Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Krankengeld
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Betriebskrankenkasse Bahlsen, Hannover 1, Podbielskistraße 19 |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 15. März bis 2. Juli 1989.
Der 1933 geborene Kläger, der versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist, hatte vom Beginn der zweiten Blockfrist am 10. Oktober 1988 bis zum 31. Dezember 1988 wegen einer bereits seit Oktober 1985 bestehenden Vorerkrankung (Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom) wieder Krankengeld bezogen. Am 2. Januar 1989 nahm er eine Tätigkeit als Pförtner auf und wurde am 15. März 1989 erneut wegen der Vorerkrankung arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Beklagte lehnte die Krankengeldzahlung mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen des § 48 Abs 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2477) nicht erfüllt seien; der Kläger habe nur vom 2. Januar bis 14. März 1989 wieder gearbeitet (Bescheid vom 26. April 1989; Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 1989). Auf die hiergegen erhobene Klage wurde die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 15. März 1989 Krankengeld zu zahlen (Urteil des Sozialgerichts [SG] Hannover vom 25. September 1989). Auf die Berufung der Beklagten wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Niedersachsen vom 27. April 1990).
Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 48 Abs 2 SGB V, weil ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ua nur bestehe, wenn der Versicherte in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig und erwerbstätig gewesen sei oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Diese Vorschrift sei im vorliegenden Fall anwendbar, was sich schon aus den allgemeinen Grundsätzen über die zeitliche Geltung von Normen ergebe. Danach beurteilten sich Inhalt und Wirkung sozialrechtlicher Ansprüche nach dem Recht, das zur Zeit des anspruchsbegründenden Ereignisses oder Umstandes gegolten habe, sofern nicht später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimme. Als anspruchsbegründendes Ereignis im Sinne dieser Rechtsprechung sei der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit anzusehen. Diese sei erst am 15. März 1989, also unter der Geltung des SGB V eingetreten. Der Umstand, daß die maßgebende Dreijahresfrist noch im Jahre 1988 - am 10. Oktober 1988 - zu laufen begonnen habe, könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Auch aus dem Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalles ergebe sich nichts anderes. Da in jeder neuen Blockfrist über den Anspruch auf Krankengeld ohne Bindung an frühere Bewilligungen neu zu entscheiden sei, könne diese Entscheidung nur auf der Grundlage des Rechts erfolgen, das in dem Zeitpunkt gelte, für den der Anspruch geltend gemacht werde. Da § 48 SGB V am 1. Januar 1989 in Kraft getreten sei, könne das für die Zeit ab 15. März 1989 begehrte Krankengeld nur nach dieser Bestimmung gewährt werden. Deren Voraussetzungen seien aber unstreitig nicht erfüllt. Denn nach der Erschöpfung des Krankengeldanspruchs in der ersten Blockfrist - am 27. Mai 1988 - sei der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nur vom 30. Mai bis 19. Juli 1988 und vom 2. Januar bis 14. März 1989, also weniger als sechs Monate, arbeitsfähig gewesen.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger, daß das LSG zu Unrecht § 48 Abs 2 SGB V für anwendbar gehalten habe. Diese Bestimmung erfasse nach ihrer zeitlichen Geltung nur Fälle, in denen ein neuer Dreijahreszeitraum nach dem 1. Januar 1989 begonnen habe. In Fällen der vorliegenden Art, in denen dieser Zeitraum - unstreitig - vor diesem Stichtag begonnen habe, sei weiterhin § 183 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF anwendbar mit der Folge, daß ihm, dem Kläger, für die hier streitige Zeit ab 15. März 1989 Krankengeld zu zahlen sei. Mit dem Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums am 10. Oktober 1988 habe er für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen der Vorerkrankung für weitere 78 Wochen einen Anspruch auf Krankengeld erworben, wobei es unerheblich sei, daß die Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 2. Januar bis 14. März 1989 unterbrochen gewesen sei. Daß § 48 Abs 2 SGB V diese Fälle nicht erfassen solle, ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung als auch aus der Gesetzesbegründung, die ausdrücklich nur künftige Wiederauflebensfälle, also Fälle, in denen die neue Blockfrist nach dem 1. Januar 1989 eintrete, erfassen wolle. Dies entspreche offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers, weil er besondere Überleitungsvorschriften für Fälle der vorliegenden Art nicht erlassen habe.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. April 1990 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. September 1989 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 48 Abs 2 SGB V betreffe nicht die Entstehung, sondern die Dauer des Krankengeldes. Hierzu sei in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht, daß der alte Rechtszustand des § 183 Abs 2 RVO konsequent ab 1. Januar 1989 nicht mehr gelten solle. Gemäß § 31 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I), § 30 Abs 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) und § 2 Abs 1 und § 12 SGB V sei es deshalb der Krankenkasse verwehrt, Krankengeld ab 1. Januar 1989 in Fällen zu zahlen, in denen die Voraussetzungen des § 48 Abs 2 SGB V zur Dauer des Krankengeldes bei Wiederaufleben des Anspruchs auf Krankengeld nicht vorlägen. Da der Kläger über die Jahreswende 1988/1989 kein Krankengeld bezogen habe, habe ein Leistungsanspruch nicht bestanden. Die Voraussetzungen für einen solchen seien erst am 15. März 1989 eingetreten, so daß neues Recht Anwendung finde.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil nicht aufheben dürfen, weil die Beklagte zu Recht verurteilt worden ist, dem Kläger für die Zeit ab 15. März 1989 Krankengeld zu gewähren.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger im ersten Dreijahreszeitraum - vom 10. Oktober 1985 bis 9. Oktober 1988 - wegen seiner Wirbelsäulenerkrankung für 78 Wochen Krankengeld bezogen (bis 26. Mai 1988) und war danach kurzzeitig erwerbstätig (vom 30. Mai bis 19. Juli 1988). Nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums am 10. Oktober 1988 ist dem Kläger wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit wieder Krankengeld vom 10. Oktober bis 31. Dezember 1988 gewährt worden. Nach Aufnahme einer Pförtnertätigkeit am 2. Januar 1989 ist er am 15. März 1989 wegen der Vorerkrankung erneut arbeitsunfähig geworden.
Damit erfüllt der Kläger zwar nicht die Voraussetzungen, unter denen nach dem Gesundheits-Reformgesetz (GRG) ein Anspruch auf Krankengeld in einem neuen Dreijahreszeitraum wiederauflebt, wenn in dem vorhergegangenen Dreijahreszeitraum für 78 Wochen Krankengeld wegen derselben Krankheit gewährt worden ist. Diese Voraussetzungen sind wesentlich verschärft worden, wie ein Vergleich der jetzt in § 48 Abs 2 SGB V enthaltenen Regelung mit der zum Wiederaufleben von Ansprüchen nach altem Recht - zu § 183 Abs 2 RVO - ergangenen Rechtsprechung zeigt (vgl BSGE 45, 11 = SozR 2200 § 183 Nr 11; BSGE 49, 163 = SozR 2200 § 183 Nr 30; BSGE 51, 281 = SozR 2200 § 183 Nr 35; BSGE 51, 287 = SozR 2200 § 183 Nr 36; BSGE 52, 261 = SozR 2200 § 183 Nr 39). Danach genügte es nach altem Recht für das Wiederaufleben des Anspruchs auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, für die in einem vorhergehenden Dreijahreszeitraum für 78 Wochen Krankengeld gewährt worden ist, daß bei Fortbestand bzw erneutem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in einem neuen Dreijahreszeitraum eine Mitgliedschaft ohne Krankengeldberechtigung bestanden hat und daß diese Mitgliedschaft oder die Arbeitsunfähigkeit nicht für mehr als 26 Wochen unterbrochen gewesen sind. Demgegenüber verlangt das neue Recht in § 48 Abs 2 SGB V für das Wiederaufleben des Anspruchs, daß der Versicherte bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit in einem neuen Dreijahreszeitraum mit Anspruch auf Krankengeld versichert ist und in der Zwischenzeit mindestens 6 Monate nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig war (Nr 1) und entweder erwerbstätig war oder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hat (Nr 2). Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, daß dem Kläger kein Krankengeld zustünde, wenn es auf die Anwendung des neuen Rechts ankäme; denn in der Zeit zwischen dem 26. Mai 1988 - der Erschöpfung des Krankengeldanspruchs in der letzten Blockfrist -und dem 15. März 1989 ist der Kläger lediglich vom 30. Mai bis 19. Juli 1988 und vom 2. Januar 1989 bis 14. März 1989, also nicht mindestens 6 Monate lang, nicht wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig und erwerbstätig gewesen, so daß die Wiederauflebensvoraussetzungen des § 48 Abs 2 SGB V nicht erfüllt wären. Ein Krankengeldanspruch aus dem neuen Beschäftigungs- und Versicherungsverhältnis stünde dem Kläger nur zu, wenn die Arbeitsunfähigkeit ab 15. März 1989 auf einer neuen Krankheit beruht hätte, was nicht der Fall ist.
Indessen werden - entgegen der Ansicht des LSG - von der am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Neuregelung (Art 79 Abs 2 GRG) nicht Fälle der vorliegenden Art erfaßt, in denen ein neuer Dreijahreszeitraum bereits vor dem 1. Januar 1989 begonnen hatte und ein Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit bereits unter der Geltung des alten Rechts wiederaufgelebt war, also schon vor dem 1. Januar 1989 wieder Krankengeld - bis zur Höchstbezugsdauer von wiederum 78 Wochen - zu gewähren war. In diesen Fällen richtet sich der Fortbestand des wiederaufgelebten Anspruchs auch über den 31. Dezember 1988 hinaus nach bisherigem Recht, selbst wenn - nach einer Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit - erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach dem 31. Dezember 1988 eingetreten ist. Dieser Fall wird von dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 48 Abs 2 SGB V nicht erfaßt.
Das ergibt sich aus dem Inhalt dieser Neuregelung einerseits und den Rechtsgrundsätzen über die zeitliche Geltungserstreckung von sozialrechtlichen Normen andererseits. Grundsätzlich ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind daher für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandenen Lebensverhältnissen unerheblich, es sei denn, daß das Gesetz seine zeitliche Geltung auch auf solche Verhältnisse erstreckt (vgl hierzu und zur Rechtsprechung des BSG Evers, "Die Zeit - eine Dimension des Sozialrechts?" -, in: Rechtsschutz im Sozialrecht, Beiträge zum ersten Jahrzehnt der Rechtsprechung des BSG, 1965, S 63 ff, 79 ff jeweils mwN, ferner BSGE 62, 191, 194/195 = SozR 3100 § 1 Nr 39 mwN). Dementsprechend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich Entstehung und Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat, soweit nicht später in Kraft gesetztes Recht etwas anderes bestimmt (allgemeine Meinung; vgl aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG BSGE 44, 231, 232 = SozR 2200 § 1236 Nr 3; BSGE 45, 212, 214 = SozR 2200 § 182 Nr 29; SozR aaO Nr 85 mwN; BSGE 57, 211, 213 = SozR 1200 Art 2 § 18 Nr 1; BSGE 58, 243, 244 = SozR 2200 § 182 Nr 98). Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit des Versicherungsfalls (hier: des erstmaligen Eintritts der Erkrankung) gilt allerdings für das Krankengeld nicht uneingeschränkt; vielmehr kommt dem Wiederauflebensfall - wie noch auszuführen sein wird -eine gewisse selbständige Bedeutung zu. Auch für ihn gilt aber, daß dann, wenn das Gesetz einen bereits wieder entstandenen, dh im Sinne eines neuen Erfüllungstatbestandes konkretisierten Anspruch neu regeln will, sich dies eindeutig aus seinem Wortlaut oder jedenfalls schlüssig aus seinem Zweck ergeben muß.
Das GRG enthält weder in den Überleitungs- und Schlußvorschriften der Art 56 bis 79 eine Vorschrift, die den zeitlichen Anwendungsbereich des § 48 Abs 2 SGB V auf Wiederauflebensfälle vor seinem Inkrafttreten erstreckt, noch ist dem § 48 Abs 2 SGB V selbst eine derartige - unechte - Rückwirkung eindeutig zu entnehmen. Daß Fälle der vorliegenden Art nicht erfaßt werden, ergibt sich aber schlüssig aus dem Zweck des § 48 Abs 2 SGB V, wie er in den Motiven des Gesetzes zum Ausdruck gekommen ist. Dort heißt es zu § 47 Abs 2, der dem heutigen § 48 Abs 2 SGB V entspricht: "Das Wiederaufleben des Anspruchs auf Krankengeld wegen derselben Krankheit nach Ablauf der dreijährigen Blockfrist wird eingeschränkt... Nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums besteht künftig ein Anspruch auf Krankengeld nur dann, wenn ..." (vgl BT-Drucks 11/2237 S 181). Daraus ist zunächst klar ersichtlich, daß es sich um eine Änderung des bisherigen Rechts, und nicht etwa um eine authentische Interpretation in dem Sinne handelt, daß die neue Norm so angewendet werden soll, als ob ihr Inhalt schon früher gegolten hätte. Ferner ergibt sich aus dem ersten Satz der Begründung eindeutig, daß der Gesetzgeber nur den Tatbestand des "Wiederauflebens", nicht aber den Fortbestand eines bereits - unter Geltung des alten Rechts -wiederaufgelebten Anspruchs auf Krankengeld wegen derselben Krankheit einschränken wollte. Der dort in Bezug genommene Begriff des "Wiederauflebens" bezeichnet nach dem in der Rechtsprechung bisher verstandenen Sinne nicht das (erstmalige) Entstehen des Krankengeldanspruchs, sondern betrifft eine Erscheinungsform des Weiterbestehens eines in der Vergangenheit bereits entstandenen Anspruchs, wobei allerdings dessen Fortdauer - abweichend vom reinen Versicherungsprinzip - von der Fortdauer seiner Entstehungsvoraussetzungen nicht völlig unabhängig ist. Hat in einem vorangegangenen Dreijahreszeitraum der Leistungsanspruch nach einer Höchstbezugsdauer von 78 Wochen (vorläufig) geendet, beginnt ein erneuter Leistungsanspruch (bis zu einer Höchstbezugsdauer von erneut 78 Wochen) erst dann wieder, wenn in der neuen Dreijahresfrist Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung (fort-oder wieder-) besteht, wenn dies ärztlich festgestellt und der Anspruch angemeldet ist, eine Mitgliedschaft besteht und diese Mitgliedschaft oder die Arbeitsunfähigkeit nicht für 26 Wochen unterbrochen gewesen sind. Der Versicherungsträger hat hierüber durch einen Verwaltungsakt ohne Bindung an frühere Bewilligungen neu zu entscheiden (BSG SozR 2200 § 183 Nr 51). Damit ist der Wiederauflebenstatbestand dem Tatbestand des Entstehens eines neuen Anspruchs jedenfalls soweit angenähert, daß die bereits genannten intertemporalen Auslegungsgrundsätze auch auf diesen - an sich nur die Fortdauer eines bereits entstandenen Anspruchs betreffenden -Teilabschnitt eines Dauersachverhalts angewendet werden können. Sind - wie im vorliegenden Fall - sämtliche Voraussetzungen für das "Wiederaufleben" unter der Geltung des alten Rechts eingetreten und von diesem bereits in dem Sinne rechtlich bewertet worden, daß der Krankengeldanspruch wegen derselben Krankheit wieder besteht, findet auf die weitere Dauer des wiederaufgelebten Anspruchs - bis zur Höchstdauer von wiederum 78 Wochen - das alte Recht Anwendung, weil nicht klar erkennbar ist, daß das neue Recht auch diesen vor seinem Inkrafttreten verwirklichten und bereits bewerteten Tatbestand einer neuen Bewertung unterwerfen will. Hat nämlich der Gesetzgeber den zeitlichen Geltungsbereich eines geänderten Rechtssatzes nicht eindeutig bestimmt, ist nach den dazu bestehenden intertemporalen Auslegungsregeln eine Interpretation unzulässig, die zu einer neuen Bewertung eines bereits vom frühreren Recht bewerteten Sachverhalts führen würde. Nur wenn der Gesetzgeber den zeitlichen Geltungsbereich einer Norm eindeutig dahin bestimmt hat, daß - bei einem Dauersachverhalt wie dem vorliegenden - auch der vor ihrem Inkrafttreten verwirklichte Teil dieses Sachverhalts, der durch das frühere Recht schon bewertet war, einer neuen Regelung unterworfen werden soll, findet das neue Recht (rückwirkend) Anwendung. Ist dies nicht der Fall, ist davon auszugehen, daß die geänderte Norm nur den nach ihrem Inkrafttreten eintretenden, noch nicht bewerteten Teil des Dauersachverhalts neu regeln will (vgl Evers, aaO, S 88/89).
Deshalb findet § 48 Abs 2 SGB V hinsichtlich seiner zeitlichen Geltung grundsätzlich Anwendung nur auf Fälle, in denen der Tatbestand des "Wiederauflebens" eines Krankengeldanspruchs wegen derselben Krankheit innerhalb einer neuen Dreijahresfrist in die Zeit nach dem 31. Dezember 1988 fällt. Das bedeutet allerdings - anders als das LSG dies gesehen hat - nicht, daß § 48 Abs 2 SGB V nur anzuwenden ist, wenn auch der Dreijahreszeitraum nach diesem Stichtag begonnen hat; erfaßt werden vielmehr auch die Fälle des Beginns des Dreijahreszeitraums vor diesem Stichtag, wenn erstmals nach diesem Stichtag wieder Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit eingetreten ist; denn in diesem Fall hat sich der Tatbestand des Wiederauflebens bzw des Entstehens eines neuen Anspruchs in einem neuen Dreijahreszeitraum erst nach dem Stichtag verwirklicht. Hingegen bleibt die Anwendung alten Rechts entgegen der Auffassung des LSG unberührt, wenn - wie beim Kläger - der Wiederauflebensfall bereits unter der Geltung des alten Rechts eingetreten ist (am 10. Oktober 1988) und nach einer Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (vom 2. Januar bis 14. März 1989) erneute Arbeitsunfähigkeit unter der Geltung des neuen Rechts eingetreten ist. Der Wiedereintritt der Arbeitsunfähigkeit am 15. März 1989 begründet dann keinen neuen Wiederauflebensfall, sondern betrifft nur den Fortbestand eines bereits nach altem Recht wiederaufgelebten Leistungsanspruchs, der - bis zur Erschöpfung der Höchstbezugsdauer von 78 Wochen - ebenso zu behandeln ist, wie wenn die Arbeitsunfähigkeit ab 10. Oktober 1988 für 78 Wochen ununterbrochen fortbestanden hätte. Das LSG verkennt insoweit, daß die Dauer des Krankengeldanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit zwar nicht bereits durch den Eintritt des Versicherungsfalles bzw das erstmalige Eintreten der Arbeitsunfähigkeit als Einheit charakterisiert wird, eine solche Einheit aber jedenfalls für den Abschnitt eines wiederaufgelebten Leistungsanspruchs innerhalb eines Dreijahreszeitraums besteht. Ist also unter der Geltung des alten Rechts ein Anspruch auf Krankengeld in einem neuen Dreijahreszeitraum wiederaufgelebt, gilt altes Recht auch dann weiter, wenn die Arbeitsunfähigkeit nach dem 1. Januar 1989 - und vor Erschöpfung einer Bezugszeit von 78 Wochen - ein- oder mehrmals unterbrochen wird.
Im übrigen kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, in der Gesetzesbegründung sei klar zum Ausdruck gebracht, daß der alte Rechtszustand des § 183 Abs 2 RVO konsequent ab 1. Januar 1989 nicht mehr gelten solle. Der im Gesetz bestimmte Zeitpunkt des Inkrafttretens ab 1. Januar 1989 besagt nur, daß die Neuregelung von diesem Zeitpunkt an für den Rechtsanwender generell Geltung beansprucht, besagt aber nicht, daß sie grundsätzlich auch die Sachverhalte neu bewertet, die bereits vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht und daher nach altem Recht bewertet waren. Insbesondere kann aus dem Fehlen einer zeitlichen Begrenzung des Wirkungsbereichs einer Norm nicht auf zeitlich unbegrenzte Rückanknüpfung geschlossen und damit der Grundsatz umgekehrt werden, daß neues Recht grundsätzlich auf bereits in der Vergangenheit verwirklichte und bewertete Sachverhalte nicht anzuwenden ist, soweit nicht ausnahmsweise etwas anderes vorgesehen ist. Eine solche Umkehrung kann insbesondere auch nicht aus § 48 SGB X hergeleitet werden, wie der erkennende Senat in seinem in der Sache Loer gegen AOK Dortmund (1/3 RK 25/90) ergangenen Urteil vom heutigen Tag im einzelnen dargelegt hat.
Auf die Revision des Klägers war mithin das erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen, weil dem Kläger ab 15. März 1989 noch Krankengeld für die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit (bis zum Ende der Höchstbezugszeit) zusteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Von der Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens sind auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen der Nichtzulassung der Revision umfaßt (vgl BSG SozR 1500 § 193 Nr 7).BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen