Leitsatz (amtlich)

Ist ein Landwirtschaftlicher Unternehmer vor dem Inkrafttreten des GAL 1957 (1957-10-01) verstorben, so steht seiner Witwe Anspruch auf Witwen-Altersgeld auch dann zu, wenn sie nach dem Tode ihres Ehemannes das Unternehmen selber noch betrieben hat und nach dem 1957-10-01 wegen Bezugs einer Rente nach GAL 1957 § 8 Abs 4 nicht beitragspflichtig war.

 

Normenkette

GAL § 25 Fassung: 1957-07-27, § 8 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1961 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 4. Juni 1961 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das halbe Altersgeld zu zahlen ist.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Recht wegen.

 

Gründe

I.

Die 1893 geborene Klägerin ist die Witwe des 1885 geborenen und am 28. Juli 1956 verstorbenen Landwirts W O. Dieser bewirtschaftete vor seinem Tode mindestens 15 Jahre lang einen landwirtschaftlichen Betrieb, der den gemäß § 1 Abs. 4 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - festgesetzten Einheitswert überschritt. Er bestimmte in einem nicht unterschriebenen Zusatz seines Testaments, die Klägerin solle das Unternehmen nach seinem Tode zwei Jahre lang selber bewirtschaften und es dann dem Sohn W übergeben. Nach dem Tod ihres Ehemannes führte die Klägerin das Unternehmen weiter und übertrug es am 30. August 1958 auf den Sohn. Seit dem 1. August 1956 bezieht sie eine Witwenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter.

Die Beklagte lehnte den im Mai 1959 gestellten Antrag auf Altersgeld mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Anspruch, weil sie das Unternehmen erst nach dem 1. Oktober 1957 übergeben und an diesem Tag wegen des Bezugs der Witwenrente nicht beitragspflichtig gewesen sei (§§ 25 Abs. 1, 8 Abs. 4 GAL aF). Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, der Klägerin das gesetzliche Altersgeld vom 1. September 1958 an zu zahlen. Dagegen wies das Landessozialgericht (LSG) die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht die Witwe eines ehemaligen Unternehmers, weil der Verlust der Unternehmerstellung durch den Tod keine Entäußerung oder Abgabe des Betriebes im Sinne des GAL darstelle. Aus ihrer eigenen Unternehmerstellung andererseits könne sie keine Ansprüche herleiten, da sie wegen des Bezugs einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter beitragsfrei gewesen sei. Das LSG ließ die Revision zu.

Die Klägerin legte gegen das am 6. Februar 1962 zugestellte Urteil am 22. Februar 1962 Revision ein und begründete sie am 7. Mai 1962, nachdem ihr die Begründungsfrist bis zu diesem Tage verlängert worden war.

Sie trägt vor, zur Geltendmachung von Witwenaltersgeldansprüchen sei es nicht erforderlich, daß der Verstorbene sich des Unternehmens zu seinen Lebzeiten entäußert habe. Hierzu genüge die Übergabe oder die Entäußerung durch die Witwe selbst.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 21. November 1961 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Detmold vom 4. Juli 1961 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II.

Die durch die Zulassung statthafte, auch form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision mußte Erfolg haben. Der Klägerin steht das halbe Witwenaltersgeld vom 1. September 1958 an zu.

Die Klägerin kann zwar aus dem Umstand, daß sie das Unternehmen von 1956 bis 1958 selbst betrieben hat, keinen Anspruch auf Altersgeld herleiten. Dies hätte, da die Übergabe erst nach Inkrafttreten des GAL (1. Oktober 1957) stattgefunden hat, u. a. zur Voraussetzung, daß sie beitragspflichtige Unternehmerin nach dem GAL gewesen wäre. Dies war sie aber nicht, weil sie nach § 8 Abs. 4 GAL aF wegen Bezugs einer Witwenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter von der Beitragspflicht befreit war (vgl. BSG 12, 85). Denn auch der Bezug einer Witwenrente schließt diese Beitragspflicht aus (ebenso Schewe/Zöllner, Alterssicherung der Landwirte, § 8 III, 3 b, cc).

Die Klägerin hat jedoch seit dem 1. September 1958 nach § 25 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 und § 3 GAL aF Anspruch auf Altersgeld als Witwe. Denn ihr verstorbener Ehemann war vor dem 1. Oktober 1957 hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer; sie selber hat das 60. Lebensjahr vollendet und führt das Unternehmen nicht mehr weiter; sie und der Ehemann sind insgesamt mindestens 15 Jahre vor der Entäußerung landwirtschaftliche Unternehmer gewesen (ebenso Schewe/Zöllner aaO § 3 Anm. III, 2 c und § 25 IV, 2 a bis e).

Unerheblich ist, daß die Klägerin nach dem Tode ihres Ehemanns von 1956 bis 1958 noch Unternehmerin war, ehe sie das Unternehmen abgab. Das Gesetz nennt keinen bestimmten Zeitpunkt, von dem ab die Witwe den Betrieb nicht weiterführen dürfte. Dem LSG ist zwar zuzugeben, daß der Ehemann den Betrieb nicht selbst übergeben hat. Denn die Beendigung der Unternehmerstellung durch den Tod bedeutet keine Übergabe oder Entäußerung. Im Hinblick auf die Witwenansprüche (§ 25 Abs. 4 GAL aF) genügt es aber, daß der Landwirt infolge Todes nicht mehr Unternehmer und damit seine Ehefrau Witwe eines ehemaligen Unternehmers ist. Hätte die Klägerin sofort beim Tod ihres Ehemannes dem Sohn das Unternehmen überlassen, so würden keine Bedenken gegen den Anspruch bestehen; nicht anders darf es aber sein, wenn sie selbst noch einige Zeit gewirtschaftet hat, ohne durch ihre Unternehmertätigkeit einen eigenen Anspruch zu erwerben. Hinzu kommt im vorliegenden Falle noch, daß die Klägerin das Unternehmen deshalb zwei Jahre lang selbst weiterbetrieben hat, weil der Verstorbene dies in einem Nachtrag zum Testament gewünscht hatte. Eine gegenteilige Auslegung hätte zur Folge, daß die Witwen solcher Unternehmer weder Witwen eines ehemaligen noch eines beitragspflichtigen Unternehmers wären und deshalb nie in den Genuß des Altersgeldes kommen könnten. Das kann aber nicht der Wille des Gesetzes sein, das den Witwen Altersgeld zuwenden will.

Die Voraussetzungen für das Altersgeld brauchen auch nicht sämtlich beim Tode des Unternehmers erfüllt zu sein; es genügt, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag der Witwe gegeben sind. Die Witwen hauptberuflicher landwirtschaftlicher Unternehmer, die nach deren Tode das Unternehmen weitergeführt haben, sind also bezüglich ihres Witwengeldanspruches genauso zu behandeln wie diejenigen, die das Unternehmen nach dem Tode des Ehemannes überhaupt nicht weitergeführt haben.

Die Klägerin hat daher Anspruch auf Witwenaltersgeld. Sie erhält es jedoch nach § 25 Abs. 3 GAL aF nur zur Hälfte, weil sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht; denn auch hier erfüllt eine Witwenrente diese Voraussetzung (ebenso Schewe/Zöllner aaO § 25 Anm. VI 2 b, bb). Ob sich durch die Neufassung des GAL an dem bisherigen Rechtszustand etwas geändert hat, braucht nicht geprüft zu werden. Denn der Klägerin würde das Altersgeld auch nach dem 1. Januar 1962 zustehen, da sie nach altem Recht die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt hat (Art. 2 § 2 des Neuregelungsgesetzes).

Das Urteil des LSG muß daher aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden. Dabei ist zur Klarstellung in den Tenor aufzunehmen, daß der Klägerin nur das halbe Altersgeld zusteht. Wenn das SG die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin das "gesetzliche" Altersgeld zu gewähren, so hat es damit im Hinblick auf den Rentenbezug das halbe Altersgeld gemeint, wie es die Klägerin in ihrer Klageschrift auch beantragt hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2324176

BSGE, 53

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