Orientierungssatz
Grobe Nachlässigkeit iS des SGG § 109 Abs 2 bedeutet das Außerachtlassen jeder in der Prozeßführung erforderlichen Sorgfalt. Sie liegt nicht vor, wenn triftige Gründe die nach Ablauf der gesetzten Frist erfolgte Benennung des Sachverständigen rechtfertigen. Hierbei ist in der Revisionsinstanz nachprüfbar, ob die Tatsacheninstanz den Rechtsbegriff der groben Nachlässigkeit verkannt hat (vergleiche hierzu BSG 1956-03-14 9 RV 544/55 = BSGE 2, 258, 261 und BSG 1958-06-10 9 RV 836/55 = BSGE 7, 218 221 mit weiteren Nachweisen).
Normenkette
SGG § 109 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1965 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Westfalen vom 23. Dezember 1949 wurden bei dem Kläger "Zustand nach Schädelbruch und Verschüttung mit Gehirnerschütterung und Verlust von 5 Zähnen im Oberkiefer, leichte Geistesstörungen, Narben nach Splitterverletzung am linken Unterschenkel, Reizmagen infolge nicht ausreichender Kaufähigkeit des Gebisses" anerkannt und vom 1. Januar 1949 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. gewährt.
Nach Einholung mehrerer Gutachten, in denen der Kläger ungünstig beurteilt wurde, erkannte das Versorgungsamt Soest mit Umanerkennungsbescheid vom 17. Juni 1952 nur noch Narben an der Stirn, im Gesicht, am linken Ober- und Unterschenkel sowie den Verlust mehrerer Zähne als Schädigungsfolgen an, gewährte die bisherige Rente nach einer MdE um 50 v. H. vom 1. Oktober 1950 bis 31. Mai 1951 weiter und setzte die MdE vom 1. Juni 1951 an auf O v. H. fest. Es begründete die Änderung der Anerkennung der Schädigungsfolgen und den Entzug der Rente damit, daß ein Schädelbruch nicht nachgewiesen und die Gehirnerschütterung abgeheilt sei. Eine Hirnverletzung sei auszuschließen, eine Geistesstörung liege nicht vor, für einen Reizmagen habe sich kein Anhalt ergeben. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Bescheid des LVersorgA Westfalen vom 10. März 1954).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Dortmund ein Gutachten des Dr. B vom 26. Februar 1955 eingeholt, in dem der Sachverständige zu demselben Ergebnis wie die bisher gehörten Gutachter gekommen ist. Insbesondere ist auch nach seiner Ansicht der Kläger nicht hirnverletzt und durch Schädigungsfolgen nicht in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Das SG Dortmund hat sich den übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen angeschlossen und die Klage durch Urteil vom 7. Oktober 1955 abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) noch ein umfangreiches Gutachten von der Universitäts-Nervenklinik M vom 11. April 1959 eingeholt. Der Sachverständige Oberarzt Dr. Sch ist zu der Beurteilung gelangt, daß der Kläger an einem Querulantenwahn leide, der nicht Folge einer Schädigung i. S. des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei. Dieser Querulantenwahn stelle eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit dar und bestehe mit Wahrscheinlichkeit vielleicht schon seit Ende des letzten Krieges. Auf Grund dieses Gutachtens hat das Amtsgericht Medebach mit Beschluß vom 11. Juni 1959 eine Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet, welche die Führung von Prozessen umfaßt. Das LSG hat endlich noch ein weiteres Gutachten von Dr. M vom 28. Juni 1960 zu der Frage eingeholt, welches beim Kläger bestehende Krankheitsbild früher in dem Gutachten vom 15. Oktober 1949 als "leichte Geistesstörung" bezeichnet worden sei. Dr. M hat hierzu die Auffassung vertreten, daß bei dem psychisch offenbar etwas abartigen Kläger im Hinblick auf das Schädeltrauma im Jahre 1944, das leichte Kopftrauma im Jahre 1945 und die kriegsbedingten Einflüsse körperlicher und seelischer Art in den Jahren 1945/46 bei der Untersuchung am 15. Oktober 1949 "leichte Geistesstörungen" noch als Kriegsverletzungsfolge anzusehen gewesen seien.
In der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 hat das LSG einen Beweisbeschluß des Inhalts erlassen, daß auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gutachten von noch zu benennenden Sachverständigen über folgende Fragen eingeholt werden sollen:
1. Welche Gesundheitsstörungen liegen bei dem Kläger vor, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich i. S. der Entstehung oder der Verschlimmerung auf schädigende Einwirkungen i. S. des § 1 BVG zurückgeführt werden können?
2. Wie hoch ist gegebenenfalls der Grad der MdE hierfür ab 1. Juni 1951 einzuschätzen?
Das LSG hat die Einholung des Gutachtens davon abhängig gemacht, daß der Kläger einen Kostenvorschuß in Höhe von 500 DM bis zum 28. Februar 1965 zahlt und die Gesamtkosten der Begutachtung vorbehaltlich einer anderweitigen Entscheidung endgültig trägt. Dem Kläger ist ferner aufgegeben worden, bis zum 15. Januar 1965 dem Gericht diejenigen Sachverständigen zu benennen, die nach § 109 SGG zu dem obigen Beweisthema gehört werden sollen.
Mit Schriftsatz vom 7. Januar 1965 haben sich die Rechtsanwälte Dr. O H und H-B H als Prozeßbevollmächtigte gemeldet und zunächst um Akteneinsicht gebeten, die am 18. Januar 1965 vorgenommen worden ist. Mit Schriftsatz vom 18. Januar 1965 haben die Prozeßbevollmächtigten um Ablichtungen der Gutachten der Universitäts-Nervenklinik M und des Dr. M gebeten mit der Begründung, daß die genaue Kenntnis dieser Gutachten für die Führung des Prozesses für erforderlich gehalten werde. Daraufhin forderte das LSG mit Verfügung vom 21. Januar 1965 die Kosten für die Ablichtungen in Höhe von 18,50 DM bei den Prozeßbevollmächtigten des Klägers an. Inzwischen war nach der Mitteilung des Amtsgerichts Medebach vom 22. Januar 1965 der bisherige Pfleger des Klägers, H G, der in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 für den Kläger aufgetreten war, durch die Ehefrau des Klägers als Pflegerin ersetzt worden. Mit Schriftsatz vom 4. Februar 1965 hat Rechtsanwalt Dr. H die Prozeßvollmacht der neuen Pflegerin des Klägers überreicht und mitgeteilt, daß der Betrag von 18,50 DM für die Ablichtungen der Gutachten eingezahlt worden sei. Mit Verfügung vom 8. Februar 1965 ist die Übersendung der Ablichtungen der Gutachten an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers angeordnet worden. Im Schriftsatz vom 10. Februar 1965 haben die Prozeßbevollmächtigten an die Übersendung der Fotokopien erinnert und darauf hingewiesen, daß die nach § 109 SGG zu benennenden Sachverständigen erst bekanntgegeben werden könnten, wenn die Ablichtungen der Gutachten den Prozeßbevollmächtigten zugegangen seien. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 1965, der am 27. Februar 1965 beim LSG eingegangen ist, haben die Prozeßbevollmächtigten in Erledigung der Auflage vom 16. Dezember 1964 einen Verrechnungsscheck in Höhe von 500 DM als Kostenvorschuß für das nach § 109 SGG einzuholende Gutachten eingereicht. Sie haben ferner mit Schriftsatz vom 4. März 1965 dem LSG mitgeteilt, daß als Sachverständiger nach § 109 SGG Prof. Dr. P in D benannt werde.
In der mündlichen Verhandlung am 10. März 1965 hat der Kläger seinen Antrag, nach § 109 SGG von Prof. Dr. P ein Gutachten einzuholen, wiederholt. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat durch Beschluß diesen Antrag abgelehnt, weil er aus grober Nachlässigkeit verspätet gestellt worden sei. Es hat alsdann durch Urteil vom 10. März 1965 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Dortmund vom 7. Oktober 1955 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das LSG hat den angefochtenen Umanerkennungsbescheid vom 17. Juni 1952 nach dem Beweisergebnis als rechtmäßig angesehen; es hat sich insoweit auf die eingeholten und übereinstimmenden Gutachten gestützt.
Zu dem Antrag des Klägers, nach § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. P einzuholen, hat das LSG in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß sein Verlangen nach Einholung weiterer Gutachten bei den vorliegenden und übereinstimmenden Sachverständigengutachten als geradezu mutwillig erscheine. Der Antrag nach § 109 SGG sei erst nahezu sechs Jahre nach Eingang des Gutachtens von Dr. S gestellt worden, so daß schon im Zeitpunkt der Antragstellung der § 109 Abs. 2 SGG diesem Antrag entgegengestanden habe. Durch die Antragstellung nach dem ungewöhnlich langen Zeitabschnitt werde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert; dies sei auf grobe Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführen. Wenn ihm gleichwohl Gelegenheit geboten wurde, doch noch einen Sachverständigen zu benennen, so sei dies überhaupt nur noch zu verantworten gewesen, wenn die wiederum großzügig eingeräumte Frist nun wenigstens eingehalten worden wäre. Der Pfleger des Klägers, mit dem die Prozeßlage in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 eingehend erörtert wurde, sei seit mehr als einem Jahr als Pfleger bestellt gewesen und auch erst nach Ablauf der mit ihm vereinbarten Frist zur Benennung eines Gutachters (15. Januar 1965) aus seinem Amts als Pfleger entlassen worden. Es habe daher hinreichend Gelegenheit bestanden, einen Sachverständigen zu bestimmen. Da dies innerhalb der Frist nicht geschehen ist, sondern erst mehr als sieben Wochen später, noch dazu wiederum eine Arbeitswoche nach Ablauf der Frist zur Vorschußeinzahlung, zeuge von einer so groben Nachlässigkeit, daß demgegenüber von dem Recht des Senats auf Ablehnung des Antrags gemäß § 109 Abs. 2 SGG nicht mehr habe Abstand genommen werden dürfen.
Gegen dieses am 13. April 1965 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Mai 1965, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 12. Mai 1965, Revision eingelegt; er beantragt,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Essen vom 10. März 1965 und des Urteils des Sozialgerichts in Dortmund sowie des Bescheides vom 17. Juni 1952 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1954 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Auswirkungen nach Schädelbruch und Verschüttung als Schädigungsfolgen sowie der als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen Rente nach einer MdE von 60 v. H. ab 1. Juni 1951 zu gewähren.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 1965, eingegangen beim BSG am 13. Juli 1965, auf den Bezug genommen wird, hat der Kläger die Revision rechtzeitig innerhalb der bis zum 13. Juli 1965 verlängerten Begründungsfrist begründet. Er rügt eine Verletzung des § 109 Abs. 2 SGG und bringt vor, die Tatsache, daß er erst sechs Jahre nach Eingang des letzten Gutachtens den Antrag nach § 109 SGG gestellt habe, könne die Überzeugung des Gerichts, dies sei aus grober Nachlässigkeit und Verschleppungsabsicht geschehen, nicht tragen. Der Inhalt des Gutachtens von Dr. Sch sei ihm erst durch seine früheren Prozeßbevollmächtigten im April 1965 bekanntgeworden, die ihrerseits den Inhalt der Gutachten der Sachverständigen Dr. M und Dr. Sch nicht gekannt hätten, als sie am 18. Januar und 10. Februar 1965 das LSG um Ablichtungen baten. Die Kenntnis dieser Gutachten müsse aber als notwendige Voraussetzung für die Benennung eines weiteren Gutachters angesehen werden. Die ständig wechselnden Pfleger hätten sich um die Angelegenheiten des Klägers nicht gekümmert; insbesondere habe ihm der Pfleger G erst wenige Tage vor dem Termin am 10. März 1965 von der übernommenen Verpflichtung zur Benennung eines Sachverständigen binnen einer Monatsfrist Mitteilung gemacht. Wenn noch am 16. Dezember 1964 Gelegenheit gegeben worden sei, einen Gutachter nach § 109 SGG zu benennen, könne die Verschleppungsabsicht nicht mit der Überschreitung einer Monatsfrist unter Hinweis auf die inzwischen verstrichenen sechs Jahre begründet werden. Aus der Tatsache, daß der auferlegte Kostenvorschuß in Höhe von 500 DM am 26. Februar 1965 eingezahlt worden sei, gehe deutlich hervor, daß weder eine Verschleppungsabsicht noch eine grobe Nachlässigkeit vorgelegen habe. Jedenfalls seien noch vor der mündlichen Verhandlung am 10. März 1965 die an die Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG geknüpften Bedingungen erfüllt gewesen. Unter diesen Umständen sei die Ablehnung des Antrags willkürlich, weil eine Verschleppung weder bezweckt war noch eintreten konnte. Die in § 109 SGG festgelegten Konsequenzen hätten im übrigen nur dann gezogen werden dürfen, wenn sie dem Kläger angedroht worden wären, weil es sich nicht um Notfristen gehandelt habe.
Der Beklagte beantragt die Verwerfung der Revision als unzulässig; er hält die Verfahrensrügen des Klägers nicht für gerechtfertigt.
Der Kläger hat die Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat und eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs i. S. des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG nicht gerügt ist, findet die Revision nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG 1, 150).
In der Revisionsbegründung vom 12. Juli 1965 rügt der Kläger lediglich eine Verletzung des § 109 SGG, insbesondere des Abs. 2 dieser Vorschrift. Nach § 109 SGG muß auf Antrag des Versorgungsberechtigten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Das Gericht kann einen solchen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In der Ablehnung des Antrags, einen bestimmten Sachverständigen zu hören, ist nach § 109 Abs. 2 SGG nur dann ein Mangel des Verfahrens zu erblicken, wenn die Zulassung des Antrags die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert hätte, und wenn das Gericht mit seiner Annahme, der Antrag sei aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt worden, die Grenzen seines Rechts, hierüber nach freier Überzeugung zu entscheiden, überschritten hat (BSG in SozR SGG § 109 Nr. 4). Ob das Berufungsgericht bei der Ablehnung eines Antrags nach § 109 Abs. 2 SGG sein Ermessen überschritten hat, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BSG 2, 258).
Eine Verletzung des § 109 SGG kann allerdings nicht mehr gerügt werden, wenn der Kläger einen solchen Verfahrensmangel bis zum Schluß der nächsten mündlichen Verhandlung, in der über das Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt wurde, nicht gerügt hat, obgleich er ihn rügen konnte. Dies ergibt sich aus § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (vgl. BSG in SozR ZPO § 295 Nr. 2 und 3). Wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 10. März 1965 ergibt, hat der Kläger seinen in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 gestellten Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen nach § 109 SGG ausdrücklich wiederholt. Der § 295 ZPO steht daher der vom Kläger erhobenen Rüge einer Verletzung des § 109 SGG nicht entgegen.
Das LSG hat in der mündlichen Verhandlung am 10. März 1965 den Antrag des Klägers, Prof. Dr. P in D nach § 109 SGG zu hören, durch Beschluß mit der Begründung abgelehnt, daß der Antrag aus grober Nachlässigkeit verspätet gestellt worden ist. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das LSG zur Begründung der Ablehnung des Antrags mehrere Umstände angeführt.
Das Berufungsgericht hat zunächst die übereinstimmenden Gutachten der Sachverständigen Dres. Sch, S und W gewürdigt und ausgeführt, daß die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen, deren Anerkennung er begehrt, nicht auf äußere Einwirkungen i. S. einer Wehrdienstbeschädigung zurückgeführt werden könnten und bei der Übereinstimmung der Beurteilung von drei Sachverständigen das Verlangen des Klägers nach Einholung weiterer Gutachten als geradezu mutwillig erscheine. Sofern das LSG hiermit etwa zum Ausdruck bringen wollte, daß es sich schon auf Grund der Gutachten der genannten drei Sachverständigen eine feste Meinung über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs mit schädigenden Einflüssen des Wehrdienstes aus der Kriegsgefangenschaft gebildet habe und daß deshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht notwendig sei und "geradezu mutwillig erscheine", verstößt seine Auffassung gegen den Zweck des § 109 SGG, dem Kläger neben den Ermittlungen von Amts wegen das Recht zu geben, die Anhörung eines Arztes seines Vertrauens zu verlangen (vgl. BSG 2, 255, 257).
Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, daß § 109 SGG das Gericht in der freien Auswahl der ärztlichen Sachverständigen beschränkt und eine zwingende Verfahrensvorschrift darstellt, die aus rechtsstaatlichen Gründen ergangen ist, weil sie der Gleichbehandlung der Beteiligten vor Gericht bei der Beschaffung von Beweismitteln dient (BSG aaO). Das Recht auf Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG besteht somit unabhängig von dem bisherigen Beweisergebnis, soweit das Beweisthema - wie im vorliegenden Falle - für die Entscheidung des Falles rechtserheblich ist. Die Ablehnung eines Antrags nach § 109 SGG kann daher nicht damit begründet werden, daß die Einholung eines weiteren Gutachtens nach dieser Vorschrift im Hinblick auf drei die Zusammenhangsfrage übereinstimmend beurteilende Gutachten "geradezu mutwillig erscheine".
Das LSG hat zur Begründung der Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG ferner ausgeführt, daß der Kläger diesen Antrag erst nahezu sechs Jahre nach Eingang des letzten der drei angeführten Gutachten gestellt und dem Antrag daher schon im Zeitpunkt der Antragstellung der § 109 Abs. 2 SGG entgegengestanden habe. Durch die Antragstellung nach diesem ungewöhnlich langen Zeitabschnitt werde die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, was auf grobe Nachlässigkeit des Klägers zurückzuführen sei. Auch diese Ausführungen des LSG sind nicht geeignet, die Ablehnung des vom Kläger gestellten Antrags zu rechtfertigen. Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 gestellten Antrag nach § 109 Abs. 2 SGG hätte ablehnen und sofort entscheiden können, weil in der Antragstellung nach einem Zeitraum von nahezu sechs Jahren nach dem zuletzt erhobenen Gutachten eine grobe Nachlässigkeit des Klägers hätte erblickt werden können. Das LSG hat aber den in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 gestellten Antrag nicht aus diesen Gründen abgelehnt, sondern - dem Antrag des Klägers folgend - einen Beweisbeschluß erlassen, daß ein noch zu benennender Sachverständiger über das in dem Beweisbeschluß genannte Beweisthema nach § 109 SGG gehört werden soll. Bei dieser Sachlage durfte das LSG zur Ablehnung des Antrags in der mündlichen Verhandlung am 10. März 1965 nicht mehr auf Ablehnungsgründe zurückgreifen, die vielleicht die Ablehnung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 gerechtfertigt hätten, deren es sich aber deutlich dadurch begeben hatte, daß es den Beweisbeschluß erließ. Soweit das Berufungsgericht mit der angeführten Begründung eine grobe Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG angenommen hat, liegt daher eine Überschreitung der Grenzen des ihm nach dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens vor.
Das LSG hat endlich die Ablehnung des vom Kläger nach § 109 SGG gestellten Antrags darauf gestützt, daß er die ihm großzügig eingeräumte Frist zur Benennung eines bestimmten Arztes nicht eingehalten habe. Der Pfleger, mit dem die Prozeßlage in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 eingehend erörtert wurde, sei seit mehr als einem Jahr als Pfleger bestellt gewesen und erst nach Ablauf der mit ihm vereinbarten Frist zur Benennung eines Gutachters aus seinem Amt als Pfleger entlassen worden. Es habe daher hinreichend Gelegenheit bestanden, einen Sachverständigen zu benennen. Daß dies innerhalb der Frist nicht geschehen sei, sondern erst mehr als sieben Wochen später, noch dazu wiederum eine Arbeitswoche nach Ablauf der Frist zur ihrerseits um vier Tage verspäteten Vorschußzahlung, stelle eine grobe Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG dar. Auch dieser Auffassung des LSG kann jedoch nicht zugestimmt werden.
Es trifft zu, daß dem Kläger in dem Beweisbeschluß vom 16. Dezember 1964 aufgegeben worden ist, bis zum 15. Januar 1965 dem Gericht diejenigen Sachverständigen zu benennen, die nach § 109 SGG zu dem Beweisthema gehört werden sollen. Das Berufungsgericht hat ferner die Einholung des Gutachtens davon abhängig gemacht, daß der Kläger einen Kostenvorschuß in Höhe von 500 DM bis zum 28. Februar 1965 zahlt und die Gesamtkosten der Begutachtung vorbehaltlich einer anderweitigen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Wie das BSG bereits in seinem Urteil vom 23. Juli 1965 (SozR SGG § 109 Nr. 32) zur Überschreitung der für die Einzahlung des Kostenvorschusses gesetzten Frist ausgesprochen hat, verliert der Kläger die Rechte aus § 109 SGG nicht schon allein deshalb, weil er den Kostenvorschuß erst nach Ablauf der ihm vom Gericht für die Einzahlung gesetzten Frist geleistet hat. Dasselbe muß auch gelten, wenn der Kläger die für die Benennung eines bestimmten Arztes gesetzte Frist nicht eingehalten hat. Das Gericht kann in solchen Fällen den in der mündlichen Verhandlung am 10. März 1965 wiederholten Antrag auf Anhörung des bestimmten Arztes nur ablehnen, wenn die Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG vorliegen. Soweit das LSG zur Ablehnung des nach § 109 SGG gestellten Antrags in dem angefochtenen Urteil ausführt, daß der Kläger den ihm auferlegten Kostenvorschuß um vier Tage verspätet eingezahlt habe, trifft dies nicht zu. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 1965, der am 27. Februar 1965 beim LSG eingegangen ist, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers einen Verrechnungsscheck in Höhe von 500 DM überreicht und darauf hingewiesen, daß ihm nicht bekanntgegeben worden sei, auf welches Konto die Einzahlung des Kostenvorschusses erfolgen sollte. Mit der Übersendung des Verrechnungsschecks in Höhe von 500 DM ist jedenfalls im vorliegenden Falle die Auflage in dem Beweisbeschluß vom 16. Dezember 1964 erfüllt worden, bis zum 28. Februar 1965 einen Kostenvorschuß in Höhe von 500 DM zu zahlen, weil der Verrechnungsscheck am 27. Februar 1965 beim LSG eingegangen ist. Selbst wenn man die Einhaltung dieser Frist davon abhängig machen wollte - wie offenbar das LSG meint -, daß der Kostenvorschuß in bar bei der Gerichtskasse eingezahlt wird oder daß der rechtzeitig überreichte Verrechnungsscheck auch vom Gericht bis zum Ablauf der Frist eingelöst wird, so liegt jedenfalls dann keine grobe Nachlässigkeit vor, wenn bei Nichtangabe eines Kontos rechtzeitig ein Verrechnungsscheck eingereicht wird.
Der Kläger hat allerdings die ihm bis zum 15. Januar 1965 gesetzte Frist zur Benennung eines Sachverständigen nicht eingehalten; er hat vielmehr Prof. Dr. P erst mit Schriftsatz vom 4. März 1965, eingegangen beim LSG am 6. März 1965, als Sachverständigen benannt. Ob aus diesem Grunde die Ablehnung des vom Kläger nach § 109 SGG gestellten Antrags gerechtfertigt ist, hängt davon ab, ob der Kläger bzw. seine Prozeßbevollmächtigten insoweit "grob nachlässig" gehandelt haben. Grobe Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG bedeutet das Außerachtlassen jeder in der Prozeßführung erforderlichen Sorgfalt. Sie liegt nicht vor, wenn triftige Gründe die nach Ablauf der gesetzten Frist erfolgte Benennung des Sachverständigen rechtfertigen. Hierbei ist in der Revisionsinstanz nachprüfbar, ob die Tatsacheninstanz den Rechtsbegriff der groben Nachlässigkeit verkannt hat (vgl. hierzu BSG 2, 258, 261 und 7, 218, 221 mit weiteren Hinweisen. Entgegen der Auffassung des LSG, daß der Kläger die Frist zur Benennung des Sachverständigen aus grober Nachlässigkeit nicht eingehalten habe, sind im vorliegenden Falle triftige Gründe für die nach Ablauf der Frist erfolgte Benennung des Prof. Dr. P als Sachverständigen vorhanden. Es trifft zwar zu, daß im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1964 H G der Pfleger des Klägers gewesen und dies auch noch bis zum Ablauf der gesetzten Frist (15.1.1965) geblieben ist. Aus diesem Umstand allein kann jedoch eine "grobe" Nachlässigkeit dieses Pflegers, die sich der Kläger zurechnen lassen muß, nicht gefolgert werden, weil eine Reihe anderer Umstände im vorliegenden Falle die verspätete Benennung des Sachverständigen entschuldbar erscheinen lassen, zumindest aber die Annahme rechtfertigen, daß jedenfalls eine "grobe" Nachlässigkeit nicht vorliegt.
Mit Schriftsatz vom 7. Januar 1965 haben sich die Rechtsanwälte Dr. O H und H-B H als Prozeßbevollmächtigte gemeldet und sofort um Akteneinsicht gebeten, die am 18. Januar 1965 durchgeführt worden ist. Nach der Mitteilung des Amtsgerichts Medebach vom 22. Januar 1965 ist ferner anstelle des H G die Ehefrau des Klägers als Pflegerin bestellt worden. Am Tage der Akteneinsicht haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18. Januar 1965 um Ablichtung der Gutachten der Universitäts-Nervenklinik Marburg vom 11. April 1959 und des Dr. M vom 28. Juni 1960 gebeten mit der Begründung, daß sie ohne genaue Kenntnis dieser Gutachten den Rechtsstreit nicht sachgemäß weiterführen könnten. Alle diese Umstände stellen triftige Gründe dafür dar, daß die Benennung des Sachverständigen nicht bis zum Ablauf der hierfür gesetzten Frist am 15. Januar 1965 erfolgt ist. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers mußten sich insoweit mit der neuen Pflegerin des Klägers in Verbindung setzen; vor allem aber mußten sie sich eine genaue Kenntnis des Akteninhalts verschaffen, um einen für die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts besonders geeigneten Sachverständigen zu benennen. Da insbesondere das Gutachten der Universitäts-Nervenklinik M vom 11. April 1949 30 Seiten umfaßt und auch das Gutachten des Dr. M vom 28. Juni 1960 immerhin 6 Seiten lang ist, kann den Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht ohne weiteres zugemutet werden, auf Grund einer kurzen Akteneinsicht an Gerichtsstelle derart umfangreiche Gutachten völlig zu erfassen und sofort zu entscheiden, welcher Sachverständige für die Anhörung nach § 109 SGG im Hinblick auf die bereits vorliegenden und für den Kläger ungünstigen Gutachten besonders geeignet erschien. Die Bitte der Prozeßbevollmächtigten, ihnen Ablichtungen der angeführten Gutachten zur Verfügung zu stellen, war daher sachgerecht und stellt hinsichtlich der Überschreitung der Frist für die Benennung des Sachverständigen keine grobe Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG dar. Da die Ablichtungen wegen des hierfür geforderten Betrages von 18,50 DM, der ohne Verzögerung eingezahlt worden ist, erst am 9. Februar 1965 an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers abgesandt worden sind, haben diese die Fotokopien der Gutachten frühestens am 11. Februar 1965 erhalten, wie der Schriftsatz vom 10. Februar 1965 beweist, in dem die Prozeßbevollmächtigten an die Übersendung der Fotokopien erinnert haben. In diesem Schriftsatz haben sie ferner darauf hingewiesen, daß sie den nach § 109 SGG zu benennenden Sachverständigen erst bekanntgeben könnten, wenn sie die Ablichtungen der Gutachten erhalten haben.
Bei diesem Sachverhalt kommt es nunmehr lediglich noch darauf an, ob etwa eine "grobe" Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG darin zu erblicken ist, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers nach Erhalt der Fotokopien frühestens am 11. Februar 1965 noch etwa drei Wochen haben verstreichen lassen, bis sie mit Schriftsatz vom 4. März 1965 Prof. Dr. P als Sachverständigen benannt haben. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, daß das LSG für die Einzahlung des Kostenvorschusses in Höhe von 500 DM eine Frist bis 28. Februar 1965 gesetzt hat, während es für die Benennung des Sachverständigen nur die kurze Frist bis zum 15. Januar 1965 eingeräumt hat. Bei der Auferlegung eines Kostenvorschusses mußte es sowohl dem Gericht selbst als auch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers klar sein, daß die Einholung des nach § 109 SGG beantragten Gutachtens keinesfalls vor Einzahlung des Kostenvorschusses in Betracht kommen konnte. Es ist daher wenig verständlich, wenn in einem solchen Falle für die Benennung des Sachverständigen eine kürzere Frist als für die Einzahlung des Kostenvorschusses bestimmt wird, weil ohnehin die Anhörung des benannten Sachverständigen erst nach Einzahlung des auferlegten Kostenvorschusses erfolgen wird. Es kann daher den Prozeßbevollmächtigten des Klägers, die sich nach Erhalt der Fotokopien im einzelnen mit dem Inhalt der Gutachten befassen und alsdann prüfen mußten, welcher Sachverständige für die Erstattung des Gutachtens nach § 109 SGG als besonders geeignet in Frage kam, nicht als "grobe" Nachlässigkeit ausgelegt werden, wenn sie mit der Benennung des Sachverständigen bis zum Ablauf der Frist für die Einzahlung des Kostenvorschusses gewartet haben. Zwar ist Prof. Dr. P erst einige Tage nach Ablauf dieser Frist mit Schriftsatz vom 4. März 1965 benannt worden; diese geringfügige Zeit von wenigen Tagen kann jedoch in Anbetracht des Umstandes, daß die Prozeßbevollmächtigten des Klägers nur etwa 3 Wochen vom Erhalt der Fotokopien bis zur Benennung des Sachverständigen haben verstreichen lassen, nicht in einem solchen Ausmaß ins Gewicht fallen, daß darin allein eine "grobe" Nachlässigkeit i. S. des § 109 Abs. 2 SGG zu erblicken ist. Bei Berücksichtigung sämtlicher oben angeführten Umstände hat das LSG das ihm in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen überschritten und somit § 109 Abs. 2 SGG verletzt. Die Revision des Klägers ist daher wegen dieses wesentlichen Verfahrensmangels nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Die Revision ist auch begründet, weil die Möglichkeit besteht, daß das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn es dem Antrag des Klägers, Prof. Dr. P nach § 109 SGG zu hören, stattgegeben hätte (vgl. BSG 2, 197). Da der Senat nicht selbst entscheiden konnte, weil noch die Anhörung eines Sachverständigen nach dieser Vorschrift zu erfolgen hat, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen