Leitsatz (redaktionell)
Kürzung des vorzeitigen Altersgeldes (GAL § 4 Abs 5); hier: bei gleichzeitigem Bezug einer wiederaufgelebten Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung.
Auch im Rahmen des GAL § 4 Abs 5 ist die Subsidiarität wiederaufgelebter Bezüge zu beachten; wiederaufgelebte Ansprüche sind im Recht der landwirtschaftlichen Altershilfe ebenso wie im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber Ansprüchen, die sich aus der 2. Ehe ergeben, grundsätzlich subsidiär.
Normenkette
RVO § 1291 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; GAL § 4 Abs. 5 Fassung: 1969-07-29
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. März 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Kürzung des der Klägerin gewährten vorzeitigen Altersgeldes.
Die am 25. Dezember 1911 geborene, zweimal verheiratet gewesene Klägerin enthält nach ihrem ersten Ehemann Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung. Als Witwe ihres 1966 verstorbenen zweiten Ehemannes bezieht sie vorzeitiges Altersgeld nach § 3 Abs. 2 Buchstabe a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF vom 14. September 1965 (GAL 1965, BGBl I 1449; gleichlautend GAL 1969, BGBl I 1017 und GAL 1971, BGBl 1970 I 1774). Wegen der ihr von der Landesversicherungsanstalt (LVA) gewährten Witwenrente kürzte die Beklagte das vorzeitige Altersgeld bis zur Hälfte (§ 4 Abs. 5 GAL). Die LVA dagegen rechnete dieses Altersgeld auf die wiederaufgelebte Witwenrente in voller Höhe an. Den Antrag der Klägerin, ihr das Altersgeld ab 1. Juni 1970 ungekürzt zu gewähren, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24. August 1970). Die Klage wurde vom Sozialgericht (SG) Detmold abgewiesen, hatte aber beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Erfolg (Urteile vom 19. Mai 1971 und 2. März 1972). Unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 24. August 1971 vertritt das LSG die Auffassung, auch im Rahmen des § 4 Abs. 5 GAL sei die Subsidiarität wiederaufgelebter Bezüge zu beachten.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte rügt eine Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 4 Abs. 5 GAL, der zwischen wiederaufgelebten und originären Rentenansprüchen nicht unterscheide, sei für eine Auslegung dieser Bestimmung kein Raum. Aus § 10 Abs. 5 GAL sei zu schließen, daß der Gesetzgeber das Problem der Konkurrenz mit wiederaufgelebten Bezügen durchaus erkannt, hier aber anders als in den übrigen Rechtsbereichen habe lösen wollen. Auch aus den vielfältigen Besonderheiten des Altersgeldrechts folge, daß eine Anrechnung des Altersgeldes auf wiederaufgelebte Rentenansprüche nicht stattfinde.
Die Klägerin und die LVA beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Wie der erkennende Senat bereits in dem vom LSG angezogenen Urteil vom 24. August 1971 (BSG 33, 109 = SozR Nr. 1 zu § 4 GAL 1965) dargelegt hat, ist es zwar richtig, daß der Wortlaut des § 4 Abs. 5 GAL eine Kürzung des vorzeitigen Altersgeldes nicht verbietet, wenn es sich bei den anderen Bezügen um wiederaufgelebte Bezüge aus einer früheren Ehe des Altersgeldberechtigten handelt. Entgegen der Auffassung der Revision gibt es jedoch keinen Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber bei Schaffung des § 4 Abs. 5 GAL 1965 oder seines Vorgängers im GAL 1963 das Problem der Konkurrenz mit wiederaufgelebten Bezügen erkannt hat und daß er es im Sinne einer Subsidiarität des vorzeitigen Altersgeldes auch gegenüber wiederaufgelebten Bezügen hätte regeln wollen. Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 GAL kann deshalb nicht als klar und eindeutig bezeichnet werden. Der Gesetzgeber hat zwar in § 10 Abs. 5 GAL zu erkennen gegeben, daß er im Verhältnis von Altersgeldansprüchen untereinander die Subsidiarität wiederaufgelebter Bezüge gewahrt wissen will. Er hat hier aber das Problem der Konkurrenz nur in diesem Rahmen gesehen. Daraus läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schließen, der Gesetzgeber habe dieses Problem auch im Rahmen des § 4 Abs. 5 GAL erkannt, er habe es hier aber anders als in den übrigen Bereichen der Sozialversicherung lösen wollen. Da der Gesetzeswortlaut also Hinweise für eine Lösung des Konkurrenzproblems nicht bietet, muß entscheidend darauf abgestellt werden, daß das Wiederaufleben von Versorgungsansprüchen Hinterbliebener eine Ausnahmeregelung darstellt (SozR Nr. 29 zu § 1291 RVO), die sowohl für verschiedene Gebiete des Sozialrechts (vgl. §§ 615 Abs. 2, 1291 Abs. 2 RVO, § 68 Abs. 2 AVG, § 83 Abs. 3 RKG, § 44 Abs. 2 BVG), als auch für das Beamtenrecht (§ 164 Abs. 3 BBG, § 88 Abs. 3, BRRG) und das Entschädigungsrecht (§ 23 BEG) bedeutsam ist. Eine Witwe hat Versorgungsansprüche aus der ersten Ehe nur insoweit, als sie aus der zweiten Ehe nicht versorgt ist (BSG aaO). Dieser allgemeine Gedanke muß auch im Bereich des GAL vor der Anwendung besonderer Kürzungsvorschriften des GAL berücksichtig werden; es gilt hier, wo es sich auch um einen Zweig der Sozialversicherung handelt, nichts anderes als in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Besonderheiten des Rechts der landwirtschaftlichen Altershilfe rechtfertigen insoweit keine Ausnahme. Im übrigen sieht das GAL Kürzungen von Leistungen nur in wenigen Sondervorschriften vor; ihnen liegt aber nicht der Gedanke zugrunde, daß Leistungen nach dem GAL grundsätzlich subsidiär seien.
Nach alledem ist auch im Rahmen des § 4 Abs. 5 GAL die Subsidiarität wiederaufgelebter Bezüge zu beachten; wiederaufgelebte Ansprüche sind also im Recht der landwirtschaftlichen Altershilfe ebenso wie im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber Ansprüchen, die sich aus der zweiten Ehe ergeben, grundsätzlich subsidiär. Das hat der erkennende Senat bereits in seinem eingangs genannten Urteil vom 24. August 1971 entschieden. Das Vorbringen der Revision bietet keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen; es enthält keine Argumente, die der Senat nicht schon bei der genannten Entscheidung bedacht hätte.
Die Beklagte ist demnach nicht berechtigt, das vorzeitige Altersgeld der Klägerin wegen ihrer Witwenrente zu kürzen. Ihre Revision muß deshalb zurückgewiesen werden, denn das Urteil des LSG ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen