Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Familienheimfahrt im Rahmen des Jahresurlaubs durchgeführt, so erstreckt sich der Versicherungsschutz des RVO § 550 S 2 und 3 aF (jetzt Abs 3) in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nur auf den direkten Weg von und nach der Familienwohnung, nicht aber auf den eigentlichen Urlaub und die damit im Zusammenhang stehenden Wege.
2. Das gilt auch dann, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf der Familienheimfahrt (Rückfahrt aus der Türkei) benutzen müßte.
Normenkette
RVO § 550 S. 2 Fassung: 1963-04-30, § 550 Abs. 3 Fassung: 1974-04-01, § 550 S. 3 Fassung: 1971-03-18
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 11.01.1977; Aktenzeichen I UBf 6/75) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 11.12.1974; Aktenzeichen 23 U 501/72) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Januar 1977 aufgehoben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 1974 insoweit zurückgewiesen, als ihr das Landessozialgericht stattgegeben hat.
Außergerichtliche Kosten sind für sämtliche Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand
Kläger sind die in Ö (Türkei) lebende Witwe und die Waisen des Versicherten H D (D.). Dieser lebte seit 1964 in M und war bei den M Stadtwerken beschäftigt. In der Zeit vom 1. Oktober bis 30. Oktober 1970 hatte er seinen Jahresurlaub genommen; am 1. November 1970 sollte er seine Arbeit in München wieder aufnehmen. Am 1. Oktober 1970 fuhr er mit seiner Landsmännin Frau Öz (Öz.), die ebenfalls ihren Jahresurlaub in dieser Zeit genommen hatte, mit seinem Pkw in die Türkei; beide waren seit 1969 für die Einsteinstraße 127 in München gemeldet. Die Fahrt M - I dauerte etwa 2 bis 3 Tage. In I hat sich der Versicherte etwa 10 Tage aufgehalten und dort eine Eigentumswohnung, vermutlich gemeinsam mit der ihn begleitenden Frau Öz., gekauft. Danach ist er nach Ö zu seiner Familie gefahren. Für die Fahrt von I nach Ö werden ca. 9 Stunden benötigt. In Özkonak hat D. sich bei seiner Familie aufgehalten; ferner hat er Geschenke, die ihm von Freunden mitgegeben worden waren, bei deren Familien in Ö abgegeben. Am 15. Oktober 1970 verließ er Ö, nachdem er sich von der Klägerin zu 1) verabschiedet und gesagt hatte, daß er wieder nach M fahre. Auf dem Rückweg von Ö verunglückte D. am 15. Oktober 1970 tödlich zwischen den Orten B und D auf der Strecke A - I in Richtung I. In A war Frau Öz. zugestiegen; sie ist ebenfalls bei dem Unfall ums Leben gekommen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. September 1972 Entschädigungsansprüche ab, weil nicht davon ausgegangen werden könne, daß D. sich am 15. Oktober 1970 auf einem versicherten Weg nach M befunden habe. Es sei anzunehmen, daß er aus persönlichen Gründen nach I habe fahren wollen. Sofern er den restlichen Urlaub dort habe verbringen wollen, könne allenfalls für den Weg von I nach M Versicherungsschutz bestanden haben.
Vor dem Sozialgericht (SG) haben die Kläger vorgetragen, D. habe von Ö direkt nach M, wenn auch gemächlich, zurückfahren wollen, weshalb er sich auf der Rückreise nach Deutschland befunden habe. Selbst wenn er die Absicht gehabt haben sollte, sich in I einige Tage aufzuhalten, führe das nur zu einer Unterbrechung der Rückfahrt. Das SG hat die "Klagen" - die Klage war mit zwei Aktenzeichen versehen - nach Vernehmung mehrerer Zeugen durch Urteil vom 11. Dezember 1974 abgewiesen. D. habe höchstens 4 Tage in seiner Familienwohnung verbracht; er habe sich nicht auf dem unmittelbaren Rückweg nach M befunden; ihm hätten noch weitere 2 Urlaubswochen zur Verfügung gestanden, weshalb er sich - zusammen mit Frau Öz. - noch einige Tage in I habe aufhalten wollen, um dort privaten Dingen nachzugehen. Dadurch sei der betriebliche Zusammenhang der Fahrt gelöst worden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Kläger die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 26. September 1972 verurteilt, den Klägern Witwen- und Waisenrenten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren; hinsichtlich des Sterbegeldes und der Überbrückungshilfe hat es die Berufung als unzulässig verworfen. Es hat u.a. ausgeführt, die Familie des D. habe in Ö im Hause seiner Eltern gelebt. Gleichwohl sei diese Wohnung als Familienwohnung zu betrachten. Sie sei es auch noch im Oktober 1970 gewesen. Allerdings könnten einige Umstände dafür sprechen, daß der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des D. in M gewesen sei. Nach den Aussagen der Zeugen stehe nicht fest, ob D., der seit 1964 in M gearbeitet und gewohnt habe, dort ein Zimmer oder eine Wohnung bewohnt habe. Ebenso habe nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden können, ob D. und Frau Öz. zusammengelebt hätten. Trotz bestehender Zweifel, ob D. noch weiterhin den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in Ö gehabt habe, sei der Senat der Auffassung, daß er die Bindung an seine Familie aufrechterhalten habe. Dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, daß er seine Familie in Ö besucht und auch seinen Urlaub aus dem Jahre 1969 in der Zeit vom 6. Februar bis zum 3. März 1970 in der Türkei verbracht habe. Die Fahrt des D. in die Türkei stelle daher eine unter Unfallversicherungsschutz stehende Familienheimfahrt dar. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen stehe auch fest, daß sich D., als er am 15. Oktober 1970 zwischen A und I tödlich verunglückte, auf der Rückfahrt von seiner Familie in Ö befunden habe. Die Zeugen Ö, D, D und Y hätten dies von ihren Verwandten in Ö erfahren sowie von der Klägerin zu 1). Der Versicherungsschutz entfalle auch nicht dadurch, daß D. bereits am 15. Oktober 1970 von seiner Familie aufgebrochen sei, obwohl er noch bis zum 30. Oktober 1970 Urlaub gehabt habe. Es könne dahingestellt bleiben, wo und wie der Versicherte seinen Resturlaub habe verbringen wollen. In jedem Fall hätte er die Strecke, auf der sich der Unfall ereignete, auf der Rückfahrt von Ö nach M zurücklegen müssen. Es sei daher rechtlich unerheblich, ob D., wie einige Zeugen bekundet hätten, sich noch in I habe aufhalten wollen. Insoweit sei es auch ohne Bedeutung, daß auf dieser Strecke in Ankara Frau Öz. wieder zugestiegen sei. Die Fahrt des D. könne nicht etwa von Anfang an als eine eigenwirtschaftliche, unversicherte Fahrt in den Urlaub angesehen werden. Auch durch den zehntägigen Aufenthalt in I sei der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit nicht gelöst, sondern nur unterbrochen worden. Der Versicherungsschutz entfalle schließlich auch nicht dadurch, daß sich D. nur etwa 2 bis 3 Tage bei seiner Familie aufgehalten habe, denn er hänge nicht von der Dauer des Aufenthalts in der Familienwohnung ab.
Mit der zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen diese Rechtsauffassung. Zu Unrecht habe das LSG angenommen, daß D. seinen Lebensmittelpunkt in Özkonak gehabt habe. Er habe seit 1964 - getrennt von seiner Familie - in M gelebt und zwar seit 1969 in der Wohnung Einsteinstraße 127 gemeinsam mit der geschiedenen Frau Öz. Beide hätten wie ein Ehepaar zusammen gelebt, wie der Zeuge D am 3. Mai 1974 ausgesagt habe. Wie auf der Hinfahrt hätten beide auch nach dem kurzen - 2 oder 3 Tage währenden - Besuch des D. in Ö bzw. der Frau Öz. in A auch den restlichen Urlaub gemeinsam verbringen und sich wiederum einige Tage in I aufhalten wollen. Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse habe sich daher in München befunden; die unfallbringende Fahrt sei eine unversicherte Urlaubsfahrt gewesen. Die vom LSG erwähnte vorherige Reise in die Türkei sei nicht gleichbedeutend mit einer Reise zu der Klägerin zu 1). Im übrigen sei durch den Aufenthalt in Istanbul der betriebliche Zusammenhang nicht unterbrochen, sondern gelöst worden. Ferner habe es das LSG nicht dahingestellt sein lassen dürfen, wo und wie der Versicherte seinen Resturlaub habe verbringen wollen, und es nicht als rechtlich unerheblich ansehen dürfen, ob er sich noch in Istanbul habe aufhalten wollen. Dieser Urlaubsteil habe, genau wie auf der Hinfahrt, mit Tätigkeiten ausgefüllt werden sollen, die der privaten Sphäre zuzurechnen seien. Eine im Urlaub unternommene Fahrt sei nicht lediglich deshalb geschützt, weil sie richtungsmäßig zufällig mit der Familienheimfahrt übereinstimme. Bei der Fahrt von Ö nach I habe es sich nach alledem um eine Fahrt zum Ort einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11. Januar 1977 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 1974 zurückzuweisen, soweit ihr mit Urteil vom 11. Januar 1977 stattgegeben worden ist. |
Die Kläger beantragen,
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die Revision zurückzuweisen. Sie meinen, dem Urteil des Landessozialgerichts sei zuzustimmen. |
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
Das LSG hatte gewisse Zweifel, ob der Lebensmittelpunkt des D. nicht doch in M gewesen ist. Das würde bedeuten, daß dann ein Unfallversicherungsschutz für eine etwaige Fahrt zur Familienwohnung i.S. des § 550 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) a.F. (später Satz 3, jetzt Abs. 3 RVO) von vornherein ausgeschieden wäre. Denn Voraussetzung eines solchen Unfallversicherungs(UV-)Schutzes ist, daß der Versicherte am Ort der Tätigkeit oder in dessen Nähe nur eine "Unterkunft" hat. Ob letzteres der Fall war, hat das LSG nicht näher geprüft, sondern sich mit der Feststellung begnügt, es stehe nicht fest, ob D. dort ein Zimmer oder eine Wohnung bewohnte; auch könne "nicht mit letzter Sicherheit" festgestellt werden, ob D. und Frau Öz. zusammengelebt haben (Urteil S. 7). Es hat die Voraussetzungen des § 550 Satz 2 RVO a.F. als gegeben angesehen, weil D. die Bindung an seine Familie aufrechterhalten habe, was sich nicht zuletzt daraus ergebe, daß er seine Familie in Ö besucht und auch seinen Urlaub aus 1969 "in der Türkei" verbracht habe. Diese Umstände (Bindung an die Familie und deren gelegentlicher Besuch) genügen - abgesehen davon, daß "die Türkei" nicht gleichbedeutend mit dem Ort Ö ist - nicht zur Annahme einer Familienwohnung; der Lebensmittelpunkt kann insbesondere auch in der Wohnung einer "fremden Familie" liegen (BSGE 20, 110, 111). Ein Besuch der Familie ist grundsätzlich - unabhängig von familiären Bindungen - nur dann gegen Unfall geschützt, wenn der Versicherte nicht an einem anderen Ort, sondern am Wohnsitz der Familie seine "ständige Familienwohnung" (§ 550 Satz 2 RVO a.F.), d.h. seinen Lebensmittelpunkt hat. Die von der Revision insoweit erhobenen Einwendungen sind daher begründet (vgl. zu den hier bedeutsamen Rechtsgrundsätzen auch die Urteile des erkennenden Senats vom 23.6. 1977 - 8 RU 86/76 - und 98/76 -). Der Senat brauchte diesem Punkt jedoch nicht weiter nachzugehen und deshalb etwa die Sache an das LSG zurückzuverweisen, weil das angefochtene Urteil schon aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt keinen Bestand haben kann. Auch wenn man nämlich mit dem LSG davon ausgehen wollte, daß der Lebensmittelpunkt des D. in Ö gewesen ist und daß die für Fahrten nach und von der Familienwohnung erarbeiteten Grundsätze ohne Einschränkung auch auf jährliche Familienheimfahren von Gastarbeitern anzuwenden seien - dies kann hier offen bleiben -, ist jedenfalls die im Unfallzeitpunkt ausgeführte Fahrt keine Fahrt "von und nach der Familienwohnung" i.S. des § 550 Satz 2 RVO a.F. gewesen.
Fraglich kann zunächst sein, ob die geplante dreißigtägige Urlaubsfahrt nach ihrer Ausgestaltung und nach den näheren Umständen überhaupt den Charakter einer "Familienheimfahrt" hatte. Das LSG hat festgestellt, daß die am 1. Oktober 1970 mit Frau Öz. angetretene Fahrt von M bis I etwa 2 bis 3 Tage dauere, daß sich D. dann - mit Frau Öz. - etwa 10 Tage in I aufgehalten habe und danach für die weitere Fahrt nach Ö ca. 9 Stunden benötigt würden. Hiernach könnte D. etwa am 13. oder 14. Oktober 1970 in Ö angekommen sein, wo er u.a. auch Geschenke bei den Familien seiner Freunde abgegeben hat. Am 15. Oktober 1970 ist er bereits wieder abgefahren, wobei nicht festgestellt ist, inwieweit er sich in dieser kurzen Zwischenzeit überhaupt seiner eigenen Familie gewidmet hat. Der weitere Verlauf der Urlaubsfahrt, d.h. deren zweite Hälfte (vom 15. bis 30. Oktober 1970) sollte wohl in ähnlicher Weise gestaltet werden (Zustieg der Frau Öz. in A, weiterer privater Aufenthalt in I). Danach läge die Annahme nahe, daß hier keine Familienheimfahrt, sondern eine Urlaubs- oder Vergnügungsfahrt mit einer Freundin des D. durchgeführt werden sollte, bei der D. nur ganz nebenbei auch den Wohnsitz der Familie berührte. Doch konnte dieser Punkt hier ebenfalls auf sich beruhen. Denn auch wenn man diese Bedenken beiseite schiebt und eine Familienheimfahrt annimmt, so kann jedenfalls die Fahrt am 15. Oktober 1970 von A nach I, bei der sich der Unfall ereignete, nicht als eine versicherte Heimfahrt von Ö nach M gewertet werden. Dies schon deshalb nicht, weil der Urlaub erst am 30. Oktober 1970 endete und die Arbeit auch erst am 1. November 1970 wieder aufgenommen werden sollte. Das LSG hat insoweit die Auffassung vertreten, es könne dahingestellt bleiben, wo und wie der Versicherte seinen Resturlaub verbringen wollte. In jedem Fall hätte er die Strecke, auf der sich der Unfall ereignete, auf der Rückfahrt von Ö nach M zurücklegen müssen. Er habe sich weder auf einem Umweg noch einem Abweg befunden, sondern auf der kürzesten Strecke zwischen seinem Heimatort und M. Es sei daher rechtlich unerheblich, ob D., wie einige Zeugen bekundet hätten, sich noch in I habe aufhalten wollen; insofern sei es auch ohne Bedeutung, daß Frau Öz. in A wieder zugestiegen sei.
Dem kann nicht zugestimmt werden. Vielmehr ist durch die im Unfallzeitpunkt angetreten gewesene Fahrt eine endgültige Lösung von der beabsichtigten Familienheimfahrt eingetreten.
Für Fahrten von und nach der Familienwohnung gelten die gleichen Grundsätze über den Zusammenhang der Fahrt mit der Beschäftigung im Betrieb bei Umwegen und die Lösung des Zusammenhangs wie für die frühere Vorschrift des § 545 a Abs. 1 RVO (i.d.F. vom 14. Juli 1925), d.h. wie für sonstige Wege "nach und von der Arbeitsstätte". Das ergibt sich schon daraus, daß Satz 2 (sowie Satz 3 und Absatz 3) des § 550 RVO mit seiner negativen Formulierung nur einen Unterfall des Satzes 1 dieser Vorschrift darstellt, indem der hiernach bestehende Versicherungsschutz auf den Sonderfall der vom Beschäftigungsort getrennten Familienwohnung ausgedehnt wird. Allerdings gestattet es diese Sonderregelung, z.B. an den Zeitpunkt der Heimfahrt weniger strenge Anforderungen zu stellen, da es diese Vorschrift ermöglicht, rechtlich die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Beweggründe für die Fahrt weitgehend unberücksichtigt zu lassen, insbesondere wenn es sich - wie hier - um eine weite Entfernung zwischen Unterkunft und dem Ort der Familienwohnung handelt. Dabei ist jedoch in Zweifelsfällen stets zu prüfen, ob die Fahrt in dem nach dem Gesetz notwendigen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat (vgl. dazu die Entscheidung des erkennenden Senats vom 19.8.1975 - 8 RU 94/74 - in SozR 2200 § 550 RVO Nr. 6 und die dortigen Zitate). Dies ist hier jedenfalls für die Fahrt von A, wo Frau Öz. wieder zugestiegen ist, nach I zu verneinen. Mit dieser Fahrt bezweckte D., wiederum zusammen mit seiner Freundin, I aufzusuchen und sich dort erneut zu privaten Zwecken aufzuhalten. Dabei handelte es sich nicht um die Fortsetzung der Heimfahrt nach M, sondern um eine Besuchsfahrt zu einem Ort, an dem sich weder seine Unterkunft noch seine Familienwohnung befand. Es kann dahinstehen, wie der Fall rechtlich zu beurteilen wäre, wenn D. nach längerer Fahrt mit Frau Öz. in I lediglich hätte übernachten und am nächsten Tag unverzüglich weiterfahren wollen. Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das LSG hat auf S. 4 oben seines Urteils die Feststellungen des SG dahin wiedergegeben, D. sei für die zwei letzten Urlaubswochen gemeinsam mit Frau Öz. nach Istanbul gefahren. Gegenteilige Feststellungen hat das LSG nicht getroffen; es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß D. seinen Urlaub etwa vorzeitig abbrechen und zügig nach M zurückfahren wollte. Die Kläger selbst haben in dieser Richtung nichts vorgetragen und das LSG hat nur ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, wo und wie der Versicherte seinen Resturlaub habe verbringen wollen. Dabei hat es jedoch nicht beachtet, daß eine Fahrt zur Verbringung des "Resturlaubs" eine unversicherte eigenwirtschaftliche Verrichtung, aber keine Heimfahrt zur Unterkunft darstellt. Selbst wenn man für den Aufenthalt in I nur "einige Tage" (vgl. SG-Urteil S. 7 unten) zugrunde legen wollte - obwohl noch zwei Wochen Resturlaub zur Verfügung standen -, ist auch dann wegen der Dauer und Art der eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verrichtungen eine endgültige Lösung von der versicherten Tätigkeit eingetreten (vgl. die bereits zitierte Entscheidung in SozR 2200 § 550 RVO Nr. 6, wo eine endgültige Lösung von der Familienheimfahrt angenommen wurde, weil der Versicherte zwischendurch an zwei Tagen private Betätigungen verrichtet hatte).
Eine solche endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort der Tätigkeit hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR Nr. 18 zu § 550 RVO bei einem Versicherten angenommen, der nach Beendigung seiner versicherten Tätigkeit fast 3 Stunden lang private Einkäufe getätigt hatte mit der Folge, daß er auf dem anschließenden Weg nach Hause nicht mehr nach § 550 Abs. 1 RVO unter Versicherungsschutz stand. Dabei wurde betont, daß bei einer Unterbrechung von etwa einer Stunde im allgemeinen keine Lösung vom Betrieb anzunehmen sei und daß auch bei einer Unterbrechung von mehr als einer Stunde u.U. noch Versicherungsschutz für den anschließenden weiteren Heimweg angenommen werden könne. Später hat der 2. Senat entschieden, daß nach einer Unterbrechung von mehr als zwei Stunden der Zusammenhang (grundsätzlich) gelöst sei (vgl. Urteil des 2. Senats vom 28.4.1976 - 2 RU 147/75 -, Breithaupt 1976, 918 bis 920). Dem hat sich der erkennende Senat mit Urteil vom 24. Februar 1977 - 8 RU 42/76 - angeschlossen. Zwar sind - wie oben erwähnt - im Fall des §550 Satz 2 und 3 RVO a.F. bei Fahrten von und nach der Familienwohnung weniger strenge Anforderungen zu stellen. Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung muß es sich aber um eine "echte" Familienheimfahrt handeln; wird diese im Rahmen des Jahresurlaubs - wie hier - durchgeführt, so erstreckt sich der Versicherungsschutz des § 550 Satz 2 und 3 RVO a.F. (jetzt Abs. 3) in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nur auf den direkten Weg von und nach der Familienwohnung, nicht aber auf den eigentlichen Urlaub und die damit im Zusammenhang stehenden Wege. Dient somit ein angetretener Weg anderen Zwecken als der unmittelbaren Familienheimfahrt, so ist er grundsätzlich ungeschützt. Das war hier der Fall. Denn die Fahrt von Ankara nach Istanbul und der dort beabsichtigte Aufenthalt diente privaten und damit unversicherten Zwecken. Das LSG hatte bei seiner anderen Auffassung offenbar selbst Bedenken, denn es hat zusätzlich ausgeführt, in jedem Fall hätte D. die Strecke, auf der sich der Unfall ereignete, auf der Rückfahrt von Ö nach M zurücklegen müssen (Urt. S. 8). Dieser Gesichtspunkt ist aber nur für den Fall einer Unterbrechung des Weges oder eines Umweges von Bedeutung, nicht jedoch bei Eintritt einer endgültigen Lösung. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 19. August 1975 aaO. entschieden hat, besteht dann, wenn sich der Versicherte wegen der Dauer und Art der eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verrichtungen endgültig von der versicherten Tätigkeit gelöst hat, auch dann kein Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Wegeunfall auf derselben Wegstrecke ereignet hat, die der Versicherte auch ohne Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen hätte zurücklegen müssen.
Da die Unfallfahrt nach alledem zumindest aus dem Gesichtspunkt einer endgültigen Lösung von der versicherten Tätigkeit (Familienheimfahrt) nicht nach § 550 Satz 2 RVO a.F. unter Unfallversicherungsschutz stand, war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen