der Revision nicht bedarf, wenn "ausschließlich" wesentliche Verfahrensmängel gerügt werden und eine der in § 53 Abs. 2 BVerwGG bezeichneten Voraussetzungen vorliegt, ist nach der Ansicht des Senats nicht überzeugend. In § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG fehlt eine solche Einschränkung (vgl. Bettermann in NJW. 1954 S. 1307, Fußn. 26). Der Versuch, sie in diese Vorschrift einzufügen (vgl. Bettermann in NJW. 1956 a.a.O.), ist auch nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht gerechtfertigt. Im übrigen ist aus § 56 Abs. 3 BVerwGG nicht etwa zu entnehmen, daß das Urteil dann, wenn nur Verfahrensmängel gerügt worden sind, sich auf die Nachprüfung dieser Mängel zu beschränken habe. Das Revisionsgericht hat vielmehr auch dann zu prüfen, ob das angefochtene Urteil sachlich-rechtlich zutreffend ist (BVerwG. in NJW. 1956 S. 804; s. auch Ule a.a.O., § 56, Anm. III; Schunck-De Clerck, Komm. zum BVerwGG, § 56, Anm. 3). Auch im Falle der Nr. 3 des § 162 Abs. 1 SGG entscheidet das Revisionsgericht bei Zulässigkeit der Revision nicht allein über die Kausalitätsfrage, sondern über den gesamten Streitgegenstand.
Die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1953 und 13. November 1953 sind als Ablehnung einer für die Zeit nach dem 31. Oktober 1953 erneut beantragten Bestätigung nach § 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 GSv. anzusehen. Nach der zutreffenden Ansicht des LSG. war die - inzwischen unanfechtbar gewordene - Bestätigung vom 17. Juli 1953 nur für die Zeit erteilt, in welcher der Beigeladene noch aktiver Beamter war. Sie trat daher mit Beginn des Ruhestandes von selbst außer Kraft, ohne daß es noch eines Widerrufs bedurfte. Die angefochtenen Ablehnungsbescheide sind rechtswidrig: Die Begründung, der Beigeladene dürfe als Ruhestandsbeamter nicht mehr Geschäftsführer sein, ist nicht frei von Ermessensfehlern. Soweit sich der Beklagte an die Vorschriften des Art. 17 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zur RVO vom 2. November 1912 (GVBl. S. 1135) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. August 1921 (GVBl. S. 397) und der Ziff. 2 der Bekanntmachung, die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betreffend, vom 30. November 1912 (GVBl. S. 1235) gebunden glaubte, nach denen "Vorstandsvorsitzende" den höheren Beamten der inneren Verwaltung entnommen werden, hat er von der ihm in § 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 GSv. eingeräumten beschränkten Ermessensfreiheit keinen Gebrauch gemacht. Soweit er aus eigenen personalpolitischen Erwägungen die Beamteneigenschaft des Geschäftsführers für erforderlich hielt, hat er sein Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt (§ 54 Abs. 2 S. 2 SGG). Hierdurch ist die Klägerin beschwert, die einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessenshandhabung hat.
Das Bayerische Ausführungsgesetz zur RVO vom 2. November 1912 in der Fassung vom 10. August 1921 stellt revisibles Recht im Sinne des § 162 Abs. 2 SGG dar. Denn es wurde über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus auch für die ehemals bayerische Pfalz erlassen. Davon abgesehen, ist jedenfalls seine Vereinbarkeit mit Bundesrecht (hier dem Selbstverwaltungsgesetz) nachzuprüfen (BSG. in SozR., SGG § 162, Bl. Da 7 Nr. 30, a.a.O., Bl. Da 4 Nr. 23 b). Art. 17 dieses Gesetzes nebst Ziff. 2 der Bekanntmachung vom 30. November 1912 steht im Widerspruch mit § 8 Abs. 1 Buchst. b GSv. und ist deshalb auf Grund des § 18 Abs. 3 (Einleitung) GSv. außer Kraft getreten. Es entspricht dem Grundgedanken des Selbstverwaltungsgesetzes, die Verwaltung der Sozialversicherungsträger im allgemeinen der Selbstverwaltung zu überlassen. Aus § 8 GSv. geht eindeutig hervor, daß die Selbstverwaltungsorgane bei der Bestellung der Geschäftsführer grundsätzlich frei sind. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind jeweils gesetzlich besonders festgelegt. So ist es ausnahmsweise durch § 8 Abs.1 Buchst. d GSv. der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde überlassen worden, bei den Ausführungsbehörden des Bundes und der Länder usw. das Nähere über die Geschäftsführung zu bestimmen. Hinsichtlich der Landesversicherungsanstalten ist durch § 8 Abs. 1 Buchst. c Satz 6 GSv. besonders bestimmt, daß für das Dienstverhältnis der Mitglieder der Geschäftsführung § 1343 Satz 2 RVO entsprechend gilt. Für die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften schreibt § 8 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 GSv. dagegen nur die Bestätigung des gewählten Geschäftsführers durch die oberste Verwaltungsbehörde des Landes vor. Die bloße Bestätigung ist etwas anderes als die gem. § 1343 Satz 2 RVO bei den Rentenversicherungsträgern erforderliche Beamtenerhebung. Wenn das GSv. sich bei landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften mit der Bestätigung begnügt, gibt es damit zu erkennen, daß der Vorstand keinen weiteren Beschränkungen unterliegen soll (Brackmann a.a.O., Bd. I S. 157, Bd. II S. 536; Eckert-Schraft a.a.O., Bd. IV F. 2 landw. UV. Bl. 32 R; Schrader in Eckert Schraft a.a.O., Bl. 34 R). Ältere Vorschriften, die solche Beschränkungen enthalten, bleiben nur in Kraft, wenn sie besonders aufrechterhalten worden sind. Für Art. 17 des Bayerischen Landesgesetzes trifft das aber nicht zu. Der Landesgesetzgeber konnte derartige Sonderbestimmungen bereits seit der Aufhebung des § 1037 RVO durch Art. 1 Nr. 69 des 5. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 17. Februar 1939 (RGBl. I S. 267) nicht mehr treffen. Die Anregungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates und des sozialpolitischen Ausschusses des Bundestages, entsprechendes Landesrecht durch das GSv. wieder zuzulassen, hat der Bundestag abgelehnt (Beschlüsse des 21. Ausschusses zu § 18 Abs. 4 Nr. 31 vom 13. September 1950 in Bundestagsdrucksache Nr. 1354; Sten. Berichte des Deutschen Bundestages 1. Wahlperiode, 89. Sitzung vom 5. Oktober 1950, S. 3325; Beschlüsse des Bundesrates zu § 18 vom 27. Oktober 1950 in Bundestagsdrucksache Nr. 1521; Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 17. November 1950 in Bundestagsdrucksache Nr. 1632; vgl. Eckert-Schraft a.a.O., Bd. II C Erläuterungen GSv. § 18 Bl. 4 ff., insbes. Bl. 6; Brackmann a.a.O., Bd. I S. 157). Auch auf Art. 3 § 8 des 5. Änderungsgesetzes läßt sich die Weitergeltung früherer landesrechtlicher Vorschriften nicht stützen. Das 5. Änderungsgesetz ist zwar durch § 18 Abs. 2 GSv. in gewissem Umfang aufrechterhalten worden, jedoch nur für die Organe der Unfallversicherungsträger. Das bedeutet, daß deren auch im 5. Änderungsgesetz geregelten Befugnisse unberührt bleiben und nicht etwa, wie es nach § 1 Abs. 4 GSv. sonst der Fall gewesen wäre, auf den Stand vom 31. Dezember 1932 begrenzt werden sollten. Schließlich ist § 8 Abs. 6 S. 1 GSv. nach dem die dienstrechtlichen Vorschriften für die Geschäftsführer weiter gelten, insbesondere die Voraussetzungen dienstrechtlicher Art für die Besetzung von Geschäftsführerstellen erfüllt sein müssen, nicht auf Art. 17 des Bayerischen Ausführungsgesetzes anwendbar. § 8 Abs. 6 GSv. bezieht sich auf das beim Inkrafttreten des Selbstverwaltungsgesetzes noch geltende Dienstrecht, also vor allem auf die Bestimmungen der Musterdienstordnung - Erl. des Reichsarbeitsministers vom 27. September 1940, AN. S. 348 - (vgl. Brackmann a.a.O., S. 156 o ff.; Eckert-Schraft a.a.O. Bd. II C 1 Erläuterungen GSv. § 8 Bl. 7 R). Mit der Frage, ob die Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Landesbeamte sein müssen, hat diese Vorschrift nichts zu tun. Diese Frage ist durch § 8 Abs. 1 b Satz 2 GSv. geregelt.
Es ist nun aber ein grundlegender Unterschied, ob der Beklagte aus eigenem Recht als Dienstherr über den von der Klägerin gewählten Geschäftsführer bestimmen konnte oder ob er in erster Linie nur eine Ermessensentscheidung der Klägerin zu überprüfen hatte (Schüle in Festschrift für Thoma, 1950, S.240). Im vorliegenden Fall war es zunächst Sache der Selbstverwaltung, also des Vorstandes der Klägerin, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der Beigeladene auch nach Vollendung des 65. Lebensjahres weiterhin als Geschäftsführer tätig bleiben sollte. Dieses Lebensalter ist zwar seit dem Erlaß der Personalabbauverordnung vom 27. Oktober 1923 allgemein im öffentlichen Dienst als Grenze für das Ausscheiden aus der Beschäftigung üblich geworden. Ebenso allgemein aber ist in den einschlägigen Vorschriften die Möglichkeit eröffnet, die Beendigung des aktiven Dienstes über diese Altersgrenze hinauszuschieben, wenn dringende dienstliche Rücksichten die Fortführung der Dienstgeschäfte erfordern (vgl. Reichsbeamtengesetz § 60a Abs. 3, Deutsches Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 § 68 Abs. 2, Bundesbeamtengesetz vom 14. Juli 1953 § 41 Abs. 2, Bayerisches Beamtengesetz vom 28. Oktober 1946 Art. 92 Abs. 2). Es kann dahingestellt bleiben, ob für den Geschäftsführer der Klägerin etwa auf Grund einer Dienstordnung in Verbindung mit den Vorschriften der Musterdienstordnung beamtenrechtliche Vorschriften anzuwenden sind oder ob nicht sogar lediglich die allgemeine Tarifordnung für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst (ATO) vom 1. April 1938 in Verbindung mit der allgemeinen Dienstordnung (ADO) vom 30. April 1938 in Betracht kommt, nach deren § 18 eine unbeschränkte Weiterbeschäftigung im Einzeldienstvertrag zulässig wäre. Den bislang noch nicht endgültig geklärten Dienstverhältnissen bei den Trägern der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versucht ein Gesetzentwurf des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften abzuhelfen (vgl. Eckert-Schraft a.a.O., 4. Bd. F 2 landwirtschaftl. UV. Bl. 37), der bis zu einem gewissen Grade an beamtenrechtliche Grundsätze anknüpft. Hierzu Stellung zu nehmen, ist nicht Aufgabe des Senats, ist aber auch für die Entscheidung des Falles nicht erforderlich. Denn selbst bei Anlegung der in den Beamtengesetzen geltenden strengeren Maßstäbe ist es jedenfalls Aufgabe der Selbstverwaltung, in eigener Verantwortung das Vorliegen von "dringenden dienstlichen Rücksichten" festzustellen, welche die Weiterbeschäftigung eines über 65 Jahre alten Geschäftsführers erfordern.
Die Bestätigungsbehörde darf in diesen Ermessensspielraum der Selbstverwaltung nicht ohne weiteres unter Anwendung eigenen behördlichen Ermessens eingreifen. Der Beklagte hat, indem er nach selbstaufgestellten allgemeinen Grundsätzen die Frage einer Weiterbeschäftigung des Beigeladenen beurteilte, ohne individuelle Prüfung sein behördliches Ermessen an die Stelle des dem Vorstand der Klägerin vorbehaltenen pflichtgemäßen Ermessens gesetzt; dies ist - entgegen der Ansicht des Vorderrichters - eine mit der Selbstverwaltung nicht vereinbare und darum rechtswidrige Maßnahme. Rechtmäßig hätte der Beklagte verfahren, wenn er den vom Vorstand der Klägerin gefaßten Beschluß unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls auf etwaige Ermessensfehler geprüft hätte (vgl. OVG. Lüneburg, Breithaupt 1952, 1118 ff., hier S. 1127/28). Ermessensfehler sind nach der Überzeugung des Senats jedenfalls dem Antrag der Klägerin vom 18. September 1953 (Bl. 90 der Personalakten) nicht zu entnehmen. Wenn der auf Grund des GSv. erstmals konstituierte Vorstand einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Anbetracht der mit der Einführung der neuartigen genossenschaftlichen Selbstverwaltung auftretenden Übergangsfragen den bisherigen, fachlich bewährten Geschäftsführer, der das Vertrauen der neuen Selbstverwaltungsorgane genoß, noch für eine gewisse Zeit als obersten hauptberuflichen Mitarbeiter im Amt zu belassen wünschte, so konnten damit durchaus "dringende dienstliche Rücksichten" vorliegen, die für eine Weiterbeschäftigung nach Erreichung der Altersgrenze sprachen. Die kurze Frist des § 15 Abs. 3 Satz 3 GSv. reichte unter Umständen zur Wahrung dieser berechtigten Interessen nicht aus.
Der Senat verkennt nicht, daß der Zweck der Bestätigung nach § 8 Abs. 1 Buchst. b GSv. neben der im Vordergrund stehenden Ermessenskontrolle einen gewissen Ermessensspielraum der Bestätigungsbehörde selbst nicht völlig ausschließt. Dieser positive Kern des Bestätigungsrechts läßt sich zwar mit den im Schrifttum angeführten Gesichtspunkten traditioneller Art nicht genau erläutern (vgl. Brackmann a.a.O., S. 156 n, Spiecker in DVZ. 1953 S. 52). Es mag die Erwägung zugrunde liegen, daß aus der Initiative der Selbstverwaltung nicht solche Persönlichkeiten zu Geschäftsführern bestellt werden sollen, gegen die im Staatsinteresse schwerste Bedenken zu erheben sind; andererseits mag der obersten Verwaltungsbehörde hier auch ein gewisser Einfluß dahin eingeräumt sein, daß sie ihr bekannte, besonders geeignete Bewerber (etwa im Zusammenhang mit der Unterbringung der unter Artikel 131 GG fallenden Personen) der Selbstverwaltung vorschlagen kann, soweit dieser selbst entsprechend geeignete Anwärter nicht zur Verfügung stehen. Näherer Ausführungen hierzu bedarf es nicht, zumal da der Beklagte derartige Gesichtspunkte weder in seinen Verwaltungsentschließungen, noch im Laufe des Rechtsstreits geltend gemacht hat.
Hiernach konnten die mit der Klage angefochtenen Bescheide der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten. Sie waren deshalb aufzuheben.
VI.
Die Verpflichtungsklage ist, soweit sie die Verurteilung des Beklagten zur Bestätigung zum Ziele hat, nicht spruchreif. Auf Grund des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts läßt sich nicht erkennen, ob die Klägerin einen Rechtsanspruch auf einen ihrem Antrag entsprechenden Bescheid hat, etwa weil jede andere Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft wäre (vgl. Brackmann a.a.O., Bd. I S. 248 g m. weiteren Nachweisen). Vielmehr ist denkbar, daß das Verlangen der Klägerin, den Beigeladenen nunmehr ohne jede zeitliche Begrenzung als Geschäftsführer zu bestätigen, auf einem Ermessensfehler ihrerseits beruht. Ein solcher wäre zweifellos gegeben, wenn der jetzige Vorstand der Klägerin den Beigeladenen nur gerade bis zu den bevorstehenden Neuwahlen zu den Selbstverwaltungsorganen im Amt belassen wollte. Denn damit würde das Unsicherheitsmoment der Einführung eines neuen, den Organen unbekannten Geschäftsführers, welches der jetzige Vorstand im Jahre 1953 mit Recht von der Klägerin abwenden wollte, dem neuen Vorstand aufgebürdet. "Dringende dienstliche Rücksichten" würden dann nicht gegeben sein. Sie wären nur insoweit zu bejahen, als die Belange der Selbstverwaltungskörperschaft als solcher, nicht etwa nur die des gerade amtierenden Selbstverwaltungsorgans, den Ausschlag geben. Auch wenn die Klägerin die Weiterbeschäftigung des Beigeladenen etwa nur aus Ersparnisgründen anstreben sollte, wären derartige fiskalischen Erwägungen nicht geeignet, ihr Begehren zu rechtfertigen.
Unter diesen Umständen kann das Gericht über den Antrag, den Beklagten zur Bestätigung zu verpflichten, nicht entscheiden. Eine Zurückverweisung zwecks weiterer Aufklärung durch den Tatrichter (so v. Werder-Labs-Ortmann, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, Komm. zur VO Nr. 165, 1949, § 75, Anm. IV 2 S. 174; Peters in DOK. 1953, S. 324; Jdel in NJW. 1955 S. 1744 ff.) verbietet sich im vorliegenden Fall, weil allein der Beklagte die Umstände des Einzelfalls abwägen kann. Das Gericht darf dessen Ermessen nicht vorgreifen (BSG. 2 S. 142, hier S. 149; Brackmann a.a.O.; Peters-Sautter-Wolff, a.a.O., Bd. I § 131 Anm. 4; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 200 f; Rohwer-Kahlmann in DOK. 1953, S. 365, hier 369). Vielmehr ist § 131 Abs. 3 SGG anzuwenden, nach dem auf die Verpflichtung erkannt werden kann, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, zumal da die Klägerin vor dem Senat erklärt hat, daß sie jedenfalls eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines rechtmäßigen Bescheides erstrebe. Zwar ist im vorliegenden Streitfall die Bestätigung nicht unterlassen, sondern abgelehnt worden. Auf Grund des § 131 Abs. 3 SGG kann aber auch dann erkannt werden, wenn nach Auffassung des Gerichts die Gründe für die Ablehnung eines Verwaltungsakts diese Entschließung nicht rechtfertigen, die Streitfrage aber noch nicht in jeder Beziehung spruchreif ist. Es kann für die Anwendung dieser Vorschrift keinen Unterschied begründen, ob der Beklagte ausdrücklich eine Tätigkeit ablehnt oder ob er überhaupt nichts tut, sofern sich beides als rechtswidrig darstellt (Ule a.a.O., § 49 Anm. IV 1 mit Bezugnahme auf § 15 Abs. 3 Satz 3 BVerwGG). Wesentlich ist vielmehr, ob die Verwaltung ihre Ermessenbefugnisse bereits erschöpft hat. Ist dies zu verneinen, so kann der Beklagte lediglich verpflichtet werden, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (BSG. 2 a.a.O.; Brackmann a.a.O.; Bachof a.a.O., S. 46, 53; Menger a.a.O., S. 200; Klinger a.a.O., § 75, Anm. D 3 S. 463 f.; s. auch BVerwG. in NJW. 1955 S. 434, hier S. 436; a.M. OVG. Münster in DVBl. 1955 S. 670, hier S. 673 f.; Jdel in NJW. 1955 S. 1744, hier S. 1746, Fußn. 6).
Einer Entscheidung über den nur hilfsweise gestellten Feststellungsantrag bedurfte es hiernach nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NJW 1957, 238 |
NJW 1957, 479 |
NJW 1957, 765 |