Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung einer Beitragsnachentrichtung bei fehlender Mitwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Versicherungsträger einen Ende 1975 fristgerecht gestellten Antrag auf Beitragsnachentrichtung zur Vervollständigung des Geburtsdatums an den Antragsteller zurückgesandt, so kann er den Antrag ablehnen, wenn der Antrag erst im Jahre 1985 wieder eingereicht worden ist.

 

Orientierungssatz

Zur Ablehnung einer Beitragsnachentrichtung bei fehlender Mitwirkung:

1. Das Gesetz verlangt bei Nachentrichtungsverfahren, wenn es für die Nachentrichtung einen bestimmten zeitlichen Rahmen vorgibt, daß das Verfahren zügig zu Ende geführt wird (vgl BSG vom 11.6.1980 12 RK 60/79 = BSGE 50, 152, 154). Verzögerungen können nur hingenommen werden, soweit sie wegen erforderlicher Ermittlungen und Beratungen sowie angemessener Überlegungszeiten bei den Antragstellern unvermeidlich sind.

2. Die Befugnis des Rentenversicherungsträgers, den Nachentrichtungsantrag abzulehnen, scheitert hier nicht daran, daß er die Antragstellerin früher nicht auf eine solche Rechtsfolge hingewiesen hat. Wenn daher, weil der Rentenversicherungsträger zunächst keine förmliche Entscheidung treffen wollte, ein Hinweis auf die Rechtsfolgen unterblieben ist, kann sich deswegen ein mitwirkungspflichtiger Antragsteller dadurch, daß er den zur Vervollständigung zurückgesandten Antrag zurückbehält, nicht auf fast ein Jahrzehnt oder sogar noch länger die Nachentrichtung offenhalten.

 

Normenkette

ArVNG Art 2 § 51a Abs 2

 

Tatbestand

Die in Radautz (Bukowina) geborene Klägerin ist Verfolgte. Sie wohnte bis Anfang der fünfziger Jahre in Rumänien und lebt seither in Israel, dessen Staatsangehörige sie ist. Im Dezember 1975 stellte sie bei der israelischen Nationalversicherungsanstalt einen formularmäßigen Antrag, mit dem sie ua die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) iVm dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (DISVA) und nach § 10 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) begehrte. Dabei gab sie zu der Frage nach dem Geburtsdatum das Jahr 1919 an. Die Beklagte, an die der Antrag weitergeleitet wurde, versah ihn mit einem Eingangsstempel vom 5. Januar 1976. Dann sandte sie den Antrag an die Klägerin zurück. Hierzu hat sie später vorgetragen, sie habe bei Nachentrichtungsanträgen, auf denen kein oder kein vollständiges Geburtsdatum angegeben gewesen sei, keine Versicherungsnummer und damit auch kein Aktenzeichen vergeben können und solche Anträge daher mit der Bitte zurückgesandt, sie zu vervollständigen. Die Klägerin meldete sich zunächst nicht wieder.

Im Februar 1985 beantragte sie unter Angabe des Geburtsdatums "18. 9. 1913" Altersruhegeld, die Anerkennung von rumänischen Beschäftigungszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), die Anerkennung einer Verfolgten-Ersatzzeit sowie - unter Beifügen des früheren, ihr zurückgesandten Antragsformulars - die Nachentrichtung von Beiträgen. Die Beklagte lehnte den Nachentrichtungsantrag mit Bescheid vom 20. Juni 1985 ab. Aus dem ursprünglich gestellten Nachentrichtungsantrag könnten keine Rechte mehr hergeleitet werden, weil die Klägerin durch seine Zurückhaltung über einen Zeitraum von neun Jahren ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Bewilligte Nachentrichtungsanträge hätten bis spätestens zum 31. Dezember 1981 durch (Raten-)Zahlung erledigt sein müssen. Das habe zur Folge, daß fristwahrend gestellte formlose Anträge ebenfalls in diesem Zeitraum zu spezifizieren gewesen seien. Gründe, die eine Verlängerung des Spezifizierungszeitraums darüber hinaus rechtfertigten, seien nicht vorhanden. Da die Widerspruchsstelle der Beklagten dem Widerspruch nicht stattgeben wollte, leitete sie ihn im Einverständnis der Klägerin als Klage dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf zu.

Die Klägerin hat vor dem SG beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20. Juni 1985 zu verurteilen, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG und § 10 WGSVG zuzulassen. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 18. Mai 1988 abgewiesen. Der 1975 gestellte Antrag könne nicht mehr zur Zulassung der Nachentrichtung führen, weil er erst 1985 weiterverfolgt worden sei.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nur noch beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG zuzulassen. Diesem Antrag hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 22. Februar 1989 unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung entsprochen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG iVm § 1233 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und Art 3 Abs 1 DISVA zur Beitragsnachentrichtung berechtigt. Sie habe die Nachentrichtung fristgerecht beantragt und das Recht nicht verwirkt; dazu reiche ihr jahrelanges Schweigen nicht aus. Die Beklagte sei nämlich aufgrund der rechtzeitigen Antragstellung verpflichtet gewesen, das eingeleitete Nachentrichtungsverfahren von Amts wegen zu betreiben und zum Abschluß zu bringen. Hierzu hätte sie der Klägerin eine Frist zur Abgabe der erforderlichen Erklärung über ihr Geburtsdatum setzen und auf die Folgen der verspäteten Mitwirkung hinweisen müssen. Zumindest hätte sie eine angemessene Zeit nach der Antragstellung an die Mitteilung der erforderlichen Daten erinnern müssen. Erst danach hätte sie möglicherweise aus einem beharrlichen Schweigen bzw der Untätigkeit den Schluß ziehen dürfen, daß die Klägerin ihr Nachentrichtungsrecht nicht mehr geltend machen wolle. Darüber hinaus entstehe der Versichertengemeinschaft durch die Zulassung zur Nachentrichtung kein unzumutbarer Nachteil. Denn Rente sei grundsätzlich erst von der Entrichtung der Beiträge an zu zahlen. Ausnahmen kämen nur in Betracht, wenn der Versicherungsträger den Antragsteller von einer früheren Einzahlung abgehalten habe und diesen selbst kein erhebliches Verschulden treffe. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, weil die Klägerin aufgrund der Rücksendung des Originalantrags gewußt habe, daß er erst bearbeitet werde, wenn sie die erforderlichen Angaben gemacht habe. Durch ihr Verhalten habe sich die Klägerin letztlich selbst geschadet, weil sie bei früherer Nachentrichtung schon vom 1. Oktober 1978 an Altersruhegeld habe beziehen können.

Gegen das Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie im wesentlichen geltend macht: Die Klägerin habe ihr Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG, wenn 1985 überhaupt noch ein wirksamer Antrag vorgelegen habe, entgegen der Ansicht des LSG verwirkt. Sie habe ihren Antrag erst nach neunjährigem Schweigen wieder aufgegriffen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch mehrfach entschieden, daß auch einem Rechtsunkundigen zugemutet werden könne, sich in angemessener Zeit nach dem Schicksal seines Antrags zu erkundigen (Urteil vom 28. Oktober 1981 in SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49; Urteil vom 28. April 1987 in Breithaupt 1987, 948). Geschehe das nicht, könne er das Nachentrichtungsrecht verlieren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 22. Februar 1989 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 1988 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Eine Verwirkung ordnungsgemäß angemeldeter Ansprüche komme nicht in Betracht, wenn sich der Betreffende nicht weiter um die Angelegenheit kümmere. Denn die Behörde habe das Verfahren von Amts wegen zu betreiben. Jedenfalls sei an die Annahme einer Verwirkung von Rechten im Sozialrecht ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Sie (die Klägerin) habe keine Kenntnis davon gehabt, für welche Zeiten welche Beiträge hätten nachentrichtet werden können und wie sich eine Nachentrichtung auf die Rente ausgewirkt hätte. Vorsorglich beantragt sie, hierzu vernommen zu werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG ist der angefochtene Bescheid vom 20. Juni 1985 rechtmäßig. Die Beklagte durfte den Ende 1975 gestellten Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen ablehnen, nachdem das Antragsformular der Klägerin zurückgesandt und von ihr erst im Jahre 1985 wieder eingereicht worden war.

Gegenstand des Verfahrens ist nur noch die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG iVm § 1233 Abs 1 Satz 1 RVO und Art 3 Abs 1 DISVA. Sie war bis zum 31. Dezember 1975 zu beantragen (Art 2 § 51a Abs 3 Satz 1 ArVNG). Das ist durch die nachentrichtungsberechtigte Klägerin auch geschehen. Der Antrag konnte fristwahrend bei der israelischen Nationalversicherungsanstalt gestellt werden (Art 27 Abs 1 DISVA).

Mit einem zunächst nur dem Grunde nach oder - wie hier - in allgemeiner Form (ohne Angabe des Nachentrichtungszeitraums und der Beitragshöhe) gestellten Nachentrichtungsantrag wird ein Verfahren eingeleitet, das in mehreren Schritten, nämlich nach Antragstellung durch Konkretisierung des Antrags, sodann Zulassung zur Nachentrichtung und anschließende Einzahlung der Beiträge abgewickelt wird (Urteil des Senats vom 16. Oktober 1986 BSGE 60, 266, 268 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 66). Die gesetzliche Regelung mit der Antragsfrist (bis Ende 1975) und der Teilzahlungsfrist von höchstens fünf Jahren (Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG) läßt dabei erkennen, daß die Nachentrichtungsverfahren bis etwa Ende 1980 abgeschlossen sein sollten. Allerdings konnte dieser zeitliche Rahmen nicht allgemein eingehalten werden, hauptsächlich weil bei manchen Antragstellern zuvor der Versicherungsverlauf geklärt werden mußte, ein Beratungsbedarf bestand und manche Antragsteller im Ausland wohnten. Die Rechtsprechung und die Praxis der Versicherungsträger haben daher das Nachentrichtungsverfahren bei solchen Antragstellern in einer Weise ausgestaltet, die ihren berechtigten Belangen Rechnung trug, auch wenn sich das Verfahren dadurch bis zur Zahlung der Beiträge über den ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus erstreckte (vgl die Begründung des hier angefochtenen Bescheides). Daraus läßt sich indes nicht herleiten, daß das Nachentrichtungsverfahren beliebig offen gehalten und in die Länge gezogen werden konnte. Vielmehr verlangt das Gesetz, wenn es für die Nachentrichtung einen bestimmten zeitlichen Rahmen vorgibt, daß das Verfahren zügig zu Ende geführt wird (Urteil vom 11. Juni 1980 in BSGE 50, 152, 154 unten = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 43). Verzögerungen können nur hingenommen werden, soweit sie wegen erforderlicher Ermittlungen und Beratungen sowie angemessener Überlegungszeiten bei den Antragstellern unvermeidlich sind.

An der zügigen Durchführung des Nachentrichtungsverfahrens hat sich auch der Antragsteller zu beteiligen. Dieses hat der Senat in dem genannten Urteil vom 11. Juni 1980 dem allgemeinen Grundsatz entnommen, daß derjenige, der aus einer Rechtsbeziehung Ansprüche oder sonstige Rechte herleitet, seinerseits an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses mitzuwirken hat, soweit das für die Begründung, Änderung oder Konkretisierung des Rechts erforderlich ist. Der Senat hat daher schon bisher in Fällen, in denen der Versicherungsträger zwar tätig geworden war, aber nicht nachgewiesen werden konnte, daß seine Schreiben den Antragsteller erreicht hatten, von diesem eine eigene Initiative verlangt. So oblag es nach dem Urteil vom 11. Dezember 1986 (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 67) einem Nachentrichtungsberechtigten, sich unverzüglich an den Versicherungsträger zu wenden, wenn er einen Nachentrichtungsbescheid mit der Teilzahlungsfrist nicht erhalten hatte, er aber aus einem weiteren Bescheid ersehen konnte, daß der Versicherungsträger einen Nachentrichtungsbescheid erlassen zu haben glaubte. Aber auch wenn der Antragsteller keinen Anhalt dafür hatte, daß der Versicherungsträger vom Erlaß eines Nachentrichtungsbescheides mit Teilzahlungsfrist ausging, hat es der Senat im Urteil vom 28. April 1987 (Breithaupt 1987, 948) für erforderlich gehalten, daß sich der Antragsteller zur Vermeidung von Rechtsnachteilen spätestens zwei Jahre nach der Antragstellung nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Daß er sich nach einem mündlich bei einer an sich unzuständigen Behörde gestellten Nachentrichtungsantrag um das Schicksal des Antrags kümmern muß und jedenfalls nicht erst nach vier Jahren auf den Antrag zurückkommen darf, hat der Senat schon in einem Urteil vom 15. Dezember 1983 - 12 RK 37/82 - entschieden (vgl auch zur Nachfragepflicht im Rahmen einer Entscheidung zur früheren Nachsichtgewährung BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 49).

Auch die Klägerin des vorliegenden Verfahrens hätte sich nach der Antragstellung Ende 1975 bis spätestens Ende 1977 wieder an die Beklagte wenden müssen. Sie hat im Jahre 1976 ihren Formularantrag mit dem Eingangsstempel der Beklagten zurückerhalten und, wie das LSG festgestellt hat, aufgrund der Rücksendung des Formulars gewußt, daß der Antrag erst bearbeitet werden würde, wenn sie eine noch erforderliche Angabe gemacht hatte. Mit der hier noch erforderlichen Angabe war das - im Antrag nur mit "1919" angegebene - vollständige Geburtsdatum gemeint, das die Beklagte für die Vergabe der Versicherungsnummer benötigte, die nach ihrer Ansicht Voraussetzung für die Registrierung und die weitere Bearbeitung des Antrags war. Ob die Klägerin mit der Wiedereinsendung ihres Antrags oder einer anderen Benachrichtigung der Beklagten überhaupt bis Ende 1977 hätte warten dürfen, wenn sie ihr Geburtsdatum schon vorher zuverlässig kannte, kann offen bleiben. Denn über ihr Geburtsdatum bestanden anscheinend ursprünglich Zweifel. Als jedoch das Friedensgericht Haifa (Israel) durch Urteil vom 14. Juli 1977 festgestellt hatte, daß die Klägerin am 18. September 1913 geboren ist, oblag es ihr jedenfalls bis Ende 1977, der Beklagten das vollständige Geburtsdatum mitzuteilen und ihr Nachentrichtungsbegehren weiterzuverfolgen.

Dem war die Klägerin auch dann nicht enthoben, wenn sie, wie sie in der Revisionsinstanz vorbringt, über die Modalitäten und die Auswirkungen der Nachentrichtung keine Kenntnis hatte. Gerade dann hätte es nahegelegen, den Antrag wieder einzureichen, um sich im Verwaltungsverfahren Gewißheit zu verschaffen. Sie konnte auch nicht erwarten, daß zunächst die Beklagte sie an die Mitteilung des Geburtsdatums erinnerte. Denn sie wußte, wie festgestellt, daß die Beklagte ihren Antrag erst nach Angabe des Geburtsdatums (weiter) bearbeiten werde. Die erfolgte Rücksendung des Formularantrages konnte bei der Klägerin vielmehr sogar Zweifel daran aufkommen lassen, daß die Beklagte zu einer Erinnerung überhaupt in der Lage war. Ob die Behandlung des Antrags durch die Beklagte allerdings ordnungsgemäß war (Rücksendung des Formulars mit dem Antrag ohne jede Erfassung), ist fraglich. Aber auch wenn sie das nicht war, durfte die Klägerin, von deren Tätigwerden der Fortgang des Verfahrens erkennbar abhing, den Antrag nicht viele Jahre hindurch zurückhalten und sich damit ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagten nutzbar machen.

Eine unterbliebene Mitwirkung hat der Senat in den beiden genannten Urteilen vom 11. Dezember 1986 und vom 28. April 1987 (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 67 und Breithaupt 1987, 948) nicht für eine Verwirkung ausreichen lassen. Er hat jedoch geprüft, ob die jeweiligen Antragsteller zu dem Zeitpunkt, in dem sie sich tatsächlich wieder gemeldet hatten, nach der Praxis des Versicherungsträgers die Nachentrichtung noch hätten durchführen können. Das war in beiden Fällen nicht auszuschließen, weil die Kläger jener Verfahren sich immerhin noch Ende 1981 gemeldet hatten und zu diesem Zeitpunkt die Teilzahlungsfristen, die die Versicherungsträger auch in Fällen rechtzeitiger Mitwirkung bewilligt hatten, möglicherweise noch nicht abgelaufen waren. Dieses kann indes bei der Klägerin, die im Februar 1985 und damit nach neun Jahren den Antrag wieder eingereicht hat, nicht mehr angenommen werden. Denn nach der damaligen, im angefochtenen Bescheid dargelegten Verwaltungspraxis der Beklagten hätte die Klägerin den Antrag bis spätestens Ende Dezember 1981 spezifizieren müssen. Hierzu wäre sie, wenn sie den Antrag Ende 1977 wieder eingereicht hätte, von der Beklagten zweifellos auch aufgefordert worden, selbst wenn für eine etwa erforderliche vorherige Klärung von FRG-Zeiten, die allerdings nicht in den Nachentrichtungszeitraum des Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG (1956 bis 1973) fielen, knapp zweieinhalb Jahre benötigt worden wären (dieser Zeitraum lag später zwischen der Antragstellung im Februar 1985 und der Erteilung eines entsprechenden Bescheides im Juli 1987). Denn auch unter Berücksichtigung dieses Zeitraumes hätte die Beklagte der Klägerin keine Konkretisierung nach Ablauf des Jahres 1981 und erst recht nicht mehr im Jahre 1985 gestattet. Gründe, die eine Verlängerung des Konkretisierungszeitraumes über den 31. Dezember 1981 hinaus rechtfertigten, hat die Beklagte nach dem angefochtenen Bescheid nicht gesehen und sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

Die Befugnis der Beklagten, den Nachentrichtungsantrag abzulehnen, scheitert hier nicht daran, daß sie die Klägerin früher nicht auf eine solche Rechtsfolge hingewiesen hat. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 11. Juni 1980 (BSGE 50, 152, 155, 156 = SozR 5750 Art 2 § 51a Abs 2 Nr 43 ArVNG) eine solche Hinweispflicht aufgrund der Beratungs- und Fürsorgepflicht des Versicherungsträgers angenommen. Die Entscheidung betraf jedoch einen Fall, in dem der Nachentrichtungsantrag schon im Jahre 1976 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt worden war, der Versicherungsträger also den Antragsteller schon verhältnismäßig kurze Zeit nach Ablauf der Antragsfrist von der Nachentrichtung hatte ausschließen wollen. Dieses hat die Beklagte hier nicht beabsichtigt. Wenn daher, weil die Beklagte zunächst keine förmliche Entscheidung treffen wollte, ein Hinweis auf die Rechtsfolgen unterblieben ist, kann sich deswegen ein mitwirkungspflichtiger Antragsteller dadurch, daß er den zur Vervollständigung zurückgesandten Antrag zurückbehält, nicht auf fast ein Jahrzehnt oder sogar noch länger die Nachentrichtung offenhalten. Das LSG hält bei der Klägerin ein derartiges Ergebnis für hinnehmbar, weil sie sich durch ihr Verhalten um einen früheren Rentenbeginn gebracht habe und der Versichertengemeinschaft durch die Zulassung zur Nachentrichtung in ihrem Fall kein unzumutbarer Nachteil entstehe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Denn das Gesetz verlangt sinngemäß und ohne Rücksicht auf solche Überlegungen zum Einzelfall, daß das Nachentrichtungsverfahren mit der Beitragsentrichtung in einem bestimmten zeitlichen Rahmen abgeschlossen ist. Dieser war, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, für die bis Ende 1975 zu beantragenden Nachentrichtungen (mit der fünfjährigen Teilzahlungsfrist) im Jahre 1985 deutlich überschritten.

Der Klägerin verhilft auch nicht zum Erfolg, daß sie in der Zeit vom 12. Juni 1980 bis zum 13. Juni 1983, also in einer Zeit, als ihr 1975 gestellter Antrag noch nicht abgelehnt war, zu der Nachentrichtung nach Art 12 der Durchführungsvereinbarung zum DISVA iVm Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG berechtigt war. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sie ihren ursprünglichen Antrag hilfsweise auch auf diese Rechtsgrundlage hätte stützen können oder einen neuen Antrag hätte stellen müssen. Denn beides hätte zumindest vorausgesetzt, daß sich die Klägerin bis zum Ablauf der für die neue Regelung geltenden Antragsfrist (13. Juni 1983) bei der Beklagten (erneut) um eine Nachentrichtung bemüht hätte.

Die Revision der Beklagten erwies sich hiernach als begründet. Daher war das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664685

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