Verfahrensgang
SG Mannheim (Urteil vom 24.06.1977) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Juni 1977 dahin abgeändert, daß die Klagen in vollem Umfang abgewiesen werden.
Außergerichtliche Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten in erster Linie darüber, ob der Beklagte zu Recht die Beschlüsse des Vorstandes der Klägerin insoweit beanstandet hat, als darin deren Bediensteten für die Jahre 1975 und 1976 um ein Drittel höhere Weihnachtszuwendungen gewährt wurden, als den Landesbeamten zustanden. Streitig ist ferner die Untersagung der Auszahlung des Mehrbetrages und die Anordnung, von den für die Auszahlung des Mehrbetrages Verantwortlichen Schadensersatz zu fordern.
Durch Beschluß vom 13. November 1975 gewährte der Vorstand der Klägerin deren Bediensteten eine Sonderzuwendung (Weihnachtszuwendung) von 133 1/3 % der Dienstbezüge des Monats Oktober 1975. Mit Bescheid vom 18. November 1975 beanstandete der Beklagte dies, soweit mehr als ein Monatsgehalt zuzüglich 50,– DM Kinderzuschlag gewährt worden war, und untersagte insoweit die Auszahlung. Die Klägerin ließ sich von ihren Bediensteten die Rückzahlung etwa zuviel gewährter Beträge schriftlich zusichern, zahlte sodann die Zuwendung aus und erhob gegen die Aufsichtsanordnung Klage. Durch Bescheid vom 15. Juli 1976 beanstandete der Beklagte die Auszahlung der beanstandeten Sonderzuwendung für 1975 und wies die Klägerin an, dafür zu sorgen, daß ihr der dadurch entstandene Schaden von den hierfür Verantwortlichen anteilig nach dem jeweiligen Grad ihres Verschuldens in vollem Umfange ersetzt werde. Die Klägerin erhob auch dagegen Klage. Durch Beschlüsse vom 16. August und 24. November 1976 gewährte der Vorstand der Klägerin deren Bediensteten für 1976 eine Weihnachtszuwendung in Höhe von 4/3 der Dienstbezüge des Monats September 1976 mit der Maßgabe, daß bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der für 1975 erfolgten Beanstandung nur der nicht beanstandete Satz gezahlt werden sollte. Gegen den Bescheid vom 21. März 1977, mit dem der Beklagte auch diese Beschlüsse beanstandete, erhob die Klägerin gleichfalls Klage.
Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat die Klagen zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden, die Bescheide vom 18. November 1975, vom 15. Juli 1976 zu 2 sowie vom 21. März 1977 aufgehoben und im übrigen die Klagen abgewiesen. Art. VIII § 3 Abs. 2 des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG) verbiete der Klägerin zwar seit seinem Inkrafttreten (2. Juli 1975), in ihrer Dienstordnung (DO) Regelungen zu treffen, die der vom Gesetz angestrebten Besoldungsharmonisierung widersprächen.
Da bei der Beschlußfassung über die Sonderzuwendungen für 1975 und 1976 jedoch die gesetzliche Frist für die Anpassung der DO noch nicht abgelaufen gewesen sei, könne der Beklagte die Beschlüsse wegen der Höhe der Sonderzuwendungen nach dem 2. BesVNG nicht beanstanden. Auch gegen das stets zu beachtende Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit habe die Klägerin nicht verstoßen, zumal der vom Beklagten beanstandete Mehrbetrag von 13.665,14 DM für das Jahr 1975 ohne nennenswerten Einfluß auf die ab 1. Januar 1976 erfolgte Beitragserhöhung um etwa 2 % geblieben sei. Darüber hinaus sei das Begehren, die Nichtigkeit des Bescheides vom 18. November 1975 zu 2 und des Bescheides vom 15. Juli 1976 festzustellen, unzulässig. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 15. Juli 1976 zu Nr. 1 sei unbegründet; die Klägerin habe aber der Aufsichtsverfügung vom 18. November 1975 zu 2, die ihr die Auszahlung untersagt habe, nicht zuwiderhandeln dürfen.
Mit der zugelassenen Sprungrevision, der die Klägerin zugestimmt hat, rügt der Beklagte Verletzungen des Art. VI Nr. 2 § 6 des 2. BesVNG, des Gebotes einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung (§ 25 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO– aF, § 363 RVO; § 69 Abs. 2 Sozialgesetzbuch –SGB IV–) und des Grundsatzes der Stabilität und Homogenität des Besoldungsgefüges im öffentlichen Dienst. Abgesehen von der dienstordnungsmäßigen Selbstbindung an die Höhe der Sonderzuwendungen für Landesbeamte sei es nämlich mit Sinn und Zweck des 2. BesVNG nicht vereinbar, durch Vorstandsbeschluß dem vom Gesetz für die DO ausgesprochenen Anpassungsgebot zuwiderlaufende Regelungen zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
die Nr. 1 des Urteils des SG Mannheim vom 24. Juni 1977 aufzuheben und insoweit die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Sie meint, aus der DO sei eine Bindung an die Höhe der Sonderzuwendungen für Landesbeamte nicht herzuleiten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten ist begründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein das Begehren des Beklagten, die Entscheidung des SG, soweit sie ihm ungünstig ist, aufzuheben und auch insoweit die Klagen abzuweisen. Denn die Klägerin hat das Urteil des SG nicht mit der Revision angegriffen. Damit ist die vom SG zu Punkt 2 des Urteilstenors ausgesprochene „Abweisung der Klagen im übrigen” rechtskräftig geworden. Aus dieser Urteilsformel ist bei Heranziehung der Entscheidungsgründe zu entnehmen, daß das SG die Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit der Nummern 2 des Bescheides vom 18. November 1975 und des Bescheides vom 15. Juli 1976 als unzulässig abweisen wollte; es hat ferner die gegen die Nummer 1 des Bescheides vom 15. Juli 1976 gerichtete Anfechtungsklage rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Die übrigen Anfechtungsklagen, denen das SG hier zum Erfolg verholfen hat, erweisen sich als unbegründet.
Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Aufsichtsanordnungen, weil der Beklagte dabei die Grenzen seines Aufsichtsrechts nicht überschritten hat. Das Aufsichtsrecht der Versicherungsbehörden erstreckt sich nach dem bei Erlaß sämtlicher hier streitigen Aufsichtsanordnungen noch maßgebenden § 30 Abs. 1 RVO darauf, daß Gesetz und Satzung beachtet werden. Darüber ist der Beklagte nicht hinausgegangen.
Für die DO-Angestellten der Klägerin sieht § 62 der DO in seinem Abs. 1 vor, daß ihnen eine Sonderzuwendung gewährt werden „kann”. Hier ist – anders als bei den Versorgungsempfängern, deren Sonderzuwendung § 62 Abs. 2 der DO durch Verweisung auf das Landesbeamtenrecht regelt – der Klägerin die Entscheidung darüber vorbehalten, ob sie ihren DO-Angestellten eine Sonderzuwendung gewährt. Entschließt sie sich aber dazu, so ist sie bei Bestimmung der Höhe dieser Zuwendung nicht mehr frei. Zwar folgt aus § 64 der DO entgegen der ursprünglichen Auffassung des Beklagten keine Bindung der Klägerin an die landesrechtliche Regelung der Sonderzuwendungen für Beamte. Die Sonderzuwendung gehört nämlich, wie die Klägerin zutreffend bemerkt hat, nicht zu den Dienstbezügen iS des § 64 der DO und des Beamtenrechts (vgl. hierzu BSGE 31, 247, 254, sowie § 1 Abs. 2 und Abs. 3 des Bundesbesoldungsgesetzes idF des 2. BesVNG). Die DO der Klägerin verweist jedoch in § 78 Buchst c – anders als die in BSGE 31, 247, 256 beurteilte DO – schlechthin auf die jeweiligen Vorschriften für die Landesbeamten über Pflichten und Rechte, soweit nicht etwas anderes durch besondere gesetzliche Vorschrift bestimmt ist oder sich aus der DO ergibt. Zu den Rechten der Landesbeamten in Baden-Württemberg gehört der Anspruch nach dem Landesgesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung an Beamte und Versorgungsempfänger vom 15. Oktober 1971 (GBl Baden-Württemberg Seite 413) idF des Gesetzes vom 13. November 1973 (GBl Baden-Württemberg Seite 422). Danach erhalten die Landesbeamten 100 % ihrer Dezemberbezüge als Grundbetrag der Sonderzuwendung und 50,– DM Zuschlag für jedes Kind. Die hier zu entscheidende Frage, ob die Klägerin über diesen Betrag der Sonderzuwendung hinausgehen durfte, könnte mithin nur dann bejaht werden, wenn etwas anderes durch besondere gesetzliche Vorschrift bestimmt wäre oder sich aus der DO ergäbe. Beides ist nicht der Fall.
Eine die erwähnte landesgesetzliche Regelung für die DO-Angestellten der Klägerin modifizierende gesetzliche Vorschrift besteht nicht. Aber auch aus der DO der Klägerin ergibt sich keine Einschränkung der in ihrem § 78 Buchst c enthaltenen Verweisung auf die Höhe der Sonderzuwendung für Landesbeamte. Zwar ist der Klägerin in § 62 Abs. 1 der DO die Entscheidung darüber vorbehalten, ob sie ihren DO-Angestellten überhaupt eine Sonderzuwendung gewährt. Eine die allgemeine Verweisung des § 78 Buchst c der DO auch zur Höhe ausschließende Regelung enthält § 62 der DO – anders als zB § 61 zur Jubiläumsgabe – nicht. Die Verwendung des Wortes „Sonderzuwendung” anstelle des in der früheren DO verwendeten Wortes „Weihnachtszuwendung” läßt vielmehr ebenso eine Anlehnung an das Landesbeamtenrecht erkennen wie die uneingeschränkte Selbstbindung der Klägerin hinsichtlich der Sonderzuwendung für ihre Versorgungsempfänger an die für die Landesbeamten geltende Regelung in § 62 Abs. 2 der DO. § 62 Abs. 1 der DO verweist zwar nicht auf das Landesbeamtenrecht. Dennoch ist dieses maßgebend für die Begrenzung der Höhe etwaiger Sonderzuwendungen. Insoweit enthält nämlich § 62 Abs. 1 der DO keine die allgemeine Verweisung des § 78 Buchst c der DO auf die Rechte der Landesbeamten ausschließende Bestimmung. Es kann insbesondere auch nicht angenommen werden, daß eine Regelung der Sonderzuwendung in der DO mit nicht begrenzter Höhe die nach § 355 Abs. 2 RVO erforderliche Genehmigung seitens der Beklagten erfahren hätte (vgl. insoweit BSG SozR 2200 § 355 RVO Nr 1 und Erlaß des Landesaufsichtsamtes für die Sozialversicherung in Baden-Württemberg vom 9. November 1964 – Nr. II 271 – abgedruckt bei Kastner-Immand, Das Personalrecht der Krankenkassen, Stand: Juli 1977 Band 2 S. A 114/8 – 8a 39).
Bei Bemessung der Sonderzuwendungen für die nicht der DO unterliegenden Bediensteten mußte die tarifvertraglich nicht gebundene Klägerin von § 612 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgehen. Danach gilt eine Vergütung, zu der auch die Sonderzuwendung gehört (vgl. BAGE 13, 129, 132) als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach – hier unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Bediensteten der Klägerin – nur gegen eine (um die Sonderzuwendung erhöhte) Vergütung zu erwarten ist. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist bei nicht bestimmter Höhe der Vergütung in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Als übliche Sonderzuwendung für den öffentlichen Dienst im Gebiet des Landes Baden-Württemberg mußte die Klägerin jedenfalls die für alle Beamten des Landes, der Gemeinden, Landkreise und sonstigen der Aufsicht des Beklagten unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts geltenden Sätze der Sonderzuwendung nach dem oben bereits behandelten Landesgesetz beachten, zumal sie nach § 62 Abs. 2 und § 62 Abs. 1 iVm § 78 Buchst c der DO für ihre DO-Angestellten und Versorgungsempfänger maßgebend waren und auch der – für Baden-Württemberg allerdings nicht abgeschlossene – Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte, Lohnempfänger und Auszubildende der Ortskrankenkassen und ihrer Verbände vom 12. November 1973 idF der Änderungstarifverträge Nr. 1 nach dem Stand von Januar 1975 keine höheren Sonderzuwendungen vorsah. Bei Beachtung des Grundsatzes wirtschaftlicher und sparsamer Mittel Verwendung (vgl. BSGE 31, 247, 257), der in der gesetzlichen Krankenversicherung seinen Niederschlag in den §§ 25 ff, 182 Abs. 2, 363, 385 RVO gefunden hat (vgl. aber auch § 69 Abs. 2 SGB IV), durfte die Klägerin somit ihren nicht der DO unterliegenden Bediensteten keine über die für Landesbeamte und DO-Angestellte maßgebenden Beträge hinausgehenden Sonderzuwendungen gewähren.
Die Anordnungen der Beklagten, den Gesamtbetrag der Überzahlungen festzustellen und für den Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens durch die hierfür Verantwortlichen zu sorgen, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach der bei Erlaß der angefochtenen Bescheide noch bestehenden Rechtslage, die sich aus § 14 Abs. 1 des Gesetzes über die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Sozialversicherung (SVwG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 1967 (BGBl I S. 917) ergab, hafteten die Mitglieder der Organe dem Versicherungsträger für getreue Geschäftsführung wie Vormünder ihren Mündeln (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats in BSGE 39, 54, 59). Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SVwG konnte der Versicherungsträger auf Ansprüche aus der Haftung nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde verzichten und schließlich konnte diese nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SVwG die Haftung anstelle und auf Kosten des Versicherungsträgers geltend machen. Stand dem Beklagten aber das einschneidende Aufsichtsmittel zur Verfügung, die Haftung anstelle und auf Kosten des Versicherungsträgers geltend zu machen, so liegen seine hier streitigen Anweisungen jedenfalls im Rahmen des Aufsichtsrechts. Diese Anweisungen greifen nämlich in geringerem Umfang in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin ein, als es § 14 Abs. 1 Satz 3 SVwG dem Beklagten erlaubte. Denn der Beklagte hat es bewußt der Klägerin überlassen, zunächst einmal – unter Verwertung der Rückzahlungszusicherungen ihrer Bediensteten und durch endgültige Einbehaltung des für 1976 nicht ausbezahlten Teiles der Sonderzuwendungen sowie nach Ausschöpfung der in der DO enthaltenen Möglichkeiten – den Gesamtbetrag der Überzahlung festzustellen. Weiter ist es Sache der Klägerin, den ihr dann noch entstandenen Schaden sowie die Verantwortlichen hierfür festzustellen. Und endlich ist der Klägerin die Befugnis belassen, bei den Verantwortlichen nach dem jeweiligen Grad ihres Verschuldens, den sie festzustellen hat, selbst für den Schadensersatz zu sorgen.
Da es sich in den streitigen Aufsichtsanweisungen an die Klägerin um bei Entscheidung des Revisionsgerichts noch nicht vollzogene Regelungen handelt, muß ihre Rechtmäßigkeit auch an der in diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage gemessen werden (vgl. hierzu BSGE 7, 129, 133; BSGE 8, 108, 111). Seit dem Inkrafttreten des SGB IV – ab 1. Juli 1977 (vgl. Art. II § 21 Abs. 1 SGB IV) – richtet sich die Haftung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane gegenüber dem Versicherungsträger nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB IV: Sie haften für den Schaden, der dem Versicherungsträger aus einer schuldhaften. Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten entsteht. Zu diesen Pflichten gehört jedenfalls, wie sich aus dem Umfang der Aufsicht nach § 87 Abs. 1 SGB IV ergibt, die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist. Auch nach diesen Bestimmungen war der Beklagte mithin befugt, der Klägerin gegenüber die Feststellung des Schadens und Sicherstellung des Schadensersatzes anzuordnen, zumal nach § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 auf einen entstandenen Schadensersatzanspruch nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde verzichtet werden kann. Die streitigen Aufsichtsanweisungen sind somit auch nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats geltenden Recht nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen