Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit (EU/BU). Der Kläger, der von 1967 bis 1970 eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann ohne Abschlußprüfung durchgemacht hat, war zunächst als Hilfsarbeiter tätig und zuletzt von 1982 bis 1988 bei einem Speditionsunternehmen als Kraftfahrer beschäftigt, wo er im Nah- und Fernverkehr eingesetzt war. Im März 1987 legte er die Prüfung als Berufskraftfahrer der Fachrichtung Güterverkehr ab.
Im April 1989 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versichertenrente wegen EU/BU. Eine orthopädische Begutachtung ergab beim Kläger verschiedene Gesundheitsstörungen an den oberen Extremitäten; aufgrund dessen wurden nur noch körperlich leichte Arbeiten vollschichtig als zumutbar angesehen. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 1989 den Rentenantrag des Klägers ab.
Der im Klageverfahren beauftragte Sachverständige hat den Kläger nicht mehr für in der Lage gehalten, den Kraftfahrerberuf auszuüben. Er könne aber noch mit näher beschriebenen Einschränkungen vollschichtig tätig sein. Mit Urteil vom 18. Februar 1991 hat das Sozialgericht (SG) die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger genieße als Berufskraftfahrer keinen Berufsschutz als Facharbeiter, sondern sei als Angelernter oberen Ranges einzustufen. Als solcher könne er mit dem verbliebenen Leistungsvermögen zumutbar auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners oder auf einfache Bürotätigkeiten verwiesen werden.
Nach weiterer Sachaufklärung hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und im einzelnen ausgeführt: Als bisheriger Beruf des Klägers sei der des Kraftfahrers zugrunde zu legen, den er im wesentlichen im Güternah- und Fernverkehr ausgeübt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers vermöge dieser Kraftfahrerberuf keinen Berufsschutz als Facharbeiter iS des von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelten sog Mehrstufenschemas zu begründen. Als Kraftfahrer im Güterverkehr sei der Kläger nicht als Facharbeiter, sondern als Angelernter oberen Ranges einzustufen und könne sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit eines einfachen Pförtners verwiesen werden, wie das SG zutreffend ausgeführt habe. Etwas anderes ergebe sich selbst dann nicht, wenn dem Kläger im Hinblick auf die langjährig ausgeübte Kraftfahrertätigkeit Berufsschutz als Facharbeiter zugebilligt würde. Facharbeiter seien grundsätzlich auf gewisse Büroarbeiten verweisbar. Bei der Auswertung von Tarifverträgen der Industrie ergebe sich aus der Anlage zum Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin (kaufmännische Angestellte), daß sieben Gehaltsgruppen für kaufmännische Angestellte im Bürobereich unterschieden werden. Dem Kläger seien jedenfalls die in der Gruppe K 3 genannten Tätigkeiten zumutbar. Nach dieser Gruppe würden Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit unter Anleitung entlohnt. Dies bedeute das Führen von einfachem Schriftwechsel nach Anleitung, die Durchführung einfacher Buchhaltungsarbeiten, auch von einfachen Kontierungen, Hilfsarbeiten bei der Erledigung von Formalitäten zu Einstellungen und Entlassungen und bei der Verwaltung von Arbeitspapieren, das Erledigen von einfachen Arbeiten des Einkaufs und der Geräteverwaltung, ferner das Führen von Bau- und Lohnkassen. Eine solche Tätigkeit sei dem Kläger sozial und gesundheitlich zumutbar. Es handele sich um eine körperlich leichte Arbeit, die er noch vollschichtig verrichten könne. Er erfülle auch die hierzu erforderlichen geistig-seelischen Voraussetzungen. Da er von 1967 bis 1970 eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann – wenn auch ohne Abschlußprüfung – absolviert habe, verfüge er über einschlägige Vorkenntnisse, die es ihm ohne weiteres erlaubten, die beschriebenen Verweisungstätigkeiten nach längstens dreimonatiger Einarbeitung oder Anlernung vollwertig zu verrichten (Urteil vom 12. Oktober 1992).
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts durch das Berufungsgericht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Oktober 1992 und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 18. Februar 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 1989 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Mai 1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist unbegründet.
Über die Ansprüche des Klägers ist noch unter Anwendung der Vorschriften der RVO zu entscheiden, denn der Kläger hat vor dem 1. Januar 1992 für einen vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum Ansprüche geltend gemacht (§ 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch – ≪SGB VI≫).
Nach § 1247 Abs 1 RVO erhält Rente wegen EU, wer erwerbsunfähig ist, zuletzt vor Eintritt der EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt und die Wartezeit erfüllt hat. Ein solcher Anspruch scheitert beim Kläger daran, daß keine EU vorliegt. Denn aufgrund der Tatsachenfeststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), kann der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten vollschichtig verrichten.
Soweit der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen BU geltend macht, ist die Revision ebenfalls unbegründet. Nach § 1246 Abs 1 RVO setzt dieser Anspruch ua voraus, daß der Versicherte berufsunfähig ist. Nach Abs 2 der Vorschrift ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zu Recht hat das LSG nach dem beruflichen Werdegang des Klägers dessen zuletzt ausgeübte Tätigkeit eines Kraftfahrers im Güternah- und Fernverkehr als bisherigen Beruf angenommen. Nach den vom Kläger unangegriffenen und somit bindenden Feststellungen des LSG kann der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen seinen bisherigen Beruf eines Kraftfahrers nicht mehr ausüben. Zutreffend hat das LSG angenommen, daß der Kläger bei diesem Sachverhalt nur dann berufsunfähig ist, wenn er nach dem vom BSG entwickelten Berufsgruppenschema nicht auf eine sozial und gesundheitlich zumutbare andere Tätigkeit iS von § 1246 Abs 2 RVO verwiesen werden kann.
In seiner Hilfsbegründung ist das LSG davon ausgegangen, daß es sich bei der Tätigkeit eines Kraftfahrers im Güterverkehr im günstigsten Fall um eine Facharbeitertätigkeit handelt. Hierbei hat das LSG die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe beachtet, nach denen die bisherige Tätigkeit eines Versicherten allenfalls wie eine Facharbeitertätigkeit gewertet werden kann. Wenn das LSG bei der Wertung der Einzelumstände zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger könne aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit (hilfsweise) in die Berufsgruppe der Facharbeiter eingestuft werden, so handelt es sich dabei um Beweiswürdigung, die vom Kläger nicht angegriffen ist. Das LSG hat bei seiner Entscheidung auch den Begriff der nach dem Berufsgruppenschema zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht verkannt. Dabei darf der Versicherte grundsätzlich nur auf die seinem Beruf folgende niedrigere Gruppe verwiesen werden. Dies ist bei einem Facharbeiter die Gruppe der „angelernten” Arbeiter. Diesbezüglich hat das LSG nach Auswertung von Tarifverträgen die in seinem Urteil näher bezeichneten kaufmännischen Tätigkeiten ermittelt, was der Kläger nicht angegriffen hat. Ebenfalls unangegriffen hat das LSG festgestellt, daß der Kläger die bezeichneten Tätigkeiten mit dem ihm verbliebenen gesundheitlichen Leistungsvermögen ausüben und aufgrund seiner Vorbildung nach einer Einarbeitung oder Anlernung von längstens drei Monaten vollwertig verrichten kann.
Da somit jedenfalls nach den für die Hilfsbegründung maßgebenden und für das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindenden Feststellungen des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Rente fehlen, war seine Revision zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Auf die von ihm allein gegen die Hauptbegründung des angefochtenen Urteils gerichteten Rügen kommt es deshalb nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen