Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsrechtliche Zuordnung von wiederkehrenden Sonderzahlungen
Orientierungssatz
Wiederkehrende Sonderzahlungen, zu denen ua auch die Tantiemen zählen, waren vor der gesetzlichen Neuregelung zum 1.1.1984 abweichend von dem in § 4 ArEV 1977 idF vom 6.7.1977 enthaltenen Prinzip der Anrechnung auf den Zuflußzeitraum dann nicht als einmalige Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift, sondern als Teil des laufend erdienten Lohns anzusehen und demgemäß für die Beitragsberechnung auf die einzelnen Lohnperioden des Bezugszeitraumes anteilig zu verteilen, wenn sie auch den vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit bzw vor dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres ausgeschiedenen Arbeitnehmern anteilig zustanden (Festhaltung an BSG 2.6.1982 12 RK 4/82 = Nr 3).
Normenkette
ArEV § 4 Fassung: 1977-07-06
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.11.1983; Aktenzeichen L 4 Kr 18/83) |
SG Lüneburg (Entscheidung vom 24.11.1980; Aktenzeichen S 9 Kr 6/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die beitragsrechtliche Berücksichtigung von Tantiemen, die die Beigeladenen zu 1) und 2) im Jahre 1978 vom Kläger erhielten.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) - Söhne des Klägers - sind in einer vom Kläger betriebenen Ford-Vertragswerkstatt und Esso-Service- Station als Angestellte beschäftigt und bezogen im Jahre 1977 ein monatliches Bruttogehalt von je 2.652,-- DM. Ende März und Ende Oktober 1978 erhielten sie für das Kalenderjahr 1977 die vereinbarten Tantiemen, und zwar der Beigeladene zu 1) zweimal 13.400,-- DM und der Beigeladene zu 2) zweimal 13.250,-- DM.
Die Beklagte bezog diese Tantiemen zunächst auf die zwölf Beschäftigungsmonate des Jahres 1978 und die ersten fünf Monate des Jahres 1979 und forderte mit Bescheid vom 31. Juli 1979 für diesen Zeitraum vom Kläger Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Höhe von 5.526,32 DM nach. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 1980; Urteil des Sozialgerichts -SG- Lüneburg vom 24. November 1980). Nachdem der Kläger gegen das Urteil des SG Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt hatte, hob die Beklagte ihren Bescheid vom 31. Juli 1979 auf und forderte mit einem neuen Bescheid vom 17. Juli 1981 aus Anlaß der für 1977 gezahlten Tantiemen Beiträge in Höhe von 2.509,12 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1977 nach.
Während eines - Beitragsforderungen für die Jahre 1978 und 1979 betreffenden - weiteren Klageverfahrens vor dem SG Lüneburg (S 9 Kr 1/82) ließ der Kläger schriftliche Tantieme-Vereinbarungen mit den Beigeladenen zu 1) und 2) vorlegen, die sich auf die Jahre 1975 bis 1980 beziehen. Diese Vereinbarungen enthalten neben der Bemessungsregelung der Tantiemen nach einem Prozentsatz des Umsatzes im jeweiligen Tätigkeitsbereich folgende Bestimmung:
"Für das Kalenderjahr der Betriebsübergabe, für das Kalenderjahr der Einstellung des Betriebes und für das Kalenderjahr der Auflösung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Anspruch auf die Zahlung der Tantieme. Außerdem erfolgt die Zahlung der Tantieme nur dann, wenn der Betriebsgewinn das 2-fache ihres Jahres-Bruttogehaltes übersteigt.
Die Tantieme wird nach Fertigstellung des Jahresabschlusses fällig, und zwar
eine Hälfte bis zum 31. Juli und eine Hälfte bis zum 31. Oktober
des auf den Abschlußtag folgenden Jahres."
Das LSG hat die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juli 1981 mit Urteil vom 15. November 1983 abgewiesen. Es hat das Urteil des SG nach der Rücknahme des Bescheides vom 31. Juli 1979 durch die Beklagte als gegenstandslos angesehen und den Bescheid vom 17. Juli 1981 gemäß §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als vom Berufungsverfahren erfaßt behandelt. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Behandlung von Tantiemen bei der Beitragsberechnung hat das LSG ausgeführt, das früher für maßgeblich gehaltene Zuflußprinzip sei dort nicht gerechtfertigt, wo dies zu erheblichen beitragsrechtlichen Nachteilen führe. Es hat jedoch die vom Senat für die Beitragsberechnung bei Sonderzahlungen aufgestellten Grundsätze (Verteilung der Sonderzahlung auf das ganze Jahr, wenn der Beschäftigte bei vorzeitigem Ausscheiden einen anteiligen Anspruch gehabt hätte) vorliegend nicht für anwendbar gehalten, weil das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht vorzeitig beendet worden sei. Für die rechtliche Zuordnung von Tantiemezahlungen seien nicht hypothetische, sondern nur die realisierten Verhältnisse maßgebend. Der Einwand des Klägers, für das Kalenderjahr der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestehe nach der Vereinbarung mit den genannten Beigeladenen kein Tantiemeanspruch, rechtfertige keine andere Beurteilung. Entscheidend sei, daß dieser in der Tantiemevereinbarung aufgeführte Ausnahmefall für das hier streitige Kalenderjahr 1977 nicht vorliege.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 4 der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV) in der bis zum 31. Dezember 1983 gültigen Fassung. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. April 1982 - 12 RK 12/80 - sei die Tantiemezahlung hier eindeutig als einmalige Zuwendung iS des § 4 ArEV aF anzusehen. Zwischen den Vertragsparteien sei ausdrücklich vereinbart worden, daß bei vorzeitigem Ausscheiden für das laufende Kalenderjahr in jedem Falle - unabhängig von der Höhe des Betriebsgewinnes - kein Anspruch auf die Sonderzahlung bestehe. Das BSG habe seine Entscheidung nicht davon abhängig gemacht, ob das Arbeitsverhältnis inzwischen aufgelöst worden sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG und den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1981 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 4) und die im Revisionsverfahren nicht vertretenen Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich nicht zur Sache geäußert.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.
Das LSG hat zutreffend nur über den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1981 entschieden, der während des Berufungsverfahrens erlassen worden war und, da er den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 31. Juli 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1980 im vollen Umfang ersetzt hatte, gemäß § 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden war. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, daß der Bescheid vom 17. Juli 1981 den Anforderungen des § 24 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) entsprach, weil die Beklagte vor seinem Erlaß dem Kläger und den Beigeladenen zu 1) und 2) als den betroffenen Beteiligten mit dem Schreiben vom 15. Juni 1981 Gelegenheit gegeben hatte, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
In der Sache kann die Entscheidung des LSG jedoch nicht bestätigt werden. Sie steht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Senats zur beitragsrechtlichen Zuordnung von wiederkehrenden Sonderzahlungen. Solche Sonderzahlungen, zu denen ua auch die Tantiemen zählen, waren nach den vom Senat hierzu aufgestellten Grundsätzen vor der gesetzlichen Neuregelung zum 1. Januar 1984 abweichend von dem in § 4 ArEV aF enthaltenen Prinzip der Anrechnung auf den Zuflußzeitraum dann nicht als einmalige Einnahmen im Sinne dieser Vorschrift, sondern als Teil des laufend erdienten Lohns anzusehen und demgemäß für die Beitragsberechnung auf die einzelnen Lohnperioden des Bezugszeitraumes anteilig zu verteilen, wenn sie auch den vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit bzw vor dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres ausgeschiedenen Arbeitnehmern anteilig zustanden (Urteile des Senats vom 28. Oktober 1981 - SozR 2100 § 14 Nr 9 mwN -, vom 28. April 1982 - 12 RK 12/80 - und vom 2. Juni 1982 - SozR 2100 § 17 Nr 3 -). Dieses für die rechtliche Qualifizierung der Sonderzahlung wesentliche Merkmal würde seinen Sinn verlieren, wenn es, wie das LSG meint, bei tatsächlicher Fortsetzung der Beschäftigung allein auf die Auszahlung der Sonderzahlung ankäme. Dann wären nämlich alle ausgezahlten Sonderzahlungen (sofern sie nur dem Arbeitsentgelt zuzurechnen wären) auf das jeweilige Kalenderjahr zu verteilen gewesen.
Der Senat hält deshalb auch für diesen noch die Zeit vor dem 1. Januar 1984 betreffenden Fall an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Er kann jedoch in der Sache nicht abschließend entscheiden. Den Tatsachenfeststellungen des LSG läßt sich nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob bereits im maßgeblichen Zeitpunkt (bei Fälligkeit der für das Jahr 1977 gezahlten Tantiemen) eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1) und 2) bestanden hatte, wonach für das Kalenderjahr der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein anteiliger Anspruch auf die Tantiemen ausgeschlossen war. Zur Beweiskraft der vom Kläger vorgelegten schriftlichen Vereinbarungen, die, wie er selbst eingeräumt hat (Schriftsatz vom 2. November 1982 in der Akte S 9 Kr 1/82 des SG Lüneburg), keine zu den in ihnen enthaltenen Daten ausgefertigten Originale sind, hat sich das LSG von seinem rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu äußern brauchen; insbesondere hat es nicht darauf einzugehen brauchen, daß diese Schriftstücke erst im Oktober 1982 vorgelegt wurden, kurz nachdem ein Bevollmächtigter des Klägers durch Einsicht in die Akte des SG Kenntnis von dem Urteil des Senats vom 28. April 1982 - 12 RK 12/80 - erlangt hatte (vgl Blätter 11 und 15 ff der SG-Akte S 9 Kr 1/82). Das Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren und auch vor dem SG und dem LSG hatte bis dahin nichts enthalten, was auf eine Anteilsregelung hätte schließen lassen können. Das LSG, das aufgrund seiner vom Senat abweichenden Rechtsauffassung diesen Widersprüchlichkeiten nicht nachzugehen brauchte, wird die zu ihrer Klärung notwendigen Feststellungen nunmehr nachzuholen und sodann erneut zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen