Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
…, Beklagte- und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über den der Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) zugrunde zu legenden Zeitraum für eine wegen einer Berufskrankheit zu gewährenden Verletztenrente.
Der Kläger leidet an einer von einem Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten am 14. Januar 1977 als Berufskrankheit angezeigten Lärmschwerhörigkeit. Wegen der Folgen eines am 12. Juli 1979 erlittenen Arbeitsunfalls bezog der Kläger von der Beklagten für die Zeit vom 7. November 1979 bis 6. Februar 1980 Verletztenrente in Höhe von 20 % der Vollrente (Bescheid vom 15. September 1980). Durch Bescheid vom 26. März 1981 bewilligte ihm die Beklagte wegen der von ihr mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 15 vH als Folge der Berufskrankheit anerkannten geringgradigen Innenohrschwerhörigkeit beiderseits für die Zeit vom 13. Juli 1979 bis 6. Februar 1980 Verletztenrente in Höhe von 15 vH der Vollrente unter Zugrundelegung des in dem Jahr vor dem 12. Juli 1979 erzielten JAV von 49.178,85 DM. Den am 22. April 1981 gestellten Antrag des Klägers, die Rente nach dem vor dem 14. Januar 1977 erzielten JAV von 60.576,36 DM zu berechnen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 1982 ab.
Die Klage, mit welcher der Kläger Berechnung der Leistung für die Berufskrankheit nach seinem JAV aus dem Jahre 1977 begehrte, hat das Sozialgericht (SG) für das Saarland mit Urteil vom 7. Februar 1983 abgewiesen. Es hat die Berufung zugelassen.
Nachdem dem Kläger wegen eines am 10. Juli 1985 erlittenen Arbeitsunfalls von der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für das Saarland Verletztenrente gewährt worden war (Bescheid vom 24. September 1986), stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Dezember 1986 wegen der Berufskrankheit ab 10. Juli 1985 wieder eine Rente von 15 vH der Vollrente auf der Grundlage eines (angepaßten) JAV von 49.178,85 DM fest.
Mit Urteil vom 17. Februar 1987 hat das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland die Berufung des Klägers gegen das Urteil vom 7. Februar 1983 zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1986 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß infolge der Lärmschwerhörigkeit, die weder behandlungsbedürftig gewesen sei noch Arbeitsunfähigkeit verursacht habe, keine Krankheit iS der Krankenversicherung eingetreten sei, gelte als für die Berechnung des JAV maßgeblicher Zeitpunkt der beginnt der MdE in einem rentenberechtigenden Grade von im Regelfall 20 vH. Träten zu einer durch eine Berufskrankheit bedingten MdE von weniger als 20 vH weitere MdE-Sätze aus Unfallschäden hinzu, sei der Zeitpunkt maßgebend, in welchem die MdE-Sätze zusammen 20 vH erreichten, denn dieser Zeitpunkt lasse sich zuverlässiger bestimmen als der, in welchem erstmals aufgrund der Berufskrankheit eine MdE von mindestens 10 vH vorgelegen habe. Da bei dem Kläger erst infolge des am 12. Juli 1979 erlittenen Arbeitsunfalls eine MdE von 20 vH eingetreten sei, habe die Beklagte zu Recht diesen Zeitpunkt der Berechnung des JAV zugrunde gelegt. Aus § 572 der Reichsversicherungsordnung (RVO) lasse sich kein früherer Zeitpunkt herleiten, da der Kläger die ihrer Art nach zur Verursachung der Berufskrankheit geeigneten Arbeiten erst am Unfalltag (12. Juli 1979) aufgegeben habe.
Mit der von dem LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 551 Abs 3 und § 572 RVO. Nach seiner Auffassung ist für die Berechnung des JAV der Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Berufskrankheit maßgebend, denn eine Berufskrankheit sei regelmäßig auch eine Krankheit iS der Krankenversicherung. Treffe eine nicht rentenberechtigende Berufskrankheit mit einem später eingetretenen Arbeitsunfall zusammen und werde dadurch nach § 581 Abs 3 RVO auch für die Berufskrankheit ein Rentenanspruch ausgelöst, sei der Berechnung des JAV der dem festgestellten Zeitpunkt der Berufskrankheit unmittelbar vorausgehende Jahreszeitraum jedenfalls dann zugrunde zu legen, wenn dies für den Versicherten günstiger sei. Da bei ihm der Beginn der Berufskrankheit mit einer MdE von 15 vH am 14. Januar 1977 festgestellt und anerkannt worden sei, sei dieser für ihn günstigere Zeitpunkt für die Berechnung des JAV heranzuziehen. Da er ab Dezember 1977 regelmäßig Gehörschutzmaßnahmen ergriffen habe, sei, obwohl die von ihm verrichteten Arbeiten weiterhin objektiv zur Verursachung der Berufskrankheit geeignet gewesen seien, nach § 572 RVO zumindest der vor Dezember 1977 liegende Jahreszeitraum für die Berechnung des JAV maßgebend.
Der Kläger beantragt ,die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 17. Februar 1987 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 7. Februar 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26. März 1981, 25. Januar 1982 und 22. Dezember 1986 zu verurteilen, die Rente nach dem Jahresarbeitsverdienst im Jahr vor dem 14. Januar 1977 zu berechnen,
hilfsweise,die Rente nach dem Jahresarbeitsverdienst im Jahr vor Dezember 1977 zu berechnen,hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Ansicht ist der Zeitraum vor dem Arbeitsunfall am 12. Juli 1979 zu Recht der Berechnung des JAV für die wegen der Lärmschwerhörigkeit zu gewährende Verletztenrente zugrunde gelegt worden, da vor diesem Zeitpunkt bei dem Kläger weder eine Krankheit iS der Krankenversicherung, die Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit voraussetze, vorgelegen habe, noch eine nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für die Anwendung des § 551 Abs 3 Satz 2 2. Alternative RVO erforderliche MdE in rentenberechtigendem Grade eingetreten sei, und der Kläger eine Zurückverlegung des für die Berechnung des JAV maßgeblichen Zeitpunkts auch nicht aus § 572 RVO herleiten könne, da der letzte Tag, an dem er zur Verursachung der Berufskrankheit ihrer Art nach geeignete Tätigkeiten verrichtet habe, mit dem Unfallereignis, dessen Folgen ihn zur Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit gezwungen hätten, zusammenfalle.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das LSG hat die Berufung gegen das Urteil vom 7. Februar 1983 zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1986 abgewiesen. Dieser während des Berufungsverfahrens ergangene Verwaltungsakt ist nach dem gemäß § 153 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch im zweiten Rechtszug anwendbaren § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist diese Vorschrift entsprechend anzuwenden, wenn ein nach Klageerhebung erlassener Verwaltungsakt den angefochtenen Bescheid zwar weder abändert noch ersetzt, jedoch im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergangen ist und ein streitiges Rechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regelt (BSG SozR Nr 14 zu § 96 SGG; BSGE 34, 255). Dieser muß nicht unmittelbar an den Zeitraum, für welchen der erste Bescheid eine Regelung getroffen hat, anschließen. Erforderlich ist lediglich, daß der nachgehende Verwaltungsakt unter denselben rechtlichen Gesichtspunkten beanstandet wird wie der frühere (BSGE 47, 201, 202; BSG SozR 1500 § 96 Nr 7). Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen den in den Bescheiden vom 26. März 1981 und 25. Januar 1982 festgesetzten, für die Berechnung der ihm für die Zeit vom 13. Juli 1979 bis 6. Februar 1980 bewilligten Verletztenrente maßgeblichen JAV. Mit dem Bescheid vom 22. Dezember 1986 hat die Beklagte dem Kläger die Verletztenrente ab 10. Juli 1985 auf der Grundlage desselben - gemäß § 579 RVO angepaßten - JAV wieder festgesetzt. Der Kläger beanstandet - wie bei den angefochtenen Verwaltungsakten - nur den der Rentenberechnung zugrunde gelegten JAV. Dementsprechend hatte das LSG über den Bescheid vom 22. Dezember 1986 erstinstanzlich zu entscheiden (BSGE 47, 201, 202; BSG SozR Nr 3 zu § 624 RVO).
Die Beklagte hat zu Recht den im Jahr vor dem 12. Juli 1979 erzielten JAV der Berechnung sowohl der für die Zeit vom 13. Juli 1979 bis 6. Februar 1980 gezahlten als auch der ab 10. Juli 1985 bewilligten Verletztenrente zugrunde gelegt. Das Begehren des Klägers, den für die Ermittlung des JAV maßgeblichen Zeitpunkt auf den 14. Januar 1977, den Tag, an dem die Lärmschwerhörigkeit erstmals von einem Arzt als Berufskrankheit angezeigt worden ist, zumindest jedoch auf Dezember 1977 zurückzuverlegen, ist nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Berechnung des JAV ist der nach § 551 Abs 3 Satz 1 RVO auf Berufskrankheiten entsprechend anwendbare § 571 RVO. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist JAV der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall. Bei Berufskrankheiten gilt nach § 551 Abs 3 Satz 2 RVO als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der Beginn der Krankheit iS der Krankenversicherung oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der MdE. Weiterhin bestimmt § 572 RVO, daß bei Berufskrankheiten für die Berechnung des JAV, wenn es für den Berechtigten günstiger ist, als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der letzte Tag gilt, an dem der Versicherte in einem Unternehmen Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet sind, die Berufskrankheit zu verursachen.
Das LSG hat mit Recht die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO mit der Begründung als nicht erfüllt angesehen, die bei dem Kläger als Folge der Berufskrankheit eingetretene und anerkannte geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits habe jedenfalls vor dem 12. Juli 1979 keine Krankheit iS der Krankenversicherung hervorgerufen. Krankheit iS der Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (ua BSGE 59, 116, 117) und einhelliger Auffassung in der Literatur (ua Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 490r; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 551 RVO Anm 26; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Aufl, § 551 RVO RdNr 12) ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung zugänglich ist (= Behandlungsbedürftigkeit) oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Nach den Ausführungen des LSG ergeben sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte dafür, daß die geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits vor dem 12. Juli 1979 ärztlicher Behandlung zugänglich war oder Arbeitsunfähigkeit bedingt hat. Die Revision hat in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht. Deshalb kann weder der Tag der erstmaligen ärztlichen Feststellung und Anzeige der Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit noch ein anderer Zeitpunkt vor dem 12. Juli 1979 unter dem Gesichtspunkt des Beginns der Krankheit iS der Krankenversicherung gemäß § 551 Abs 3 Satz 2 RVO als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls gelten.
Nicht zu folgen ist der von der Revision vertretenen Auffassung, die in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) aufgeführten Berufskrankheiten seien regelmäßig Krankheiten iS der Krankenversicherung. Daß die Begriffe Berufskrankheit und Krankheit iS der Krankenversicherung voneinander abweichen und daß eine Berufskrankheit nicht, wie die Revision meint, stets eine Krankheit iS der Krankenversicherung voraussetzt, ergibt sich daraus, daß in § 551 Abs 1 Satz 2 RVO und § 1 BKVO die Berufskrankheit als eine in der Anlage 1 zur BKVO bezeichnete Krankheit definiert ist, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann zB der Versicherungsfall der Berufskrankheit bei Eintritt einer durch sie bedingten rentenberechtigenden MdE auch dann vorliegen, wenn weder Behandlungsbedürftigkeit besteht noch Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist (RVA EuM 43, 102, 104).
Demgegenüber enthält § 571 Abs 3 Satz 2 1. Alternative RVO eine Sonderregelung, die es auf den Beginn der Krankheit iS der Krankenversicherung abstellt. Des Zusatzes "iS der Krankenversicherung" hätte es nicht bedurft, wenn jede in der Anlage 1 zur BKVO aufgeführte Krankheit stets eine solche iS der Krankenversicherung wäre.
Auch auf die 2. Alternative des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO kann der Kläger sein Begehren, den im Jahr vor der ärztlichen Feststellung und Anzeige der Berufskrankheit am 14. Januar 1977 erzielten JAV der Rentenberechnung zugrunde zu legen, nicht stützen, da die nach dieser Vorschrift erforderliche Voraussetzung des Beginns der MdE in diesem Zeitpunkt nicht erfüllt war.
Unter Beginn der MdE iS des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO ist, wie der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 28. April 1967 (BSGE 26, 230, 232) und 30. Mai 1968 (2 RU 195/65 - auszugsweise veröffentlicht in VdK-Mitt 68, 353) bereits entschieden hat, der Eintritt einer einen Rentenanspruch auslösenden MdE zu verstehen (s auch BSGE 22, 63, 64; 24, 41, 43). Dieser Rechtsprechung hat sich die Literatur überwiegend angeschlossen (Lauterbach/Watermann aaO, § 551 RVO Anm 27; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 150 S 1; Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, aaO, § 551 RVO RdNr 14; Wendland/Wolff, Die Berufskrankheitenverordnung, § 551 RdNr 19.2; Koetzing/Linthe, Die Berufskrankheiten, 2. Aufl, Erläuterungen zu § 551 RVO Nr 3; Gitter in SGB-Sozialversicherung-Gesamtkommentar, § 551 RVO Anm 24; Schimanski, Kompass 77, 289, 292; Mehrtens, Soz Vers 78, 151, 154; aA Heuel BG 54, 34; Schiekel/Middendorf SGb 68, 250; Bost Kompass 80, 214, 215). Auch der 8. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 27. Januar 1976 (SozR 2200 § 571 Nr 7) unter Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. April 1967 (aaO) als Beginn der MdE iS des § 551 Abs 3 Satz 2 RVO den Zeitpunkt des Leistungsfalls, dh des Beginns der - rentenberechtigenden - MdE angesehen. Das in § 551 Abs 3 Satz 2 RVO bezeichnete Merkmal des Beginns der MdE liegt vor, wenn die infolge der Berufskrankheit eingetretene MdE einen Rentenanspruch auslöst, sei es, daß sie einen Grad von mindestens 20 vH erreicht hat (§ 581 Abs 1 Nr 2 RVO) oder daß sie bei einer geringeren MdE, die allerdings mindestens 10 vH betragen muß, gemäß § 581 Abs 3 RVO wegen des Zusammentreffens mit einem nach dieser Vorschrift stützenden Ereignis zum Rentenbezug berechtigt. Heuel (aaO) und Schiekel/ Middendorf (aaO) weisen zwar zutreffend darauf hin, daß bei einem Arbeitsunfall der für die Ermittlung des JAV maßgebliche Zeitraum nach dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestimmt wird, unabhängig davon, ob dadurch eine rentenberechtigende MdE verursacht und ein Rentenanspruch ausgelöst worden ist. Der für Arbeitsunfälle geltende Grundsatz, daß für die Berechnung des JAV der vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses liegende Jahreszeitraum zugrunde zu legen ist, ist jedoch auf Berufskrankheiten nicht übertragbar. Die Berechtigung einer abweichenden Regelung ergibt sich aus der Wesensverschiedenheit von Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Beide unterscheiden sich in der Art ihrer Verursachung grundlegend voneinander. Während der Arbeitsunfall durch ein plötzlich von außen auf den Versicherten einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis gekennzeichnet ist, entwickelt sich die Berufskrankheit allmählich über einen längeren Zeitraum, in dem der Versicherte den schädlichen Einwirkungen auf seinen Körper ausgesetzt ist. Bei einer Berufskrankheit läßt sich im Gegensatz zum Arbeitsunfall ein bestimmter Zeitpunkt für den Eintritt des schädigenden Ereignisses regelmäßig schwer bestimmen. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 551 Abs 3 Satz 2 RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I S 241), der den in § 3 Abs 2 Satz 1 der Dritten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (3. BKVO) vom 16. Dezember 1936 (RGBl I S 1117) und zuvor in § 3 Abs 2 Satz 1 der Zweiten Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf Berufskrankheiten (2. BKVO) vom 11. Februar 1929 (RGBl I S 27) enthaltenen Regelungen inhaltlich entspricht, für Berufskrankheiten als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls alternativ nach dem Günstigkeitsprinzip zwei Ereignisse fingiert. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß die durch die Berufskrankheit verursachten Gesundheitsstörungen ein rechtserhebliches Ausmaß erreichen, dh einen Leistungsfall ausgelöst haben. Hat die Berufskrankheit eine Krankheit iS der Krankenversicherung hervorgerufen, begründet sie, wenn Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, Anspruch auf Verletztengeld nach § 560 RVO, und wenn (nur oder zugleich) Behandlungsbedürftigkeit gegeben ist, Anspruch auf Heilbehandlung nach §§ 556 bis 559 RVO. Haben die gesundheitliche Folgen der Berufskrankheit keine Krankheit iS der Krankenversicherung, sondern nur eine Erwerbsminderung bei dem Versicherten herbeigeführt, werden sie rechtserheblich, wenn die MdE einen Grad von 20 vH erreicht hat und gemäß § 581 Abs 1 Nr 2 RVO einen Rentenanspruch entstehen läßt, oder wenn sich die MdE von weniger als 20 vH infolge des Zusammentreffens mit einem in § 581 Abs 3 RVO bezeichneten Ereignis nach dieser Vorschrift anspruchsbegründend auswirkt. Der Verletzte hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines ziffernmäßig bestimmten Grades der MdE unabhängig von der Rentengewährung (BSGE 55, 32, 36).
Die Auffassung des Senats führt in den Bereichen der Prävention und Rehabilitation zu keinen für die Versicherten nachteiligen Ergebnissen; denn die Verpflichtung des Trägers der Unfallversicherung zur Schadensverhütung und Schadensminderung ist nicht davon abhängig, daß die MdE einen meßbaren Grad von mindestens 10 vH erreicht hat. Nach § 3 Abs 1 BKVO hat er der Gefahr, daß eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken und, wenn sich die Gefahr nicht beseitigen läßt, den Versicherten zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit aufzufordern. Diese Verpflichtung des Trägers der Unfallversicherung wird nicht durch den Eintritt einer meßbaren MdE von mindestens 10 vH ausgelöst, sie besteht vielmehr unabhängig davon sogar bereits dann, wenn eine Berufskrankheit noch nicht vorliegt, sondern lediglich die Gefahr ihrer Entstehung droht. Gleiches gilt für die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, mit allen geeigneten Mitteln eine medizinische und berufliche Rehabilitation anzustreben (s § 556 RVO); auch hierzu ist er unabhängig davon verpflichtet, ob die unfallbedingte MdE einen rentenberechtigenden Grad erreicht hat.
Die Beklagte hat deshalb zutreffend den Zeitpunkt, in dem die bei dem Kläger infolge der Lärmschwerhörigkeit eingetretene MdE von 15 vH wegen des Hinzutretens der durch den Arbeitsunfall vom 12. Juli 1979 verursachten MdE einen Rentenanspruch nach § 581 Abs 3 RVO ausgelöst hat, als für die Berechnung des JAV maßgebend angesehen und den im Jahr vor dem 12. Juli 1979 erzielten JAV der Berechnung sowohl der für die Zeit vom 13. Juli 1979 bis 6. Februar 1980 gezahlten als auch der ab 10. Juli 1985 bewilligten Rente zugrunde gelegt.
Das angefochtene Urteil ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, aus § 572 RVO lasse sich ein für den Kläger günstigerer Zeitraum für die Berechnung des JAV nicht herleiten. Die Anwendung dieser Vorschrift erfordert, wie bereits aus ihrem Wortlaut folgt, die Beendigung der ihrer Art nach zur Verursachung der Berufskrankheit geeigneten Arbeiten. § 572 RVO verhindert, daß Versicherte, die nach Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit entweder keine Erwerbstätigkeit ausüben oder aus einer anderen Erwerbstätigkeit ein geringeres Arbeitsentgelt erzielen, beim späteren Eintritt der Berufskrankheit eine nach einem geringeren JAV bemessene Rente erhalten (Bereiter-Hahn/Schieke/Mehrtens, aaO, § 572 RVO RdNr 2; Podzun aaO, Kennzahl 440, S 11). Solange der Versicherte die ihrer Art nach zur Verursachung der Berufskrankheit geeigneten Arbeiten ausübt, ist § 572 RVO auch dann nicht anwendbar, wenn der Versicherte gefahrabwehrende Schutzmaßnahmen getroffen hat. Denn dadurch kann der Zweck der Norm, Nachteile zu verhindern, die durch Aufgabe dieser beruflichen Tätigkeit bei der Berechnung des JAV entstehen, nicht erfüllt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und von welchem Zeitpunkt an der Kläger sich vor den Lärmeinwirkungen am Arbeitsplatz durch Gehörschutzmaßnahmen geschützt hat, und ob und inwieweit diese geeignet waren, eine Gefährdung auszuschließen. Maßgebend ist allein die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Insoweit hat das LSG unangegriffen und deshalb für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, der Kläger habe bis zum Unfalltag am 12. Juli 1979 gefährdende Tätigkeiten verrichtet und seine berufliche Tätigkeit an diesem Tage aufgegeben. Auch der nach § 572 RVO maßgebliche Zeitpunkt ist deshalb der 12. Juli 1979, der Tag, den die Beklagte der Berechnung des JAV in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt hat.
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen