Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitserlaubnis und Verfügbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus dem ArblVAbk ESP Art 4 vom 20.4.1966 (BGBl II 1967, 1945) enthaltenen Grundsatz der Gleichbehandlung kann nicht geschlossen werden, daß spanische Arbeitnehmer keiner Arbeitserlaubnis bedürfen.
2. Für spanische Staatsangehörige richtet sich die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach NiederlVtr ESP Art 10 vom 23.4.1970 (BGBl II 1972, 1041) bzw nach den Vorschriften der ArbErlaubV.
Orientierungssatz
1. Das Erfordernis des "Arbeitendürfens" kann nicht so verstanden werden, daß die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitslosen stets das Vorhandensein einer Arbeitserlaubnis voraussetzt.
Das wäre mit der Regelung des AFG § 19 Abs 1 unvereinbar.
2. AFG § 103 Abs 1 Nr 1 ist dahin zu verstehen, daß erst dann feststeht, daß ein ausländischer Arbeitnehmer eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben darf, wenn diesem Arbeitnehmer der ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt verschlossen ist.
3. Der Arbeitsmarkt ist einem ausländischen Arbeitnehmer regelmäßig nicht schon dann verschlossen, wenn eine Arbeitserlaubnis deshalb noch nicht erteilt wird, weil nach der gegenwärtigen Lage des Arbeitsmarktes noch ungewiß ist, ob und wann und für welche Arbeit der ausländische Arbeitslose vermittelt werden kann. Solange es im Geltungsbereich des AFG überhaupt noch einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in dem Berufsbereich, dem der einzelne zugehört, oder im Bereich ungelernter Arbeitskräfte gibt und dementsprechend auch auf die Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer nicht generell verzichtet werden kann, besteht die Möglichkeit einer Vermittlung.
Normenkette
AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 19 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; ArbErlaubV § 1 Nrn. 1-2, § 2 Abs. 5; AFG § 134 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25; ArblVAbk ESP Art. 4 Fassung: 1966-04-20; NiederlVtr ESP Art. 10 Fassung: 1970-04-23
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. März 1976 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu gewähren ist, insbesondere ob die Klägerin Aussicht auf eine Arbeitserlaubnis (AE) hatte und damit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.
Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Sie lebt seit Februar 1970 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist mit einem spanischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit ihm zwei in 1972 und 1974 geborene Kinder, die im gemeinsamen Haushalt der Eltern leben. Ihr letztes Arbeitsverhältnis endete am 22. Februar 1973. Anschließend erhielt sie Arbeitslosengeld (Alg) für 312 Tage bis 31. März 1974. Ihre Arbeitsbereitschaft beschränkte sie im Hinblick auf die Kinderbetreuung auf eine Arbeit für 6 Stunden an 5 Tagen der Woche in Wechselschicht.
Am 4. Juli 1974 beantragte die Klägerin die Gewährung von Anschluß-Alhi. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, aus arbeitsmarktpolitischer Sicht könne der Klägerin eine AE nicht wieder erteilt werden, weil eine Vermittlung in Arbeit in absehbarer Zeit nicht realisierbar sei. Für die Tätigkeiten, für die die Klägerin in Betracht komme, seien deutsche Arbeitskräfte in ausreichender Zahl vorhanden. Sie stehe somit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung (Bescheid vom 5. August 1974). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1975). Den Widerspruchsbescheid begründete die Beklagte auch damit, daß die Klägerin nicht bedürftig i.S. der §§ 134, 137, 138 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sei. Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin betrage unter Zugrundelegung des Abrechnungszeitraums Februar 1974 monatlich 980,13 DM. Davon seien nach Abzug der Freibeträge für den Ehemann und das damals einzige Kind 116,18 DM auf die wöchentliche Alhi der Klägerin von 90,- DM anzurechnen, so daß ein Zahlbetrag für sie nicht verbleibe. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die dagegen erhobene Klage durch Urteil vom 24. Juli 1975 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 9. März 1976). Es hat in den Urteilsgründen, auf die Bezug genommen wird, ausgeführt: Der Anspruch auf Alhi sei nicht begründet, weil die Klägerin keine Aussicht auf Erteilung einer AE habe. Eine solche Aussicht sei Voraussetzung der Verfügbarkeit nach § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG. Dies folge aus dem Vorrang der Vermittlung vor der Gewährung von Geldleistungen. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über Arbeitslosenversicherung vom 20. April 1966 (BGBI II 1967, 1945) habe hieran nichts geändert. Die Zubilligung eines Anspruchs auf Alhi in Art. 12 des Abkommens sei durch diese Auslegung nicht hinfällig. Alhi komme in Betracht, wenn z.B. bei guter Beschäftigungslage aus persönlichen Gründen Arbeitslosigkeit eintrete und auch bei schlechter Beschäftigungslage, wenn der Betreffende im Besitz einer unwiderruflich erteilten, noch gültigen AE sei oder ein Anspruch auf Erteilung einer AE unbeschadet der Lage des Arbeitsmarktes bestehe. Der in Art. 4 des Abkommens festgelegte Gleichbehandlungsgrundsatz bedeute nicht, daß es nicht auf die Möglichkeit der Erteilung einer AE ankomme. Dies ergebe sich schon aus Art. 10 Abs. 1 des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat vom 23. April 1970 (BGBI II 1972, 1041). Der dort getroffenen eingehenden Regelung über die Gewährung von AEen hätte es nicht bedurft, wenn Art. 4 des Abkommens über Arbeitslosenversicherung die Notwendigkeit der AE hätte beseitigen wollen. Ein weiterer Hinweis ergebe sich aus dem Schlußprotokoll zum Abkommen über Arbeitslosenversicherung. Wenn sich dort die Bundesrepublik Deutschland verpflichte, den spanischen Arbeitnehmern Beschäftigungsbeschränkungen nicht aufzuerlegen, um die Verwirklichung des Anspruchs auf Leistungen nach diesem Abkommen zu beeinträchtigen, so sei daraus der Schluß zu ziehen, daß die Aussicht auf Erteilung einer AE Voraussetzung der Leistungen sei. Damit entfalle ein Anspruch der Klägerin auf Alhi, da Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Arbeitsamtsbezirk Hannover, auf den die Beklagte eine AE beschränken konnte, es nicht rechtfertigten, der Klägerin auf absehbare Zeit eine AE zu erteilen. Unerheblich sei dabei, ob im Einzelfall ein für deutsche Arbeitnehmer nicht in Betracht kommender Arbeitsplatz vorhanden sei, für den die Beklagte der Klägerin eine AE erteilt haben würde; in jedem Fall hätten Arbeitsplätze der genannten Art nicht in nennenswerter Zahl zur Verfügung gestanden. Bei dieser Situation wäre es nicht ermessensfehlerhaft gewesen, wenn die Beklagte im Hinblick auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine AE versagt hätte. Die Klägerin habe auch weder nach der Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) noch nach dem deutschspanischen Niederlassungsvertrag einen Anspruch auf eine AE unabhängig von der Lage des Arbeitsmarktes. Insbesondere liege keine Härte vor, die nach Art. 10 Abs. 4 des Niederlassungsvertrages oder § 2 Abs. 5 AEVO die Erteilung einer AE rechtfertigen würde. Als Härte könne weder angesehen werden, daß der Ehemann eine AE habe und deshalb die Klägerin ein Interesse daran habe, ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland zu arbeiten, noch daß die Klägerin durch die allgemeinen Umstände, denen Gastarbeiter im Gastland ausgesetzt sind, zum Kreis der sozial Schwachen und damit Schutzbedürftigen gehöre. Es handele sich hier um einen Dauerzustand, während der Gesichtspunkt der Härte in der Regel nur vorübergehenden Notlagen Rechnung tragen solle.
In der Verweigerung der AE sei auch kein Verstoß gegen das Schlußprotokoll zum Abkommen über Arbeitslosenversicherung zu sehen; aber selbst wenn dies der Fall wäre, sei dieses Schlußprotokoll doch nicht unmittelbar geltendes Recht und deshalb nicht einklagbar.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 134 Abs. 1, 103 Abs. 1 Nr. 1 und 168 Abs. 1 AFG. Sie führt dazu aus: Die Verfügbarkeit nach § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG sei unabhängig von der Erteilung einer AE zu beurteilen. Eine andere Beurteilung verletze das Versicherungsprinzip, weil ausländische Arbeitnehmer nach § 168 Abs. 1 AFG in gleicher Weise der Beitragspflicht unterlägen, durch die Auffassung des LSG aber von den Leistungen weitgehend ausgeschlossen seien. Im übrigen sei Verfügbarkeit gerade unabhängig von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu beurteilen, denn schlechte Arbeitsmarktlage sei regelmäßig der Grund der Arbeitslosigkeit. In einer solchen Situation könne der Leistungsanspruch nicht von einer Entscheidung abhängig gemacht werden, die die leistungspflichtige Stelle selbst zu treffen habe. Im übrigen ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und den sonstigen Bestimmungen des deutsch-spanischen Abkommens über Arbeitslosenversicherung sowie dem Schlußprotokoll, daß es auf die AE nicht ankommen könne.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 1975 zu verurteilen, der Klägerin ab 22. März 1974 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Alhi ist nach § 134 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG, daß die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland arbeiten "darf". Diese Voraussetzung ist nicht schon durch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Arbeitslosenversicherung gesichert. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, kann aus dem in Art. 4 des Abkommens enthaltenen Grundsatz der Gleichbehandlung nicht geschlossen werden, daß spanische Arbeitnehmer keiner AE bedürfen. Das ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 des deutsch-spanischen Niederlassungsvertrages, der die Voraussetzungen für die Erteilung von AEen regelt. Das LSG hat ferner mit Recht darauf hingewiesen, daß dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht entnommen werden kann, daß im Rahmen des Leistungsrechts eine AE generell zu fingieren sei. Eine solche vom System des AFG völlig abweichende Regelung hätte im Wortlaut des Abkommens deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Außerdem ergibt sich aus dem von der Klägerin erwähnten Schlußprotokoll, daß eine solche Regelung nicht gewollt war. Wenn dort bestimmt wird, daß sich die Regierungen der vertragsschließenden Staaten verpflichten daraufhin zu wirken, daß allgemeine oder besondere Beschäftigungsbeschränkungen Arbeitnehmern, die Angehörige des anderen Staates sind, nicht auferlegt werden, um die Verwirklichung des Anspruchs auf Leistungen aufgrund der Vorschriften des Abkommens zu beeinträchtigen, so wird darin vorausgesetzt, daß Beschäftigungsbeschränkungen einen Einfluß auf die Gewährung von Alg und Alhi haben können. Andernfalls wäre diese Bestimmung des Schlußprotokolls überflüssig gewesen.
Das LSG hat ferner zutreffend entschieden, daß die Klägerin weder nach der AEVO noch nach dem deutsch-spanischen Niederlassungsvertrag einen von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unabhängigen Anspruch auf Erteilung einer AE hatte. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AEVO ist dafür Voraussetzung, daß der betreffende ausländische Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der beantragten AE ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit rechtmäßig im Geltungsbereich der AEVO ausgeübt hat. Nach Art. 10 Abs. 3 des deutsch-spanischen Niederlassungsvertrages wird eine fünfjährige ununterbrochene Beschäftigung oder ein mindestens achtjähriger ordnungsgemäßer Aufenthalt im Gebiet des Vertragsstaates vorausgesetzt. Die Klägerin erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Sie hält sich weder seit acht Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf, noch hat sie fünf Jahre lang ununterbrochen eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt.
Zu Unrecht hat das LSG jedoch den Anspruch auf eine AE nach § 10 Abs. 5 des Niederlassungsvertrages uneingeschränkt verneint. Nach dieser Vorschrift hat der Ehegatte eines Arbeitnehmers, der im Besitz einer AE nach § 10 Abs. 3 ist, ebenfalls Anspruch auf Erteilung einer AE, wenn er sich seit fünf Jahren ordnungsgemäß in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Diese Voraussetzung war zwar bei Stellung des Antrags auf Gewährung von Alhi im Juli 1974 noch nicht erfüllt. Noch vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, nämlich im Februar 1975, war diese Frist jedoch verstrichen, so daß das LSG hätte feststellen müssen, ob die Klägerin von diesem Zeitpunkt an die Voraussetzungen erfüllte, d.h. also sich während der fünf Jahre ordnungsgemäß in der Bundesrepublik aufgehalten hat und ihr Ehemann im Besitz einer AE nach § 10 Abs. 3 des deutsch-spanischen Niederlassungsvertrages ist.
Umstände, die die Anwendung der in § 2 Abs. 5 AEVO und Art. 10 Abs. 4 des Niederlassungsvertrages enthaltenen Härteregelungen rechtfertigen würden, liegen jedoch nicht vor. Die Tatsache, daß ein Ehepaar mit zwei Kindern allein von dem Erwerbseinkommen des Ehemannes leben muß, begründet nicht ohne weiteres den Tatbestand einer Härte. Besondere Umstände sind weder vorgetragen noch festgestellt worden.
Mit der Feststellung, daß kein Anspruch auf eine AE besteht, ist der angefochtene Bescheid aber noch nicht rechtmäßig. Die Entscheidung, ob die Klägerin im Geltungsbereich des AFG arbeiten darf, hängt dann nämlich noch von weiteren Voraussetzungen ab. Das Erfordernis des "Arbeitendürfens" kann nicht so verstanden werden, daß die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitslosen stets das Vorhandensein einer AE voraussetzt.
Das wäre mit der Regelung des § 19 Abs. 1 AFG unvereinbar. Das dort ausgesprochene Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt für Ausländer ist so ausgestaltet, daß eine AE nicht schon für die Arbeitsuche, sondern erst für die Ausübung einer Beschäftigung erforderlich ist. Es wäre mit der Systematik des Gesetzes nicht zu vereinbaren, die Leistung von Alhi (und Alg) davon abhängig zu machen, daß bei Beginn der Arbeitslosigkeit bereits eine AE erteilt wird. Eine solche Auslegung würde die BA zwingen, arbeitslosen ausländischen Arbeitnehmern bei Beginn der Arbeitslosigkeit immer eine AE zu erteilen, die nicht auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb beschränkt ist, obwohl ihr das Gesetz (§ 19 Abs. 1 Satz 3 AFG; § 1 Nr. 1 AEVO) ausdrücklich ein Ermessen einräumt, zwischen der Erteilung einer AE für eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb und der Erteilung einer AE ohne diese Beschränkungen zu wählen. Außerdem wären bei einer solchen Praxis die ausländischen Arbeitslosen wie deutsche Arbeitsuchende zu vermitteln, da sie dann immer im Besitz einer AE (§ 1 Nr. 2 AEVO) wären. Die BA könnte im einzelnen Fall nicht mehr prüfen, ob ein Arbeitsplatz wegen der hohen Zahl deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitsloser diesem Personenkreis vorbehalten bleiben muß. Dadurch würde der Zweck des § 19 AFG, einen Vorrang deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitsuchender bei der Vermittlung sicherzustellen, vereitelt. Aber auch die Erteilung einer AE für eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb ist erst möglich, wenn im Rahmen der Vermittlungsbemühungen der BA zu erkennen ist, ob für den ausländischen Arbeitsuchenden ein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist. Aus diesen Gründen kann die Verfügbarkeit i.S. des § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht wegen des Wortlauts ("darf") von dem Vorliegen einer AE von vornherein abhängig gemacht werden.
Die Versagung von Alg oder Alhi wegen fehlender AE würde ebenfalls zu systemwidrigen Folgen führen. Die ausländischen Arbeitnehmer unterliegen wie die deutschen Arbeitnehmer der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge dienen in erster Linie der Sicherung eines Anspruchs auf Leistungen für den Lebensunterhalt in der Zeit, in der die ausländischen Arbeitnehmer nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben und mit Hilfe der Arbeitsvermittlung der BA eine neue Arbeitsstelle suchen müssen. Diesem System würde es widersprechen, die Gewährung von Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, von einer Ermessensentscheidung (Erteilung oder Nichterteilung einer generellen AE) bei Beginn der Arbeitslosigkeit abhängig zu machen.
Die Leistungen von Alg (und auch von Alhi) an ausländische Arbeitnehmer hat überdies im System der Steuerung des Arbeitsmarktes durch die BA eine besondere Bedeutung. Sie ermöglicht es der Arbeitsverwaltung, einen Bestand an verfügbaren ausländischen Arbeitskräften zu erhalten, der erforderlich ist, um Arbeitsplätze, für die deutsche Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen, jederzeit besetzen zu können. Die Verweigerung der genannten Leistungen bei wörtlicher Anwendung des § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG müßte dazu führen, daß die ausländischen Arbeitnehmer Leistungen aus der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Anspruch nehmen. Das wiederum könnte dazu führen, daß ein solcher ausländischer Arbeitsloser nach § 10 Abs. 1 Nr. 10 des Ausländergesetzes (AuslG) alsbald ausgewiesen werden muß, obwohl mittel- oder langfristig gesehen noch Bedarf für derartige Arbeitskräfte bestehen kann, der dann durch - möglicherweise kostenaufwendigere - Neuanwerbungen gedeckt werden müßte.
Letztlich würde die Verweigerung von Alg und Alhi gegenüber ausländischen Arbeitslosen auch zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Veränderung der Lastenverteilung zwischen der BA und dem Bund (vgl. § 188 AFG) einerseits und den Trägern der Sozialhilfe, insbesondere den Kommunen (§ 96 BSHG) andererseits führen. Nach den Regelungen des AFG sind die Lasten des Unterhalts derjenigen, die einige Zeit in Arbeit gestanden haben und wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes und der dann notwendigen Arbeitsuche nunmehr auf Leistungen für den Lebensunterhalt angewiesen sind, in dem im AFG festgelegten Umfang von der BA zu tragen, solange diese Arbeitskräfte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen. Nur der überschießende Bedarf und der Bedarf der übrigen Hilfsbedürftigen fällt nach dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 2 BSHG) den Trägern der Sozialhilfe zur Last. Diese Lastenverteilung bei Ausländern zu durchbrechen, besteht kein sachlicher Grund.
Alle die genannten, mit Ziel, Sinn und Zweck des AFG nicht zu vereinbarenden Folgen sind nur zu vermeiden, wenn § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG dahin verstanden wird, daß erst dann feststeht, daß ein ausländischer Arbeitnehmer eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben darf, wenn diesem Arbeitnehmer der ihm nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfang seiner Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt verschlossen ist. Das ist regelmäßig nicht schon dann der Fall, wenn eine AE deshalb noch nicht erteilt wird, weil nach der gegenwärtigen Lage des Arbeitsmarktes noch ungewiß ist, ob und wann und für welche Arbeit der ausländische Arbeitslose vermittelt werden kann. Solange es im Geltungsbereich des AFG überhaupt noch einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in dem Berufsbereich, dem der einzelne zugehört, oder im Bereich ungelernter Arbeitskräfte gibt und dementsprechend auch auf die Vermittlung ausländischer Arbeitnehmer nicht generell verzichtet werden kann, besteht die Möglichkeit einer Vermittlung.
Allerdings kann sich nach einer längeren Zeit der Vermittlungsbemühungen ergeben, daß der ausländische Arbeitslose, der sich befugt im Geltungsbereich des AFG aufhält, also eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, nach Lage des Arbeitsmarktes nicht zu vermitteln ist. Wenn dann nach der voraussehbaren Entwicklung ebenfalls keine Änderungen zu erwarten sind, ist erkennbar, daß sich auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden läßt, für die eine AE erteilt werden kann und die der ausländische Arbeitslose damit i.S. des § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG ausüben "darf". Erst von diesem Zeitpunkt an fehlt es an der Voraussetzung für die Gewährung von Alg und Alhi. Um zu einer solchen Feststellung gelangen zu können, müssen die Vermittlungsbemühungen der BA (nicht eingerechnet Unterbrechungen durch Krankheit, Urlaub u.ä.) mindestens ein Jahr betragen haben, damit kurzfristige und jahreszeitbedingte Konjunkturschwankungen nicht den Ausschlag geben. Dabei ist es erforderlich, daß während dieses Jahres Vermittlungsbemühungen zumindest in dem Sinne unternommen werden, daß bei jeder freiwerdenden Stelle, die für den ausländischen Arbeitsuchenden in Betracht kommt, geprüft wird, ob er dorthin vermittelt und ob ihm hierfür eine AE erteilt werden kann. Außerdem müssen die überörtlichen Möglichkeiten der Vermittlung ausgeschöpft werden. Es muß auch geprüft werden, ob durch berufliche Fortbildung oder Umschulung in Berufe, in denen eine bessere Unterbringungschance besteht, die Unterbringung des ausländischen Arbeitsuchenden gefördert werden kann. Erst wenn alle diese Bemühungen mindestens ein Jahr lang nicht zum Erfolg führen, ist der ausländische Arbeitslose i.S. des § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG nicht mehr als verfügbar anzusehen, so daß ihm auch kein Anspruch auf Alhi mehr zustehen kann. Dadurch wird allerdings nicht ausgeschlossen, daß der arbeitslose Ausländer auf die übrigen Dienste der BA, insbesondere Vermittlung und Beratung sowie auf Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung weiterhin einen Anspruch hat. Die Feststellung, daß der Arbeitsmarkt verschlossen ist, bezieht sich nämlich nur auf die Verfügbarkeit und damit auf eine Anspruchsvoraussetzung für die Leistung von Alg und Alhi.
Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht zu erkennen, ob die dargelegten Voraussetzungen vorlagen, um die Ablehnung der Alhi zu rechtfertigen. Der Bescheid der Beklagten bringt zwar zum Ausdruck, daß die Klägerin nicht unterzubringen war, gibt jedoch nicht im einzelnen an, welche Möglichkeiten gegeben waren, sie nach ihren Fähigkeiten zu vermitteln und wieso sie dabei nicht berücksichtigt werden konnte. Es fehlt auch eine Darlegung, ob und mit welchem Ergebnis die Möglichkeiten überörtlicher Vermittlung geprüft wurden. Es ist ferner nicht zu erkennen, ob und gegebenenfalls warum nicht der Versuch gemacht wurde, durch Fortbildung und Umschulungsmaßnahmen die Klägerin in die Lage zu versetzen, eine Tätigkeit auszuüben, für die auf dem Arbeitsmarkt Bedarf bestand. Die entsprechenden Feststellungen werden noch nachzuholen sein.
Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Alhi kann aber auch unabhängig von der Arbeitsmarktlage daran scheitern, daß sie nur zu einer Arbeit in Wechselschicht mit ihrem Ehemann bereit und in der Lage war und deshalb der Arbeitsvermittlung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung stand (BSG, Urteil vom 19. Dezember 1975 - 7 RAr 10/72 - ABA 1974, 125). Hierzu müssen ebenfalls noch Feststellungen getroffen werden.
Weiterer Feststellungen bedarf es auch zur Frage der Bedürftigkeit. Der Anspruch kann nämlich auch daran scheitern, daß die Klägerin wegen des Einkommens ihres Ehemannes nicht bedürftig war (§ 134 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 137 AFG). Diese Frage kann ebenfalls vom Senat nicht abschließend entschieden werden. Zwar sind in dem Widerspruchsbescheid konkrete Zahlen genannt; diese sind aber vom LSG nicht festgestellt worden. Außerdem betreffen sie nur die Zeit bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides und nicht den folgenden, ebenfalls streitigen Zeitraum.
Im übrigen bedarf es für den Umfang eines etwaigen Anspruchs auf Alhi auch noch der Feststellung, inwieweit die Klägerin in der Zwischenzeit durch Schwangerschaft oder Krankheit nicht verfügbar war und deshalb die Voraussetzungen des Leistungsbezuges vorübergehend aus anderen Gründen entfallen waren.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen